TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/3 L508 2107262-2

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Veröffentlicht am 03.01.2018
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Entscheidungsdatum

03.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §6
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L508 2107262-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Jordanien, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend BF) ein Staatsangehörige von Jordanien, der arabischen bzw. palästinensischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, reiste gemeinsam mit einem Teil seiner Familie illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 08.07.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zum Zeitpunkt der Antragstellung war der Beschwerdeführer noch minderjährig.

Am 10.07.2014 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers sowie seiner Mutter und seines Stiefvaters statt. Auf die Frage, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen hätten (Fluchtgrund), gaben die Mutter und der Stiefvater des Beschwerdeführers im Wesentlichen übereinstimmend an, dass die Palästinenser, vor allem die Frauen, in Libyen erniedrigt, regelmäßig beschimpft und teilweise auch vergewaltigt werden würden. Der Stiefvater sei zuletzt von einem Kunden entführt und misshandelt worden. Man habe ihnen gedroht, als Palästinenser ruhig zu sein. Ihr Sohn sei seit der Revolution in Syrien nicht mehr zur Schule gegangen, da er immer erniedrigt worden sei. Aus diesen Gründen hätten sie Libyen verlassen.

Der Beschwerdeführer schilderte auf die gleiche Frage, dass das libysche Volk keinen Respekt vor den Palästinensern habe. In der Schule sei er regelmäßig geschlagen und beschimpft worden. Sogar der Lehrer habe ihn geschlagen und seine Prüfungen sehr negativ bewertet. Dadurch hätte er in Libyen keine Zukunftsperspektiven.

Auf die Frage, was sie im Fall der Rückkehr in ihre Heimat befürchte, erwiderte die Mutter des Beschwerdeführers, dass sie befürchte, ein Leben in Angst und Demut zu führen. Sie würde eher sterben als dorthin zurückzukehren. Der Stiefvater gab dazu an, dass er Angst vor einem dortigen Leben hätte, weil es dort keine Sicherheit gebe und jeder Waffen tragen würde. Er und seine Familie würden auch nicht mehr erniedrigt werden wollen.

Der Beschwerdeführer führte aus, dass es für ihn und seine Familie in Libyen keine Zukunft gebe.

Am 23.07.2014 fand vor einem Organ der Bundespolizei die niederschriftliche Erstbefragung einer weiteren beschwerdeführenden Schwester des BF (L508 2130432) statt. Auf die Frage, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe (Fluchtgrund), gab sie zu Protokoll, dass in Syrien Krieg herrsche und sie daher keine Möglichkeit hätte, dort in Sicherheit zu leben. Ihr Vater habe dann beschlossen, nach Österreich auszuwandern.

2. Mit Schreiben vom 19.08.2014 wurde der leibliche Vater des Beschwerdeführers und der weiteren beschwerdeführenden Schwester (L508 2130432) bzw. ehemalige Gatte der Mutter des Beschwerdeführers (L504 2120994) in Vorbereitung der zu bearbeitenden Asylanträge ersucht, binnen einer Frist von drei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens sämtliche in seinem Besitz befindlichen Beweismittel sowie identitätsbezeugende Dokumente im Original vorzulegen.

3. Am 23.10.2014 wurden der Beschwerdeführer, seine Mutter und sein Stiefvater vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), RD NÖ, im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen.

Auf Befragung zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates (Fluchtgründe) brachte die Mutter des BF zunächst vor, bislang nicht genau die Wahrheit gesagt zu haben, weil sie bedroht worden sei und dies alles wegen ihrer Kinder verheimlicht hätte. Sie sei mit ihren Kindern, ihrem Ex-Mann (L504 2120994) und ihrem Gatten von Libyen nach Italien gekommen. Sie sei aus Libyen mit ihrer Familie geflüchtet, weil ihre Tochter XXXX (L508 2120646) in Tripolis von den Libyern vergewaltigt worden sei.

Aus Angst, ihr Ex-Mann komme hier her und verrate sie, hätte sie angeführt, Palästinenserin aus Syrien zu sein und hätte sie deshalb ihre Kinder nicht angeführt. Fünf ihrer Kinder befänden sich bei ihrem Ex-Mann hier in Österreich. XXXX sei verheiratet und lebe in Jordanien.

