TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/4 L512 2153905-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.01.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L512 2153905-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 30.03.2017, Zl. 1100776207-160009849, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, §§ 46, 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), stellte am 04.01.2016 bei einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte der BF am selben Tag Folgendes vor:

Er sei ledig, Moslem, gehöre der Volksgruppe der Punjabi an, habe in Pakistan neun Jahre die Grundschule besucht und sei Schüler. Er sei vor einem Monat von XXXX aus zu Fuß schlepperunterstützt illegal in den Iran gereist.

Zum Fluchtgrund befragt führte der BF aus, sein Vater hätte seit ca. fünf Jahren einen Streit mit einer Gruppe aus ihrem Dorf, welche behaupten würde, dass ihr Land zur Moschee gehörte. Es habe mehrmals Auseinandersetzungen zwischen der Familie des BF und dieser Gruppe mit Körperverletzungen gegeben. Sein Vater sei 2013 verstorben, daraufhin sei der BF von der Gruppe mehrmals angegriffen, mit dem Tod bedroht und verfolgt worden. Er habe für einige Zeit in verschiedenen Städten in Pakistan gelebt, sei aber auch dort verfolgt worden. Seine Mutter habe daraufhin beschlossen, dass er das Land verlassen solle. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben. Er wolle nicht zurück [Aktenseite (AS) 1 ff.].

Vor einem Organwalter der belangten Behörde bestätigte der BF am 28.02.2017 seine bisherigen Angaben. In Bezug auf seine Fluchtgründe ergänzte der BF aus, dass neben ihrem Grundstück noch zwei Felder gewesen seien, welche zur Moschee gehörten. Um diese Nachbarfelder hätte es Streit mit einer Familie gegeben, da jene und seine Familie diese übernehmen wollten. Der Streit würde noch immer laufen. Sein Vater und der Onkel hätten bis zum Tod des Vaters diese Nachbarfelder bewirtschaftet, nun würde sie ein Onkel des BF bewirtschaften. 2007 oder 2008 sei es zu Handgreiflichkeiten und Schüssen gekommen. Einer der Gegenpartei sei angeschossen worden, wobei die Gegner gedacht hätten, dass der Vater des BF der Schütze gewesen sei. Als sein Vater noch gelebt habe, sei der Streit irgendwie beruhigt worden, nach dessen Tod seien die Gegner aggressiver geworden und hätten dem Vater den Vorfall aus 2007 oder 2008 erneut angelastet und den BF bedroht und belästigt. Zu seinem Schutz habe der Vater den BF in das Hostel geschickt. Nach dem Tod seines Vaters hätten die Gegner den BF beseitigen wollen, um auch das Land der Familie des BF zu bekommen. Der Gegner habe den BF in der Nähe des Elternhauses im Vorbeigehen öfters beschimpft und ihn zuhause ein- oder zweimal geschlagen und bedroht. Der BF habe dies anzeigen wollen; da der Gegner aber einflussreich sei, sei die Anzeige nicht eingetragen worden. Da das Grundstück auf den Namen seines Vaters laufe und der Gegner des BF aus irgendeinem Grund den BF beseitigen habe wollen, hätte der Onkel trotz der Probleme mit dem Gegner die Grundstücke bewirtschaften können. Bei einer Rückkehr fürchte er sich vor dem Gegner. In Österreich lebe ein Cousin. Der BF wohne privat und erhalte staatliche Untrstützung. Der BF gehe in einen Deutschkurs. Er habe keine Freunde (AS 91 ff.).

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde vom 30.03.2017 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.; AS 113 f.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die belangte Behörde das behauptete Lebensalter mit dem durch die zum Zwecke der Altersannäherung durchgeführte multifaktorielle Untersuchung festgestellten Mindestalter mit näherer Begründung als nicht vereinbar.

Das Fluchtvorbringen des BF erachtete die belangte Behörde als nicht glaubwürdig. So habe der BF nicht nachvollziehbar erklären können, weshalb ausgerechnet er vom Gegner verfolgt würde, sein Onkel hingegen das familieneigene und die zwei streitbegründenden Nachbargrundstücke nach wie vor bewirtschaften könne. Weiters konnte der BF das behauptete Verhalten der Familie des Gegners, fünf oder sechs Jahre nach den Schüssen Anschuldigungen gegen seinen Vater zu erheben, nicht nachvollziehbar erklären. Dieses Verhalten der Gegner würde schlichtweg unlogisch sein, da der Vater des BF den Streit zu Lebzeiten erfolgreich beigelegt und 2013 verstorben sei. Widersprüchlich seien auch die Angaben zum Aufenthalt des BF in dem Hostel, den er anfänglich mit seiner Schulausbildung begründet und angegeben habe, die Ferien im Heimatort verbracht zu haben, ohne dass von einer gefahrenbedingten, ununterbrochenen vierjährigen Abwesenheit die Rede gewesen sei. In der Folge habe der BF erklärt, der Vater habe ihn wegen der Gegner für vier Jahre dorthin geschickt und sei er erst nach dessen Ableben nachhause zurückgekehrt. Widersprüchlich seien ferner seine Angaben gewesen, wonach er einerseits bis 2012 in dem Hostel in XXXX gewohnt hätte, um dann anzuführen, erst nach dem Tod seines Vaters 2013 in seinen Heimatort zurückgekehrt zu sein.

