Entscheidungsdatum
04.01.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
L501 2170674-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und den Richter Mag. Hermann LEITNER sowie den fachkundigen Laienrichter Reg. Rat Johann PHILIPP als Beisitzer über die Beschwerde von Frau XXXX , VSNR. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice vom 24.08.2017, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) und § 1 Abs. 2, § 42 Abs. 1, § 45 Abs. 1 und 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) sowie § 1 Abs. 4 Z 3 und Abs. 5 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die beschwerdeführende Partei (in der Folge bP) beantragte mit am 03.06.2016 im Sozialministeriumservice (in der Folge belangte Behörde) eingelangten Schreiben die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass.
In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 30.06.2016 wird von Dr. XXXX , Allgemeinmediziner, basierend auf der klinischen Untersuchung am 15.06.2016, im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Endokrine Störung, Morbus Gitelmann mit Bauch- und Muskelkrämpfen, reduzierte Belastbarkeit längeres Bestehen, deutlich reduzierte Belastung vor allem körperlich bei Krampfneigung und Müdigkeit / allgemeine mäßige Leistungsschwäche. Der Alltag ist noch gut möglich, auch ein Schulbesuch. Dauertherapie
Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Angststörung, emotionale Störung, kognitive Defizite kombinierte Störung, die doch wesentlich den Alltag, vor allem außer Haus, die soziale Situation und den beruflichen Werdegang beeinträchtigen. Regelschulbesuch und Abschluss war mit Unterstützung (angegeben SPF) möglich
Schilddrüsenunterfunktion, gute medikamentöse Einstellung
Die im Hinblick auf die Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigung auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gestellte Frage wurde wie folgt beantwortet: Keine
Die belangte Behörde räumte der bP mit Schreiben vom 13.07.2017 gemäß § 45 Abs. 3 AVG die Möglichkeit ein, sich zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens binnen drei Wochen ab Zustellung Stellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen wurde festgehalten, dass die angefügten Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahren – welche einen Bestandteil der Begründung bilden - ergeben haben, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen.
Mit Schreiben vom 04.09.2017 erhob die bP fristgerecht Beschwerde, in welcher sie ohne Anbot oder Vorlage von Beweismittel die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mit der Notwendigkeit, jederzeit eine WC Anlage benützen zu können, mit starken Krämpfen in den Beinen und den Armen, mit großer Übelkeit, lauten Darmgeräuschen, Weinkrämpfen, Schwindelanfällen, Angst bei Menschenansammlungen, Angst vor Menschen begründete. Ein Gehen zu Bus oder Bahn bzw. ein Anhalten an Haltegriffen stelle eine große Herausforderung dar, bei Lösung einer Zug- oder Buskarte verspüre sie große Nervosität, Ein- und Ausstiegsituationen seien für sie nicht beurteilbar.
Seitens des Verwaltungsgerichts wurde im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen von dem bereits im Verwaltungsverfahren mit der Rechtssache befassten Sachverständigen eine Gutachtensergänzung eingeholt, in der wie folgt ausgeführt wird:
"Eine angegebene und glaubhafte Gehstrecke von 20 Minuten reicht aus.
-Keine Einschränkung der Armfunktion , Festhalten gut möglich
-Bei einer 20 minütigen Gehstrecke ist auch ein entsprechend langes Stehen zumutbar, Standfestigkeit gegeben. ( unauffälliges Gangbild und Grobmotorik )
-Aufstehen und Hinsetzen problemlos möglich.
-Keine Durchfälle, Stuhlinkontinenz, bei der Befragung auch keine Durchfälle angegeben. Neigung zu Bauchschmerzen stellen keine Unzumutbarkeit für öffentliche Verkehrsmittel dar.
-Keine Hinweis auf Probleme bei Stufen / Niveauunterschiede
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Ängste erwähnt, ein KH Befund vorliegend mit "emotionaler Störung, Trennungsängste". In einem Vorgutachten ( nicht vorliegend ) emotionale Störung mit Trennungsangst, alltagsbehindernde Angststörung, aber gute soziale Funktionsfähigkeit, ohne genauere Detailangaben.
