TE Vwgh Erkenntnis 2017/12/14 Ro 2017/07/0025

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2017
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

VwRallg;
WRG 1934 §43;
WRG 1959 §47 Abs1 lita;
WRG 1959 §47 Abs1 litb;
WRG 1959 §47 Abs1 litc;
WRG 1959 §47 Abs1;
WRG 1959 §47;
WRG 1959;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck und die Hofrätin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schubert-Zsilavecz, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 17. Juni 2017, Zl. LVwG-AV-711/001-2017, betreffend einen Instandhaltungsauftrag gemäß § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 (mitbeteiligte Partei:

Republik Österreich, vertreten durch die Landeshauptfrau von Niederösterreich), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Die Bezirkshauptmannschaft Waidhofen, die nunmehrige Amtsrevisionswerberin, stellte im Jahr 2013 fest, dass sich am G.- bach in N. eine noch intakte, aber nicht mehr zur Wasserkraftnutzung verwendete Wehranlage befindet. Weil keine Unterlagen betreffend eine wasserrechtliche Bewilligung bzw. ein wasserrechtliches Erlöschensverfahren im Hinblick auf diese Anlage aufgefunden werden konnten, vermutete die Amtsrevisionswerberin, dass im Zuge eines ehemaligen Erlöschensverfahrens von der Vorschreibung der Beseitigung der gegenständlichen Wehranlage abgesehen worden war.

2 Mit Bescheid vom 15. Mai 2017 trug die Amtsrevisionswerberin der mitbeteiligten Partei im Interesse der Instandhaltung des G.-baches sowie zur Hintanhaltung von Überschwemmungen auf, die näher bezeichnete Wehranlage bis spätestens 30. Juni 2018 zu entfernen. Dabei stützte sich die Amtsrevisionswerberin auf die Bestimmung des § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959.

3 In der dagegen eingebrachten Beschwerde führte die mitbeteiligte Partei zusammengefasst aus, die Wehranlage befände sich nicht auf ihrem Grundstück, weshalb sie auch nicht Adressatin des Auftrags sein könne. Außerdem sei § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 nicht anwendbar, weil diese Bestimmung nur auf nicht ortsfeste bzw. mobile Abflusshindernisse natürlichen Ursprungs anzuwenden sei. Auch könne das Kriterium der Nichterforderlichkeit besonderer Fachkenntnisse nicht mit dem Argument ausgehebelt werden, dass die mitbeteiligte Partei über Dienststellen mit entsprechendem Fachwissen verfüge bzw. einen Fachkundigen beauftragen könne. Die Maßnahmen zögen weitere Arbeiten nach sich, die einen beträchtlichen Einsatz an finanziellen Mitteln erforderten. Das vorhandene Bauwerk sei einer natürlichen Stufe gleichzuhalten, weil dessen Beseitigung im Zuge des Erlöschensverfahrens offensichtlich nicht für erforderlich erachtet worden sei. Überdies handle es sich bei der Wiederherstellung der Fischpassierbarkeit weder um eine Instandhaltungsmaßnahme noch um eine Maßnahme zur Hintanhaltung von Überschwemmungen, weshalb ein diesbezüglicher Auftrag in § 47 WRG 1959 keine Deckung fände.

4 Mit Erkenntnis vom 17. Juni 2017 gab das LVwG der Beschwerde der mitbeteiligten Partei Folge und hob den Bescheid der Amtsrevisionswerberin vom 15. Mai 2017 ersatzlos auf (Spruchpunkt I.). Das LVwG erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig (Spruchpunkt II.).

5 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, es gehe primär um die Frage der Anwendbarkeit des § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 auf den vorliegenden Sachverhalt. Fraglich sei, ob ein Bauwerk wie eine Wehranlage überhaupt Gegenstand eines Auftrages im Sinne der zitierten Rechtsvorschrift sein könne.

6 Schon der Wortlaut des § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 spreche dagegen, dass davon auch feste Anlagen im Gewässer erfasst sein könnten, gehe es doch um die "Räumung" von exemplarisch aufgezählten "Gegenständen". Demgegenüber würde man im allgemeinen Sprachgebrauch den Abbruch einer Wehranlage kaum als "Räumung" eines Gewässers von einem "Gegenstand" bezeichnen. Der Gesetzgeber habe offensichtlich die mit der Gewässerdynamik typischerweise verbundenen Veränderungen an Gerinnen im Auge, die Maßnahmen zu dessen "Instandhaltung" erforderten. Dafür, dass damit vom äußersten Wortsinn eventuell noch gedeckte Anlagen miterfasst sein könnten, biete die Formulierung des § 47 insgesamt keinen Hinweis. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Bestimmungen des § 41 Abs. 3 bzw. 4 und § 50 Abs. 8 WRG 1959, welche ebenfalls "Räumungen" zum Inhalt hätten, hinzuweisen, denen offensichtlich dieselbe Vorstellung von einer Räumung im Sinne der Beseitigung von Ablagerung von Schwemmgut, Geschiebe und dergleichen zugrunde liege.

7 Es handle sich bei den Verpflichtungen nach § 47 Abs. 1 WRG 1959 um mit dem Eigentumsrecht in Zusammenhang stehenden Verpflichtungen. Es gehe darum, die primär von den typischen Veränderungen (vgl. die exemplarisch aufgezählten Fälle von aufkommendem Bewuchs, Uferbrüche, Schwemmgutablagerungen) an einem Gewässer betroffenen Grundeigentümer zu einem zumutbaren Beitrag zu verhalten, nicht aber um Maßnahmen an Wasserbauten.

8 Dies resultiere auch aus der systematischen Interpretation des WRG 1959. In Bezug auf Anlagen enthalte das WRG 1959 ein eigenes Regelungsregime. Negativen Auswirkungen von Anlagen auf das Gewässer und damit verbundene mögliche Hochwassergefahren begegne das Gesetz durch die Statuierung von Bewilligungspflichten. Sollte sich nach der Erteilung der Bewilligung ergeben, dass die öffentlichen Interessen nicht hinreichend geschützt seien, könne dem mit dem Instrumentarium des § 21a WRG 1959 begegnet werden. Negativen Auswirkungen auf Grund mangelnder Instandhaltung (von Anlagen) habe die Wasserrechtsbehörde mit Aufträgen nach § 50 iVm § 138 Abs. 1 WRG 1959 zu begegnen. Werde eine Anlage konsenslos errichtet, sei ebenfalls nach § 138 leg. cit. vorzugehen. Erlösche ein Wasserrecht, biete § 29 WRG 1959 die entsprechende Handhabe, durch Vorschreibung letztmaliger Vorkehrungen negative Auswirkungen zu verhindern.

9 Auch die historische Entwicklung mache dies deutlich:

§ 47 WRG 1959 sei bereits als dessen § 43 Inhalt des WRG 1934 gewesen. In diesem Gesetz sei § 43 gleichsam das Gegenstück zu

§ 45 (der Vorgängerbestimmung des nunmehrigen § 50 WRG 1959) gewesen, wie auch die Überschriften und die systematische Abfolge im Gesetz zeigten.

10 Gegenständlich scheine die Amtsrevisionswerberin davon auszugehen (definitive Feststellungen hätten mangels Auffindbarkeit entsprechender Unterlagen nicht getroffen werden können), dass der derzeitige Gewässerzustand das Resultat unzureichend erteilter letztmaliger Vorkehrungen sei. Ein derartiges Versäumnis zu sanieren, könne jedoch nicht Zielrichtung des § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 sein.

11 Im Übrigen ergebe sich aus der Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen, dass die im vorliegenden Fall festzustellende abflusshindernde Wirkung nur jener Effekt sei, der von jeder anderen Wehranlage auch ausgehe. Eine konsequente Weiterverfolgung des Gedankens, dass dies bereits zu einem Vorgehen nach § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 führen müsste, brächte das absurde Ergebnis mit sich, dass diese Bestimmung auch auf jede wasserrechtlich bewilligte Anlage Anwendung finden müsste.

12 Es ergebe sich zusammenfassend sohin, dass auf Wasserbauten, auch wenn eine Bewilligung nicht (mehr) vorliege, § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 nicht anzuwenden sei. Dem könne auch nicht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegengehalten werden, wonach bei nicht mehr eindeutiger Feststellbarkeit der Art der Entstehung eines Gerinnes § 47 WRG 1959 anwendbar sei. Daraus sei nämlich nur abzuleiten, dass auch bei derartigen Gewässern die Räumung von durch die genannte Bestimmung tatsächlich erfassten Gegenständen aufgetragen werden könne (vgl. VwGH 13.11.1990, 89/07/0079).

13 Auf die übrigen Argumente der Beschwerde sei nicht mehr einzugehen gewesen, weil sich § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 schon aus dem genannten Grund als nicht anwendbar erwiesen habe.

14 Da bereits aufgrund der Aktenlage festgestanden sei, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben sei, habe es gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr bedurft.

15 Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof führte das LVwG aus, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Inhalt und Umfang der Räumungsverpflichtung nach § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959, insbesondere zur Frage, ob sich ein behördlicher Auftrag auf Bauten in einem Gerinne beziehen könne, für welche eine wasserrechtliche Bewilligung nicht vorliege bzw. nicht eruiert und auch ein Beseitigungsauftrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 nicht erteilt werden könne. Diese Frage sei keineswegs auf den konkreten Einzelfall beschränkt; vielmehr sei davon auszugehen, dass weitere vergleichbare Sachverhalte etwa im Zusammenhang mit Bestrebungen zur Herstellung des guten ökologischen Gewässerzustands zu beurteilen sein würden.

16 Die ordentliche Revision richtet sich gegen dieses Erkenntnis und macht Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend.

17 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung vom 23. August 2017, in der sie näher darlegte, inwiefern das angefochtene Erkenntnis des LVwG zu Recht ergangen sei.

18 Auch der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft erstattete eine Revisionsbeantwortung vom 25. August 2017, in der er die Abweisung der Revision beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19 1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

21 Nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

22 Das LVwG ließ die ordentliche Revision zu, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs betreffend Inhalt und Umfang der Räumungsverpflichtung nach § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 vorliege.

23 In der Amtsrevision wird zu deren Zulässigkeit auf die vom LVwG aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG Bezug genommen. Auf den gegenständlichen Sachverhalt sei die Anwendbarkeit des § 47 WRG 1959 zumindest nicht denkunmöglich. Wenn faktisch etwas von Menschenhand angelegt worden sei (Gewässerquerbauwerk), dies aber aufgrund der - vor dem Zeitpunkt der Erlassung der EU-Wasserrahmenrichtlinie  - zu beurteilenden öffentlichen Rücksichten nicht beseitigt werden habe müssen und dieses Bauwerk daher rechtlich als Naturzustand zu werten sei, könne die Anwendbarkeit des § 47 WRG 1959 nicht ausgeschlossen werden. Es sei nötig, die Überschrift des § 47 WRG 1959 ("Instandhaltung der Gewässer...") bzw. den Einleitungssatz des Abs. 1 des § 47 WRG 1959 ("Im Interesse der Instandhaltung der Gewässer...") nicht auf die Thematik Hochwasserschutz bzw. Überschwemmungsgefahr zu reduzieren, sondern im Lichte der Weiterentwicklung und Konkretisierung der wasserwirtschaftlichen Zielsetzungen zu interpretieren. Daher könnten bereits aufgrund der derzeitigen Gesetzesformulierung unter "Instandhaltung der Gewässer" auch die erwähnten wasserwirtschaftlichen Erfordernisse der Fischdurchgängigkeit und des guten Gewässerzustandes subsumiert werden.

24 Die Revision erweist sich als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

25 2. Gegenständlich ist fraglich, ob die Beseitigung einer Wehranlage in einem Gewässer zu Recht auf § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 gestützt werden kann.

26 2.1. § 47 WRG 1959, BGBl. Nr. 215/1959, in der Fassung BGBl. I Nr. 74/1997, lautet (auszugsweise):

"Instandhaltung der Gewässer und des Überschwemmungsgebietes.

§ 47. (1) Im Interesse der Instandhaltung der Gewässer sowie zur Hintanhaltung von Überschwemmungen kann den Eigentümern der Ufergrundstücke durch Bescheid der Wasserrechtsbehörde aufgetragen werden:

a) die Abstockung und Freihaltung der Uferböschungen und

der im Bereiche der regelmäßig wiederkehrenden Hochwässer gelegenen Grundstücke von einzelnen Bäumen, Baumgruppen und Gestrüpp und die entsprechende Bewirtschaftung der vorhandenen Bewachsung;

b)        die entsprechende Bepflanzung der Ufer und

Bewirtschaftung der Bewachsung;

c)        die Beseitigung kleiner Uferbrüche und Einrisse und die

Räumung kleiner Gerinne von Stöcken, Bäumen, Schutt und anderen den Abfluß hindernden oder die Ablagerung von Sand und Schotter fördernden Gegenständen, soweit dies keine besonderen Fachkenntnisse erfordert und nicht mit beträchtlichen Kosten verbunden ist.

(2) ..."

27 2.2. § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 spricht von der "Räumung kleiner Gerinne von (...) den Abfluss hindernden oder die Ablagerung von Sand und Schotter fördernden Gegenständen". Fraglich ist nun, ob ein bestehender Wasserbau (Wehranlage) unter den Begriff "Gegenstand" und ein darauf bezogener Entfernungsauftrag als "Räumung" im Sinne dieser Norm subsumiert werden kann.

28 2.3. Ein Blick auf die Geschichte dieser Norm bietet folgendes Bild:

29 2.3.1. Der Wortlaut des § 47 WRG 1959 entstammt zur Gänze aus dem WRG 1934. Das Reichswasserrechtsgesetz 1869 (RWRG) bzw. die Landeswasserrechtsgesetze kannten keine ähnliche Bestimmung. Durch die Wiederverlautbarung wurde im WRG 1959 die Bezeichnung dieser Bestimmung von § 43 auf § 47 WRG 1959 geändert.

30 2.3.2. Der Begriff der "Räumung", den ua auch § 47 leg. cit. verwendet, war aber dem RWRG in seinem § 43 (Erhaltung und Räumung künstlicher Gerinne - ein Vorgänger des § 50 WRG 1959) bereits bekannt. Nach Peyrer, Das Österreichische Wasserrecht, Wien 1886, S. 408, umfasste die "Räumung eines Gewässers" alle Arbeiten, welche periodisch wiederkehrend erforderlich seien, um die Hindernisse des regelmäßigen Wasserablaufes zu beseitigen und dem Gewässer die für letzteren erforderliche normale Tiefe und Weite zu erhalten; also insbesondere die Aushebung von Schlamm, Kies, Sand und sonstigen Anschwemmungen, die Wegräumung von Geröll, Steinen, Wasserpflanzen, versunkenen Baumstämmen, Ablagerungen und dergleichen; endlich auch die Beseitigung des Eises, soweit dasselbe den regelmäßigen Wasserablauf hindere.

31 Im Zusammenhang mit der Instandhaltung eines Gewässers bezog und bezieht sich der Begriff der "Räumung" auf das periodisch wiederkehrende Erfordernis, zwischenzeitig aufgetretene, natürlich entstandene Hindernisse für den regelmäßigen Wasserablauf zu beseitigen.

32 2.3.3. Zu § 43 WRG 1934 heißt es in Haager/Vanderhaag, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, Wien 1936, S. 301f, die wirtschaftlichen Schäden, die 1. durch ein ungepflegtes oder verwildertes Gerinne und 2. eine nicht zweckmäßige Bewirtschaftung der Ufergrundstücke sowie des Überschwemmungsgebietes herbeigeführt werden könnten, machten

1. im öffentlichen, aber auch 2. im eigenen Interesse der Uferanrainer wasserpolizeiliche Vorschriften notwendig, die eine Beschränkung der Verfügungsfreiheit mit einzelnen Grundstücken mit sich brächten. Zu den wasserpolizeilichen Vorschriften gehörten ua auch die Räumung 1. kleiner Gerinne von den den Abfluss hindernden oder 2. von den die Ablagerung von Sand und Schotter fördernden Gegenständen, d.s. alle Arbeiten, die die Beseitigung von Hindernissen des regelmäßigen Wasserablaufes bezweckten.

33 Mit diesen Worten wird ein Zustand geschildert, der mangels Pflege oder durch unzweckmäßige Bewirtschaftung auf natürlichem Weg in einem Gerinne entstehen kann und dem abgeholfen werden soll. In der Vergangenheit vorgenommene und noch immer bestehende Einbauten in ein Gewässer sind einem solchen Vorgang nicht gleichzuhalten.

34 2.3.4. Nach Krzizek, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz, Wien 1962, trifft "die Verpflichtung zur Instandhaltung der Gewässer und des Überschwemmungsgebietes nach § 47 die Eigentümer der Ufergrundstücke nicht kraft Gesetzes. Sie besteht nur dann und nur insoweit, als dies durch Bescheid der Wasserrechtsbehörde bestimmt wird. Die Behörde kann auch nicht jede an sich zweckmäßige Vorkehrung, sondern nur solche auftragen, die in den lit. a) bis c) vorgesehen sind. Welche Vorkehrung im Einzelfall aufzutragen ist, richtet sich nach den Umständen des Falles. Die behördliche Entscheidung ist jedenfalls keine Entscheidung nach freiem Ermessen."

35 Zu lit. c des § 47 heißt es dort weiter: "Alle in dieser Gesetzesstelle vorgesehenen Vorkehrungen können nur dann aufgetragen werden, wenn hiezu keine besonderen Fachkenntnisse erforderlich sind und hiedurch keine erheblichen Kosten erwachsen. Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes ‚beträchtliche Kosten' kommt es nicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des betroffenen Liegenschaftseigentümers, sondern darauf an, ob diese Kosten objektiv erheblich sind."

36 2.4. Aus den zitierten Kommentarstellen ergibt sich bereits ein eingeschränktes Verständnis des § 47 WRG 1959. Die Verpflichtung der betroffenen Eigentümer der Ufergrundstücke besteht ja - wie dargestellt - nicht von vornherein, sondern wird erst im Einzelfall bestimmt. Es darf daher nur in den im Gesetz genannten Fällen zu behördlichen Vorschreibungen kommen, und es darf nicht mehr oder Anderes als gesetzlich vorgesehen und fallbezogen unbedingt notwendig vorgeschrieben werden.

37 Die Aufzählung des Abs. 1 des § 47 WRG 1959 ist als taxativ anzusehen (vgl. dazu auch Raschauer, Kommentar zum Wasserrecht (1993) Rz. 2 zu § 47 WRG 1959).

38 2.5. Geht es aber um die periodische wiederkehrende Reinhaltung und Räumung eines Gewässers von den zwischenzeitig dort entstandenen oder angeschwemmten Gegenständen, so fallen im Gewässer befindliche Wasserbauten (Wehranlagen), die bereits seit langem an dieser Stelle bestehen, nicht unter den Begriff eines "Gegenstands" im Sinne der lit. c dieser Bestimmung und ihre Beseitigung nicht unter den Begriff der "Räumung".

39 2.6. Damit steht in Übereinstimmung, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Anwendbarkeit der lit. a des § 47 Abs. 1 WRG 1959 ausgesprochen hat, dass die durch Verwendung der Worte "Baumgruppen" und "Gestrüpp" sachlich eingeschränkte Anordnungsbefugnis der Behörde im Wortlaut der genannten Norm die Anordnung der Entfernung einer angelegten Christbaumkultur rechtlich nicht mehr tragen könne (VwGH 29.6.1995, 93/07/0060). Damit hat der Verwaltungsgerichtshof bereits klargestellt, dass die Bestimmung des § 47 Abs. 1 lit. a WRG 1959 restriktiv auszulegen ist; nichts anderes gilt für die lit. c dieser Bestimmung.

40 2.7. Ein weiteres Argument für die Annahme, dass Bauwerke wie das im vorliegenden Fall vorgefundene nicht unter § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 subsumiert werden können, liegt im letzten Halbsatz dieser Bestimmung, wonach die Räumung der betreffenden Gegenstände nur angeordnet werden kann, soweit dies keine besonderen Fachkenntnisse erfordert und nicht mit beträchtlichen Kosten verbunden ist.

41 2.7.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat etwa im Fall der Räumung eines Gerinnes von Verkrautung, Bewuchs und Schwemmgut im Interesse eines besseren Abflusses ausgesprochen, dass diese Räumung Arbeiten erfordere, von denen die Behörde ohne weitere Beweisaufnahme schon nach den Erfahrungen des täglichen Lebens annehmen dürfe, dass sie keineswegs mit besonderen Aufwendungen und Kosten verbunden seien und dass sie ohne besondere Fachkenntnisse durchgeführt werden könnten (vgl. die in Kaan/Braumüller, Wasserrecht (2000), Anm. 8 zu § 47 WRG 1959, zitierte hg. Judikatur).

42 2.7.2. Es ist jedoch offenkundig, dass die Beseitigung einer Wehranlage (eines Gewässerquerbauwerks) in der Regel nicht ohne entsprechende Fachkenntnis durchgeführt werden kann.

43 Dies ergibt sich im vorliegenden Fall aus dem - im Bescheid der Amtsrevisionswerberin vom 15. Mai 2017 enthaltenen  - Gutachten des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik, wonach die erforderlichen Maßnahmen zum großen Teil nicht händisch durchgeführt werden könnten und der Einsatz eines Baugeräts - am besten eines Baggers bis zu 4,5 t mit Gummibereifung - erforderlich sei.

44 Daher ist § 47 Abs. 1 lit. c WRG 1959 auch aus diesem Grund nicht auf den gegenständlichen Sachverhalt anwendbar.

45 3. In diesem Zusammenhang ist ferner allgemein darauf zu verweisen, dass das WRG 1959 keine umfassende, lückenlos alle denkbaren Instandhaltungsnotwendigkeiten erfassende Instandhaltungsverpflichtung enthält, sondern nur partikuläre (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG, Kommentar zum Wasserrechtsgesetz2, 2013, K1 zu § 47 WRG 1959).

46 4. Aus den dargelegten Gründen erweist sich die Revision als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Wien, am 14. Dezember 2017

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RO2017070025.J00

Im RIS seit

26.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten