Entscheidungsdatum
11.01.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W200 2157740-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und den Richter Dr. KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 20.04.2017, OB 114-615819-001, betreffend die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung von Schmerzengeld gemäß § 1 Abs. 1 und 7, § 6a und § 10 Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG), zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG .
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. hat am 23.11.2016 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Gewährung von Schmerzengeld gestellt und begründend ausgeführt, dass er am 14.05.2014 bei einer Schlägerei eingegriffen habe, um zu schlichten, dabei gestoßen wurde und zu Boden gefallen sei, wobei er sich die linke Hüfte gebrochen habe. Er habe bisher noch kein Schmerzengeld erhalten. Ihm sei mitgeteilt worden, dass es nunmehr für seine Schmerzengeldforderung zu spät sei, er habe aber immer noch starke Schmerzen.
2. Die belangten Behörde teilte dem Beschwerdeführer mit, dass die Zweijahresfrist zur Einbringung eines Antrages auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld bereits mit 15.05.2016 abgelaufen sei und sein Antrag erst am 01.12.2016 bei der belangten Behörde eingelangt sei. Ihm wurde jedoch die Möglichkeit einer Antragstellung auf Übernahme der Kosten für orthopädische Versorgung näher erläutert.
3. Der Beschwerdeführer beantragte mit dem Antragsformular nunmehr neben der Pauschalentschädigung für Schmerzengeld auch die Übernahme von Selbsbehalten, Ersatz von Sachschäden sowie Rehabilitation.
4. Zur Überprüfung des Antrages holte die belangte Behörde die Krankengeschichte des Beschwerdeführers sowie Unterlagen zu dem angegebenen Vorfall sowie der Strafakt der Staatsanwaltschaft Wien zu XXXX eingeholt.
5. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 22.03.2017 gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen vier Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen.
hat folgende Einwendungen vorgebracht. Er habe bei der Schlägerei nicht einfach zusehen können, sondern habe eingreifen müssen, um diese zu beenden. Er habe eine schwere Körperverletzung erlitten und seine Schmerzen würden ein Leben lang bleiben. Andere Menschen würden auch Schmerzengeld bekommen und er nicht. Er sei auch ein Mensch und er werde dafür kämpfen.
6. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde unter Spruchpunkt I. den Antrag auf Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld mit der Begründung abgewiesen, dass dieser verfristet sei. Unter Spruchpunkt 2. und Spruchpunkt 3. wurden die Anträge auf Gewährung von Heilfürsorge in Form von Kostenbeteiligung sowie der Antrag auf Orthopädische Versorgung abgewiesen.
Die Angaben des Beschwerdeführers, das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens und die gesetzlichen Bestimmungen würdigend, wird unter Zitierung der maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antrag auf Gewährung von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach Ablauf der Antragsfrist von zwei Jahren gestellt wurde.
3. Gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Spruchpunkt 2. und 3. wurden nicht angefochten.
Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er nur zwischen den beiden Schlägern vermitteln wollte. Er habe für sein restliches Leben Schmerzen und müsse auch Medikamente nehmen. Er habe ein Recht Schmerzengeld zu erhalten.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde nicht beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Der Beschwerdeführer erlitt am 13.05.2014 im Zuge einer Rauferei eine Oberschenkelhalsfraktur.
1.2 Der Antrag auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld ist am 01.12.2016 bei der belangten Behörde eingelangt.
2. Beweiswürdigung:
Zu 1.1 und 1.2) Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.
(§ 1 Abs. 1 VOG auszugsweise)
Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.
(§ 1 Abs. 2 VOG auszugsweise)
Hilfe ist Unionsbürgern sowie Staatsbürgern von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1 im Inland begangen wurde.
(§ 1 Abs. 6 auszugsweise)
Als Hilfeleistungen sind u.a. vorgesehen:
1. ( )
2. 10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.