Sie sei in Jordanien geboren und im Alter von zwei Jahren mit ihrer Familie für zehn Jahre nach Syrien gezogen. Nach ihrer Rückkehr nach Jordanien im Jahr 1977 hätte sie erstmals geheiratet. 1994 sei sie mit ihrem zweiten Mann - ihrem Ex-Mann - nach Libyen gegangen und dort bis 2007 verblieben. Am 14.12.2008 sei ihre zweite Ehe geschieden worden. Ihr Ex-Mann habe sie nicht in Ruhe gelassen und bedroht. Dieser habe die Kinder zu sich nehmen wollen und keinen Unterhalt bezahlt. Im Jahre 2009 hätte sie ihren jetzigen Mann geheiratet. Durch den Druck ihres Ex-Mannes hätte sie es in Jordanien nicht mehr ausgehalten und sei mit ihrem Mann im Jahre 2010 nach Libyen gezogen. Im Jahre 2012 sei sie für die Dauer von 40 Tagen wegen ihrer Tochter nach Jordanien zurückgekehrt. Ihre Tochter XXXX habe sie angerufen und erzählt, dass sie von ihrem Vater sexuell belästigt worden sei. Nach diesen 40 Tagen hätte sie Jordanien das letzte Mal am 13.07.2012 verlassen und sei nach Libyen zurückgekehrt.

In Jordanien hätte sie ihren Ex-Mann wegen sexueller Belästigung ihrer Tochter angezeigt. Dieser sei im Juni 2012 festgenommen worden, in U-Haft gewesen, gegen Kaution freigekommen und geflüchtet. Etwa um den 25.07.2012 sei er nach Libyen gekommen.

Sie sei wegen ihrer Kinder nach Europa gekommen, weil Kinder in den arabischen Ländern keinen Schutz hätten.

Da ihr Ex-Mann ihre Tochter sexuell belästigt habe, habe sie mit diesem nicht mehr zusammenleben können. Dies habe zur Scheidung geführt. Sie sei von diesem belästigt und nicht mehr in Ruhe gelassen worden, nachdem sie ihren letzten Mann geheiratet hätte. Sie seien von ihm bedroht worden, weshalb sie mit ihrem nunmehrigen Mann nach Libyen gereist sei.

Ca. zwei Monate nach ihrer Eheschließung hätten diese Belästigungen begonnen. Der Bruder ihres Ex-Mannes sei Taxifahrer und habe sie und ihren Mann durch Losfahren auf ihre Personen erschreckt. Ihre Kinder, die bei ihm gelebt hätten, seien auch oft vor ihm geflüchtet.

Bei einer Rückkehr nach Jordanien würde ihre Tochter wegen der Anzeige von ihrem Onkel und Cousin die Kehle durchgeschnitten bekommen.

Der Stiefvater des Beschwerdeführers gab zunächst zu Protokoll, dass er einige Angaben verheimlicht hätte. Bei ihm handle es sich um einen Palästinenser aus Jordanien. Er würde einen jordanischen Reisepass mit Nationalnummer besitzen und sei jordanischer Staatsbürger. Des Weiteren sei der Beschwerdeführer nicht sein leiblicher Sohn, sondern sein Stiefsohn. Er habe dies wegen des Ex-Gatten der BF1, welcher mit ihnen in Italien gewesen sei, nicht angegeben. Dieser habe ihnen Probleme bereitet.

Er habe in der Erstbefragung in Bezug auf den Beschwerdeführer falsche Angaben getätigt, weil dieser von seinem Vater in Italien allein gelassen worden sei und es im Interesse seiner Gattin gewesen sei, dass sein Stiefsohn auch bei ihnen bleiben könne. Was die falschen Angaben bezüglich der Staatsangehörigkeit betrifft, so habe er nicht gewollt, dass ihnen der Ex-Gatte seiner Frau in Österreich Probleme macht. Er wolle nun die Wahrheit sagen. Die in der Erstbefragung angegebenen Fluchtgründe seien teils richtig und teils nicht richtig.

Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen aus, dass er zunächst verheimlicht hätte, Brüder zu haben. Ferner hätte er gesagt, dass er Palästinenser aus Syrien sei, er sei aber jordanischer Staatsangehöriger.

Er sei in Libyen geboren, aufgewachsen und habe dort für zwei Jahre die Schule besucht. Dann seien sie alle nach Jordanien gereist, wo er bis zu seinem elften Lebensjahr die Schule besucht habe. Dann hätte er für zwei Jahre in einem Kaffeehaus gearbeitet. In seinem 15. Lebensjahr - nach der Scheidung seiner Mutter - sei er wieder nach Libyen zurückgekehrt.

Nach der Scheidung seiner Eltern hätte er bei einem Onkel gelebt, weil sein Vater aufgrund der Anzeige seiner Mutter verhaftet worden sei. Nach der Freilassung gegen Kaution sei sein Vater geflüchtet.

Die Scheidung sei wegen der sexuellen Belästigung seiner Schwester durch seinen Vater erfolgt. Nach einer neuerlichen Eheschließung seiner Mutter, habe sein Vater seine Mutter bedroht.

Sein Vater habe ihn sehr schlecht behandelt. Dieser habe ihn die Schule nicht besuchen lassen. Auch sein Hobby Zeichnen habe ihm dieser nicht erlaubt. Sein Vater habe ihn nicht nur geschlagen, sondern heftig geschlagen. Das letzte Mal sei einige Tage vor der Ausreise aus Libyen gewesen.

Im Übrigen brachte die Mutter des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem Bundesamt am 23.10.2014 einen jordanischen Reisepass im Original, ein jordanisches Familienbuch in Kopie, eine UNRWA-Registrierung im Original aus dem Jahr 1997, einen libyschen Führerschein und eine Registrierungskarte aus Libyen in Vorlage. Dem Beschwerdeführer wurden die aktuellen Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat Jordanien unter Einräumung einer einwöchigen Stellungnahmefrist ausgehändigt.

4. Mit Bescheid des BFA vom 13.04.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Jordanien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt.

5. Gegen diesen Bescheide erhoben der BF fristgerecht mit Schriftsatz vom 05.05.2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und stellten einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

5.1. Zunächst wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid des BFA zur Gänze beheben und gem. § 3 AsylG Asyl gewähren; bzw. gem. § 8 AsylG subsidiären Schutz erteilen; bzw. die Rückkehrentscheidung für unzulässig erklären und gem. §§ 55 oder 57 AsylG einen Aufenthaltstitel erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit hinsichtlich des Spruchpunktes I., II. und III. beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverweisen; eine mündliche Verhandlung gem. § 24 Abs. 1 VwGVG durchführen.

5.2. Sodann wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer, seine Mutter und sein Stiefvater entgegen der Ansicht des Bundesamtes die Voraussetzungen für die Asylgewährung erfüllen, da ihnen in Jordanien Verfolgung iSd GFK drohe. Dagegen richte sich die eingebrachte Beschwerde. In einer nachfolgenden Beschwerdeergänzung würde man das vom BFA vorgeworfene gesteigerte Vorbringen entkräften, indem sie Beweise zu ihrem Fluchtvorbringen vorlegen werden, die mangelnde Ermittlungspflicht näher ausführen sowie alle von der Behörde vorgeworfenen Widersprüche aufklären.

5.3. Auch im Asylverfahren würden die AVG-Prinzipien des Grundsatzes der amtswegigen Erforschung des maßgebenden Sachverhalts und der Wahrung des Parteiengehörs gelten (§ 37 AVG), wobei das Ermittlungsverfahren in § 18 AsylG weiter konkretisiert worden sei.

6. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.06.2016 wurde in Erledigung der Beschwerde vom 05.05.2015 der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Dies im wesentlichen mit der Begründung eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens.

7. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 12.10.2016, rechtskräftig seit 12.10.2016, wurde der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung nach § 12, 2. Fall und § 83 Abs. 1 StGB und wegen Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 1. und 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt unter einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 16.11.2016, rechtskräftig seit 21.11.2016, wurde der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB gem. §§ 31 und 40 StGB zu einer Zusatzstrafe von zwei Monaten, bedingt unter einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 22.11.2016, rechtskräftig seit 22.11.2016, wurde der Beschwerdeführer wegen Raubes nach § 142 Abs. 1, 1. Fall StGB, wegen Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB und wegen Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB gem. §§ 31 und 40 StGB zu einer Zusatzstrafe von fünf Monaten verurteilt.

8. Laut Bericht der Landespolizeidirektion Salzburg vom 25.02.2017 werde zum Ersuchen vom 18.11.2016 um Überprüfung der Identität von

XXXX [Vater des Beschwerdeführers], geboren am XXXX in Israel, jordanischer Staatsbürger, jordanische Nationalnummer XXXX , berichtet, dass im Zuge eines internationalen polizeilichen Informationsaustausches mit den zuständigen Behörden Jordaniens die Identität aufgrund der übereinstimmenden Personaldaten, des Familienbuches und der Nationalnummer festgestellt werden habe können. Dieser sei im Jahr 2012 von seiner damaligen Ehefrau wegen sexueller Belästigung bei der "Family Protection Unit" in Jordanien angezeigt worden. Laut Auskunft der jordanischen Behörden sei die Anzeige aufgrund des Erhebungsergebnisses nicht an das zuständige Gericht weitergeleitet worden.

9. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.03.2017 wurden dem Beschwerdeführer die aktualisierten länderkundlichen Informationen zur Lage in Jordanien, Stand 03.05.2016, und die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation des BFA zu Gewalt gegen Kinder und zum Familienbuch zur Kenntnis gebracht.

10. Im Zuge einer Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme vom 24.03.2017 führte der Beschwerdeführer in einem Schreiben vom 06.04.2017 unter anderem aus, dass sein leiblicher Vater seine Schwester (L508 2120646) sexuell belästigt und seine Mutter deshalb eine Anzeige getätigt habe. Da sein Vater nach Libyen geflüchtet sei, habe dieser in Jordanien nicht rechtlich belangt werden können. Außerdem seien damals Beweise gefordert worden und die ganze Sache nicht weiter verfolgt worden.

Seine derzeitige Lebensgefährtin habe er vor ca. eineinhalb Jahren kennengelernt. Er habe mit dieser Frau auch einen gemeinsamen Sohn, der am XXXX geboren worden sei. Sein Bruder habe in XXXX über das Magistrat eine Wohnung erhalten. In dieser Wohnung würden seine Freundin und sein Sohn leben.

Nach seiner Entlassung wolle er wieder nach XXXX , da er dort einen Wohnplatz in Aussicht hätte. Seine Lebensgefährtin werde jedoch in XXXX bleiben müssen, da diese nun in der Wohnung in XXXX lebe und bezüglich Unterstützung bereits mit verschiedenen Behörden vernetzt sei. Er würde sie jedoch oft besuchen und später versuchen zu ihr zu ziehen. Er würde sich auch um eine Arbeit bemühen.

11. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Jordanien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 55, 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Jordanien gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

12. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und der Beschwerdeführer gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

13. Mit Schriftsatz vom 09.05.2017 erhob die bevollmächtigte Rechtsberatungsorganisation des Beschwerdeführers die vorliegenden, fristgerecht erhobenen und zulässigen Beschwerden. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerden wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

13.1. Zunächst wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

* die angefochtene Entscheidung zur Gänze beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten gewähren;

* in eventu dem BF3 den Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG in Bezug auf Jordanien gewähren und den Spruchpunkt III. aufheben;

* in eventu dem BF3 den Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" von Amts wegen erteilen;

* in eventu feststellen, dass eine erlassene Rückkehrentscheidung gem. § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig sei und daher feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung/ plus gem. § 55 Abs. 1 AsylG vorliegen würden und ihm daher gem. § 58 Abs. 2 AsylG ein Aufenthaltstitel gem. § 55 AsylG von Amts wegen zu erteilen sei;

* in eventu den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit zur Gänze beheben und zur Durchführung eines erneuten Verfahrens und Erlassung eines Bescheides gem. § 28 Abs. 3 und/ oder 4 VwGVG an das BFA zurückverweisen und

* jedenfalls eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen.

13.3.1. In der Folge wurde moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien.

13.3.2. Der BF habe vorgebracht, dass er von seinem Vater mit elf Jahren am Schulbesuch gehindert worden sei und stattdessen in einem Kaffeehaus arbeiten habe müssen. Nach der Scheidung seiner Eltern habe der BF für kurze Zeit bei seinem Onkel väterlicherseits gelebt und dort ebenfalls die Schule nicht besuchen dürfen. Er habe dort stark gelitten. Außerdem habe der BF angegeben, dass sein Vater die Schwester des BF sexuell belästigt habe.

13.3.3. Obwohl der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts die Begründung des BFA hinsichtlich der festgestellten Unglaubwürdigkeit als Mangel ansehe, bringe das BFA im neuerlich erlassenen Bescheid vom 26.04.2017 wieder die Unglaubwürdigkeit wegen der divergierenden Angaben der unterschiedlichen Familienmitglieder als Begründung in der Beweiswürdigung.

Des Weiteren habe das BFA keine neue Einvernahme mit dem BF3 durchgeführt, sondern diesem lediglich eine 14tägige Frist zur Stellungnahme zu den Ergebnissen der Beweisaufnahme gegeben.

13.3.4. Hätte das BFA seine von § 18 AsylG determinierten Ermittlungspflichten erfüllt, müsste es zum Ergebnis kommen, dass der BF aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe Opfer häuslicher Gewaltverbrechen einer asylrelevanten Verfolgung iSd GFK ausgesetzt sei. Weder für den BF, noch seine Mutter und Geschwister bestehe ein effektiver und tatsächlicher Schutz vor der geltend gemachten Verfolgung. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht.

13.3.5. Die vom BFA verwendeten Quellen für die Staatendokumentation seien zum Teil nicht mehr aktuell und unausgewogen und zur Beurteilung der tatsächlichen Situation nicht ausreichend.

13.3.6. Im Falle einer Rückkehr nach Jordanien wäre das Leben und die körperliche Unversehrtheit des BF gefährdet und außerdem würde er in eine existentielle Notlage geraten. Der BF habe einen Großteil seines Lebens nicht in Jordanien verbracht und könnte aufgrund seiner mangelhaften Schulbildung und der verschärften Situation am jordanischen Arbeitsmarkt nicht für seinen Lebensunterhalt sorgen. Wie das BFA auf die Idee komme, er könnte bei seiner Familie wohnen und Unterstützung erhalten, sei nicht nachvollziehbar und auch nicht durch eine neue Einvernahme geklärt worden.