Weitere Widersprüchlichkeiten hätten sich im Hinblick auf die Übergriffe ergeben - erstbefragt habe der BF angegeben, die Gegner würden ihn mehrmals angegriffen, bedroht und verletzt haben, niederschriftlich habe er hingegen angeführt, dass ihn XXXX ein bis zweimal geschlagen habe und dieser sonst nur geschimpft hätte. Erstbefragt habe er auch davon gesprochen, sich einige Zeit in verschiedenen Städten versteckt zu haben und auch dort weiter verfolgt worden zu sein, wohingegen in der Einvernahme nur von den vier – widersprüchlich begründeten - Jahren in XXXX , ohne dortige Verfolgung, die Rede gewesen sei. Aufgrund der dargestellten Widersprüche und Sinnwidrigkeiten würden die vorgebrachten Fluchtgründe keine Entsprechung in der Realität haben.

Der vom BF angeführte volljährige Cousin, welcher seit sechs Jahren mit italienischen Dokumenten in Österreich wohnhaft sei, sei weder im IFA-System noch im ZMR zu finden.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe in Höhe von 14 Tagen, da keine Gründe im Sinne des nach § 55 Abs 1 a FPG vorliegen würden.

I.3. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung, somit Rechtswidrigkeit des Inhalts und infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, erhoben (AS 223 ff.).

Es wurden die Anträge gestellt,

-

der Beschwerde stattzugeben und dem BF der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen;

-

in eventu dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen;

-

in eventu den angefochtenen Bescheid aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an die 1. Instanz zurückzuverweisen;

-

in eventu eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären;

-

in eventu einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen;

-

in eventu festzustellen, dass die Abschiebung nach Pakistan unzulässig ist;

-

eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

I.4. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Der Beschwerdeführer

Beim BF handelt es sich um einen männlichen, pakistanischen Staatsbürger, welcher aus einer Stadt namens XXXX , Distrikt Gujranwala, Provinz Punjab, stammt. Der BF spricht die Sprachen Punjabi und Urdu. Er gehört dem muslimisch-sunnitischen Glauben und der Volksgruppe der Jat, Subkaste XXXX , an.

Der BF ist somit Drittstaatsangehöriger.

Der BF ist ein junger, gesunder, lediger, arbeitsfähiger Mensch mit neunjähriger Schulbildung. Er verfügt über bestehende familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Familienangehörige (Mutter, Bruder, zwei Schwestern, mehrere Onkel und Tanten und deren Familien) leben nach wie vor im Herkunftsstaat des BF.

Der BF möchte offensichtlich sein künftiges Leben in Österreich gestalten. Der BF befindet sich in Grundversorgung. Der BF ist nicht berufstätig. Der BF besucht einen Deutschkurs. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Die Identität des BF steht nicht fest.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Pakistan

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Pakistan werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber-Pakhtunkhwa (ehemals North West Frontier Province/NWFP) sowie den "Federally Administered Tribal Areas" (FATA). Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von Gilgit-Baltistan (die früheren "Northern Areas") und Azad Jammu & Kashmir (AJK - "freies Kaschmir"), dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie ("Line of Control") zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet. Gilgit-Baltistan hat im September 2009 eine Teilautonomie erhalten. Es war bis dahin von Islamabad aus regiert worden. AJK genießt ebenfalls Autonomie, ist aber finanziell und politisch von der Regierung in Islamabad abhängig (AA 12.2016a).

Die pakistanische Bevölkerung wird vom CIA World Factbook mit Stand Juli 2016 auf knapp unter 202 Millionen geschätzt. Pakistan ist damit der siebtbevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 12.1.2017).

Im April 2010 wurde eine weitreichende Verfassungsreform verabschiedet. Ziel war es, zur Grundgestalt der unter Präsident Zulfikar A. Bhutto 1973 verabschiedeten Verfassung zurückzukehren, die durch die Militärherrscher Zia-ul Haq und Musharraf fast bis zur Unkenntlichkeit verändert worden war. Kernelemente der vorgenommenen Verfassungsänderungen sind eine Stärkung der Position des Ministerpräsidenten bei gleichzeitiger Einschränkung der Machtbefugnisse des Präsidenten, eine Stärkung des Föderalismus durch eine deutliche Ausweitung der Kompetenzen der Provinzen gegenüber der Zentralregierung, eine Stärkung der Unabhängigkeit der Justiz durch ein neues Ernennungsverfahren für die obersten Richter und die Einführung zweier neuer Grundrechte: des Rechts auf Information und des Rechts auf Erziehung (AA 12.2016a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament. Das Parlament besteht aus zwei Kammern, der Nationalversammlung und dem Senat. Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, zehn weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert. Die reservierten Sitze werden auf die in der Nationalversammlung vertretenen Parteien entsprechend deren Stimmenanteil verteilt. Die Legislaturperiode dauert fünf Jahre (AA 12.2016a).

