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L92107 Behindertenhilfe Pflegegeld Rehabilitation Tirol;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der J in I, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 21. April 1997, Zl. Va-999-11.158/3-1997, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Gewährung eines Pflegegeldes nach dem Tiroler Pflegegeldgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung eines Pflegegeldes nach dem Tiroler Pflegegeldgesetz "mangels Zuständigkeit zurückgewiesen". Begründet wurde dies unter Hinweis auf OGH 5. November 1996, 10 ObS 2189/96a, damit, dass auch für Personen, die vom Bundespflegegeldgesetz nur "bedingt" erfasst seien, die "Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers" gegeben sei. Für landesgesetzliche Pflegegeldregelungen hinsichtlich solcher Personen - denen die Beschwerdeführerin aus näher bezeichneten Gründen zuzurechnen sei - bestehe kein "Spielraum". Der Umstand, dass der Bund von seiner in Bezug auf solche Personen gegebenen Kompetenz noch nicht Gebrauch gemacht habe, vermöge "keine Landeszuständigkeit zu begründen".
In ihrer Beschwerde gegen diesen Bescheid vertritt die Beschwerdeführerin die Ansicht, sie könne aus näher bezeichneten Gründen nicht in den nach dem Bundespflegegeldgesetz anspruchsberechtigten Personenkreis einbezogen werden. Daraus folge zwangsläufig, dass sie einen Anspruch auf Landespflegegeld habe.
Nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde teilte diese mit Schreiben vom 14. April 1998 mit, inzwischen sei hervorgekommen, dass schon wegen des Bezuges einer deutschen Witwenrente durch die Beschwerdeführerin die "Zuständigkeit des Bundes" gegeben sei. Eine "Zuständigkeit der belangten Behörde zur Gewährung eines Landespflegegeldes" könne deshalb "niemals eintreten", weshalb "das verwaltungsgerichtliche Verfahren gegenstandslos und somit einzustellen" sei.
Nach einem mit dieser Mitteilung in Kopie vorgelegten Schreiben der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten vom 25. März 1998 hatte die Beschwerdeführerin bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten am 14. November 1997 einen Antrag auf Pflegegeld gestellt, der zum Zeitpunkt der Verfassung dieses Schreibens noch in Bearbeitung war.
Von der Möglichkeit, zum Schreiben der belangten Behörde vom 14. April 1998 Stellung zu nehmen, machte die Beschwerdeführerin nicht Gebrauch.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Aus den vorgelegten Akten geht hervor, dass die Beschwerdeführerin ihre Rechtsansicht, "die Zuständigkeit des Landes zur Gewährung des Pflegegeldes" sei gegeben, nach Erlassung des angefochtenen Bescheides zunächst auch in einer am 14. Mai 1997 beim Landesgericht Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht eingebrachten Klage geltend gemacht hat. In dem in den Akten hiezu noch enthaltenen Entwurf einer Klagebeantwortung wird - ebenso wie in der Gegenschrift der belangten Behörde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - darauf hingewiesen, dass es sich bei der Zurückweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Antrages mangels Zuständigkeit um einen verfahrensrechtlichen Bescheid handle, der im vorliegenden Fall nicht mit Klage, sondern mit Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bekämpfbar sei. Hierauf war die Beschwerdeführerin in Verbindung mit der Rechtsmittelbelehrung, wonach gegen den angefochtenen Bescheid kein ordentliches Rechtsmittel zulässig sei, im angefochtenen Bescheid auch hingewiesen worden.
Im vorliegenden Verfahren gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass mit dem angefochtenen Bescheid nicht über den Anspruch der Beschwerdeführerin entschieden, sondern die Zuständigkeit zu einer solchen Entscheidung verneint wurde. Teilt man diese nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zutreffende Auslegung des Bescheides, so hat dies ungeachtet der weit gefassten Formulierung des § 20 Abs. 1 Tiroler Pflegegeldgesetz zunächst die Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde zur Folge (vgl. dazu schon das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1997, Zl. 97/08/0410, und Pfeil, Bundespflegegeldgesetz, 223).
Der angefochtene Bescheid ist dann freilich rechtswidrig. Mit der verfassungsrechtlichen "Kompetenz" des Bundes hinsichtlich des in der Bescheidbegründung beschriebenen Personenkreises und dem behaupteten Fehlen einer diesbezüglichen "Landeszuständigkeit" und eines "Spielraumes" für "landesgesetzliche Pflegegeldregelungen" hinsichtlich solcher Personen lässt sich nämlich nicht begründen, dass die belangte Behörde nicht im Sinne des § 15 des Tiroler Pflegegeldgesetzes, wonach die Vollziehung dieses Gesetzes, soweit darin nichts anderes bestimmt ist, der Landesregierung obliegt, zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführerin der behauptete Anspruch auf Pflegegeld nach dem Tiroler Pflegegeldgesetz zustehe, zuständig sei. Die belangte Behörde ist vielmehr dem Fehlschluss erlegen, aus der von ihr angenommenen mangelnden Kompetenz des Landes Tirol zur gesetzlichen Einräumung eines solchen Anspruches im Tiroler Pflegegeldgesetz ergebe sich auch die Unzuständigkeit der zur Vollziehung dieses Gesetzes berufenen Behörde zur Entscheidung darüber, ob der Anspruch bestehe.
War die belangte Behörde der Ansicht, dass die Beschwerdeführerin - sei es auch auf Grund kompetenzrechtlicher Erwägungen - nicht dem Kreis der nach dem Tiroler Pflegegeldgesetz anspruchsberechtigten Personen zugehöre, so hätte sie über den Antrag, mit dem ein solcher Anspruch geltend gemacht wurde, materiell absprechen und damit auch den Weg zur Erhebung einer Leistungsklage eröffnen müssen (vgl. in diesem Zusammenhang seit dem schon im angefochtenen Bescheid zitierten Urteil etwa auch OGH 8. Juli 1997, 10 ObS 198/97h, und OGH 15. Oktober 1997, 10 ObS 192/97a).
Dadurch, dass dies nicht geschehen ist, wurde die Beschwerdeführerin, deren Parteistellung in Bezug auf den von ihr geltend gemachten Anspruch nicht zweifelhaft ist, in ihrem vom Beschwerdepunkt mitumfassten Recht auf Sachentscheidung verletzt. Das Hervorkommen weiterer Gründe dafür, dass die Beschwerdeführerin dem Kreis der nach dem Tiroler Pflegegeldgesetz anspruchsberechtigten Personen nicht zuzurechnen sei, führt in einem solchen Fall nicht zur Gegenstandslosigkeit des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Ein Wegfall des rechtlichen Interesses an einer Entscheidung über die Beschwerde ist - zumindest ohne diesbezügliche Erklärung der Beschwerdeführerin - auch nicht daraus abzuleiten, dass die Beschwerdeführerin nach dem Inhalt des vorgelegten Schreibens der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten die Gewährung von Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz beantragt hat.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Mai 2000
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997080403.X00Im RIS seit
08.05.2001