TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/16 I413 2166328-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2018
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Entscheidungsdatum

16.01.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I413 2166328-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter und die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER und den fachkundigen Laienrichter RR Georg LEITINGER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Dr. Bernd BAKAY, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Tirol (SMS) vom 23.07.2017, Zl. 68064760700028|BSB||PASS-PA|||, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 15.05.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

2. Die belangte Behörde nahm durch die amtliche Sachverständige XXXX ein Gutachten auf, in dem diese mit Gutachten vom 19.06.2017 zusammengefasst zu folgenden Schlussfolgerungen gelangte: "Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB

1

Zöliakie Serologisch und histologisch (MARSH Typ 3c) eindeutig verifizierte Zöliakie, Erstdiagnose 02/2017, mit Notwendigkeit einer lebenslangen strengen glutenfreien Diät. Unter dieser kommt es zu einer vollständigen Normalisierung der Darmschleimhaut, sodass durch die Zöliakie keinerlei Beschwerden mehr verursacht werden und die Erkrankung auf höchstem Niveau stabil ist, ohne relevante Entgleisungsgefahr. Es sind außer der Diät keinerlei weitere therapeutische Maßnahmen nötig. Daher RS im unteren Bereich

09.03.01

20

2

Kniegelenk – Untere Extremitäten, Kniegelenk – Funktionseinschränkung geringen Grades einseitig Zustand nach Knorpelschaden und Operation im Bereich des rechten Kniegelenkes. Kein Befund über die aktuell bestehenden Beschwerden vorliegend. Daher Wahl dieser RSP mit unterem RS.

02.05.18

10

Gesamtgrad der Behinderung 20 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Leiden 2 erhöht aufgrund Geringfügigkeit nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: keine.

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zu

Vorgutachten: Nicht vorhanden.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung: s.o.

(

Dauerzustand

(

Nachuntersuchung

Frau

XXXX kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen: x JA 0

NEIN"

3. Mit bekämpftem Bescheid vom 23.06.2017 wies die belangte Behörde, das Bundessozialministeriumservice Landesstelle Tirol, diesen Antrag gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, weil die Beschwerdeführerin den mit einem Grad der Behinderung von 20% nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, in der sie zusammengefasst ausführte, dass sie aufgrund der massiven Einschränkungen durch ihr Leiden mit dem Grad der Behinderung nicht einverstanden sei und legte Befunde vor.

5. Mit Schriftsatz vom 02.08.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

6. Am 17.08.2017 erstattete die amtliche Sachverständige XXXX ein ergänzendes Gutachten, welches das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 18.08.2017 den Parteien zur Kenntnis brachte und diesen die Gelegenheit bot, hierzu Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde gab am 29.08.2017 die Stellungnahme ab, dass sie sich dem Gutachten vollinhaltlich anschließe. Die Beschwerdeführerin monierte in ihrer Stellungnahme vom 11.09.2017, dass die Gutachtensergänzung nur aufgrund von Befunden vorgenommen worden sei und die persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin unterlassen wurde, weshalb das Gutachten unvollständig geblieben sei. Eine persönliche Untersuchung sei für die richtige rechtliche Entscheidung unerlässlich. Auf die Besonderheiten des verfahrensgegenständlich maßgeblichen Einzelfalls sei nicht eingegangen worden. Es könne nicht abschließend beurteilt werden, ob die getroffenen Einschätzungen den nicht im Rahmen einer persönlichen Untersuchung und Befragung festgestellten tatsächlichen Funktionseinschränkungen der Beschwerdeführerin entsprächen. Eine persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin und Gutachtenserstellung auf dieser Grundlage sei unerlässlich. Ohne eine solche wäre das Beschwerdeverfahren mangelhaft. Die Beschwerdeführerin beantragte die Einholung einer medizinischen Sachverständigengutachtens zur Feststellung des tatsächlichen Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin, welches auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und Befragung der Beschwerdeführerin basiert.

8. Am 13.09.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durch, in der der XXXX als Zeuge und die Beschwerdeführerin als Partei vernommen wurden und das Bundesverwaltungsgericht beschloss ein ergänzendes Gutachten einzuholen.