Bei den Parlamentswahlen vom 11.5.2013 wurde eine von der Pakistan Peoples Party (PPP) geführte Regierung von der Pakistan Muslim League-N (PML-N) unter Nawaz Sharif abgelöst. Es war das erste Mal in der Geschichte Pakistans, dass eine zivile Regierung eine volle Legislaturperiode (2008 – 2013) regieren konnte und dass der demokratische Wechsel verfassungsgemäß ablief. Die PML-N erreichte eine absolute Mehrheit der Mandate. Zweitstärkste Partei in der Nationalversammlung wurde die ehemalige Regierungspartei PPP, dicht gefolgt von der PTI (Pakistan Tehreek-e-Insaf) des ehemaligen Cricket-Stars Imran Khan. Die MQM (Muttahida Quami Movement), mit ihren Hochburgen in den beiden Großstädten der Provinz Sindh, Karatschi und Hyderabad, stellt die viertstärkste Fraktion im Parlament (AA 12.2016a).

Ebenfalls am 11.5.2013 fanden die Wahlen zu den vier Provinzversammlungen statt. In Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz (ca. 50 Prozent der Bevölkerung Pakistans), errang die PML-N mehr als zwei Drittel der Mandate. In Sindh konnte die PPP ihre Vormachtstellung verteidigen, in Khyber-Pakhtunkhwa errang die PTI die meisten Mandate und führt dort nun eine Koalitionsregierung. Die Regierung von Belutschistan wird von einem Chief Minister der belutschischen Nationalistenpartei NP geführt, die eine Koalition mit PML-N und weiteren Parteien eingegangen ist (AA 12.2016a).

Die Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen war überraschend hoch (NZZ 11.5.2013). Die TTP (Tehrik-e-Taliban Pakistan) hielt die Wahl für unislamisch und hatte für den Wahltag Anschläge angekündigt. Die Wahl fand deshalb unter großen Sicherheitsvorkehrungen statt, mehr als 620.000 Sicherheitskräfte waren im Einsatz (DZ 11.5.2013). Im Rahmen der Vorwahlzeit und der Wahlen verübten terroristische Gruppen mehr als 150 Anschläge, bei denen ca. 170 Menschen getötet und 700 verletzt wurden (BFA 10.2014).

Am 30.7.2013 wählten beide Kammern des Parlaments und Abgeordnete der Provinzparlamente den PML-N Politiker Mamnoon Hussain zum neuen pakistanischen Staatsoberhaupt, der am 9.9.2013 vereidigt wurde. Hussain löst Asif Ali Zardari als Staatspräsidenten ab, der als erstes Staatsoberhaupt in der Geschichte Pakistans seine Amtszeit geordnet beenden konnte. Der verfassungsmäßige Machtübergang sowohl in der Regierung als auch im Amt des Staatsoberhaupts wurde als wichtiger Beitrag zur Stabilisierung der Demokratie in Pakistan gewürdigt (AA 12.2016a).

Ministerpräsident Nawaz Sharif erklärte wirtschafts- und finanzpolitische Themen sowie die Verbesserung der Beziehungen zu den Nachbarstaaten Afghanistan und Indien zu den Schwerpunkten seiner Amtszeit. Die Regierung setzt ihren vorsichtigen Reformkurs fort (AA 12.2016a).

Katastrophen

Nach dem Erdbeben 2005 wurde die National Disaster Management Authority (NDMA) und 2010 Katastrophenmanagement-Behörden in den Distrikten und Provinzen eingerichtet, doch leiden diese an einem Mangel an ausgebildetem Personal, Koordination und finanziellen Ressourcen (IRIN 3.4.2014). In den letzten Jahren haben sich allerdings die Kapazitäten der Regierungsbehörden, der Sicherheitskräfte und der heimischen zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Bewältigung von Katastrophen deutlich verbessert (UNOCHA 31.1.2016).

Bei einem Erdbeben der Stärke 7,5 am 26.10.2015 kamen mindestens 248 Menschen ums Leben. Das pakistanische Militär und Zivilbehörden führten die Rettungsmaßnahmen durch (Dawn 28.10.2015). Beinahe 666.000 Menschen wurden in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und der Agency Bajaur durch das Beben vertrieben (IDMC/NRC 5.2016). Zwischen März und Juli 2016 wurden 239 Menschen bei starken Monsoon Regenfällen in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa getötet. Die Regierung führte die Rettungs- und Suchaktionen durch, die internationale Gemeinschaft wurde nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 4.7.2016). Im April 2016 kamen 5 Menschen in Pakistan bei einem Erdbeben ums Leben, die Provincial Disaster Management Authority von Khyber Pakhtunkhwa sowie die NDMA übernahmen die Versorgung der von den Fluten Betroffenen, auch hier wurde die internationale Gemeinschaft nicht um Hilfe gebeten (UNOCHA 11.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan – Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html#doc344388bodyText3, Zugriff 18.3.2017

-

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.1.2017): World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/pk.html, Zugriff 18.13.2017.

