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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art133 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision der C GmbH in W, vertreten durch die Leinschitz & Leinschitz Rechtsanwälte Ges.b.R. in 1040 Wien, Schelleingasse 14-16/4/7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 25. Juli 2017, Zl. RV/7102165/2009, betreffend Haftung für Lohnsteuer 2006 bis 2009 sowie Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2005 bis 2009, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Bei der Revisionswerberin, einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die im Streitzeitraum ein "Call Center" betrieb, wurden gemeinsame Prüfungen aller Lohnabgaben (GPLA-Prüfungen) durchgeführt, welche die Jahre 2005 bis 2007 sowie 2008 bis 2011 umfassten. Die Prüfer stuften die freien Dienstnehmer der Revisionswerberin als echte Dienstnehmer ein. Das Finanzamt folgte den Feststellungen der Prüfer, zog die Revisionswerberin zur Haftung für Lohnsteuer heran (§ 82 EStG 1988) und schrieb ihr Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zu den Dienstgeberbeiträgen vor.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht Berufungen (nunmehr Beschwerden) der Revisionswerberin gegen die im Anschluss an die GPLA-Prüfungen ergangenen Bescheide insoweit Folge, als es die Bescheide betreffend Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2007 zu Gunsten der Revisionswerberin abänderte. Im Übrigen wies es die Beschwerden - nach einer detaillierten Darstellung des dem Erkenntnis zugrunde gelegten Sachverhaltes - als unbegründet ab. Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für nicht zulässig, "zumal der Verwaltungsgerichtshof bereits in mehreren vergleichbaren Fällen (VwGH 28.5.2009, 2007/15/0163; 22.3.2010, 2009/15/0200; 22.3.2010, 2009/15/0116) das Vorliegen von Dienstverhältnissen bestätigt hat und das Erkenntnis nicht von dieser Judikatur abweicht".
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 In der Revision wird zur Zulässigkeit iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG vorgebracht:
"Das Bundesfinanzgericht hat in Bestätigung der Entscheidung des Revisionsgegners (Finanzamt) sämtliche freien Dienstnehmer der Jahre 2005 bis 2009 als echte Dienstnehmer eingestuft ohne Differenzierungen nach Verträgen und tatsächlichen Arbeitsinhalten vorzunehmen und ohne rechtlichen Entwicklungen Rechnung zu tragen.
Es stellt sich daher einerseits die Rechtsfrage ob es zulässig ist, dass sämtliche freie Dienstnehmer eines Unternehmens ohne individuelle Differenzierung pauschal als echte Dienstnehmer qualifiziert werden dürfen und andererseits inwieweit den Änderungen in der Gesetzgebung und in der Judikatur im Laufe der Jahre bei der Beurteilung zu berücksichtigen sind. Die vom Bundesfinanzgericht als Grundlage seiner Entscheidung genannte Judikatur betrifft Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Jahr 2009 und 2010, die dem Revisionswerber naturgemäß in den Jahren 2005 bis 2009 nicht bekannt sein konnten.
Auch betrifft die genannte Judikatur nur sogenannte Outboundanrufe und kann daher nicht auf eine konkrete andere Situation, wie sie im Unternehmen der Revisionswerberin im Jahr 2005 und danach bestand (wie zB Nachtbereitschaft zu Hause, Vertretungsfreiheit) umgelegt werden.
Weiters stellt sich die Rechtsfrage inwieweit Bestimmungen des ASVG dennoch Auswirkungen auf die Anwendung des EstG haben. Eine vollkommene Negierung der Institution des freien Dienstnehmers durch das Finanzamt bzw. des Bundesfinanzgerichtes, hebelt ja die im ASVG bestehenden Bestimmungen über den freien Dienstnehmer aus, da die Gebietskrankenkasse an Rechtsentscheidungen des Bundesfinanzgerichtes gebunden ist. Eine Beurteilung des Sachverhaltes rein nach EStG einerseits und rein nach ASVG andererseits schafft große Rechtsunsicherheit sowohl für Dienstgeber als auch Dienstnehmer und stellt sich daher die Frage wie diese Rechtsunsicherheit zu beseitigen ist."
7 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen stufte das Bundesfinanzgericht die Dienstnehmer der Revisionswerberin nicht undifferenziert als "echte Dienstnehmer" ein. Es ging im angefochtenen Erkenntnis detailliert auf die vorgelegten Dienstverträge der "Inbound" und "Outbound Agents" sowie auf die Ausführungen des Geschäftsführers der Revisionswerberin zu deren jeweiliger Tätigkeit ein. Daraus leitete es explizit ab, dass "die beiden vorrangig zu prüfenden Kriterien, die für ein Dienstverhältnis sprechen - Weisungsgebundenheit und Eingliederung - im gegenständlichen Fall sowohl im Outbound als auch im Inbound Bereich" vorlägen. Mit dem Vorbringen, "das Bundesfinanzgericht hat in Bestätigung der Entscheidung des Revisionsgegners (Finanzamt) sämtliche freien Dienstnehmer der Jahre 2005 bis 2009 als echte Dienstnehmer eingestuft ohne Differenzierungen nach Verträgen und tatsächlichen Arbeitsinhalten vorzunehmen", entfernt sich die Revisionswerberin somit vom festgestellten Sachverhalt, der den Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, darstellt (vgl. VwGH 20.10.2015, Ra 2015/02/0191).
8 Hinsichtlich des weiteren Zulässigkeitsvorbringens ist darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in den Zulässigkeitsgründen konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. etwa VwGH 26.4.2017, Ra 2017/13/0021, und VwGH 19.9.2017, Ra 2017/01/0281, mwN). Diesem Erfordernis entspricht das allgemein gehaltene weitere Vorbringen in der im Übrigen auch ansonsten sehr knapp abgefassten Revision nicht.
9 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017130067.L00Im RIS seit
26.01.2018Zuletzt aktualisiert am
15.03.2018