Index
L5 KulturrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer Verordnung über die einstweilige Sicherstellung von Grundflächen zur Errichtung eines Schutzgebietes gemäß dem Vlbg NaturschutzG 1997; kein unverhältnismäßiger Eingriff in das Eigentumsrecht; keine verschleierte Verfügung in VerordnungsformSpruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1.a) Mit der vorliegenden, als "Verfassungsgerichtshofbeschwerde gem. Art139 Abs1 B-VG" bezeichneten Eingabe (richtig: Antrag gemäß Art139 Abs1 letzter Satz B-VG) begehrt die einschreitende Gesellschaft, die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung über die einstweilige Sicherstellung von Grundflächen im Frastanzer Ried, LGBl. 48/1997, im gesamten Umfang als gesetzwidrig ("verfassungswidrig") aufzuheben. Außerdem wird der Zuspruch von Kosten verlangt.
b) Die angefochtene Verordnung trat mit 29. Mai 1997 in Kraft. Sie hat folgenden Wortlaut:
"Auf Grund des §31 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl. Nr. 22/1997, wird verordnet:
§1
Einstweilige Sicherstellung
Die Grundstücke Nr. 1317 und 1318 und, soweit es nicht durch die Verordnung über den 'Streuewiesenbiotopverbund Rheintal-Walgau' geschützt ist, das Grundstück Nr. 1322, alle in GB 92106 Frastanz I, werden zur Errichtung eines Schutzgebiets gemäß §26 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung einstweilig sichergestellt.
§2
Schutzmaßnahmen
(1) Auf den einstweilig sichergestellten Grundflächen sind alle Einwirkungen, ausgenommen die landwirtschaftliche Nutzung gemäß Abs2, untersagt.
(2) Die einstweilig sichergestellten Grundflächen dürfen in herkömmlicher Weise als Streuewiesen genutzt werden. Sie dürfen nicht entwässert, nicht umgebrochen, beweidet, gedüngt oder mit Chemikalien behandelt und nur einmal jährlich in der Zeit vom 1. September bis zum 31. März gemäht werden.
§3
Außerkrafttreten
Diese Verordnung tritt mit der Unterschutzstellung der einstweilig sichergestellten Flächen, spätestens jedoch ein Jahr nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft."
c) Die Vorgeschichte der Verordnung (soweit sie die einschreitende Gesellschaft betrifft) wird im vorliegenden Individualantrag - zutreffend - folgendermaßen geschildert:
"Am 13.04.1995 erließ die Vorarlberger Landesregierung zu GZ IVe-142/37 einen einstweiligen Sicherstellungsbescheid für die Errichtung eines Naturschutzgebietes gemäß §13 Abs3 des Vorarlberger Naturschutzgesetzes, mit welchem die vorgenannten Grundstücke erfaßt wurden (...). Diesem Bescheid wurde Wirksamkeit bis zur Errichtung eines geplanten Naturschutzgebietes 'Frastanzer Ried', längstens jedoch bis zum 31.12.1996 eingeräumt. Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung wurde keine Folge gegeben; über die von der Fa. A S im Sommer 1995 erhobene, zu GZ 97/10/0092/2 anhängige Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wurde bislang noch nicht entschieden.
Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 23.12.1996, GZ IVe-146/207, wurde gemäß §13 Abs3 des Vorarlberger Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 36/1969, zwecks einstweiliger Sicherstellung für die Errichtung eines Naturschutzgebietes im Frastanzer Ried auf den Grundstücken Nrn. 1317, 1318 und 1322 (soweit dieses Grundstück nicht schon durch die Verordnung über den 'Streuewiesenbiotopverbund Rheintal-Walgau' geschützt ist) in der Katastralgemeinde Frastanz, der Beginn und die Weiterführung von Veränderungen oder Beseitigungen bis zum 31.03.1997 untersagt
(...).
Mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 24.03.1997, GZ IVe-146/207, wurde gemäß §13 Abs3 des Vorarlberger Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 36/1969, zwecks einstweiliger Sicherstellung für die Errichtung eines Naturschutzgebietes im Frastanzer Ried auf den Grundstücken Nrn. 1317, 1318 und 1322 (soweit dieses Grundstück nicht schon durch die Verordnung über den 'Streuewiesenbiotopverbund Rheintal-Walgau' geschützt ist) in der Katastralgemeinde Frastanz, der Beginn und die Weiterführung von Veränderungen oder Beseitigungen bis zum 31.05.1997 untersagt
(...).
Zuletzt erließ die Vorarlberger Landesregierung die angefochtene Verordnung über die einstweilige Sicherstellung von Grundflächen im Frastanzer Ried ... ."
d) aa) Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die antragstellende Gesellschaft - unbestritten - aus, daß sie Eigentümerin der drei von der bekämpften Verordnung erfaßten Grundstücke sei. Sie sei durch die Verordnung unmittelbar im Recht, ihre Grundstücke zu nutzen, gehindert; sie dürfe von diesen keinen anderen Gebrauch machen, als sie jährlich einmal im Zeitraum zwischen 1. September und 31. März zu mähen. Sie finde für die Grundstücke keinen Käufer.
Das Gesetz schließe es aus, eine Ausnahmegenehmigung zu erhalten.
bb) In der Sache bringt die antragstellende Gesellschaft im wesentlichen vor:
"1.) Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes der Freiheit des Eigentums:
Die Beschwerdeführerin ist in ihrem verfassungsmäßig geschützten Eigentumsrecht an den durch die angefochtene Verordnung erfaßten Grundstücken unmittelbar verletzt, weil sie ihre Baugrundstücke nicht verkaufen kann. Von Mitte April 1995 bis Jahresende 1996 konnte die Beschwerdeführerin davon ausgehen, daß bis zum 31.12.1996 ihre Baugrundstücke entweder ins Naturschutzgebiet einbezogen oder nicht einbezogen werden, wobei letzteres im Hinblick auf den Wert der Baugrundstücke, der Knappheit von Baugrundstücken in Vorarlberg und der besonderen Lage der gegenständlichen Parzellen unmittelbar an der stark frequentierten Bundesstraße neben einer Großtankstelle von der Beschwerdeführerin als naheliegend angesehen wurde.
Durch die beiden Verlängerungsbescheide (...), insbesondere aber durch die angefochtene Verordnung wird dieser seit April 1995 anhaltende, in die Rechtssphäre der Beschwerdeführerin massiv eingreifende Zustand vorerst bis Ende Mai 1998 verlängert, obwohl das Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung vom 04.03.1997, LGBl. Nr. 22/1997, in §31 Abs2 ausdrücklich vorsieht, daß einstweilige Sicherstellungen spätestens ein Jahr nach ihrer Erlassung außer Kraft treten und nur einmal um ein weiteres Jahr verlängert werden können.
Mit anderen Worten ausgedrückt bedeutet dies, daß der Vorarlberger Landesgesetzgeber eine Höchstfrist von 2 Jahren zu Sicherstellungszwecken eines Schutzgebietes für völlig ausreichend hält und eine Überschreitung dieser Frist von zwei Jahren dem Willen des Gesetzgebers nicht entspricht und daher rechtswidrig wäre.
Im gegenständlichen Fall hält die von der Vorarlberger Landesregierung verfügte naturschutzrechtliche Sicherstellung der gegenständlichen Bauflächen nun schon fast 27 Monate an, ohne daß sich die Sachlage geändert hätte. Bei einem seriösen Ermittlungsverfahren hätte die Vorarlberger Landesregierung über die Errichtung eines allfälligen weiteren Naturschutzgebietes in Frastanz bereits längst entscheiden müssen.
Jede weitere naturschutzrechtliche Sicherstellung erscheint nach den verfassungsrechtlichen Grundsätzen der österreichischen Eigentumsordnung unzulässig. Auch der Vorarlberger Landesgesetzgeber normiert unter §3 des Raumplanungsgesetzes i. d.F. LGBl. Nr. 34/1996 ausdrücklich:
'Die Planung ist unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.'