Ängste liegen sicher vor, aber ohne intensivere Diagnostik und vor allem mehrmonatige spezifische Angsttherapie, ist laut Richtlinien die Eintragung der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel nicht zulässig
Im Einzelnen :
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Darmerkrankung: bei der Befragung 2016 wurden keine Verdauungsstörungen, lediglich Bauchschmerz angegeben . Die in der aktuellen Beschwerde angegebene Häufung des Stuhlgangs: "unter Stress öfter als noch "normal" , keine Angabe von Durchfällen oder Inkontinenz, stellt nicht offensichtlich eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel dar. Laute Darmgeräusche wurden bei der Befragung 2016 auch nicht erwähnt, die im öffentlichen Raum eine psychische Belastung darstellen sollen.
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Krämpfe : bei der Befragung 2016 Angabe von Beinkrämpfen ab einer Gehstrecke von 20 Minuten - mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vereinbar. In der Beschwerde Angabe von Krämpfen in Armen und Beinen , Krämpfe immer wieder . Es wird nicht genauer angegeben, warum das Gehen zu einem Bus oder Bahn eine Herausforderung sein soll.
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Übelkeit: bei der Befragung 2016 Angabe von häufigen Bauchschmerzen, nicht von Übelkeit. Warum eine Übelkeit, wie in der Beschwerde angeführt, die Verwendung von öffentlichen Verkehrsmitteln ausschließt, ist aus der weiteren Beschreibung nicht zu entnehmen.
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Psychische Probleme : angegeben wurden diffuse Ängste ( unter anderem vor Bus, Dunkelheit, Lift). In einem Befund KH Schwarzach wird lediglich eine emotionale Störung im Kindesalter und Trennungsängste angeführt. Ängste bewirken laut aktuellen Richtlinien erst nach einer mehrmonatigen - einjährigen spezifischen Therapie ohne positiven Effekt eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel. Im beigelegten Befund Dr. XXXX (Psychiater, Erstkontakt 03/17 , also nach meinem Gutachten 2016 ) wird bei der Befragung beschrieben, dass die bP wegen ihrer Ängste öffentliche Verkehrsmittel vermeide, es wird aber keine spezifische Therapie angeführt. Bei den psychiatrischen Diagnosen werden neben dissoziierter Intelligenz und depressiver Störung auch eine Angststörung angeführt. Dass die Antragstellerin unter einer Angststörung leidet, ist im Gutachten 2016 berücksichtigt. Da, siehe auch oben , keine längere angstspezifische Therapie mit Nachweis des ausbleibenden Erfolgs absolviert wurde , ist laut Richtlinien deswegen keine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel vorliegend.
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Geistige Situation : bei guten Grundschulfähigkeiten und dem 2016 geplanten Versuch , ohne sonderpädagogische Förderung eine private Hotelfachschule zu besuchen , ist eine Unfähigkeit, laut Beschwerde eine Ein- oder Ausstiegsstelle öffentlicher Verkehrsmittel zu erkennen , nicht nachvollziehbar.
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Schwindel : bei der Befragung 2016 wurde eine Schwindelabklärung 2015 im KH Schwarzach angeführt, zum Zeitpunkt der Untersuchung keine wesentlichen Beschwerden angegeben, bei der Untersuchung auch nicht auffallend.
Zusammenfassung :
Körperlich sind in der Beschwerde teils verstärkte Probleme angeführt, als diese zum Zeitpunkt der Untersuchung 2016 vorlagen. Im Gutachten wurden eine reduzierte Leistung, Müdigkeit und Bauch- und Muskelkrämpfe als Hauptleiden berücksichtigt, eine Alltagstauglichkeit und möglicher Schulbesuch weisen auf ein nicht hochgradiges Leiden hin.