(§ 2 VOG auszugsweise)
Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert. (§ 6a Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)
Zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht. (§ 6a Abs. 2 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)
Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) bzw. nach dem Tod des Opfers (§ 1 Abs. 4) gestellt wird. Wird ein Antrag erst nach Ablauf dieser Frist gestellt, so sind die Leistungen nach § 2 Z 1, 2, 3 bis 7 und 9 mit Beginn des auf den Antrag folgenden Monates zu erbringen. Bei erstmaliger Zuerkennung von Ersatz des Verdienst- und Unterhaltsentganges ist von Amts wegen auch darüber zu entscheiden, ob und in welcher Höhe eine einkommensabhängige Zusatzleistung zu gewähren ist. Anträge auf Leistungen gemäß § 4 Abs. 5 unterliegen keiner Frist. (§ 10 Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)
Der § 6a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 tritt mit 1. April 2013 in Kraft. Der § 6a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 58/2013 ist auf Handlungen im Sinne des § 1 Abs. 1 anzuwenden, die ab dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes begangen wurden. (§ 16 Abs. 13 VOG auszugsweise)
Da der Beschwerdeführer den Bescheid nur hinsichtlich des Spruchpunktes 1. angefochten hat, war nur über diesen Punkt abzusprechen.
Im Lichte der Gesetzesmaterialien (GP XIII RV 40 S. 8) zum VOG 1972 ist festzuhalten, dass mit dem VOG die Möglichkeit einer Vorleistung durch den Bund geschaffen werden sollte, indem der Bund die vorläufigen Pflichten des Schädigers übernimmt.
Durch die unmissverständliche Formulierung des § 10 Abs. 1 VOG idF des BGBl. I Nr. 58/2013 hat der Gesetzgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass alle Leistungen außer Kostenersatz für Psychotherapie binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 VOG zu beantragen sind. Nach Ablauf der Zweijahresfrist sind alle Leistungen – außer Krisenintervention, Ersatz der Bestattungskosten und Pauschalentschädigung für Schmerzengeld – erst ab Antragsfolgemonat zu erbringen. Die Erläuterungen enthalten keinen Anhaltspunkt, vom eindeutigen Wortlaut der Bestimmung abzuweichen. Vielmehr kann von der jeweiligen Leistungsart auf den Zweck der Regelung geschlossen werden. Krisenintervention ist in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Verbrechen bis maximal 10 Sitzungen zu leisten und Bestattungskosten sowie Schmerzengeld stellen eine einmalige Abgeltung dar. Es handelt sich bei diesen Leistungen nach § 2 Z 2a, Z 8 und Z 10 VOG daher nicht um gegebenfalls laufende Leistungen, weshalb im Fall der Zulässigkeit der Gewährung auch nach Ablauf der Zweijahresfrist, die Bestimmung des § 10 Abs. 1 letzter Satz VOG sinnentleert wäre. Auch spricht der Umstand, dass der § 10 Abs. 1 letzter Satz VOG neu formuliert wurde, gegen die Annahme eines Redaktionsfehlers bzw. einer planwidrigen Lücke dieser Bestimmung, weil – hätte der Gesetzgeber die Ausnahmeregelung auch für Pauschalentschädigung für Schmerzengeld beibehalten wollen – er die Formulierung gelassen und unverändert übernommen hätte.
Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 VOG ist eindeutig und lässt keine andere Auslegung zu. Die im § 10 Abs. 1 VOG genannte Frist ist in keiner Weise disponibel, es handelt sich vielmehr um eine materiellrechtliche Präklusivfrist. So hat auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10.06.2013, B 149/2013, klargestellt, dass aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden ist, wenn der Gesetzgeber sozialrechtliche Leistungen nach dem VOG bei länger zurückliegenden Sachverhalten erst ab dem Zeitpunkt der Antragsstellung zuerkennt, unabhängig davon, aus welchen Gründen der Antrag verspätet eingebracht worden ist. Weder der Behörde noch dem Bundesverwaltungsgericht wird ein Ermessen eingeräumt, von den Konsequenzen des Fristversäumnisses gemäß § 10 Abs. 1 VOG abzusehen.
Da der Antrag auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld am 01.12.2016 und sohin nach Ablauf der in § 10 Abs. 1 VOG normierten zweijährigen Antragsfrist bei der belangten Behörde eingelangt ist, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)
Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung ist der Umstand, ob der Beschwerdeführer den Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld innerhalb der in § 10 Abs. 1 normierten Frist gestellt hat. Da die Fristüberschreitung unbestritten ist, erscheint der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Da die Beurteilung der Zulässigkeit der angefochtenen Entscheidung von der Beurteilung einer Rechtsfrage abhängt und von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten ist, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Abl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Es fehlt zwar eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 10 Abs. 1 VOG, jedoch trifft das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung. Es liegt daher keine Rechtsfrage vor, welcher grundsätzliche Bedeutung zukommt. (VwGH vom 28.05.2014, Ro 2014/07/0053) Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Antragsfristen, Fristablauf, SchmerzengeldEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W200.2157740.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.01.2018