13.3.7. Das BFA habe keine Ausführungen gemacht, wieso beim BF die Voraussetzungen für die Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht vorliegen. Aufgrund der unterbliebenen neuerlichen Einvernahme des BF habe dieser keine Möglichkeit gehabt, wesentliche Ausführungen zum gewalttätigen Vater vorzubringen.

13.3.8. Der BF spreche schon etwas Deutsch und sei Vater eines am 09./10.02.2017 geborenen Kindes.

14. Laut Meldung der Landespolizeidirektion OÖ vom 18.08.2017 stehe der BF im Verdacht, seine Ex-Lebensgefährtin sowie deren Cousin im Linzer Volksgarten, via Telefon mit den Worten "Wenn er die Hände vom Kinderwagen bzw. von meinem Kind nicht wegnimmt dann mach ich euch kaputt" gefährlich bedroht zu haben. Angemerkt werde, dass es bereits am 29.05.2017 gegen 14.00 Uhr durch den BF3 gegenüber seiner Ex-Lebensgefährtin in deren Wohnung im Zuge eines Streites zu Handgreiflichkeiten gekommen sei. Aus diesem Grunde sei gegen den BF3 ein Betretungsverbot für die Wohnung ausgesprochen worden.

15. Aufgrund aktuellerer Länderfeststellungen zu Jordanien wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts mit Schreiben vom 04.10.2017 gem. § 45 (3) AVG Beweis erhoben, dh. den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme zugestellt und ihnen die Möglichkeit zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens eingeräumt; somit wurde insbesondere aufgrund der vorliegenden aktuelleren Feststellungen zu Jordanien (zu den Anforderungen an die Aktualität einer Quelle vgl. etwa Erk. d. VwGHs. vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0287 und sinngemäß - im Zusammenhang mit Entscheidungen nach § 4 AsylG 1997 - das E. vom 11. November 1998, 98/01/0284, bzw. auch E. vom 7. Juni 2000, Zl. 99/01/0210) bestätigt, dass die Feststellungen des BFA nach wie vor gültig sind (zur Zulässigkeit dieser Vorgangsweise in diesem speziellen Fall einer sonst schlüssigen und umfassenden Beweiswürdigung des Bundesasylamtes siehe Erkenntnis des VwGH vom 17.10.2006, Zahl: 2005/20/0459-5, ebenso Beschluss des VwGH v. 20.6.2008, Zahl 2008/01/0286-6; vgl. auch Erk d. VfGH v. 10.12.2008,

U 80/08-15, wo der unterlassene schriftliche Vorhalt an den BF nach dem Verstreichen eines mehrjährigen Zeitraumes seit der Einbringung eines Rechtsmittels gegen den angefochtenen Bescheid in Bezug auf die aktuelle asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat und die Einräumung der Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen [neben dem zusätzlichen Unterlassen der Durchführung einer Verhandlung] ausdrücklich als Akt der behördlichen Willkür bezeichnet wurde und hieraus e contrario ableitbar ist, dass aus der Sicht des VfGH die Durchführung einer schriftlichen Beweisaufnahme gem. § 45 AVG im hier erörterten Umfang einen tauglichen Ermittlungsschritt darstellen kann, welcher das erkennende Gericht von der Verpflichtung zur Durchführung einer Verhandlung in gewissen Fällen befreien kann. Ein solcher Fall liegt hier vor.)

Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer, binnen selbiger Frist, um Bekanntgabe ersucht, ob sich hinsichtlich seines Privat- oder Familienlebens in Österreich, seit Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides Änderungen ergeben haben bzw. aufgefordert seine derzeitige Lebenssituation in Österreich schriftlich darzustellen und gegebenenfalls durch geeignete Bescheinigungsmittel zu belegen. Des Weiteren wurden der BF ersucht darzulegen, wie sich das persönliche Verhältnis zu seinem leiblichen Vater in Österreich darstellt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ließ diese Frist zur Stellungnahme ungenützt verstreichen.

16. Im Rahmen einer Stellungnahme vom 18.10.2017 wurde seitens der Mutter und der zwei minderjährigen Geschwister des BF und einer weiteren beschwerdeführenden Schwester (L508 2130432) ausgeführt, dass seit Monaten kein Kontakt zum Ex-Gatten bzw. Vater bestehe. Die beschwerdeführende Schwester des BF (L508 2130432) habe einen Jungen zur Welt gebracht. Der Kindesvater sei ein Asylberechtigter. Am 16.10.2017 sei für das Baby ein schriftlicher Antrag auf internationalen Schutz beim BFA eingebracht worden.