Die allfällige Schaffung eines weiteren Naturschutzgebietes in Frastanz ist als raumplanerische Maßnahme zu werten und unterliegt deshalb analog dieser Interessenabwägung nach dem Vorarlberger Raumplanungsgesetz.
Das Bundesland Vorarlberg ist mit Naturschutzgebieten offenbar reich gesegnet, wie folgende, keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebende Aufstellung zeigt. Erfaßt werden darin nur jene Gebiete, die unter dem Aspekt des Naturschutzes unter Schutz gestellt wurden.
...
2.) Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechtes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Artikel 18 Abs2 des B-VG:
Einziger und ausschließlicher Adressat der angefochtenen Verordnung ist nämlich die Beschwerdeführerin alleine, weil dieser sämtliche von der Verordnung betroffenen Grundstücke, Nr. 1317, Nr. 1318 und Nr. 1322, alleine gehören.
Nur zum Schein hat die Vorarlberger Landesregierung ihre individuelle Verwaltungsentscheidung in Verordnungsform gekleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und nach herrschender Lehre hat man unter einer Verordnung die von einer Verwaltungsbehörde erlassene generelle Rechtsnorm zu verstehen, die sich an eine allgemein bestimmte Vielzahl von Personen oder eine nach generellen Gattungsmerkmalen bezeichnete Gruppe der Bevölkerung richten muß. Die 'verschleierte' Verfügung in Verordnungsform wie im Beschwerdefall ist demnach verfassungswidrig (vgl. VfSlg. 313, 1398, 1685, 3820, 3859).
Dieser fundamentale Demokratiegrundsatz der österreichischen Bundesverfassung, generelle Verordnungen von den individuellen Akten der Vollziehung zu unterscheiden und Bescheide nicht in Verordnungsform zu erlassen, erscheint im Beschwerdefall verletzt."
2. Die Vorarlberger Landesregierung erstattete zu diesem Individualantrag die nachstehende Äußerung:
"1. Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtes der Freiheit des Eigentums:
Das Instrument der einstweiligen Sicherstellung soll verhindern, daß in einem als Schutzgebiet in Aussicht genommenen Bereich Maßnahmen gesetzt werden, die dem Schutzinteresse zuwiderlaufen und die beabsichtigte Unterschutzstellung desavouieren. Die mit der angefochtenen Verordnung vorgenommene einstweilige Sicherstellung stellt zweifellos eine - allerdings befristete - Beschränkung des Eigentumsrechtes dar. Art5 StGG, auf den sich die Beschwerdeführerin beruft, gewährt keinen absoluten Schutz des Eigentums, sondern steht unter Gesetzesvorbehalt. Die angefochtene Verordnung ist auf der Grundlage einer engen gesetzlichen Ermächtigung, nämlich dem §31 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl. Nr. 22/1997 ergangen. Der dadurch bewirkte Eigentumseingriff ist mit dem Umstand abzuwägen, daß einstweilige Sicherstellungen nach Abs2 dieser Gesetzesstelle spätestens ein Jahr nach ihrer Erlassung außer Kraft treten und vor Ablauf dieser Frist nur noch einmal um ein weiteres Jahr verlängert werden können.
Bis zum 29. Mai 1998 (im Falle der möglichen einmaligen Verlängerung der einstweiligen Sicherstellung bis zum 29. Mai 1999) wird die Vorarlberger Landesregierung zu entscheiden haben, ob die angeführten Grundstücke als Schutzgebiete im Sinne des §26 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftsentwicklung unter Schutz gestellt werden.