(Darm , Schwindel). Diesbezüglich könnten nur ein neuerliches Gutachten bei einem zweiten Gutachter oder entsprechend weitere Befunde Klarheit schaffen.
Die geistigen Fähigkeiten sollten bei guten Grundschulfähigkeiten und Besuch einer Hotelfachschule ( auch bei Einschränkungen ) ausreichen.
Bzgl. der Ängste in mehreren Formen, die offensichtlich das Hauptproblem für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel darstellen dürften, ist festzulegen : Ängste werden behauptet, liegen auch zweifelsfrei vor , wurden im Gutachten auch berücksichtigt. Laut Richtlinien ist aber erst nach eine längeren erfolglosen spezifischen Angsttherapie die Eintragung der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zulässig."
Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens wurden der bP sowie der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Eine Stellungnahme langte nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die bP hat ihren Wohnsitz im Inland, sie ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 vH. Regelschulabschluss mit Unterstützung (SPF) erworben.
Folgende Funktionseinschränkungen liegen vor: Endokrine Störung, Morbus Gitelman mit Bauch- und Muskelkrämpfen, reduzierte Belastbarkeit bei Krampfneigung und Müdigkeit, allgemeine mäßige Lernschwäche; Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Angststörung, emotionale Störung, kognitive Defizite, dissoziierte Intelligenz, depressive Störung. Die kombinierte Störung beeinträchtigt die soziale Situation und den beruflichen Werdegang;
Schilddrüsenunterfunktion
Die bP leidet unter diffusen Ängsten; sie hat sich bislang noch keiner intensiveren Diagnostik, insbesondere keiner angstspezifischen, mindestens einjährigen Therapie nachweislich unterzogen bzw. liegt keine nachgewiesene Ausschöpfung des diesbezüglich bestehenden therapeutischen Angebots vor. Die bP ist aufgrund ihrer geistigen Fähigkeiten in der Lage, ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen und auch entsprechend zu benützen. Sie leidet nicht unter Durchfällen, es besteht keine Stuhlinkontinenz. Bei Benutzung eines Buses leidet sie an Übelkeit. Sie kann eine kurze Wegstrecke von 300 m bis 400 m ohne Pause und ohne Hilfsmittel zurücklegen. Aus- und Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist unter Berücksichtigung üblicher Niveauunterschiede ohne fremde Hilfe ebenso gewährleistet wie das Anhalten an Haltegriffen und der sichere Stand unter Berücksichtigung transporttypischer Bewegungen.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie des Gerichtsaktes.
Das seitens der belangten Behörde eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten samt der vom Verwaltungsgericht eingeholten Ergänzung ist ausführlich begründet, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf den im Rahmen der klinischen Untersuchung erhobenen Befund unter Einbeziehung der vorgelegten Beweismittel; es werden Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen beschrieben sowie deren Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel.
Der Sachverständige stellt in seiner Ergänzung schlüssig und nachvollziehbar dar, dass die vorliegenden Funktionseinschränkungen kein Ausmaß erreichen, das die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verhindert. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird grundsätzlich auf die diesbezüglich unter Punkt I. wiedergegebenen sachverständigen Ausführungen verweisen. Insbesondere sind die bei der bP vorliegenden kognitiven Defizite bzw. die Intelligenzminderung im Hinblick auf den – wenn auch mit Unterstützung - geschafften Regelschulabschluss nicht so ausgeprägt, als dass eine Fahrkarte nicht gelöst oder die für die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittel erforderlichen Handlungen nicht gesetzt werden könnten bzw. eine Zielorterkennung nicht möglich wäre. Zu den Einwendungen betreffend die körperlichen Leiden führt der Sachverständige schlüssig aus, dass die erst ab einer Gehstrecke von ca. 20 Minuten auftretenden Beinkrämpfe mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vereinbar sind, bei einer 20 minütigen Gehstrecke auch ein entsprechend langes Stehen möglich ist und die Standfestigkeit ebenso gegeben ist wie das problemlose Aufstehen und Hinsetzen und sich auch keinen Hinweise auf Probleme bei der Überwindung üblicher Niveauunterschiede fanden; all dies insbesondere vor dem Hintergrund eines unauffälligen Gangbildes und Grobmotorik.
