TE Bvwg Beschluss 2018/1/11 L512 1422627-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.01.2018
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Entscheidungsdatum

11.01.2018

Norm

AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L512 1422627-3/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der islamischen Republik Pakistan, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Laszlo SZABO, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost, vom 23.11.2017, Zl. 566099300-171044020, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG iVm § 21 Abs. 3 BFA-VG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ein Staatsangehöriger der islamischen Republik Pakistan, (in weiterer Folge "Pakistan" genannt), brachte erstmals am 19.09.2011 nach illegaler Einreise beim Bundesasylamt (kurz: BAA) einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte der BF am 19.09.2011 durch einen Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt vor, deshalb das Heimatland verlassen zu haben, da er im

3. oder 4. Monat des Jahres 2009 eine Auseinandersetzung mit einem Dorfbewohner gehabt habe, da der jüngere Bruder des BF die Schwester dieser Person nach XXXX entführt habe. Der BF sei daraufhin ständig bedrängt worden, seinen Bruder mit der Schwester dieser Person zur Rückkehr zu bewegen. Der Nachbar habe den BF einige Male geschlagen, mit dem Umbringen bedroht und den BF mit dem Messer am Hals verletzt. Diese Vorfälle habe der BF bei der Polizei zur Anzeige gebracht, woraufhin der Gegner des BF für einige Tage verhaftet worden sei. Nach dessen Freilassung habe dieser jedoch den BF weiterhin bedroht.

Am 27.10.2011 gab der BF durch einen Organwalter des Bundesasylamtes neuerlich niederschriftlich einvernommen zum Fluchtgrund befragt zu Protokoll, Angehöriger des christlichen Glaubens zu sein und im April 2009 von Angehörigen der Halal bzw. Nasar Gruppe zusammengeschlagen worden zu sein. Zudem sei er mit einem Messer attackiert worden und sei infolge Arbeitsunfähigkeit wegen Fingerschmerzen im Krankenhaus gewesen. Anzeige habe er niemals gegen diese Leute erstattet.

I.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.10.2011, Az.: 11 10.757-BAI gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 2 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).

I.3. Gegen den Bescheid vom 27.10.2011, Az.: 11 10.757-BAI wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.4. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.02.2012, Zl. E13 422.627-1/2011/6E wurde

die Beschwerde des BF gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1 , 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl 67/2012 als unbegründet abgewiesen.

Rechtlich wurde ausgeführt, dass nicht festgestellt werden konnte, dass der BF im Heimatland eine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung drohe. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass sie im Falle einer Rückkehr der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wären.

Weiters konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass die Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für sie als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Ebenso stelle eine Ausweisung keinen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf ein Privat- und Familienleben des BF dar.

I.5. Das oa. Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.02.2012, Zl. E13 422.627-1/2011/6E wurde dem BF am 03.03.2012 rechtswirksam zugestellt und ist dieses am 03.03.2012 in Rechtskraft erwachsen.

I.6. Gegen das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.02.2012, Zl. E13 422.627-1/2011/6E erhob der BF Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof.

I.7. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 22.02.2013, GZ U 2615/12-3 wurde die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

I.8. Der BF brachte am 08.05.2014 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (kurz: BFA) einen neuerlichen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz ein.

Als Begründung für den neuerlichen Antrag brachte der BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Wesentlichen vor, dass seine alten Fluchtgründe noch aufrecht seien. Die Lage in Pakistan sowie seine Fluchtgründe hätten sich noch verschlechtert. Außerdem habe er beim ersten Asylantrag keine Beweise oder Hinweise vorlegen können. Jetzt möchte er dies nachholen. Es gebe keine Änderungen in Bezug auf seine Situation/Fluchtgründe, er habe nur jetzt Hinweise, dass sich die Lage verschlechtert habe. Er habe Angst um sein Leben.