Durch die neue Rechtslage ist die Beschwerdeführerin im übrigen besser gestellt als zuvor, da §13 des Naturschutzgesetzes grundsätzlich keine derartige Befristung der einstweiligen Sicherstellung vorsah. Aus diesem Grund fällt es auch weniger ins Gewicht, daß die betreffenden Grundstücke schon zuvor aufgrund eines nach der alten Rechtslage ergangenen Bescheides einstweilig sichergestellt waren. Nach Ablauf der Befristung der angefochtenen Verordnung wird die einstweilige Sicherstellung einen Zeitraum von drei Jahren, im Falle der Verlängerung der Verordnung einen Zeitraum von maximal vier Jahren umfassen. Berücksichtigt man die naturschutzfachliche Bedeutung der betreffenden Maßnahme sowie den Umstand, daß die Widmung dieser Fläche als Baufläche bereits über 20 Jahre zurückliegt, ist diese Frist als durchaus angemessen zu bezeichnen. In diesem Zusammenhang ist weiters zu bedenken, daß die Marktgemeinde Frastanz erwägt, im Zuge der Erlassung des beabsichtigten Naturschutzgebietes die betreffenden Grundstücke in Freifläche zurückzuwidmen. Es besteht die konkrete Absicht, die Grundeigentümerin durch einen Betrag, der weit über dem nach den Bestimmungen des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes zu leistenden Betrag liegen würde, zu entschädigen.
Der von der Beschwerdeführerin herangezogene §3 des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 39/1996, ist auf eine nach dem Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung erlassene Verordnung nicht anzuwenden. Wie sich jedoch zeigt, kann angesichts des Schutzinteresses auf der einen Seite und der zeitlichen Befristung der einstweiligen Sicherstellung andererseits von einem unverhältnismäßigen Eigentumseingriff ohnehin nicht gesprochen werden.
Zur fachlichen Begründung der einstweiligen Sicherstellung ist zunächst auf die Ausführungen des Bescheides vom 13.04.1995, mit dem die Grundstücke erstmals einstweilig sichergestellt wurden, sowie auf die dem Verwaltungsakt beiliegenden Auszüge aus dem 'Erhaltungskonzept Flach- und Zwischenmoore im Rheintal und Walgau' von Dipl.Ing. M F B und Univ.Prof. Mag. Dr. G G aus 1989 hinzuweisen.
Weiters ist zu bemerken: Die betreffenden Grundstücke sind Teil des Frastanzer Riedes und in diesem die einzigen Grünflächen, die als Bauflächen gewidmet sind. Das Frastanzer Ried ist mit einer Gesamtfläche von mehr als 50 ha das größte geschlossene Flachmoorgebiet im Walgau. Es liegt am westlichen Rand des Walgaus zwischen der Ill im Norden und der linksseitigen Talflanke im Süden in einer typischen Bucht der Walgauer Talsohle. Die ergiebigen Grundwasserfelder führen im Zusammenhang mit der Talverengung unmittelbar westlich des Frastanzer Riedes zu einer besonderen ökologischen Vernetzung zwischen dem Frastanzer Ried und der Ill. Diese Grundwassersituation führte dazu, daß die Vegetation in weiten Teilen durch das Wasser beeinflußt wurde, was auch zur Bildung von großflächigen Mooren mit mächtigen Torfschichten führte. Es sind in erster Linie großflächige Pfeifengraswiesen, die das Frastanzer Ried prägen. Das auffallende Qualitätsmerkmal dieser Pfeifengraswiesen ist das massenhafte Vorkommen der Blauen Iris. Im Ostteil des Frastanzer Riedes geht die Streuewiese in ein typisches Kopfbinsenmoor über. Das Frastanzer Ried ist mit über 200 Gefäßpflanzenarten von hervorragender botanischer Bedeutung. Im Frastanzer Ried kommen mit Duftlauch, Hundswurz, Drahtsegge, Kammsegge, Glanzstengel, Nattemzunge und mit dem Grauen Rohrkolben sieben Pflanzenarten vor, die auf der Roten Liste der Gefäßpflanzen Vorarlbergs mit dem höchsten Gefährdungsgrad 'vom Aussterben bedroht' stehen. Daneben wachsen im Frastanzer Ried noch neun Pflanzenarten, deren Gefährdungsgrad auf der Roten Liste der Gefäßpflanzen Vorarlbergs mit 'stark gefährdet' angegeben ist. Grundwassergießen, Gräben und Auwaldbestände sind neben den sehr reichhaltigen Streuewiesen ein Merkmal der Biotopausstattung des Frastanzer Riedes. Aufgrund der Biotopvielfalt und der Größe des Vorkommens von außerordentlich vielen gefährdeten Arten weist das Frastanzer Ried einen hohen Naturwert auf. Es ist ein Feuchtgebiet von überregionaler Bedeutung und sollte deshalb als Ganzes erhalten werden.
Große und breite Gebirgstäler wie der Walgau sind grundsätzlich einem starken Nutzungsdruck ausgesetzt. Nach übereinstimmender Fachmeinung sollten die mitteleuropäischen Kulturlandschaften zwischen 10 und 15 % naturnahe Biotope aufweisen, damit die Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes noch gewährleistet werden kann. In der Talsohle des Walgaues ist die Ausstattung mit naturnahen Flächen an der unteren Grenze angelegt, sodaß die noch vorhandenen naturnahen Flächen unbedingt als Biotopgrundgerüst erhalten bleiben müssen. Das Frastanzer Ried würde mit seiner Größe von über 50 ha wesentlich zur Mindestausstattung an naturnahen Flächen in der Talsohle des Walgaues beitragen. Zur Erhaltung des Gesamtkomplexes sollten in dieses Schutzgebiet auch die einstweilig sichergestellten Flächen einbezogen werden.
Unter diesen Aspekten kann auch dem Argument begegnet werden, daß in Vorarlberg bereits ausreichend Gebiete als Naturschutzgebiete gewidmet seien. Die angeführten Bereiche erfassen nur wenige Prozent der Landesfläche und sind zudem zumeist in höheren Lagen gelegen. Weiters handelt es sich zum Teil auch um Alpenpflanzenschutzgebiete, deren Schutzzweck bei weitem nicht mehr so aktuell wie zum Zeitpunkt ihrer Erlassung ist und die teilweise auch zur Aufhebung in der neuen Naturschutzverordnung vorgesehen sind. Was die Ausstattung mit ökologisch so wertvollen Flächen wie dem Frastanzer Ried betrifft, hat Vorarlberg noch lange nicht jene Mindestausstattung erreicht, die aus naturschutzfachlicher Sicht anzustreben wäre.
2. Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechtes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Art18 Abs2 B-VG:
In diesem Punkt bekämpft die Beschwerdeführerin offenbar, daß die einstweilige Sicherstellung als Verordnung erlassen wurde, während es sich um einen individuellen Akt der Vollziehung handle.
Dem ist entgegen zu halten, daß sich die Verordnung über die einstweilige Sicherstellung durchaus an die Allgemeinheit und nicht nur an die Grundeigentümerin richtet. Jedermann sind alle Einwirkungen auf die einstweilig sichergestellten Grundflächen untersagt, ausgenommen die landwirtschaftliche Nutzung in herkömmlicher Art als Streuewiese. Diese Anordnung richtet sich an jeden, der auf diesen Grundstücken mit Einwilligung oder nicht Einwilligung des Grundeigentümers Maßnahmen verrichtet, die über die landwirtschaftliche Nutzung in herkömmlicher Art als Streuewiese hinausgehen."
II.Der Verfassungsgerichtshof hat über den Individualantrag erwogen:
1. a) Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (s. z.B. VfSlg. 11726/1988, 13944/1994).
b) Die Antragslegitimation ist hier gegeben:
Die angefochtene - eine untrennbare Einheit darstellende - Verordnung greift unmittelbar in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft ein, ohne daß es des Dazwischentretens eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung bedürfte.
Der antragstellenden Gesellschaft steht auch kein anderer Weg als der vorliegende Individualantrag offen, um die behauptete Rechtswidrigkeit der Verordnung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. So sieht das (die bekämpfte Verordnung tragende) (Vorarlberger) Gesetz über Naturschutz und Landschaftsentwicklung, LGBl. 22/1997, (im folgenden kurz: Vlbg. NaturschutzG 1997), keine Möglichkeit vor, eine (bescheidmäßige) Ausnahmebewilligung zu erhalten.
Da alle Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Individualantrag zulässig.
2. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
a) Der eine Vorwurf der beschwerdeführenden Gesellschaft geht dahin, daß die Verordnung ihr Eigentumsrecht unverhältnismäßig einschränke. Diese Bedenken teilt der Verfassungsgerichtshof nicht:
aa) Gemäß §26 des die Verordnung tragenden Vlbg.
NaturschutzG 1997 kann die Landesregierung durch Verordnung unter näher bezeichneten Voraussetzungen bestimmte, genau abgegrenzte Gebiete zu "Schutzgebieten" erklären.
bb) §31 Vlbg. NaturschutzG 1997 lautet:
"Einstweilige Sicherstellung
(1) Zur einstweiligen Sicherstellung eines Schutzgebietes gemäß §26, von Naturdenkmalen oder Höhlen, kann die Landesregierung durch Verordnung bestimmte Maßnahmen oder Nutzungen untersagen oder an eine Bewilligung knüpfen.
(2) Die einstweilige Sicherstellung tritt spätestens ein Jahr nach ihrer Erlassung außer Kraft. Sie kann vor Ablauf dieser Frist durch die zuständige Behörde einmal um ein weiteres Jahr verlängert werden."
cc) Die eben zitierte Norm ermächtigt die Landesregierung, Verordnungen zu erlassen, die eine Beschränkung des Eigentums verfügen.
Gemäß Artikel 5 (1. Satz) StGG ist das Eigentum unverletzlich. Eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers kann nur in den Fällen und in der Art eintreten, welche das Gesetz bestimmt (Art5, 2. Satz StGG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu VfSlg. 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg. 9189/1981, 12227/1989, 12998/1992) gilt der erste Satz des Art5 StGG ebenso für Eigentumsbeschränkungen, auf die sich allerdings auch der im zweiten Satz des zitierten Artikels festgelegte Gesetzesvorbehalt erstreckt: Der Gesetzgeber kann daher verfassungsrechtlich einwandfreie Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg. 9189/1981), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. VfSlg. 9911/1983, 11402/1987, 12227/1989) und nicht unverhältnismäßig ist (VfSlg. 13587/1993, 13659/1993, 13964/1994).
dd) Die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für die Eigentumsbeschränkung sind hier gegeben: Daß die Erklärung bestimmter Gebiete zu Schutzgebieten im öffentlichen Interesse liegt, bestreitet auch die antragstellende Gesellschaft nicht. Sie meint jedoch, daß die einstweilige Sicherstellung gemäß §31 Vlbg. NaturschutzG 1997 einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Eigentumsrecht darstelle.
Der antragstellenden Gesellschaft ist zwar zuzugestehen, daß für diese vorläufige Maßnahme keine Entschädigung vorgesehen ist. Die Erläuterungen zu der das das Vlbg. NaturschutzG 1997 betreffenden Regierungsvorlage (68. Beilage im Jahr 1996 zu den Sitzungsberichten des XXVI. Vlbg. Landtages) motivieren §31 folgendermaßen:
"Die Maßnahme der einstweiligen Sicherstellung gehört dem derzeit geltenden Recht an (§13 Naturschutzgesetz). Sie ermöglicht, schützenswerte Gebiete vor Erlassung einer auf §26 Abs1 gestützten Verordnung vorläufig unter Schutz zu stellen, um damit die Gefahr zu verringern, daß in dem als Schutzgebiet in Aussicht genommenen Bereich Maßnahmen gesetzt werden, die dem Schutzinteresse zuwiderlaufen. Sie soll jedoch lediglich Gültigkeit für maximal zwei Jahre besitzen (einschließlich der einmaligen Verlängerung)."
Diese Ausführungen überzeugen den Verfassungsgerichtshof, daß bei einer Abwägung der öffentlichen gegen die privaten Interessen die - kurzfristige - Eigentumsbeschränkung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht.