Die bP hatte Gelegenheit, die Darlegungen der Sachverständigen in geeigneter Weise, etwa mit einem von ihr in Auftrag gegebenen Gutachten zu widerlegen; dies hat sie jedoch unterlassen; zudem wurden auch die Ausführungen in der Gutachtensergänzung nicht bestritten. Die bP hat sohin weder Ungereimtheiten noch Widersprüche in den gutachterlichen Ausführungen aufgezeigt, die eine Beeinspruchung auch ohne einem Entgegentreten auf gleichem fachlichen Niveau ermöglicht hätten (vgl. VwGH vom 20.10.2008, 2005/07/0108).
Der Pflicht der Behörde zur amtswegigen Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes ist die Mitwirkungspflicht der Partei gegenübergestellt, der insbesondere dort Gewicht zukommt, wo ihr eine bessere Kenntnis der Sachlage zuzumuten ist (vgl. VwGH vom25.05.2005, 2004/09/0030). Die bP ist dieser Mitwirkungsverpflichtung insbesondere hinsichtlich der Ängste bzw. der Schwindelproblematik (Abklärung im KH Schwarzach) nicht nachgekommen, hat diesbezüglich keine Beweismittel vorgelegt und war sohin den gutachterlichen Äußerungen (Schwindel: bei der Untersuchung nicht auffallend) zu folgen.
Da die Sachverständigengutachten samt Ergänzung auch mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehen, werden sie in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Zu A)
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).
Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen (§ 47 BBG).
Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]
2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes [...]
3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
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erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
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erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservices. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)
Die bP kann sich – auch im Hinblick auf ihre geistigen Fähigkeiten - im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen und ist das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 - 400 m zu Fuß aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe ebenso gegeben wie das Überwinden üblicher Niveauunterschiede und die sichere Beförderung im öffentlichen Verkehrsmittel. Sie leidet nicht unter Durchfällen, auch besteht keine Stuhlinkontinenz und ist sie sohin auch unter diesem Aspekt an einer Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht gehindert. Hinsichtlich des Auftretens von Übelkeit bzw. Darmgeräuschen und ev. auftretenden Weinkrämpfe verkennt das Gericht nun nicht die hierdurch bestehende Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens der bP im öffentlichen Verkehrsmittel sowie die damit einhergehenden unangenehmen Folgen, doch besteht darin nach Ansicht des erkennenden Senat noch kein hinreichender Grund für die Vornahme der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung.
Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sind bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen. In diesem Sinne wird in den Erläuterungen zu der Verordnung ausgeführt, dass die Krankheitsbilder Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 nur nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens1 Jahr die Unzumutbarkeit bedingen. Entsprechende Nachweise wurden von der bP nicht vorgelegt. Das Krankheitsbild Depression ("Weinkrämpfe") ist zudem nicht von der im § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung beschriebenen ‚erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten‘ umfasst.
Da sohin die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" nicht vorliegen, war die Beschwerde abzuweisen.
Sollten sich die Funktionseinschränkungen künftig verschlechtern, so ist es zulässig, abermals einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass zu stellen und kommt sodann eine neuerliche Beurteilung in Betracht.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stützen. Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.
Absehen von einer mündlichen Verhandlung
Maßgebend für die Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Wie unter Punkt II. 2. ausgeführt, wurde das hierzu eingeholten Gutachten samt Ergänzung als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Parteien überdies die Möglichkeit sich zu äußern; das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Der auf sachverständiger Basis ermittelte, entscheidungsrelevante Sachverhalt ist sohin geklärt. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L501.2170674.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.01.2018