TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/31 99/04/0176

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Veröffentlicht am 31.05.2000
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
50/01 Gewerbeordnung;
58/02 Energierecht;

Norm

GewO 1859 §25;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §84;
MinroG 1999 §153 Abs2;
MinroG 1999 §156;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der F Aktiengesellschaft in Linz, vertreten durch S & Partner, Rechtsanwälte in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) vom 3. August 1999, Zl. 63.150/172-III/B/13/99, betreffend Zurückweisung eines Bewilligungsantrages nach dem Mineralrohstoffgesetz (mitbeteiligte Partei: A Gesellschaft mbH in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Bewilligung zur Herstellung einer Erdgashochdruckleitung im Bereich der Gewinnungsfelder "B I und II" der mitbeteiligten Partei als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung ging die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, dass die bewilligungsgegenständliche Erdgasleitung im Bereich des Bergbaugebietes bereits hergestellt worden sei. Im Hinblick darauf vertrat die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht die Auffassung, dass das Mineralrohstoffgesetz die Erteilung einer Bewilligung für bereits hergestellte bergbaufremde Anlagen in einem Bergbaugebiet nicht vorsehe. Die nachträgliche Erteilung einer Bewilligung würde in vielen Fällen ins Leere laufen, weil keine Einflussnahme mehr auf die Auswahl geeigneter Sicherheitsvorkehrungen oder Maßnahmen zur Hintanhaltung von bergbaubedingten Auswirkungen auf fremde Bauten und andere Anlagen (etwa bei Errichtung einer Erdgasleitung auf die Auswahl des Rohrmaterials und der Rohrverbindungen) gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 153 Abs. 2 Mineralrohstoffgesetz - MinroG, BGBl. I Nr. 38/1999, bestimmt:

"(2) In Bergbaugebieten dürfen nach Maßgabe des § 156 Bauten und andere Anlagen, soweit es sich nicht um Bergbauanlagen handelt, nur mit Bewilligung der Behörde errichtet werden. Dies gilt auch bei wesentlichen Erweiterungen und Veränderungen der Anlagen. Die Bewilligung gilt als erteilt, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Vorlage des Ansuchen von der Behörde versagt wird."

§ 156 MinroG hat folgenden Wortlaut:

"Versagung einer Baubewilligung

§ 156. (1) Die Bewilligung nach § 153 Abs. 2 ist von der Behörde zu versagen, wenn

1. durch die Errichtung des geplanten Baus oder einer anderen geplanten Anlage im Bergbaugebiet die Gewinnungs- oder Speichertätigkeit in diesem verhindert oder erheblich erschwert wird, es sei denn, der Bergbauberechtigte nimmt die erhebliche Erschwerung der Gewinnungs- oder Speichertätigkeit auf sich oder

2. eine wesentliche Veränderung des geplanten Baus oder der geplanten anderen Anlage durch Bodenverformungen nicht ausgeschlossen werden kann und Bodenverformungen oder deren Auswirkungen nicht durch geeignete Maßnahmen oder Sicherheitsvorkehrungen (Abs. 2) vermieden werden können oder

3. durch den geplanten Bau oder die geplante andere Anlage ein möglichst vollständiger Abbau des Vorkommens nicht mehr möglich ist.

(2) Wird die Bewilligung versagt oder unter Anordnung geeigneter Maßnahmen oder Sicherheitsvorkehrungen zur Vermeidung von Bodenverformungen oder deren Auswirkungen erteilt und ist die geplante Anlage zur gehörigen Benützung des Grundstückes ohne wesentliche Änderung des bisherigen Verwendungszweckes nach Art und Umfang notwendig, so hat der Bergbauberechtigte und, wenn die Gewinnungsberechtigung oder die Speicherbewilligung nicht mehr aufrecht ist, der frühere Bergbauberechtigte den Bewilligungswerber angemessen zu entschädigen. Der § 149 Abs. 6 gilt sinngemäß.

(3) Für wesentliche Veränderungen und Erweiterungen von Anlagen gelten die Abs. 1 und 2 sinngemäß.

(4) Die Bewilligung ist dann nicht zu versagen, wenn die bergbauliche Inanspruchnahme der Grundstücke nicht innerhalb von fünfzehn Jahren zu erwarten ist und gegenständlichenfalls kein Reservefeld vorliegt. Die voraussichtliche bergbauliche Inanspruchnahme hat der Bergbauberechtigte glaubhaft zu machen.

(5) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) kann, wenn es die geologisch-lagerstättenkundlichen Verhältnisse und die Art der Gewinnungs- oder Speichertätigkeit ermöglichen, durch Verordnung für einzelne Bergbaugebiete festsetzen, dass für die Errichtung bestimmter Arten von Bauten und anderen Anlagen oder in bestimmten Entfernungen von näher zu bezeichnenden Bergbauanlagen keine Bewilligung nach § 153 Abs. 2 erforderlich sind. Solche Verordnungen können auch rückwirkend erlassen werden."

Die Beschwerdeführerin bringt zunächst vor, die Auffassung der belangten Behörde, wonach das MinroG die Erteilung einer Bewilligung für bereits hergestellte bergbaufremde Anlagen in einem Bergbaugebiet nicht vorsehe, sei rechtlich nicht haltbar. Eine solche Regelung finde sich weder explizit noch implizit im MinroG. Eine beantragte Bewilligung gelte als erteilt, wenn sie nicht binnen drei Monaten nach Vorlage des Ansuchens von der Behörde versagt werde. Wäre die Auffassung der belangten Behörde zutreffend, würde das bedeuten, dass die Behörde auch nicht in der Lage wäre, eine Untersagung auszusprechen, und weiters, dass offensichtlich auch keine Strafsanktion zur Verfügung stehe. Man müsste - also in letzter Konsequenz - empfehlen, auf keinen Fall um eine Bewilligung einzukommen, sondern die Anlage einfach zu errichten. Das könne nicht sein, und es könne auch nicht sein, dass man die - rechtswidrig (wenn auch offenbar straflos) errichtete - Anlage so beseitigen könne, das sie zur Zeit der behördlichen Entscheidung nicht vorhanden sei, um wieder eine "Bewilligungschance" zu haben.

Die Beschwerdeführerin ist schon damit im Ergebnis im Recht.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon im Erkenntnis vom 5. Juli 1966, Zl. 1737/65, zur insofern vergleichbaren Rechtslage nach § 25 der Gewerbeordnung 1859 ("... vor erlangter Genehmigung dürfen diese Betriebsanlagen nicht errichtet werden.") ausgesprochen hat, enthalte das III. Hauptstück der Gewerbeordnung 1859 keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass die nachträgliche Genehmigung einer Betriebsanlage unzulässig wäre. Von einer solchen Rechtsauffassung geht die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes offenbar auch hinsichtlich des Tatbestandes des "Errichtens" nach § 74 Abs. 2 GewO 1994 aus, weil in keinem Fall der Umstand, dass eine Betriebsanlage bereits errichtet worden war, als Rechtswidrigkeit einer von der Behörde erteilten Betriebsanlagengenehmigung aufgegriffen wurde (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. September 1991, Zlen. 91/04/0105-0107). Nichts anderes kann aber für den Tatbestand des "Errichtens" nach § 153 Abs. 2 MinroG gelten.

Zu einem solchen Auslegungsergebnis zwingt aber vor allem auch das Gebot einer verfassungskonformen Interpretation. Die von der belangten Behörde vertretene Rechtsmeinung würde bewirken, dass rechtswidrig handelnde Personen - und zwar schlechthin -, indem sie nicht nur ohne die gesetzlich erforderliche Bewilligung ein Bauwerk errichten, sondern dabei auch (jedenfalls möglicherweise) die vom Gesetz zu beachtenden Schutzinteressen (z.B. Schutz davor, dass im Bergbaugebiet die Gewinnungs- oder Speichertätigkeit in diesem verhindert oder erheblich erschwert wird, oder dass Bodenverformungen oder deren Auswirkungen vermieden werden) missachten, besser gestellt würden als Personen, die sich gesetzeskonform verhalten, also auch geeignete Maßnahmen oder Sicherheitsvorkehrungen hinnehmen oder überhaupt durch eine rechtzeitige Antragstellung im Wege eines Untersagungsbescheides auf eine Bauführung verzichten müssen, etwa weil im Bergbaugebiet die Gewinnungs- oder Speichertätigkeit in diesem verhindert oder erheblich erschwert würde; oder anders gesehen, müsste bei Errichtung eines Bauwerks ohne die gesetzlich erforderliche Bewilligung etwa selbst die Verhinderung der Gewinnungs- oder Speichertätigkeit im Bergbaugebiet hingenommen werden (vgl. dazu auch die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 1996, Slg. 14681, vom 3. März 1999, G 132/98, G 200/98, G 219/98, G 17/99, G 31/99, und vom 10. März 1999, G 232/98). Der Wortlaut der hier in Frage stehenden Regelung lässt eine solche verfassungskonforme Interpretation auch zu. Lässt sich dieser doch zwanglos derart sehen, dass damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, es entstehe bereits mit Ergreifung von (ersten) Errichtungsmaßnahmen zur Herstellung von Bauten und anderen Anlagen die Bewilligungspflicht; nicht aber zwingt der Wortlaut des Gesetztes (nur) dazu, dass die Errichtungsmaßnahmen (als solche) bewilligungspflichtig sein sollten (wie etwa Arbeiten ausserhalb der Betriebsanlage nach § 84 GewO 1994).

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999040176.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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