Im vorliegenden Fall erfolgte die einstweilige Sicherstellung entsprechend der früheren Rechtslage - nämlich gemäß §13 Abs3 Vlbg. Naturschutzgesetz, LGBl. 36/1969 - ursprünglich in Bescheidform (s. dazu unten, litb); und zwar erstmalig mit Bescheid der Vlbg. Landesregierung vom 13. April 1995 bis 31. Dezember 1996, in der Folge mit jenem vom 23. Dezember 1996 bis 31. März 1997 und schließlich mit Bescheid vom 24. März 1997 bis 31. Mai 1997. Die nunmehr durch Verordnung verfügte einstweilige Sicherstellung endet mit 29. Mai 1998 (s. §3 der Verordnung).
Im Hinblick darauf, daß das Vlbg. NaturschutzG 1997 gegenüber der Vorgängernorm (dem Vlbg. NaturschutzG 1969) wesentliche Änderungen im sachlichen Anwendungsbereich, in den vorgesehenen Schutzmaßnahmen und im Verfahren - also eine essentielle Systemänderung - enthält, die es allenfalls erforderlich machen könnte(n), ein vor dem Inkrafttreten des Vlbg. NaturschutzG 1997 geführtes, auf das Vlbg. NaturschutzG 1969 gestütztes Verfahren zur Vorbereitung einer Unterschutzstellung neu aufzurollen oder zu ergänzen, durfte der Vorarlberger Landesgesetzgeber davon absehen, Übergangsvorschriften für solche Konstellationen zu normieren, wie sie im Fall der antragstellenden Gesellschaft gegeben sind.
Der Verordnungsgeber wird jedoch dann, wenn er eine auf §31 Abs2 letzter Satz Vlbg. NaturschutzG 1997 gestützte Verlängerung der Geltungsdauer der angefochtenen Verordnung in Erwägung ziehen sollte, zu bedenken haben, ob diese Maßnahme von der Sache her erforderlich ist und keinen übermäßigen Eigentumseingriff bewirkt, im besonderen, ob sie ungeachtet des bereits seit Jahren anhängigen, die Unterschutzstellung vorbereitenden Verfahrens gerechtfertigt wäre.
b) Der zweite von der antragstellenden Gesellschaft erhobene Vorwurf geht dahin, daß es sich bei der angefochtenen Verordnung um eine sogenannte - verfassungsrechtlich unzulässige - "verschleierte Verfügung in Verordnungsform" handle.
Die - mit 29. Mai 1997 in Kraft getretene - angefochtene Verordnung findet in §31 des Vlbg. NaturschutzG 1997 ihre Deckung.
Das erwähnte Bedenken der Einschreiterin ist im Hinblick auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen (s. zB. VfSlg. 8119/1977, 10377/1985, 11059/1986; vergleichbar VfSlg. 9499/1982 zu einer LandschaftsschutzVO) sowie auf jene zu Prostitutionsverboten für bestimmte Gebäude (s. zB. VfSlg. 9254/1981, 10187/1984, 10274/1984, 11460/1987) nicht stichhaltig.
Daran ändert der Umstand nichts, daß der antragstellenden Gesellschaft (wie oben zu lita/dd ausgeführt) aufgrund der früheren Rechtslage (§13 Abs3 Vlbg. Naturschutzgesetz, LGBl. 36/1969) zur einstweiligen Sicherstellung für die Errichtung eines Naturschutzgebietes im Frastanzer Ried auf den in Rede stehenden Grundstücken "der Beginn und die Weiterführung von Veränderungen oder Beseitigungen" bescheidmäßig untersagt worden war.
c) Die im Antrag erhobenen Bedenken - nur auf diese war einzugehen - treffen sohin insgesamt nicht zu.
Der Antrag war mithin abzuweisen.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Naturschutz, Landschaftsschutz, Naturschutzgebiete, Verordnung, verschleierte Verfügung, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, ÜbergangsbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1997:V101.1997Dokumentnummer
JFT_10028788_97V00101_00