Hinsichtlich der übermittelten Länderberichte werde auf die Beschwerde vom 19.05.2017 verwiesen.

Der Beschwerdeführer selbst brachte keine Stellungnahme ein und wurden in der Beschwerdeschrift auch keine Ausführungen bezugnehmend auf seine Person getätigt.

16. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in die Verwaltungsakte des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer, des jeweiligen Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen die Bescheide des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

1.4. Familienverfahren

§ 34 AsylG 2005 lautet:

"(1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."

Gemäß § 2 Absatz 1 Z 22 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren zwischen dem zum Zeitpunkt der Asylantragstellung noch minderjährigen Beschwerdeführer und seiner Mutter (L508 2107264) vor. Die Beschwerde der Mutter wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Die Rückkehrentscheidung wurde wegen der Erkrankung und notwendigen Operation ihres Ehegatten bis zum 30.04.2018 vorübergehend für unzulässig erklärt. Der Beschwerdeführer ist mittlerweile erwachsen und führt mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinen minderjährigen Geschwistern kein gemeinsames Familienleben, weswegen der Ausspruch über die vorübergehende Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für ihn nicht zum Tragen kommt. Was den Vater des Beschwerdeführers betrifft, so ist auch bezüglich dieser Person auf die nachfolgenden Ausführungen hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Familienlebens hinzuweisen.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer, der bekämpften Bescheide, der Beschwerdeschriftsätze und des ergänzenden Ermittlungsverfahrens.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführes und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Jordanien und Angehöriger der arabischen bzw. palästinensischen Volksgruppe und sunnitischen Glaubens.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angegebenen Datum geboren.

Ein konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates Jordanien konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist oder dass sonstige Gründe vorliegen, die einer Rückkehr in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Es konnten im konkreten Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefen, in Jordanien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Jordanien in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würden.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer lebte vor seiner Ausreise nach Europa zuletzt in Libyen. Außer längeren Aufenthalten in Libyen war der Beschwerdeführer zumindest auch vorübergehend in Jordanien wohnhaft. Der BF besuchten jeweils mehrere Jahre eine Grundschule. Der BF war als Automechaniker und in einem Kaffeehaus beruflich tätig. Der Beschwerdeführer reiste in der Folge im Juli 2014 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Tanten und Onkeln des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Jordanien.

In Österreich befinden sich der Vater des Beschwerdeführers, ein volljähriger Bruder und zwei volljährige Schwestern (L508 2120646 und L508 2130432). Ferner befinden sich die Mutter, der Stiefvater, eine minderjährige Schwester und ein minderjähriger Bruder in Österreich. Der Vater der BF befindet sich noch in einem laufenden Asylverfahren. Die Beschwerde der Mutter, des Stiefvaters und der zwei minderjährigen Geschwister des BF gegen die Entscheidung des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag in allen Spruchpunkten abgewiesen; festgestellt wurde, dass die Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG bis zum 30.04.2018 vorübergehend unzulässig sei; dies mit der Begründung des bevorstehenden operativen Eingriffs hinsichtlich des Stiefvaters des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer ist mittlerweile erwachsen und führt mit seiner Mutter, seinem Stiefvater und seinen minderjährigen Geschwistern kein gemeinsames Familienleben, weswegen der Ausspruch über die vorübergehende Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung für ihn nicht zum Tragen kommt.

Die Beschwerde eines volljährigen Bruders (L508 2122680) und einer volljährigen Schwester (L508 2120646) gegen die Entscheidung des BFA wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag in allen Spruchpunkten abgewiesen. Bezüglich der - zuvor angeführten – zweiten volljährigen Schwester (L508 2130432) wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom heutigen Tag die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-Verfahrensgesetz auf Dauer für unzulässig erklärt.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich einen minderjährigen Sohn mit einer hier aufhältigen rumänischen Ex-Lebensgefährtin.

Der BF besuchte einen Deutschkurs und verfügt die Beschwerdeführer über normale soziale Kontakte. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. Der Beschwerdeführer befinden sich in der Grundversorgung und lebt von staatlicher Unterstützung, wobei sich der BF zwischenzeitlich auch in Strafhaft befindet. Unterstützungserklärungen wurden keine in Vorlage gebracht. Ansonsten konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Jordanien festzustellen ist.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 12.10.2016, rechtskräftig seit 12.10.2016, wurde der BF wegen Körperverletzung nach § 12, 2. Fall und § 83 Abs. 1 StGB und wegen Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 1. und 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten, davon 14 Monate bedingt unter einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 16.11.2016, rechtskräftig seit 21.11.2016, wurde der BF wegen Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB gem. §§ 31 und 40 StGB zu einer Zusatzstrafe von zwei Monaten, bedingt unter einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 22.11.2016, rechtskräftig seit 22.11.2016, wurde der BF wegen Raubes nach § 142 Abs. 1, 1. Fall StGB, wegen Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB und wegen Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB gem. §§ 31 und 40 StGB zu einer Zusatzstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Mit Strafverfügung der LPD Oberösterreich vom 02.10.2017 wurde der BF wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 2 Absatz 2 SPG mit einer Geldstrafe von 100 Euro oder einer Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen bestraft.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsland der Beschwerdeführer (Jordanien) war insbesondere festzustellen:

Zur Lage in Jordanien werden insbesondere folgende, - im Zuge der vorgenommenen Beweisaufnahme (siehe oben, Punkt I.15.) in das Verfahren eingeführte -, Länderfeststellungen dem Verfahren zugrunde gelegt:

Politische Lage

Jordanien ist eine konstitutionelle Monarchie und verfassungsmäßig als Zentralstaat mit zwölf Gouvernoraten organisiert. Diese nehmen administrative Aufgaben wahr, haben aber keine eigenen politischen Befugnisse. Staatsoberhaupt ist seit 1999 König Abdullah II. Ibn Al-Hussein (AA 9.2015).

Formal sind Exekutive, Legislative und Judikative unabhängig. Faktisch ist die Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt, da der König über weitreichende Kompetenzen verfügt. König Abdullah II. ist Staatschef, Regierungschef und Oberbefehlshaber der Armee. Der König (nicht der Premierminister) ernennt und entlässt das Kabinett, er kann das Parlament auflösen, und er kann Gesetze auf den Weg bringen oder blockieren. Im Jahr 2012 wurden die Rechte des Parlamentes insofern gestärkt, als dass nun zumindest formal das Parlament den Premierminister bestimmen soll. Außerdem wurde ein Verfassungsgericht installiert, das die Gesetzgebung überwachen soll.

In Jordanien werden theoretisch alle vier Jahre Parlaments- und Kommunalwahlen abgehalten. Ausnahmen sind die Regel. Wahlen werden häufig verschoben, bzw. kommt es immer wieder vor, dass das Parlament vom König aufgelöst wird (LIPortal 1.2016). Darüber hinaus besitzt das Wahlgesetz ernsthafte Defizite in Bezug auf Gleichheit und Proportionalität. Es gibt Probleme mit Wahlmanipulation in bestimmten Bezirken, wodurch der Einfluss der Wählerstimmen von palästinensischen Bürgern marginalisiert wird (USDOS 13.4.2016).

Bei der Parlamentswahl vom 23. Januar 2013 gewannen königstreue Kräfte rund 75 Prozent der Sitze im jordanischen Parlament. Das Wahlergebnis bedeutet eine Atempause für König Abdullah II., doch die Frage, ob das Ergebnis auch zu dauerhafter politischer Stabilität führt, bleibt offen (LIPortal 1.2016). Auch in Jordanien war es wie in der gesamten Region im Zuge des "Arabischen Frühlings" seit 2011 zu Protesten gekommen, die das jordanische Königshaus herausforderten, und die sowohl die politische als auch die wirtschaftliche Situation Jordaniens stark beeinflussten (BTI 2016).

Die Zusammensetzung des Parlaments hat sich jedoch durch die letzten Wahlen - wie von Beobachtern erwartet - nicht wesentlich verändert. Premierminister der Regierung ist Abdullah Ensour. Auffallend ist, dass trotz des Wahl-Boykotts der Islamischen Aktionsfront [IAF – gegründet von der oppositionellen Muslimbruderschaft], der die Reformen nicht weit genug gingen, insgesamt 37 regierungskritische Kandidaten den Einzug ins Parlament schafften. Davon waren rund zwei Dutzend Islamisten, die teils unabhängig, teils über die Listen moderater religiöser Parteien angetreten waren.

Aufgrund der Machtfülle des Königs sind die Einflussmöglichkeiten des Parlaments begrenzt. Da der König das Ministerkabinett häufig umbildet, entspricht die parteipolitische Ausrichtung des Kabinetts nur selten der aktuellen Zusammensetzung des Parlaments. Aus Sicht der Herrschenden sind die Wahlen nicht viel mehr als ein Barometer für die politische Stimmung im Land. Die Säulen der politischen Macht sind in Jordanien der König, das Königshaus, der Geheimdienst und die Armee (LIPortal 1.2016). Während linke und säkulare Oppositionsgruppen in Jordanien jahrzehntelang unterdrückt wurden, konnten islamistische Kräfte sich relativ unbehelligt in den Moscheen entfalten. Das hat dazu geführt, dass die einzig nennenswerten Oppositionskräfte in Jordanien heute durchwegs Islamisten sind, wobei die ideologische und strategische Ausrichtung stark variiert. Die Mehrheit der in Jordanien ansässigen Islamisten befürwortet eine gewaltlose Islamisierung der Gesellschaft. Nur eine winzige Minderheit strebt eine islamische Republik nach dem Vorbild der Taliban an. (LIPortal 1.2016). Jordanien unterhält traditionell sehr enge Beziehungen zu den USA. Im Zug der Irakkriege und vor allem aufgrund der jüngsten Entwicklungen in Syrien hat sich diese Tendenz verstärkt (LIPortal 1.2016). Jordanien ist Teil der US-geführten Luftallianz gegen den IS ("Islamischen Staat") und reagierte auf die Verbrennung eines jordanischen Kampfpiloten Anfang Jänner 2016 durch den IS mit einer erhöhten Schlagzahl seiner Angriffe. Wie alle Länder der Region (und nicht nur der Region) hat auch Jordanien das Problem, dass Teile der Bevölkerung für die jihadistischen Ideen ansprechbar sind. In den Reihen des IS kämpfen auch Jordanier. Jordaniens Machthaber sind bemüht, die islamistische Opposition im Königreich politisch klein zu halten. Dies wird einerseits von vielen Jordaniern befürwortet (Standard 18.11.2015), andererseits verursacht das Vorgehen gegen die Opposition wiederum eine Verschärfung der Fronten - wie z.B. die Schließung der Zentrale der jordanischen Muslimbruderschaft in der Hauptstadt Amman durch Sicherheitskräfte. Die Muslimbruderschaft fordert demokratische Reformen in Jordanien, greift die Monarchie aber nicht an. Die Behörden gaben der Bruderschaft keine Begründung für ihren Schritt. Die Bruderschaft arbeitet seit Jahrzehnten legal in Jordanien und genießt ansehnliche Unterstützung in der Bevölkerung. Ihr politischer Arm, die Islamische Aktionsfront, ist die größte Oppositionspartei Jordaniens. Sie wird vor allem von den Palästinensern unterstützt (Euronews 13.4.2016), die zwar über die Hälfte der jordanischen Bevölkerung ausmachen (LIPortal 2.2016), jedoch in Führungspositionen Jordaniens stark unterrepräsentiert sind (Euronews 13.4.2016).

Die in Jordanien herrschende Wirtschafts-/ Finanz- und Energiekriese macht enorme Einsparungen notwendig, die wiederum für innenpolitischen Zündstoff sorgen. Premierminister Ensour setzte im November 2012 die Reduzierung von staatlichen Subventionen für Brennstoffe durch, trotz mehrtägiger landesweiter und teilweise gewalttätiger Proteste. Weitere Sparmaßnahmen sind angekündigt. Jordanien kommt zunehmend in Gefahr, in Insolvenz zu geraten und ist stark von Auslandshilfe abhängig. Zunehmend belastet wird der Staatshaushalt auch durch den Flüchtlingsstrom aus Syrien, der eine enorme Belastung für das soziales Gefüge und die Infrastruktur – einschließlich Gesundheits- und Bildungssystem, darstellt (CE 17.3.2016, vgl. AA 9.2015, AA 7.2014, BBC 2.4.2013). Der Flüchtlingsstrom aus Syrien und Irak strapaziert die im kleinen Land Jordanien ohnehin bereits knappen Ressourcen in jeder Hinsicht (BTI 2016). Die Zahl der syrischen Flüchtlinge (Stand November 2015) wird von der jordanischen Regierung mit 1,4 Millionen – nicht alle davon sind beim UNHCR registriert - [bei einer Bevölkerungszahl von knapp 7 Mio.] angegeben (Standard 18.11.2016). (Es gibt derzeit etwa 640.000 beim UNHCR registrierte syrische Flüchtlinge (UNHHC 19.4.2016)). Nur etwa 20 Prozent davon leben laut dem UNO-Flüchtlingswerk in Lagern, der Rest syrischen Flüchtlinge "lastet" direkt auf den Gemeinden. Die Bevölkerung fühlt sich von der enormen Zahl der Flüchtlinge überfordert (Standard 18.11.2016).

Trotz der volatilen Umgebung schafft es der Staat, zu vermeiden, in gewaltsame Konflikte mit regionalen oder heimischen Akteuren hineingezogen zu werden (BTI 2016) (mit kleinen Ausnahmen – s. Abschnitt "Sicherheitslage").

Quellen:

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AA – Auswärtiges Amt (7.2014): Jordanien – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Jordanien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 1.12.2014

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AA – Auswärtiges Amt (9.2015): Jordanien – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Jordanien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.4.2016

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BBC News (2.4.2013): Jordan profile - leaders, http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-14636308; Zugriff am 1.12.2014

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BTI - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 – Jordan Country Report,

http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Jordan.pdf, Zugriff 18.4.2016

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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