-

Dawn (28.10.2015): Earthquake toll reaches 248, relief efforts continue, https://www.dawn.com/news/1215703, Zugriff 29.10.2015

-

IDMC/NRC - Internal Displacement Monitoring/Norwegian Refugee Council (5.2016): GRID 2016 Global Report on Internal Displacement, http://www.internal-displacement.org/globalreport2016/pdf/2016-global-report-internal-displacement-IDMC.pdf, Zugriff 28.11.2016.

-

IRIN (3.4.2014): Analysis: How effective is Pakistan’s disaster authority?,

http://www.irinnews.org/report/99880/analysis-how-effective-is-pakistan-s-disaster-authority, Zugriff 18.3.2017

-

NZZ - Neue Zürcher Zeitung (11.5.2013): Hohe Wahlbeteiligung in Pakistan Anschläge fordern mindestens 24 Todesopfer, http://www.nzz.ch/aktuell/international/anschlaege-islamistischer-extremisten-auf-wahllokale-fordern-mindestens-16-todesopfer-1.18079638, Zugriff 18.3.2017

-

UNOCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (31.1.2016): Humanitarian Bulletin Pakistan Issue 37, December 2015 - January 2016, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/humanitarian_bulletin_dec_jan_2016.pdf, Zugriff 18.3.2017

-

UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (11.4.2016): Flash Update: #1 Afghanistan-Pakistan Earthquake, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_afg_pak_earthquake_20160410_1_0.pdf, Zugriff 18.3.2017

-

UNOCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (4.7.2016): Flash Update: #2 Pakistan Rains, http://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/ocha_flash_update_2_pak_rains_20160704.pdf, Zugriff 18.3.2017

-

DZ - Die Zeit (11.5.2013): Anschläge überschatten Wahlauftakt in Pakistan,

http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/pakistan-parlamentswahl-anschlagk, Zugriff 18.3.2017

Sicherheitslage

Zentrales Problem für die innere Sicherheit Pakistans bleibt die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus. Seit Jahren verüben die Taliban und andere terroristische Organisationen schwere Terroranschläge, von denen vor allem die Provinz Khyber-Pakhtunkhwa und Belutschistan, aber auch die pakistanischen Großstädte wie Karachi, Lahore und Rawalpindi betroffen sind. Die Terroranschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie z.B. die Sufis (AA 12.2016a). Jedoch hat sich die allgemeine Sicherheitslage quer durchs Land in den letzten drei Jahren verbessert (PIPS 1.2017).

Die pakistanischen Taliban hatten in einigen Regionen an der Grenze zu Afghanistan über Jahre eigene Herrschaftsstrukturen etabliert und versucht, ihre extrem konservative Interpretation der Scharia durchzusetzen (AA 30.5.2016). Seit Ende April 2009, als die Armee die vorübergehende Herrschaft der Taliban über das im Norden Pakistans gelegene Swat-Tal mit einer Militäraktion beendete, haben sich die Auseinandersetzungen zwischen dem pakistanischen Militär und den pakistanischen Taliban verschärft. Von Oktober bis Dezember 2009 wurden die Taliban aus Süd-Wasiristan (Federally Administered Tribal Areas - FATA) vertrieben, einer Region, die von ihnen jahrelang kontrolliert worden war. 2013 lag der Schwerpunkt der Auseinandersetzungen auf dem Tirah-Tal unweit Peshawar, wo die Taliban zunächst die Kontrolle übernehmen konnten, bevor sie vom Militär wieder vertrieben wurden (AA 12.2016a).

Die Regierung von Ministerpräsident Nawaz Sharif hatte sich zunächst, mandatiert durch eine Allparteienkonferenz, um eine Verständigung mit den pakistanischen Taliban auf dem Verhandlungsweg bemüht. Da sich ungeachtet der von der Regierung demonstrierten Dialogbereitschaft die schweren Terrorakte im ganzen Land fortsetzten, wurde der Dialogprozess jedoch mit Beginn der Militäroperation in Nord-Wasiristan im Juni 2014 abgebrochen. Am 15.4.2014 begann eine umfassende Militäroperation in der bis dahin weitgehend von militanten und terroristischen Organisationen kontrollierten Region Nord-Wasiristan, in deren Verlauf inzwischen die Rückzugsräume und Infrastruktur der aufständischen Gruppen in der Region weitgehend zerstört werden konnten (AA 12.2016a). Die Operation bezog auch benachbarte Regionen der FATA mit ein und hatte das Ziel aufständische Gruppen und Terrorismus zu zerschlagen und die vollständige Kontrolle des Staates über die Stammesgebiete herzustellen (AA 30.5.2016). Ein erheblicher Teil der Rebellen und Terroristen wich jedoch vor der Militäroperation in andere Gebiete Pakistans oder über die Grenze nach Afghanistan aus, so dass der Anti-Terror-Kampf auf absehbare Zeit weiter eine große Herausforderung für das Land darstellen wird (AA 12.2016a).

Als Ergebnis dieser und früherer Operationen der Sicherheitskräfte in den Stammesgebieten gibt es derzeit rund 1,5 Millionen Binnenvertriebene (AA 30.5.2016). Regierungsstrategie ist es, kurz vor Militäroperationen gegen Taliban die Bevölkerung der jeweils betroffenen Agency bzw. Region zu informieren, das bedeutet die Agency wird "notified". Nach den Militäroperationen wird die Zone "denotified" und damit vom Militär als sicher für die Rückkehr erklärt und somit für die Rückkehr freigegeben. Das Militär arbeitet in diesem Prozess mit den Zivilbehörden zusammen, die zum Teil bei der Rückkehr unterstützen (BAA 6.2013; vgl. BFA 10.2014). Die geordnete Rückführung der vertriebenen Bevölkerung in die betroffenen Regionen der Stammesgebiete, die Beseitigung der Schäden an der Infrastruktur und an privatem Eigentum ebenso wie der Wiederaufbau in den Bereichen zivile Sicherheitsorgane, Wirtschaft, Verwaltung und Justiz stellen Regierung, Behörden und Militär vor große Herausforderungen (AA 30.5.2016).

Im Nachfeld des schweren Terrorangriffs auf eine Armeeschule in Peshawar am 16.12.2014, bei dem über 150 Menschen, darunter über 130 Schulkinder, ums Leben kamen und für den die pakistanischen Taliban die Verantwortung übernahmen, haben Regierung und Militär mit Zustimmung aller politischen Kräfte des Landes ein weitreichendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung von Terror und Extremismus beschlossen. Es umfasst u.a. die Aufhebung des seit 2008 geltenden Todesstrafenmoratoriums für Terrorismus-Straftaten, die Einführung von Militärgerichten zur Aburteilung ziviler Terrorismusverdächtiger und Maßnahmen gegen Hassprediger, Terrorfinanzierung, etc. Ferner sind Ansätze erkennbar, konsequenter als bisher gegen extremistische Organisationen unterschiedlicher Couleur im ganzen Land vorzugehen und die staatliche Kontrolle über die zahlreichen Koranschulen (Madrassen) zu verstärken (AA 12.2016a).

2015 wurden weiterhin signifikante Anti-Terroroperationen in den Agencies Khyber und Nordwasiristan durchgeführt um "sichere Häfen" für Terroristen zu zerstören und Waffenarsenale auszuheben. Operationen von paramilitärischen und zivilen Sicherheitskräften umfassten unter anderem die Bekämpfung des Terrorismus in urbanen Gebieten und Razzien um Terrorismuspläne zu vereiteln. Militärische, paramilitärische und zivile Sicherheitskräfte führten Operationen in Belutschistan, Sindh, Khyber Pakhtunkhwa und Punjab durch. Große Waffen- und Sprengstoffarsenale wurden ausgehoben und ausgefeilte Telekommunikationsnetzwerke entdeckt. Terroristen wurden verhaftet und Strafverfahren eingeleitet (USDOS 2.6.2016).

Die ausgefeilten rechtlichen Maßnahmen, welche der Fair Trial Act von 2012 und das NACTA den Nachrichtendiensten und Rechtsdurchsetzungsorganen bieten, waren allerdings erst im Prozess der Implementierung. Die verbesserte Gesetzgebung wird bereits angewendet. Das Justizsystem ist allerdings langsam bei der Abarbeitung von Terrorfällen, wie auch anderer Kriminalfälle (USDOS 2.6.2016).

Die verschiedenen terroristischen Gruppierungen führten 2015 625 Terrorakte in 76 Distrikten/Regionen in Pakistan durch, 48 Prozent weniger als im Jahr davor. Mindestens 1.069 Menschen verloren dabei ihr Leben, 38 Prozent weniger als 2014, 1443 wurden verletzt, 54 Prozent weniger als 2014. Unter den Todesopfern waren 630 Zivilisten, 318 Angerhörige der Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden und 121 Militante. 266 der Terrorakte (über 42 Prozent) zielten ausschließlich auf die Sicherheitskräfte oder die Rechtsdurchsetzungsbehörden, 92 der Attacken richteten sich gegen Zivilisten (15 Prozent), 41 Attacken gegen politische Akteure, 39 gegen Stammesältere, die sich in lokalen Friedenskomitees engagierten. 63 Attacken waren sektiererisch motiviert. Die Zahl der Todesopfer in sektiererischen Terrorakten stieg um 7 Prozent von 255 auf 272. Die Zahl aller sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle sank im Jahr 2015 um 48 Prozent von 2.099 im Jahr 2014 auf 1.097 im Jahr 2015, die Zahl der Todesopfer dabei von 5.308 im Jahr 2014 auf 3.503 für 2015 (PIPS 3.1.2016).

Die Situation verbesserte sich weiterhin im Jahr 2016. Dies lässt sich Großteils auf die extensiven Operationen gegen Militante durch die Sicherheits- und Rechtsdurchsetzungsbehörden zurückführen - von den Militäroperationen in der FATA zu den von den Rangers angeführten gezielten Eingriffen in Karatschi, den Razzien des Frontier Corps in Belutschistan und den Anti-Terrorismus Operationen der Polizeigeheimdienste in Punjab und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 1.2017).

Durch die langsame Umsetzung des Nationalen Aktionsplans kann dieser die erreichten Ziele allerdings nicht ergänzen. Außerdem fehlt die Umsetzung der im Plan vorgesehenen "soft"-Komponenten der Terrorismusbekämpfung, der Einsatz von Gewalt und Abschreckung alleine kann die Wurzeln nicht bekämpfen. Die Terrororganisationen zeigen, dass sie ihre durch die Sicherheitskräfte verursachten Verluste durch Re-Gruppierungen oder Neugründungen überwinden können. Die Präsenz von Unterstützern und Verbündeten des der Terrorgruppe Islamischer Staat (Abk. IS; auch: Islamischer Staat in Irak und Syrien, Abk. ISIS) ist eine große Herausforderung für den Staat. Sie verstehen es auch den Nexus innerhalb der Pakistanischen Terrorgruppen zu nutzen und unter deren Mitgliedern zu rekrutieren (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2016 ging die Zahl der Terroranschläge um 28 Prozent auf 441 zurück, betroffen waren 57 Distrikte. Getötet wurden dabei 908 Personen. Der Umstand, dass ein Rückgang von 28 Prozent bei der Zahl der Anschläge nur einen leichten Rückgang von 12 Prozent bei den Todesopfern mit sich brachte, zeigt auch, dass den Aufständischen einige größere Anschläge dieses Jahr gelingen konnten. Die Todesopfer unterteilen sich in 545 Zivilisten, 302 Angehörige der Sicherheitskräfte und Rechtsdurchsetzungbehörden und 61 Militante (PIPS 1.2017).

48 Prozent der Anschläge zielten auf Personal und Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Ungefähr 20 Prozent der Anschläge im Jahr 2016 zielten auf Zivilisten, ungefähr 6 Prozent auf Stammesmitglieder oder Freiwillige, die sich in Anti-Terror Friedenskomitees engagierten, hauptsächlich in FATA und Khyber Pakhtunkhwa. Ungefähr 8 Prozent der Anschläge waren sektiererisch motiviert (Sunni-Shia), ungefähr 7 Prozent zielten gegen zivile staatliche Infrastruktur und Regierungsvertreter. 20 Anschläge richteten sich gegen politische Führer und politisch tätige, 5 Anschläge gegen religiöse Minderheiten, davon 2 gegen Christen, 2 gegen Hindus und eine gegen Ahmadis (PIPS 1.2017).

Ungefähr 50 Prozent (218) aller Anschläge waren gezielte Tötungen einzelner Personen. Die pakistanischen Taliban, hauptsächlich die Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und lokale mit ihr in Verbindung stehende Taliban-Gruppen bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen, wie die Jamaatul Ahrar oder Lashkar-e-Islam oder IS Unterstützer führten mehr als 62 Prozent aller Anschläge durch, denen 640 Menschenleben zum Opfer fielen. Belutschische nationalistische Gruppierungen führten 127 Anschläge durch, Sindhi Nationalisten 7, zusammen forderten diese nationalistischen Anschläge 164 Todesopfer. 34 Anschläge wurden durch sektiererische Sunni oder Shia Gruppen durchgeführt mit 104 Todesopfern (PIPS 1.2017).

Insgesamt gab es im Jahr 2016 in Pakistan, inklusive der Anschläge, 749 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt, darunter 95 operative Schläge der Sicherheitskräfte, 105 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Militanten, 74 Auseinandersetzungen an der Grenze mit Indien, Afghanistan und Iran und 12 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt. Insgesamt wurden 1.887 Personen bei diesen Vorfällen getötet. Die Zahl der Vorfälle sank damit im Vergleich zu 2015 um 32 Prozent, die Zahl der Todesopfer um 46 Prozent (PIPS 1.2017).

Im Jahr 2016 wurden 95 operative Schläge und Razzien durchgeführt in 35 Distrikten oder Regionen Pakistans, 38 davon in Belutschistan, 24 in der FATA, hauptsächlich in Khyber und Nord Waziristan, 15 in Karatschi, 13 im Punjab und 5 in Khyber Pakhtunkhwa. 492 Menschen wurden dabei getötet, davon 481 Militante. Im Vergleich dazu wurden im Jahr 2015 143 Sicherheitsoperationen durchgeführt in 31 Distrikten mit 1.545 Todesopfern (PIPS 1.2017)

Es scheint, dass sich nun erfolgreich eine Null-Toleranz-Sicht in Staat und Gesellschaft gegenüber Terror durchsetzt. Die Sicherheitseinrichtungen sind weiterhin mit vielschichtigen Herausforderungen konfrontiert. Die wichtigsten davon sind Kapazitätslücken in der Bekämpfung städtischer Terrorbedrohungen und die mangelhafte Kooperation zwischen den verschiedenen Gesetzesdurchsetzungsbehörden (PIPS 3.1.2016). So ist auf föderaler Ebene die institutionelle Struktur einer Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen den Terrorismus bekämpfenden Behörden nicht förderlich. Einige Provinzen zeigen vermehrt Anstrengungen bei der Ausbildung, Ausstattung und Informationsaustausch um Terroristen aufzuspüren, aber in der Strafverfolgung von Terrorismusverdächtigen besteht noch Verbesserungsbedarf, bei anderen Provinzen ist es umgekehrt (USDOS 2.6.2016).

Die Regierung unterhält einige De-Radikalisierungszentren in verschiedenen Teilen des Landes. Diese bieten eine korrigierende religiöse Bildung, Berufsausbildung, Beratung und Therapie an (USDOS 2.6.2016). Zentren befinden sich in Swat, Khyber Agency, Bajaur Agency und Khyber Pakhtunkhwa. Es existieren separate Programme für Frauen und Jugendliche (BFA 9.2015). Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 2.6.2016).

Die Asia Pacific Group on Money Laundering konnte Fortschritte in Pakistan in der Behebung von strategischen Mängeln erzielen, die diese in Bezug auf die Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus zuvor festgestellt hatte. Pakistans Kriminalisierung von Terrorismusfinanzierung entspricht nun internationalen Standards. Maßnahmen umfassen z.B. die Überwachung von grenzüberschreitenden Geldtransfers, NGO Finanzierungen, das Einfrieren von Geldern, die rechtliche Meldepflicht von Banken über verdächtige Transaktionen sowie deren Verpflichtung, regelmäßig die Liste der von der UN als Terrororganisationen Eingestuften zu kontrollieren. Dennoch gelingt es solchen Organisationen in Pakistan ökonomische Ressourcen einzusetzen und Spenden zu lukrieren (USDOS 2.6.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (30.5.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Pakistan.

-

AA - Auswärtiges Amt (12.2016a): Pakistan - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Pakistan/Innenpolitik_node.html, Zugriff 18.3.2017

-

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

-

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

-

BFA Staatendokumentation (10.2014): Pakistan - Challenges & Perspectives

-

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

-

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016

-

Pakistan Security Report. Reuters (11.4.2013): Pakistan violence, http://www.trust.org/spotlight/Pakistan-violence, Zugriff 25.11.2016

-

USDOS - US Department of State (2.6.2016): Country Report on Terrorism 2015 - Chapter 2 - Pakistan, https://www.state.gov/j/ct/rls/crt/2015/257518.htm, Zugriff 12.11.2016

Regionale Sicherheitslage Punjab und Islamabad

Laut einem lokalen Experten in Pakistan ist Punjab, besonders der nördliche Teil dieser Provinz, das sicherste Gebiet Pakistans (BFA 9.2015). Die Bevölkerung der Provinz wird auf 91 Millionen geschätzt. Provinzhauptstadt ist Lahore, nach Karatschi die zweitgrößte Stadt Pakistans (EASO 7.2016). Auch die Hauptstadt Pakistans, Islamabad, gilt als vergleichsweise sicher (BAA 6.2013). Die Bevölkerung wird auf 600.000 geschätzt (EASO 7.2016).

Punjab war von 24 Terroranschlägen mit 83 Toten im Jahr 2015 betroffen, ein Rückgang von 41 Prozent bei Terroranschlägen im Vergleich zum Vorjahr sowie ein Rückgang von 34 Prozent an Todesopfern. Unter den Opfern waren 73 Zivilisten, 7 Polizisten und 3 Terroristen. 4 der Anschläge im Punjab waren sektiererisch motiviert. Am meisten betroffen von Anschlägen unter den Distrikten des Punjabs war Rawalpindi mit 5 Anschlägen, die 12 Todesopfer forderten. Die meisten Todesopfer im Punjab gab es in Lahore mit 23 Toten, die Anschläge dort zielten vor allem auf Sicherheitskräfte, Minderheiten, insbesondere Christen und Journalisten (PIPS 3.1.2016). Trotz eines weiteren signifikanten Abfalls in der Zahl der Terroranschläge im Jahr 2016 im Punjab, ging die Zahl der Todesopfer nur um 4 Prozent zurück. So wurden 7 Terroranschläge im Punjab im Jahr 2016 durchgeführt, dabei allerdings 80 Menschen getötet. Dies lässt sich hauptsächlich auf den groß angelegten, gegen die christliche Gemeinschaft gerichteten Anschlag in Lahore vom März zurückführen, der 74 Menschenleben forderte. 6 Distrikte des Punjabs waren von Anschlägen betroffen. Unter den Opfern befanden sich 75 Zivilisten, 4 Polizisten und eine Aufständischer (PIPS 1.2017).

Islamabad erlitt einen Anschlag mit einem Toten im Jahr 2016 (PIPS 1.2017). Im Jahr 2015 war es von 3 Anschlägen mit 4 Toten betroffen (PIPS 3.1.2016).

Quellen:

-

BAA - Bundesasylamt (6.2013): Bericht zur Fact Finding Mission Pakistan vom 8-16.3.2013 mit den Schwerpunkten Sicherheitslage, Religiöse Minderheiten Landrechte Medizinische und soziale Versorgung, Afghanische Flüchtlinge.

-

BFA Staatendokumentation (9.2015): Fact Finding Mission Report Pakistan,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1453713783_bfa-sd-pakistan-ffm-report-2015-09-v2.pdf, Zugriff 18.3.2017

-

EASO – European Asylum Support Office (7.2016): Country of Origin Information Report, Pakistan Security Situation, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1469617733_easo-country-of-origin-information-report-pakistani-security-report.pdf, Zugriff 18.3.2017

-

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (3.1.2016): Pakistan Security Report 2015.

-

PIPS - Pak Institute for Peace Studies (1.2017): PIPS Research Journal - Conflict & Peace Studies, Vol.9, No.1, Special Report 2016

-

Pakistan Security Report.

Rechtsschutz/Justizwesen

Die pakistanische Verfassung und die gesamte pakistanische Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem, wobei gemäß Art. 227 der Verfassung alle Gesetze grundsätzlich in Einklang mit der Scharia stehen müssen; deren Einfluss auf die Gesetzgebung ist trotz Bestehens etwa des Konsultativorgans Council of Islamic Ideology – abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen – dennoch eher beschränkt (ÖB 10.2016).

Der Aufbau des Justizsystems ist zunächst in der Verfassung geregelt, deren Art. 175 die folgenden Organe aufzählt: Supreme Court of Pakistan, ein High Court in jeder Provinz (sowie im Islamabad Capital Territory) und weitere durch das Gesetz eingerichtete Gerichte. Des Weiteren existiert gemäß Art. 203A ff der Verfassung ein Federal Shariat Court, der u.a. von Bürgern, der Zentral- sowie den Provinzregierungen zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den "Injunctions of Islam" angerufen werden kann (er kann diesbezüglich auch von sich aus tätig werden) (ÖB 10.2016).

Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht; neben seinen Aufgaben als letzte Rechtsmittelinstanz in Zivil- und Strafsachen umfassen seine Zuständigkeiten "original jurisdiction in any dispute between any two or more Governments" sowie "advisory jurisdiction" auf Anruf durch den Staatspräsidenten. Außerdem kann er sich in Fällen von öffentlicher Wichtigkeit auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Art. 199 der Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen (Art. 185 Abs. 3 der Verfassung). Für diesen Bereich wurde eine eigene Human Rights Cell eingerichtet. Aufgrund seiner breiten Zuständigkeit gilt der Supreme Court als chronisch überlastet (ÖB 10.2016).

Auch die fünf High Courts (Lahore High Court, High Court of Sindh, Peshawar High Court, High Court of Balochistan, Islamabad High Court) fungieren u.a. auch als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgan für alle ihnen unterstehenden Gerichte (Subordinate Courts). Auch bei den High Courts ist ein beträchtlicher Rückstau an Fällen zu verzeichnen (ÖB 10.2016).

Zur örtlichen Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts ist anzumerken, dass sich diese gem. Art. 247 Abs. 7 der Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas, PATA, und Federally Administered Tribal Areas, FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung) erstreckt (ÖB 10.2016); außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kashmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2016; vgl. USDOS 3.3.2017).

Der Federal Shariat Court besteht aus höchstens acht Richtern muslimischen Glaubens, von denen drei islamische Gelehrte (Ulema) sein müssen. Beschwerden gegen seine Entscheidungen werden an die Shariat Appellate Bench des Supreme Court gerichtet. Neben der bereits erwähnten Zuständigkeit, Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Regeln des Islams zu prüfen, fungiert der Federal Shariat Court zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in sogenannten Hudood-Fällen (Delikte nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden) (ÖB 10.2016).

Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Die den High Courts unterstehende Subordinate Judiciary kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Zivilgerichte, die durch die Civil Courts Ordinance 1962 eingerichtet wurden, und Strafgerichte nach dem Code of Criminal Procedure 1898. Darüber hinaus besteht aber auch eine Reihe von Gerichten, die unter speziellen Gesetzen eingerichtet wurden (ÖB 10.2016).

Die Justiz verteidigt ihre nach Ende der Militärherrschaft zurückgewonnene Unabhängigkeit erfolgreich und bemüht sich, den Rechtsstaat in Pakistan zu stärken. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen allerdings fort. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird (AA 30.5.2016).

Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz, in der Praxis ist die Justiz oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus oder Blasphemie, beeinträchtigt. Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staats

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten