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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §12 Abs6 litc idF 1993/817;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der D in M, vertreten durch die Rechtsanwälte Brandstetter, Politzer & Pritz Partnerschaft KEG in Wien I, Herrengasse 5, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 26. März 1997, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/1997, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird in seinem zweiten, den Rückersatz von Arbeitslosengeld in der Höhe von S 47.121,-- betreffenden Spruchpunkt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In Spruchpunkt 1. des angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheides widerrief die belangte Behörde die Zuerkennung des der Beschwerdeführerin gewährten Arbeitslosengeldes für die Zeiträume vom 25. Mai 1994 bis zum 1. Juni 1994 und vom 15. August 1994 bis zum 23. Dezember 1994. In Spruchpunkt 2. wurde der Beschwerdeführerin der aus dem Widerruf resultierende Übergenuss in der Höhe von S 47.121,-- zum Rückersatz vorgeschrieben.
Die belangte Behörde ging davon aus, dass die Beschwerdeführerin während der angeführten Zeiträume als Einzelhandelskauffrau selbständig erwerbstätig gewesen sei, wobei der Gesamtbetrag der Entgelte nach dem Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 7. August 1996 im Kalenderjahr 1994 S 1,019.760,66 betragen habe. Damit habe die Beschwerdeführerin die im § 12 Abs. 6 lit. c AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 verankerte Anspruchsvoraussetzung, mit 11,1 v.H. des von ihr erzielten Umsatzes die in § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge nicht zu übersteigen, nicht erfüllt, was die Behörde erster Instanz "aufgrund eines Umsatzsteuerbescheides des Finanzamtes ... festgestellt" habe. Der Überbezug sei "gemäß § 25 Abs. 1 AlVG" zurückzufordern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, nach Ablehnung durch den Verfassungsgerichtshof für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergänzte Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
In der Begründung der Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin - abgesehen von der abschließenden Erneuerung ihrer verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Abstellen auf den Umsatz - ausschließlich gegen die Rückforderung des Überbezuges. Insoweit sich die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides richtet, durch den die Beschwerdeführerin auch nicht aus einem vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifenden Grund in dem von ihr geltend gemachten "Recht auf Erteilung eines den §§ 12 Abs. 6 und 25 Abs. 1 AlVG entsprechenden Bescheides" verletzt erscheint, war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
In Bezug auf die Rückforderung macht die Beschwerdeführerin geltend, die belangte Behörde habe nicht festgestellt, dass einer der Rückforderungstatbestände des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG verwirklicht sei; die Rückforderung nach dem dritten Satz dieser Bestimmung sei nach der anzuwendenden Rechtslage (nämlich vor dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995) zwar aufgrund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides, nicht aber aufgrund eines nachträglich vorgelegten Umsatzsteuerbescheides zulässig (gewesen).
Hiezu führt die belangte Behörde in der Gegenschrift aus, nach dem Wortsinn könne unter einem "Einkommensteuerbescheid" zwar nicht auch ein Umsatzsteuerbescheid verstanden werden. Der Gesetzgeber habe in § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG aber auf die in § 12 AlVG festgeschriebenen Entscheidungsunterlagen zurückgreifen wollen. Wenn seit der Novelle BGBl. Nr. 817/1993 nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG nicht mehr auf das Einkommen, sondern auf den Umsatz abzustellen gewesen sei, so könne dem Gesetzgeber trotz des Umstandes, dass § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG nicht entsprechend angepasst worden sei, nicht unterstellt werden, dass die Rückforderung in diesen Fällen aufgrund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides vorzunehmen wäre.
Hiezu ist vorweg zu bemerken, dass Rückforderungen - bei Vorliegen der Voraussetzungen - auch während des hier zu beurteilenden Zeitraumes nach dem ersten Satz des § 25 Abs. 1 AlVG möglich waren und die Anknüpfung an einen nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheid in § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG auch nach der hier zu beurteilenden Rechtslage zwischen der Änderung des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG durch die Novelle BGBl. Nr. 817/1993 einerseits und der Änderung des § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, andererseits etwa im Zusammenhang mit der Notstandshilfe nicht funktionslos war. Der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vertretene Rechtsstandpunkt liefe aber darauf hinaus, dass die in § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG in der hier maßgeblichen Fassung getroffene Anordnung analog auf die Fälle zu erstrecken sei, in denen sich aus einem nachträglich vorgelegten Umsatzsteuerbescheid ergebe, dass die Leistung zu Unrecht gewährt worden sei.
Einem solchen Analogieschluss steht der Umstand entgegen, dass die in § 25 Abs. 1 dritter Satz AlVG während der maßgeblichen Zeiträume enthaltene Regelung verfassungswidrig war (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Juni 1995, Slg. Nr. 14.114). Eine analoge Anwendung dieser Regelung auf Fälle, die von ihrem Wortlaut gar nicht erfasst waren, ist schon deshalb nicht in Betracht zu ziehen.
Über die Verwirklichung eines anderen Rückforderungstatbestandes, insbesondere nach § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG, enthält der angefochtene Bescheid keine Feststellungen.
Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997080473.X00Im RIS seit
18.10.2001