9. Im Auftrag des Bundesverwaltungsgerichts erstattete die die amtliche Sachverständige XXXX ein weiteres ergänzendes Gutachten, in dem sie ausführlich begründete, dass die von der Beschwerdeführerin angegebene Einschränkung der Freizeitgestaltung in der Einschätzung des Grades der Behinderung bereits mitberücksichtigt worden sei und sich diese Einschätzung des Grades der Behinderung nicht ändere. Eine persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin sei aus fachlicher Sicht nicht erforderlich, da die gutachterlichen Schlussfolgerungen nicht aufgrund einer einmaligen Untersuchung, sondern nur aufgrund der vorliegenden Befunde über längere Zeit gezogen werden könnten.

10. Mit Schreiben vom 27.11.2017 brachte das Bundesverwaltungsgericht dieses ergänzende Gutachten den Parteien zur Kenntnis und räumte diesen die Möglichkeit der Stellungnahme ein. Die belangte Behörde teilte mit Stellungnahme vom 29.11.2017 mit, dass diese ergänzende Stellungnahme schlüssig und vollständig sei und dass auf eine weitere Stellungnahme verzichtet werde. Die Beschwerdeführerin beanstandete im Schriftsatz vom 11.12.2017, dass die gutachterliche Einschätzung ohne die persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin erfolgt und dass daher die Befundaufnahme unvollständig geblieben sei, verwies auf die Zeugenaussage des Zeugen XXXX und machte als Spezialisten Prof. XXXXals Sachverständigen namhaft und beantragte, diesen mit einem Gutachten zu beauftragen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Verwaltungsakt, in den bekämpften Bescheid, in die Beschwerde, in die Gutachtensergänzungen vom 15.08.2017 und vom 10.11.2017, in die diesbezüglichen Stellungnahmen der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin sowie durch die Einvernahme des Zeugen XXXX und der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vom 13.09.2017.

1. Feststellungen:

Die 1993 geborene Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und hat ihren Hauptwohnsitz in Innsbruck.

Die Beschwerdeführerin leidet an Zöliakie, mit der Notwendigkeit einer strengen glutenfreien Diät sowie an einer Funktionseinschränkung geringen Grades im Bereich des rechten Kniegelenkes. Bei den Funktionseinschränkungen handelt es sich um einen Dauerzustand.

Durch eine strenge gluteinfreie Diät ist die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen ermöglicht, die Erkrankung weitgehend stabil, das Arbeits- und Alltagsleben weitgehend ungehindert möglich und die Freizeitgestaltung der Beschwerdeführerin nicht eingeschränkt.

Der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt nach der Einschätzungsverordnung für die Funktionseinschränkung der Zöliakie 20 %, für die Funktionseinschränkung am rechten Knie 10 %. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 20 %.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person und zu den Leiden der Beschwerdeführerin basieren auf deren glaubwürdigen Aussagen und der Aussage des Zeugen XXXX in der mündlichen Verhandlung sowie auf dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und den eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 15.08.2017 und vom 10.11.2017.

Dass die Beschwerdeführerin an Zöliakie leidet, wurde erstmals im Jänner 2017 entdeckt. Dass die Diagnose Zöliakie eine lebenslange strenge glutenfreie Diät erfordert, ergibt sich aus dem Gutachten und den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 15.08.2017 und vom 10.11.2017 der amtlichen Sachverständigen XXXX sowie der Aussage des Zeugen XXXX in der mündlichen Verhandlung. Im Verfahren haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Feststellung des Leidens "Zöliakie" durch die amtliche Sachverständige XXXX unzutreffend wäre. Die Stellungnahmen der Beschwerdeführerin zielen im Kern darauf ab, diese Gutachten als mangelhaft darzustellen, weil eine persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin durch die Amtssachverständige nicht erfolgt sei. Der (sachverständige) Zeuge XXXXteilte zur Frage der persönlichen Untersuchung allgemein mit, dass jeder Mensch anders sei und gleiche Erkrankungen sich bei Menschen unterschiedlich auswirken könnten; man müsse jeden Fall individuell beurteilen. Im weiteren beantwortete der Zeuge aber die Frage, ob es Patienten gäbe, die nicht auf geringste Mengen Gluten bereits sensibel reagieren würden, nur ausweichend, dass dies auf Angeben des Patienten beruhe. Überzeugend führt zu dieser Frage einer (zwingenden) persönlichen Untersuchung die amtliche Sachverständige XXXX aus, dass eine solche nicht nötig sei, weil sie den gesundheitlichen Zustand (für Zwecke der gegenständlich relevanten Feststellung der Funktionseinschränkungen) nicht bei einer persönlichen Untersuchung, sondern an Hand der vorgelegten Befunde beurteilen könne, zumal nur bei der streng einzuhaltenden Diät eine Normalisierung der Zöliakieantikörper im Blut (und der Dünndarmschleimhaut) sich ergebe und dann noch bestehende Beschwerden nicht durch Zöliakie bedingt sein könnten. Dies ist vor dem Hintergrund der sonstigen Ausführungen der Gutachterin zur Zöliakie (die mit jenen des Zeugen XXXX übereinstimmen), wonach sich nach streng eingehaltener glutenfreier Diät die Dünndarmschleimhaut normalisiert und Beschwerdefreiheit eintritt, nachvollziehbar. Nur aus den einen gewissen Zeitraum abdeckenden medizinischen Befunden und Stellungnahmen kann die Sachverständige den für die gegenständliche Begutachtung nötigen Befund erheben. Eine persönliche Untersuchung vermag demgegenüber keine für den erforderlichen Befund nötigen Aufschlüsse zu gewähren. Diese Ausführungen der amtlichen Sachverständigen sind überzeugend. Es ist im Übrigen Sache der amtlichen Sachverständigen aufgrund ihrer Fachkenntnis und Erfahrung den Befund zu erheben und im Rahmen dessen abzuklären, auf welche Weise dies zu erfolgen hat, ob eine persönliche Untersuchung nötig ist oder nicht udgl. Dieser Aufgabe hat sich die amtliche Sachverständige gestellt und hat einen einwandfrei nachvollziehbaren Befund erhoben und auch klar begründet, weshalb die persönliche Untersuchung der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall nicht zielführend ist. Die dagegen vorgebrachten Bedenken der Beschwerdeführerin erweisen sich nicht als stichhaltig. Zum einen gibt es keine Beweisregel, die es erfordern würde, dass die amtliche Sachverständige stets eine persönliche Untersuchung an den zu begutachtenden Personen betreffend ihren Gesundheitszustand durchführen müsste. Hierfür sind fachliche Gründe im Einzelfall entscheidend, die freilich hier dazu führen, dass eine persönliche Untersuchung nicht zielführend ist. Zudem ist die Frage, ob eine Person persönlich zu begutachten ist oder Befunde für die Befunderstellung im Rahmen der Gutachtenserstattung ausreichend sind, eine Fachfrage, die nur auf demselben fachlichen Niveau wie die Sachverständige zu relevieren ist. Da die diesbezüglichen Bedenken nicht auf demselben fachlichen Niveau wie die Sachverständige erhoben wurden, sind sie als laienhafte Einwendung nicht weiter beachtlich.

Dass durch eine glutenfreie Diät die Zöliakie gut bewältigt werden kann und keine Beschwerden in so einem Fall bestehen, ergibt sich aus dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten der amtlichen Sachverständigen XXXX und den gutachterlichen Stellungnahmen vom 15.08.2017 und 10.11.2017. Auch der sachverständige Zeuge XXXX bestätigt diese Schlussfolgerungen. Dass aufgrund der Beschwerdefreiheit im Fall der strengen glutenfeien Diät die Körperfunktionen aufrecht erhalten werden, eine Teilhabe am Arbeitsleben möglich und das Freizeitverhalten ungetrübt möglich ist, ergibt sich aus eben diesem Gutachten und den ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen. Wenn die Beschwerdeführerin darauf in ihrer Aussage verweist, dass sie in ihrem Freizeitverhalten eingeschränkt sei, so ist einerseits darauf zu verweisen, dass sie offensichtlich nicht bereit ist, ihre Diät durch eine Diätberatung überprüfen und allenfalls korrigieren zu lassen und so beschwerdeauslösende Diätfehler zu beheben und andererseits hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin keine konkreten Einschränkungen an ihrem Freizeitverhalten vorgebracht hat. Daher ist die diesbezügliche Feststellung zu treffen.

Die Feststellungen über den Grad der Behinderung basieren auf dem nachvollziehbaren und schlüssigen Gutachten der amtlichen Sachverständigen XXXX und den gutachterlichen Stellungnahmen vom 15.08.2017 und 10.11.2017. Diese fachlichen Schlussfolgerungen werden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Soweit sich ihre Bedenken gegen die fachliche Seite dieser gutachterlichen Ausführungen richten, erfolgten sie nicht auf demselben fachlichen Niveau und sind daher nicht beachtlich. Die sachverständige Aussage des Zeugen XXXX vermag hieran nichts zu ändern, da seine Aussagen im Grundsatz blieben und nicht den Schlussfolgerungen der Sachverständigen XXXX entgegenstehen. Zudem vermittelte die Beschwerdeführerin dem erkennenden Senat in der mündlichen Verhandlung nicht den persönlichen Eindruck, besonders unter der Funktionseinschränkung Zöliakie – abgesehen von den gerichtsbekannten Problemen – zu leiden, sondern vielmehr diese als eine persönliche Ungerechtigkeit zu betrachten und die zur Beschwerdefreiheit nötige glutenfreie Diät als persönliche Angelegenheit zu erachten und sich nicht dazu verpflichtet zu sehen (" es kann leicht passieren, dass ein Fehler passiert ich bin nicht verpflichtet zur Diätberatung die Diagnose ist ein Schock ", Protokoll vom 13.09.2017, S 6). Andererseits stimmt die Beschwerdeführerin mit der Sachverständigen überein, dass ihr Knieproblem und die Zöliakie sich nicht gegenseitig negativ beeinflussen und dass die Sachverständige alle Funktionseinschränkungen berücksichtigt hatte (Protokoll vom 13.09.2017, S 7).

Die Ausführungen der amtlichen Sachverständigen sind vollständig, schlüssig und überzeugend. Der erkennende Senat ist überzeugt davon, dass die sachverständigen Ausführungen im Gutachten und den beiden ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen zutreffen. Sie liefern den vollen Beweis. Daher war von einer weiteren Beiziehung eines Sachverständigen abzusehen, weshalb auch dem Antrag auf Bestellung von XXXX als weiteren Sachverständigen (unabhängig davon, dass ein solches Antragsrecht der Beschwerdeführerin ohnedies nicht zukommtes liegt nur eine Anregung vor, an die das Bundesverwaltungsgericht nicht gebunden ist) nicht nachzukommen war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung durch den Senat zu entscheiden. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Gemäß § 40 Abs 1 BBG (BGBl Nr 283/1990 idF BGBl I Nr 155/2017) ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist (Z 1) oder sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen (Z 2) oder sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten (Z 3) oder für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen (Z 4) oder sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl Nr 22/1970, angehören.

Die Ausstellung eines Behindertenpasses setzt jedenfalls einen Grad der Behinderung von mindestens 50 % voraus (vgl VwGH 21.09.2010, 2007/11/0228).

Den Grad der Behinderung hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen nach der Einschätzungsverordnung (BGBl II Nr 261/2010 idF BGBl II Nr 251/2012) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen wenn nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen (Z 1) oder zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde (Z 2) oder ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt (§ 41 Abs 1 BBG).

Für die konkrete Bemessung des Grades der Behinderung sind primär Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung (bzw der Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen) entscheidend (§ 2 Abs 1 Einschätzungsverordnung). Diese Beurteilung ist auch bei der Bewertung der einzelnen, in der Anlage zur Einschätzungsverordnung bei einem bestimmten Krankheitsbild genannten und für die Bemessung des Grades der Behinderung innerhalb einer Bandbreite entscheidenden Parameter erforderlich. Sie ist gemäß § 4 Abs 1 der Einschätzungsverordnung von einem ärztlichen Sachverständigen vorzunehmen (VwGH 11.11.2015, Ra 2014/11/0109).

Die belangte Behörde nahm zur konkreten Bemessung des Grades der Behinderung ein ärztliches Gutachten auf. Dieses Gutachten wurde der Beschwerdeführerin nicht im Rahmen des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht, sodass der belangten Behörde ein gravierender Verfahrensmangel – die Verletzung des Parteiengehörs – unterlief. Dieser Verfahrensmangel wurde jedoch im Beschwerdeverfahren saniert, indem der Beschwerdeführerin mit dem bekämpften Bescheid die Entscheidungsgrundlage (das Aktengutachten der Sachverständigen XXXX) bekannt gegeben erhielt und sie die Möglichkeit hatte, sich in seiner Beschwerde dagegen zu wenden (vgl in diesem Sinne die vor Einführung zur Verwaltungsgerichtsbarkeit ergangene Judikatur des VwGH, 06.11.2013, 2011/05/0200 sowie VwGH 29.04.2015, 2012/06/0075).

Im vorliegenden Fall ordnete die von der belangten Behörde beigezogene ärztliche Sachverständige das Leiden der Beschwerdeführerin der Positionsnummer 09.03.01 der Einschätzungsverordnung ("Stoffwechselstörungen leichten Grades") zu, wobei der Grad der Behinderung 10 % bis 20 % beträgt, wenn ausschließlich diätischen Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen ermöglichen, die Erkrankung weitgehend stabil ist und das Arbeits- und Alltagsleben weitgehend ungehindert möglich ist sowie die Freizeitgestaltung nicht oder wenig eingeschränkt ist. beträgt. Mit einem Grad der Behinderung von 20 % sind alle durch die Funktionseinschränkung Zöliakie getroffenen Nachteile abgedeckt, zumal Beschwerden aufgrund Zöliakie durch einfache Diätmaßnahmen gänzlich abgestellt werden können. Die von der Sachverständigen aufgrund der Befunde nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung vorgenommene Einschätzung wurde durch die von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung getätigten Aussagen bestätigt. Es kamen keine Anhaltspunkte hervor, die an der vorgenommenen Einschätzung zweifeln ließen. Damit ist der Grad der Behinderung nicht ausreichend, um einen Behindertenpasses auszustellen.

Ein Beweis durch einen weiteren medizinischen Sachverständigen zur Feststellung des Grades der Behinderung der Beschwerdeführerin war im vorliegenden Fall mangels erkennbarer Anhaltspunkte für eine Fehlbeurteilung der von der belangten Behörde beigezogenen ärztlichen Sachverständigen und ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen nicht notwendig. Voraussetzung für die Beiziehung eines Sachverständigen ist nach § 17 VwGVG iVm § 52 AVG, dass die Aufnahme eines Beweises durch Sachverständige notwendig ist. Eine solche Notwendigkeit liegt vor, wenn es dem Bundesverwaltungsgericht an der nötigen Fachkunde zur Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes mangelt. Ist aber das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung zur Auffassung gelangt, dass keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des von der belangten Behörde aufgenommenen Gutachtens besteht, bedarf es keiner neuerlichen Überprüfung dieses Gutachtens oder neuerlichen Begutachtung durch einen medizinischen Sachverständigen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich in diesem Fall auf die Ergebnisse des von der belangten Behörde aufgenommen Gutachtens und der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstatteten Gutachtensergänzungen stützen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die gegenständliche Entscheidung wirft keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Sie erging auf Basis der in Pkt II.2.A näher zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und weicht von dieser nicht ab. Im Übrigen wird durch die gegenständliche Entscheidung ein Einzelfall beurteilt. Einzelfallspezifische Fragestellungen sind grundsätzlich nicht reversibel.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I413.2166328.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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