Vor einem Organwalter des BFA gab der BF an, dass seine Probleme, die er im Rahmen der ersten Asylantragstellung erwähnte, noch schlimmer geworden seien. Der BF legte zum Beweis einen USB Stick und eine CD vor und führte diesbezüglich aus, dass zwei Filme zu sehen seien, die sich mit der Lage der moslemischen und christlichen Bevölkerung beschäftigen. Zudem legte der BF ein Schreiben der Polizeistation vor und führte aus, dass der BF die Polizei bat diesem zu helfen. Weiters wurde ein Führerschein samt Bestätigung, die Sterbebestätigung des Vaters des BF sowie Internetberichte vorgelegt. Der anwesende Rechtsberater legte einen Bericht über die Sicherheitslage in Pakistan vor.

Dem BF wurden Länderfeststellungen zu Pakistan ausgehändigt und ihm eine achttägige Frist zur Abgabe einer Stellungnahme gewährt.

Im Rahmen einer schriftlichen Stellungnahme wiederholte der BF seine Fluchtgründe in den wesentlichen Eckpunkten und führte aus, dass es in Pakistan keine Sicherheit geben würde. Es würde ständig, egal wo man sich aufhalte, etwas passieren. Es komme zu Explosionen, Bombenanschlägen und Ermordungen.

I.9. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2014, Zl. 566099300, Verf. Zl.14595667 gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.).

Es sei kein neuer, entscheidungsrelevanter, glaubhafter Sachverhalt hervorgekommen, welcher zu einer anderen Beurteilung des Antrages auf internationalen Schutz führen würde.

I.10. Gegen den angefochtenen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2014, GZ: L512 1422627-2/3E, wurde die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF als unbegründet abgewiesen.

I.12. Das oa. Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.08.2014, GZ: L512 1422627-2/3E, erwuchs am 27.08.2014 in Rechtskraft.

I.13. Der BF wurde am 16.03.2016 am Luftweg nach Pakistan abgeschoben.

I.14. Am 10.09.2017 brachte der BF beim BFA einen neuerlichen, gegenständlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz ein.

I.15. Vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF am 10.09.2017 zusammengefasst Folgendes an:

Er sei pakistanischer Christ. Deshalb sei sein Leben in Pakistan in Gefahr. Beweise und Fotos habe er auf seinem alten Handy gehabt. Dieses habe er jedoch verloren. Er könne die Beweise mit Hilfe seines Bruders, der in der XXXX aufhältig sei, schicken lassen.

Am 24.10.2017 wurde dem BF eine Mitteilung gemäß § 29 Abs.3 Z 4 AsylG 2005 zur Kenntnis gebracht.

I.16. Am 31.10.2017 gab der BF vor einem Organwalter des BFA zusammengefasst Folgendes an: Er gehöre dem Christentum an. Die Christen seien in Pakistan eine Minderheit. Deswegen sei sein Leben in Gefahr. Er habe seit 8 bis 10 Jahren Probleme mit muslimischen Organisationen in Pakistan. Die Mitglieder der muslimischen Organisation hätten gewollt, dass der BF sich diesen anschließe und für sie arbeite. Der BF lehnte ab, woraufhin man versucht habe, den BF umzubringen. Ende Mai 2017 sei sein Bruder und er von Mitarbeitern der muslimischen Organisation mitgenommen worden. Sie seien 10 bis 12 Tage lang festgehalten worden. Der BF sei gefoltert wurde. Darüber sei ein Video gemacht worden. Der BF und sein Bruder hätten am 12. oder 13.06.2017 flüchten können. Nachdem die Gegner des BF diesen und seinen Bruder nicht gefunden hätten, hätten diese eine Anzeige erstattet und eine Durchsage bei mehreren Moscheen veranlasst. Sie hätten gesagt, dass der Bruder des BF und der BF den Koran erniedrigt hätten.

I.17. Mit Bescheid des BFA vom 23.11.2017, Zl. 566099300-171044020, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 10.09.2017 gemäß § 68 Absa 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Asbs 1a FPG wurde festgehalten, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe.

I.18. Gegen diesen Bescheid wurde von der gewillkürten Vertretung des BF mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.19. Hinsichtlich des Verfahrensinhaltes im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A) II.3.2. Zurückverweisung

§ 21 Abs 3 BFA-VG lautet:

Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint.

Laut den Erläuterungen (RV 2144 BlgNR 24. GP 14) geht aus der Regelung des Abs. 3 hervor, dass die Stattgebung einer Beschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Zulassungsverfahren ex lege zur Zulassung führt. Das Bundesverwaltungsgericht hat neben den Fällen von falscher rechtlicher Beurteilung auch im Fall von Erhebungsmängeln die Entscheidung zu beheben, das Verfahren zuzulassen und an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Durchführung eines materiellen Verfahrens zurückzu[ver]weisen. Dieses kann allerdings im materiellen Verfahren - die Zulassung steht einer späteren Zurückweisung nicht entgegen - wieder zu der Ansicht kommen, dass der Antrag unzulässig war.

II.3.3. Zum gegenständlichen Verfahren - Prüfungsumfang der "Entschiedenen Sache"

II.3.3.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gem. § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH v. 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; VwGH v. 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; VwGH v. 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; VwGH v. 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913; 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27.9.2000, 98/12/0057). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (zweiten) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. z.B. VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes i.S.d. § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN).

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen i.S.d. § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1AsylG 2005, nämlich §28 AsylG1997). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gem. §68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; 24.2.2000, 99/20/0173; 19.7.2001, 99/20/0418; 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 19.10.2004, 2001/03/0329; 31.3.2005, 2003/20/0468; 30.6.2005, 2005/18/0197; 26.7.2005, 2005/20/0226). Wird in einem neuen Asylantrag eine Änderung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalts nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen und berechtigt die Behörde dazu, ihn zurückzuweisen (VwGH 4.5.2000, 99/20/0192).

Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. "Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit" (VwGH 29.9.2005, 2005/20/0365; 22.11.2005, 2005/01/0626; 16.2.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556).

Identität der Sache liegt auch dann vor, wenn sich das neue Parteibegehren von dem mit rechtskräftigem Bescheid bereits abgewiesenen nur dadurch unterscheidet, dass eine bisher von der Partei nicht ins Treffen geführte Rechtsfrage aufgegriffen wird oder die Behörde in dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren die Rechtsfrage auf Grund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 2.7.1992, 91/06/0207 mwN).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nicht anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. z.B. VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

"Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.5.1995, 93/08/0207).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuzie-hen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. - in Bezug auf mehrere Folgeanträge - VwGH 26. 7. 2005, 2005/20/0226, m.w.N.). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. das schon zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 2004 m.w.N.). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen.

II.3.3.2. Im gegenständlichen Verfahren war als Vergleichsentscheidung das Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.02.2012, Zl. E13 422.627-1/2011/6E heranzuziehen, mit welchem die Beschwerde des BF gemäß §§ 3, 8 Abs 1 Z 1 , 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idF BGBl 67/2012 als unbegründet abgewiesen wurde.

Den verfahrensgegenständlichen dritten Antrag begründete der Beschwerdeführer damit, dass seine alten Fluchtgründe noch immer aufrecht seien. Zudem sei er zusammen mit seinem Bruder Ende Mai 2017 von Mitarbeitern der muslimischen Organisation mitgenommen worden. Sie seien 10 bis 12 Tage lang festgehalten worden. Der BF sei gefoltert wurde. Darüber sei ein Video gemacht worden. Der BF und sein Bruder hätten am 12 oder 13.06.2017 flüchten können. Nachdem die Gegner des BF diesen und seinen Bruder nicht gefunden hätten, hätten diese eine Anzeige erstattet und eine Durchsage bei mehreren Moscheen veranlasst. Sie hätten gesagt, dass der Bruder des BF und der BF den Koran erniedrigt hätten.

