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E000 EU- Recht allgemein;Norm
32000L0078 Gleichbehandlungs-RL Beschäftigung Beruf Art2 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrat Dr. Zens und Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der C E in P, vertreten durch Dr. Bernhard Steinbüchler, Mag. Harald Mühlleitner und Mag. Georg Wageneder, Rechtsanwälte in 4490 St. Florian, Marktplatz 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 2. Dezember 2016, LVwG-950064/2/MB/CH, betreffend Bezüge nach dem Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Gemeinde O), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist Bürgermeisterin der Gemeinde O. Diese Funktion übte sie seit 1. Jänner 2011 hauptberuflich aus und erhielt für diese Tätigkeit die in § 2 Abs. 1 Z 13 lit. a Oberösterreichisches Gemeinde-Bezügegesetz 1998 (Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998) vorgesehenen Bezüge. Nach Erreichen des Regelpensionsalters bezog die Revisionswerberin seit 1. Mai 2015 Geldleistungen aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung, weshalb beginnend mit diesem Datum ihr Bezug für die Funktion als Bürgermeisterin gemäß § 2 Abs. 4a Z 2 Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 auf die Höhe des Bezuges, der für die nebenberufliche Ausübung der Funktion vorgesehen ist, gekürzt wurde.
2 Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde O vom 29. März 2016, welcher in Vertretung durch den
1. Vizebürgermeister der Gemeinde O unterfertigt wurde, wurden die Anträge der Revisionswerberin vom 9. März 2016 auf Auszahlung des Bezugs für die hauptberufliche Ausübung der Funktion der Bürgermeisterin gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 lit. a Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 ab April 2016 sowie auf Nachzahlung der seit Mai 2015 "vorenthaltenen" Differenzbeträge zwischen dem hauptberuflichen und dem nebenberuflichen Bezug gemäß § 2 Abs. 4a Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 abgewiesen.
3 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Revisionswerberin wurde mit Berufungsbescheid des Gemeinderates der Gemeinde O vom 15. Juli 2016 nicht stattgegeben.
4 Die Revisionswerberin erhob Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, welche mit dem angefochtenen Erkenntnis abgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 BVG unzulässig sei.
5 Zusammengefasst vertrat das Verwaltungsgericht die Ansicht, dass die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Oö. Gemeinde-Bezügegesetzes 1998 nicht verfassungswidrig seien. Der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (in der Folge: Richtlinie 2000/78/EG) erstrecke sich nicht auf die der Revisionswerberin für ihre Tätigkeit als Bürgermeisterin zustehenden Funktionsbezüge. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin liege auch keine Diskriminierung aufgrund des Alters vor. Zudem bewirkten die in Rede stehenden Bestimmungen des Oö. Gemeinde-Bezügegesetzes 1998 keine Kürzung der Ansprüche der Revisionswerberin aus der Pensionsversicherung. Die Möglichkeit der Revisionswerberin, durch eine weitere Erwerbstätigkeit ein zusätzliches Einkommen zu erzielen, werde durch das Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 nicht eingeschränkt. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern eine Benachteiligung der Revisionswerberin aufgrund des Alters gegenüber jüngeren Personen vorliegen sollte. Die gegenständliche Rechtssache falle nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechtes und es gelangten sohin die Bestimmungen der GRC im vorliegenden Fall nicht zur Anwendung. Die Kürzung der Bezüge der Revisionswerberin begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. Februar 2017, E 209/2017-5, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese mit Beschluss vom 12. April 2017, E 209/2017-7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Begründung der Zulässigkeit zunächst vorgebracht, das Verwaltungsgericht habe lediglich eine einzige Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zitiert, die nicht als einschlägig zu qualifizieren sei. Anders als bei den Pensionsbezügen der Revisionswerberin nach dem ASVG komme öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Ruhebezügen nicht der Charakter einer Versorgungsleistung zu. Die Pensionsleistungen, die die Revisionswerberin beziehe, unterschieden sich wesensmäßig von den Bezügen eines Beamten. Wenngleich die Bestimmung des § 2 Abs. 4a Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 formal nicht zur Kürzung des Pensionsanspruchs der Revisionswerberin führe, so werde dennoch durch die Reduktion des "Gesamtbetrages" in die wohl erworbenen Rechte der Revisionswerberin eingegriffen und de facto der ihr aufgrund erworbener Versicherungszeiten zustehende Pensionsanspruch gekürzt. Zu der in Rede stehenden Konstellation fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
8 Darüber hinaus fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Anwendbarkeit der Richtlinie 2000/78/EG. Nach Ansicht der Revisionswerberin falle die gegenständliche Rechtssache in den Anwendungsbereich der genannten Richtlinie. Der Bezug der Revisionswerberin für ihre Tätigkeit als Bürgermeisterin habe auch eine "Einkommensfunktion". Dies folge bereits aus der Möglichkeit, die Funktion der Bürgermeisterin hauptberuflich auszuüben. § 2 Abs. 4a Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 stehe sohin in Widerspruch zur Richtlinie 2000/78/EG.
9 Ferner fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Vereinbarkeit der Bestimmung des § 2 Abs. 4a Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 mit der GRC. Durch § 2 Abs. 4a Z 2 Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 werde der Revisionswerberin die Teilnahme am politischen Leben erheblich erschwert. Dies stelle einen Verstoß gegen Art. 25 GRC dar.
10 Aus den im Nachstehenden dargelegten Gründen gelingt es der Revisionswerberin mit diesem Vorbringen nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 § 2 Abs. 4a Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998, LGB1. Nr. 9/1998 in der Fassung LGB1. Nr. 64/2013, lautet:
"Haben Organe nach Abs. 4 während der Funktionsausübung einen
Anspruch auf Geldleistung
1. aus einem Ruhe- oder Versorgungsbezug oder
2. aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung oder
3. aus einer gesetzlichen Arbeitslosenversicherung
(Altersteilzeitgeld) oder
4. aus einer betrieblichen Pensionsvorsorge,
sind von ihrem Bezug für die hauptberufliche Ausübung der Funktion Geldleistungen nach Z 1 bis 4 in Abzug zu bringen und nur ein entsprechend reduzierter Bezug auszuzahlen. Der reduzierte Bezug ist aber jedenfalls in Höhe des Bezugs für die nebenberufliche Ausübung der Funktion auszuzahlen."
15 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 1. Juli 2015, Ro 2014/12/0055, festgehalten hat, definiert die Richtlinie 2000/78/EG Altersdiskriminierung als Sachverhalt, bei dem eine Person gegenüber einer anderen Person in einer vergleichbaren Situation aufgrund des Alters benachteiligt wird, sei es unmittelbar aufgrund des Alters oder auch aufgrund von Regelungen, die mittelbar Personen dieses Alters benachteiligen (Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG). Für das Vorliegen einer Altersdiskriminierung muss daher eine tatsächliche Benachteiligung erlitten worden sein, wobei eine Benachteiligung nur unter Betrachtung anderer (fiktiver) Personen in einer vergleichbaren Situation festgestellt werden kann (vgl. auch VwGH 19.4.2016, Ra 2016/12/0018).
16 § 2 Abs. 4a Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 sieht nicht die Kürzung des "Pensionsanspruchs" der Revisionswerberin, sondern die Kürzung ihrer Funktionsbezüge nach dem Oö. Gemeinde-Bezügegesetz 1998 in Abhängigkeit von der Höhe ihres Anspruchs auf Geldleistungen aus einer gesetzlichen Pensionsversicherung vor.
17 Ausführungen, aus welchen Gründen im betreffenden Fall eine unzulässige Diskriminierung aufgrund des Alters vorliegen sollte, enthält die allein maßgebliche Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht. Da sohin nicht hinreichend deutlich ersichtlich ist, inwiefern in der gegebenen Konstellation eine hier vom Gesetzeswortlaut nur in Betracht kommende Altersdiskriminierung vorliegen sollte, wird in der Revision mit dem Vorbringen, dass entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts die Funktionsbezüge der Revisionswerberin dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG unterlägen, keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgeworfen.
18 Ausgehend davon, dass mangels Darlegung einer Diskriminierung (aufgrund des Alters) der Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG nicht eröffnet ist und die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht in Durchführung des Unionsrechts erging, stellen sich auch die in der Revision betreffend einzelne Bestimmungen der GRC angesprochenen Fragen nicht.
19 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Revision wegen Fehlen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zur Behandlung geeignet. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 20. Dezember 2017
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Richtlinie richtlinienkonforme Auslegung des innerstaatlichen Rechts EURallg4/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017120083.L00Im RIS seit
26.01.2018Zuletzt aktualisiert am
14.02.2018