TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/4 L501 2174522-1

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Veröffentlicht am 04.01.2018
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Entscheidungsdatum

04.01.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L501 2174522-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Herrn XXXX , VSNR. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 05.09.2017, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und § 1 Abs. 2, § 42 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) sowie § 1 Abs. 4 Z 3 und Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) beantragte mit am 09.02.2017 beim Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben unter Beifügung einer "Bestätigung über Sauerstoffverordnung" vom 06.02.2017 die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten wird von Dr. XXXX , Fachärztin für Neurologie, basierend auf der klinischen Untersuchung am 31.05.2017, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Vorliegende Funktionseinschränkungen: Cluster-Kopfschmerz mit sehr intensiven Schmerzattacken im Bereich der linken Augen- und Schläfenregion

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Es zeigt sich ein weitgehend identer Befund, sowohl hinsichtlich der Attackenfrequenz als auch objektiv-neurologisch.

Gutachterliche Stellungnahme: Der Proband ist in der Lage, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, da das Mitführen einer tragbaren Sauerstoffflasche in einer dafür vorgesehenen Tragetasche bei fehlenden neurologischen Defiziten zumutbar ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 AVG wurde der bP mit Schreiben vom 25.07.2017 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Nach Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass das ärztliche Begutachtungsverfahren ergeben hat, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.

In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde gegen die Nichtvornahme der Zusatzeintragung brachte die bP vor, dass die Mitnahme einer Sauerstoffflasche in öffentlichen Verkehrsmitteln sehr anstrengend sei, da diese über 5 kg wiege. Bei einer Attacke benötige sie einen Sitzplatz und Ruhe, damit sie den Sauerstoff benützen könne, was in öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund der zu geringen Anzahl an Sitzplätzen und des dort herrschenden Lärmpegels nicht möglich sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX geborene bP hat ihren Wohnsitz im Inland, sie ist im Besitz eines bis 30.09.2018 befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 vH.

Sie leidet an einem Cluster-Kopfschmerz mit intensiven Schmerzattacken im Bereich der linken Augen- und Schläfenregion ohne neurologische Defizite. Die Schmerzattacken können durch Sauerstoffgabe aus einer Sauerstoffflasche verkürzt werden. Die bP ist aufgrund ihres körperlichen Zustandes sowie fehlender neurologischer Defizite in der Lage, eine tragbare Sauerstoffflasche in einer dafür vorgesehenen Tragetasche mitzuführen und im öffentlichen Verkehrsmittel den Sauerstoff einzunehmen.

Die bP kann sich unter Mitnahme einer Sauerstoffflasche im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und ist dabei das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 - 400 m zu Fuß aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes. Die Feststellungen basieren auf dem seitens der belangten Behörde eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Neurologie, welches auf einer klinischen Untersuchung beruht, ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar ist sowie keine Widersprüche aufweist. Es wird auf die Art der Funktionsbeeinträchtigung und deren Ausmaß eingegangen sowie die Fähigkeit der bP eine Sauerstoffflasche mitzuführen mit dem Hinweis auf das Fehlen neurologischer Defizite schlüssig begründet. Das bloße Vorbringen, die Mitnahme der Sauerstoffflasche sei anstrengend, vermag angesichts des Alters der bP sowie ihres bis auf die Schmerzattacken unbeeinträchtigten Gesundheitszustandes nicht zu überzeugen. Die bP hatte ausreichend Gelegenheit die begründeten Darlegungen der Sachverständigen in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr selbst in Auftrag gegebenen Gutachten, auf gleicher fachlicher Ebene zu entkräften. Dies hat sie jedoch unterlassen und überdies die ihr im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 25.07.2017 übermittelten ärztlichen Ausführungen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Mit ihren Ausführungen zeigt die bP insgesamt gesehen keine Widersprüche, Ungereimtheiten oder Mängel des Sachverständigengutachtens auf, sodass es der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt wird.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen (§ 47 BBG).

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservices. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Die bP kann sich unter Mitnahme einer Sauerstoffflasche in einer dafür vorgesehenen Tragtasche im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und ist hierbei das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 - 400 m zu Fuß aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel. Im Falle einer Schmerzattacke ist es ihr möglich, im öffentlichen Verkehrsmittel den Sauerstoff – allenfalls unter Benutzung eines für Personen mit Beeinträchtigungen vorgesehenen Sitzplatzes –einzunehmen.

Da sohin die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" nicht vorliegen, war die Beschwerde abzuweisen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Wie unter Punkt II. 2. ausgeführt, wurde das hierzu von der belangten Behörde eingeholte – auf Basis einer klinischen Untersuchung erstellte - Gutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L501.2174522.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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