Zum Beweis seiner Angaben legte der BF zahlreiche Unterlagen, unter anderem eine steckbriefliche Ausschreibung, einen Haftbefehl und einen polizeilichen Erstbericht vor.

Die belangte Behörde hat sich im gegenständlichen Verfahren über den Inhalt dieser Unterlagen offenbar keine Kenntnis verschafft. Im Verwaltungsakt befinden sich keine Übersetzungen dieser Unterlagen. Das erkennende Gericht hat im Beschwerdeverfahren eine Übersetzung dreier Dokumente (steckbriefliche Ausschreibung, einen Haftbefehl und einen polizeilichen Erstbericht) in Auftrag gegeben. Das BFA hat sich zudem im Rahmen der Beweiswürdigung im Zuge ihrer Entscheidung mit diesen Beweismitteln nicht ausreichend auseinandergesetzt. Das BFA hat nicht festgestellt, ob es sich hierbei um echte oder unechte Dokumente handelt bzw. ob der Inhalt dieser Unterlagen mit dem Vorbringen des BF in Einklang zu bringen ist oder eben nicht. Auffällig ist bereits der Umstand, dass die oa. drei Unterlagen aus dem Jahr 2016 stammen, der BF jedoch anführt, dass die Vorfälle im Jahr 2017 stattgefunden hätten.

Anhand der Länderfeststellungen hat das BFA festgehalten, dass die Zahl der [pakistanischen, in Deutschland] vorgelegten inhaltlich ge- oder verfälschten Dokumente hoch ist. Es ist in Pakistan problemlos möglich, ein (Schein-)Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. "First Information Report" oder Haftverschonungsbeschluss) echt sind, das Verfahren in der Zwischenzeit aber längst eingestellt wurde. Verfahren können zum Schein jederzeit durch einfachen Antrag wieder in Gang gesetzt werden. Ebenso ist es ohne große Anstrengungen möglich, Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder aufgrund von Beziehungen veröffentlichen zu lassen (AA 30.5.2016). Diesbezüglich hat das BFA jedoch keine Ausführungen in Bezug auf die vorgelegten Unterlagen getroffen.

Es wäre im gegenständlichen Verfahren von Nöten, dass die belangte Behörde die Übersetzungen der vom erkennenden Gericht vom BF vorgelegten Unterlagen beantragt und sich im Zuge der Beweiswürdigung des Bescheides mit der Relevanz dieser drei Beweismittel als auch mit er Relevanz der weiters vorgelegten Unterlagen befasst.

Dem Bundesverwaltungsgericht ist es im Lichte der obzitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes verwehrt, diesen Mangel selbst zu beheben.

Ohne das Ergebnis dieser Ermittlungen – Auseinandersetzung mit den Beweismitteln - kann jedoch nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ob ein neuer Sachverhalt mit glaubhaftem Kern vorliegt oder nicht.

II.4. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Der Beschwerde ist daher im Lichte der höchstgerichtlichen Judikatur, VwGH 13.11.2014, Ra 2017/18/0025, im gegenständlich zugelassenem Verfahren stattzugeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG iVm § 21 Abs. 3 BFA-VG ist aufzuheben.

II.5. Eine mündliche Verhandlung konnte aufgrund der Behebung des Bescheides gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das ho. Gericht legt in seinen Ausführungen in Bezug auf die angeführten Grundsätze im Hinblick auf Aufhebungs- und Zurückweisungsbeschlüsse bzw. der Sachentscheidungspflicht des Verwaltungsgerichtes gemäß § 28 Abs 3 VwGVG die bereits beschriebenen Tatbestandsmerkmale im Lichte der ebenfalls zitierten aktuellen Rechtsprechung des VwGH aus.

Schlagworte

Bescheinigungsmittel, Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht, geänderte
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Verfahrensführung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L512.1422627.3.00

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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