TE OGH 2017/12/18 9Ob51/17s

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Veröffentlicht am 18.12.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Ing. A***** H*****, 2. E***** H*****, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz, Mag. Sebastian Strobl, Rechtsanwälte in Innsbruck gegen die beklagte Partei Mag. E***** H*****, vertreten durch Dr. Othmar Knödl, Mag. Manfred Soder, Rechtsanwälte in Rattenberg, wegen Feststellung des Umfangs einer Wegservitut (5.800 EUR) und Feststellung der Servitut des Parkens (5.800 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 8. April 2017, GZ 3 R 368/16p-39, mit dem der Berufung der klagenden Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Rattenberg vom 29. September 2016, GZ 3 C 204/14p-35, keine Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 946,39 EUR (darin 157,73 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die – vom Berufungsgericht nachträglich zugelassene – Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor. Aus dem Berufungsurteil geht keine Annahme des Berufungsgerichts dahin hervor, dass die vom Erstkläger mitfinanzierte Asphaltierung der streitgegenständlichen Servitutsfläche (Parkplatz) bereits vor Abschluss des Schenkungs- und Dienstbarkeitsvertrags erfolgt sei. Die Ausführungen des Berufungsgerichts (Berufungsurteil S 26) gehen lediglich dahin, dass eine Absicht zur uneingeschränkten oder gemeinsamen Nutzung auch des Parkplatzes wohl Niederschlag im Vertrag gefunden hätte, vor allem wenn dafür eine Gegenleistung in Form der Übernahme der Hälfte der Asphaltierungskosten vereinbart worden wäre.

3. Auch der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Kläger meinen, dass Sachanträge unerledigt geblieben seien. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die Dienstbarkeit nicht im beantragten Ausmaß bestehe, hätte der tatsächliche Umfang der Servitut (als Minus) festgestellt werden müssen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, über welchen Teil des Klagebegehrens nicht abgesprochen worden wäre. Ob die Servitut durch die Klagsabweisung ungemessen bleibt, ist hier ohne Bedeutung, weil das Feststellungsbegehren nicht den Verlauf des unstrittigen Umfangs des Geh- und Fahrrechts, sondern nach Maßgabe der von den Klägern angeführten Vermessungspunkte die strittige verbreiterte (Park-)Fläche und das daran anschließende Bankett betraf.

4. In der Rechtsrüge berufen sich die Kläger auf eine vertragliche Vereinbarung, hilfsweise auf die Ersitzung der Dienstbarkeiten im begehrten Ausmaß.

Das Ausmaß der Dienstbarkeit, der Umfang der dem Inhaber zustehenden Befugnisse, richtet sich nach dem Inhalt des Titels, bei dessen Auslegung insbesondere der Zweck der Dienstbarkeit zu beachten ist (RIS-Justiz RS0011720). Bei der Auslegung eines Servitutsbestellungsvertrags ist zunächst vom Wortlaut auszugehen; dem von den Parteien der Vertragsbestimmung beim Vertragsabschluss beigelegten Verständnis gebührt jedoch in jedem Fall der Vorrang, und zwar vor jedem anderen Auslegungskriterium. Lässt sich ein solches übereinstimmendes Verständnis nicht ermitteln, dann hat eine normative Interpretation unter besonderer Berücksichtigung des Zwecks der Servitutseinräumung stattzufinden (RIS-Justiz RS0107851 [T1]).

Ein Dienstbarkeitsvertrag kann auch durch schlüssiges Verhalten iSd § 863 ABGB zustandekommen. Ein schlüssiger Dienstbarkeitsvertrag kommt aber nicht schon durch die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs des dienenden Guts, sondern erst dann zustande, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlauben, der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille der (jeweils) Belasteten habe sich auf die Einräumung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht bezogen (RIS-Justiz RS0111562). An die Annahme der schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit sind, weil dies einem Teilrechtsverzicht gleichkommt, strenge Anforderungen zu stellen. Die sonst an die Ersitzung anknüpfenden Erfordernisse des rechtmäßigen, redlichen und echten Besitzes, einschließlich dem Ablauf der Ersitzungszeit, sollen nicht dadurch einfach umgangen werden können, dass man aus der Nichtausübung eines Rechts oder der stillschweigenden Duldung der Nutzung des Grundstücks durch eine andere Person während eines kürzeren Zeitraums als jenes für die Ersitzung bereits einen konkludenten Rechtsverlust durch rechtsgeschäftliche konkludente Einräumung von Dienstbarkeitsrechten bejaht (RIS-Justiz RS0111562 [T5]). In jedem Fall handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0011720 [T7]; RS0043253 [T1, T2, T8, T14, T17]).

Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass den Klägern vertraglich ein Geh- und Fahrrecht auf dem bereits bestehenden Weg zu ihrem Grundstück eingeräumt wurde, nicht aber auch auf der strittigen Fläche der Wegerweiterung (Parkplatz). Das ist nicht weiter korrekturbedürftig, wenn man bedenkt, dass der Zugang und die Zufahrt zum Grundstück der Kläger auch ohne Geh- und Fahrrecht auf dieser Fläche gewährleistet ist (wobei der Beklagte gegen die Benützung der Fläche zum bloßen Wenden eines Fahrzeugs nie entgegentrat) und die Parkfläche als solche nicht auch den Zweck verfolgt, eine Zufahrt der Kläger zu ihrem Grundstück zu gewährleisten. Dass den Klägern darüber hinaus ein Parkrecht auf jener Fläche eingeräumt worden wäre, ist schon deshalb nicht ohne weiteres anzunehmen, weil die Errichtung des Parkplatzes durch den Vater des Erstklägers und des Beklagten vornehmlich zu dem Zweck erfolgte, Fremdenpensionsgästen eine PKW-Abstellmöglichkeit zu bieten (Ersturteil S 12). Dass der Vater den Klägern eine Nutzung der Fläche zum fallweisen Parken und Wenden von Fahrzeugen im Rahmen des Familienverbandes faktisch gestattete, lässt noch nicht zweifelsfrei (§ 863 Abs 1 ABGB) den Schluss zu, dass sich der Vater eigener Befugnisse am Parkplatz begeben wollte und beabsichtigt hätte, den Klägern verbindlich die begehrten Rechte einzuräumen. Dabei folgt schon aus allgemeinen Grundsätzen der Privatautonomie, dass auch außerhalb familienrechtlicher Wohnverhältnisse Benützungsgewährungen im Rahmen des Familienverbandes möglich sind, die von keinem vertraglichen Bindungswillen getragen sind.

5. Für die Ersitzung des Rechts an einer fremden Sache ist Rechtsbesitz erforderlich; hierzu ist die Inanspruchnahme eines Rechts nötig. Die Ersitzung einer Dienstbarkeit muss für den Eigentümer erkennbar auf ein behauptetes Recht an seiner Sache gestützt sein. Die bloße Ausübung des Gemeingebrauchs oder einer jedermann offen stehenden örtlichen Übung genügt nicht für die Ersitzung. Es kommt daher nicht auf die objektive Erkennbarkeit einzelner Ersitzungshandlungen schlechthin an. Der Eigentümer der belasteten Liegenschaft muss vielmehr aus der Art der Benützungshandlungen erkennen können, dass damit ein (individuelles) Recht ausgeübt wird (10 Ob 14/15d mwN; RIS-Justiz RS0010135). Keine erkennbare Rechtsausübung stellt beispielsweise die Benützung eines Weges aufgrund verwandtschaftlicher Beziehungen dar (10 Ob 14/15d ua).

Ob der Eigentümer der belasteten Liegenschaft erkennen kann, dass Benutzungshandlungen in Ausübung eines Rechts erfolgen, hängt ebenfalls immer nur von den Umständen des Einzelfalls ab, die in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO begründen (s 10 Ob 14/15d; RIS-Justiz RS0033021 [T1]).

Soweit die Kläger die Ersitzung der begehrten Servitutsrechte behaupten, ist – auch im Hinblick auf die 30-jährige Ersitzungszeit – zu berücksichtigen, dass die Kläger nach dem Tod des Vaters (1985) bis zum Wegzug des Beklagten (2012) die strittige Fläche nicht zum Parken benützten, Besucher der Kläger erst langsam ab 2003/2004 ihre Fahrzeuge auf der Parkfläche abstellten und der Beklagte dies, soweit er es wahrnahm, auch beanstandete. Wenn die Vorinstanzen hier eine Ersitzung verneinten, liegt darin jedenfalls keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung.

6. Die Revision der Kläger ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).

Textnummer

E120445

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00051.17S.1218.000

Im RIS seit

26.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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