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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §45 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Strasser, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Krems gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 18. September 2017, Zl. LVwG-S-2159/001-2017, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: R in L), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Gemäß einer Privatanzeige vom 16. April 2017 habe der Mitbeteiligte am 10. April 2017 auf einem Lkw Kantschotter transportiert, wobei "offensichtlich einige Körner vom Lkw auf den folgenden Pkw" der Privatanzeigerin gefallen seien.
2 In seiner Rechtfertigung führte der Mitbeteiligte im Wesentlichen aus, er habe das Ladegut ordnungsgemäß gesichert und transportiert.
3 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Krems vom 14. Juni 2017 wurde der Mitbeteiligte schuldig erachtet, die Ladung des von ihm gelenkten Lkw entgegen § 61 Abs. 1 StVO mangelhaft verwahrt zu haben, sodass von dem auf dem Lkw transportierten Kantschotter "offensichtlich einige Körner vom Lkw auf den folgenden PKW fielen".
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
5 Nach der wesentlichen Begründung gebe es keinen beweiskräftigen Ansatz für die Annahme, der Kantschotter sei dem Ladegut des Lkw zuzuordnen gewesen. Dies komme auch im Spruch des Straferkenntnisses durch die Wendung "offensichtlich" seien "einige Körner vom Lkw auf den folgenden PKW gefallen" zum Ausdruck.
6 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
7 Der Mitbeteiligte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Für zulässig erachtet die Amtspartei die Revision, weil das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Verpflichtung zur Entscheidung in der Sache selbst zur Aufnahme unmittelbarer Beweise verhalten gewesen wäre, konkret zur Einvernahme der Privatanzeigerin, die den tatbildlichen Sachverhalt behauptet habe.
10 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
11 Gemäß § 46 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die zur Entscheidung der Rechtssache erforderlichen Beweise aufzunehmen.
12 Wenn der Aufnahme eines unmittelbaren Beweises kein tatsächliches Hindernis entgegensteht, darf sich die Behörde nicht mit einem mittelbaren Beweis zufrieden geben. Unmittelbarkeit im Hinblick auf die Aussage eines Zeugen bedeutet die Einvernahme vor der erkennenden Behörde (vgl. VwGH 31.1.2014, 2013/02/0227, mwN).
13 Entgegen dieser Rechtslage hat das Verwaltungsgericht ohne Begründung von der Einvernahme der Privatanzeigerin (und auch des Mitbeteiligten) Abstand genommen.
14 Da das Verwaltungsgericht bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschriften zu einem anderen Erkenntnis hätte kommen können war das angefochtene Erkenntnis daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
15 Der Antrag der revisionswerbenden Partei auf Zuspruch von Aufwandersatz gegenüber dem Mitbeteiligten findet keine gesetzliche Deckung (§ 47 Abs. 4 VwGG).
Wien, am 11. Jänner 2018
Schlagworte
Beweismittel Indizienbeweise indirekter BeweisBeweiseVerfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Unmittelbarkeitsprinzip Gegenüberstellungsanspruch Fragerecht der Parteien VwRallg10/1/2Parteiengehör Unmittelbarkeit Teilnahme an BeweisaufnahmenBeweismittel ZeugenParteiengehörVerwaltungsstrafverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017020223.L00Im RIS seit
30.01.2018Zuletzt aktualisiert am
22.02.2019