TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/17 I404 2176983-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.01.2018
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Entscheidungsdatum

17.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2

Spruch

I404 2176983-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: MigrantInnenverein St. Marx, gegen die Spruchpunkte I. bis IV. des Bescheids des BFA RD Kärnten Außenstelle Klagenfurt vom 16.10.2017, Zl. 1128140901-161196531, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt IV. zu lauten hat:

"Gemäß § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung."

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Staatsgebiet am 31.08.2016 einen Antrag auf Internationalen Schutz. In seiner Erstbefragung vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31.08.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er die Staatsbürgerschaft von Nigeria habe, christlichen Glaubens sei und der Volksgruppe der Igbo angehöre. Seine Ehefrau sei verstorben, sein Sohn und seine Töchter wären im Imo State aufhältig. Zu seinem Fluchtgrund gefragt gab der Beschwerdeführer an, dass er in Nigeria Geschäftsmann gewesen sei und Kosmetikprodukte verkauft habe. Er habe Probleme mit der Boko-Haram gehabt. Am 10.4.2014 sei XXXX in sein Geschäft gekommen. Er sei ein Imam. Der Beschwerdeführer habe ihm gesagt, dass er Nigeria helfen solle und all die Bomben aufhören sollten. Sie würden Schüler töten und Leute mit Vermögen enteignen. XXXX habe ihn gefragt, ob er gegen die Boko-Haram sei und er bejahte dies. Daraufhin sei dieser wütend geworden. Am 12.4.2014 seien sein Vater, sein Bruder und seine Schwester von Imo State nach Abuja gekommen, um ihn zu besuchen. Am 14.4.2014 hätten sie zurückfahren wollen, dabei hätten sie einen Autounfall gehabt und alle seien gestorben. Für diesen Unfall sei die Boko-Haram verantwortlich, weil diese einen Bombenanschlag gemacht hätten und dabei der Unfall entstanden sei. Seine Frau und er seien ins Spital gefahren, sie sei zwei Tage später verstorben. Er sei lange im Spital gewesen. Er habe einen Anruf erhalten, dass die Boko-Haram sein Geschäft in Brand gesetzt habe und sie ihn töten wollten.

2. Am 24.11.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen seiner Befragung gab der Beschwerdeführer an, dass wegen einer Explosion in Nigeria sein Kopf verletzt sei. Seitdem vergesse er Sachen und aus seiner Nase sei Blut gekommen. Jetzt nehme er Medikamente und jetzt komme auch kein Blut mehr. Am 28.11.2016 habe er einen Termin in der Ambulanz Siegmund Freud. Am 29.11 habe er einen Termin bei Professor W., damit er wieder Medikamente bekomme. Vom Beschwerdeführer wurde ein ambulanter Patientenbrief des AKH vom 29.11.2016 vorgelegt. Darin sind folgende Diagnosen angeführt: 1. posttraumatische Belastungsstörung und 2. stumpfes Schädel-Hirn-Trauma mit Postkommotionellen Syndrom. Weiters wurde eine Behandlungsbestätigung der Privatuniversität Universitätsambulanz Siegmund Freund mit den Diagnosen: 1. Belastungsstörung posttraumatische und 2. Angst und depressive Störung, gemischt vom 14.11.2016 vorgelegt.

3. Mit Bescheid vom 13.12.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 AsylG zurückgewiesen und gemäß § 61 Abs. 1 Z. 1 FPG die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers angeordnet. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.4.2017 zu GZ. W240 2143952-1/4E wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

4. Im Rahmen seiner weiteren niederschriftlichen Befragung vor der belangten Behörde am 27.9.2017 gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm seit einem Monat viel besser gehe, weil er Medizin für seine Gedächtnisstörung nehme. Als er im August 2016 nach Österreich gekommen sei, hätte er noch große Probleme gehabt, sich an Dinge zu erinnern. Er habe während der kurzen Befragung bei der Polizei viele Fehler gemacht. Als er nach Österreich gekommen sei, habe er im Krankenhaus gute Medizin bekommen, nur wenn er erschrocken sei, habe er kurze Aussetzer und habe Blut gespuckt, weil er in Nigeria bei einem Bombenangriff dabei gewesen sei. Aber die Medizin hier habe sehr geholfen und seine Erinnerungen seien wieder zurückgekommen. Mittlerweile gehe es ihm wieder gut dank der Hilfe der Ärzte hier. Er nehme zurzeit ein Medikament für seine Gedächtnisstörungen, den Namen könne er nicht nennen. Er nehme die Medikamente seit ca. einem Monat und es gehe ihm nun viel besser. Dieses Medikament sei mittlerweile aufgebraucht und nunmehr sei es nicht mehr notwendig. Es gehe ihm nun wieder gut und benötige er diese nicht länger. Ein Freund würde ihn in Österreich unterstützen, es sei die Person, bei der er lebe. Er müsse ihm nur sehr wenig Geld für die Unterkunft bezahlen. Außerdem verkaufe er Zeitungen.

Sein Großvater und sein Vater seien Tischler gewesen und auch er habe diesen Beruf erlernt. Er habe Möbel hergestellt und mit dem Ersparten sei er im Januar 2010 nach Abuja gezogen und habe dort sein Geschäft errichtet und Kosmetikartikel wie Hautcremen, Zahnpaste und Ähnliches verkauft. Zu seinem Schwiegervater und seinen Kindern habe er seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr. Zu seinem Fluchtgrund befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass am 10.4.2014 Herr XXXX in sein Geschäft gekommen sei, um etwas zu kaufen. Er sei ein Chef Iman. Er habe zu dem Iman gesagt, dass er während der Predigt in der Moschee sagen solle, dass Boko-Haram aufhören solle, Soldaten und andere Menschen zu töten. Aufgrund seiner Reaktion habe er dann aber gemerkt, dass dieser ein Sponsor der Boko-Haram sei. Er erinnere sich nun genauer, den letzten Kontakt zu seinem Schwiegervater habe er im April 2016, also noch nicht zwei Jahre her, gehabt. Herr XXXX habe zu ihm gesagt, dass wenn jemand etwas gegen die Autorität von Boko-Haram vorbringe, seine Jungs etwas gegen ihn machen würden. Dann sei er gegangen. Am 12.4.2012 seien sein Vater, sein Bruder und seine Schwester nach Abuja gekommen. Sie seien zu ihm nach Hause gekommen und hätten mit ihm und seiner Familie in den 2 Räumen gelebt. In den verbleibenden Räumen würden nur Haussa leben. Ihm gegenüber lebe Herr XXXX, dieser sei mit der einzigen Tochter des Imam XXXX verheiratet. Am Abend habe er an ihrer Tür geklopft und sich nach den fremden Gesichtern erkundigt. Der Beschwerdeführer habe ihm seinen Vater und seine Geschwister vorgestellt. Er habe ihm gesagt, dass sie bereits am Montag sehr früh wieder nach Hause fahren würden. Am 14. April 2014 seien er und seine Frau mit den Geschwistern und seinem Vater zur Bushaltestelle Nyanya gegangen. Sie seien sehr früh gestartet und seine Familie habe den Bus betreten. Sie hätten bis zum Wegfahren des Busses gewartet, um ihnen nach zu winken. Plötzlich habe es einen lauten Knall gemacht, er und seine Frau seien ins Krankenhaus gebracht worden, sein Vater und seine Geschwister seien im Bus gestorben. Der Name des Krankenhauses sei Mantama. Nach zwei Tagen sei auch seine Frau verstorben. Im Juli 2014 habe er im Krankenhaus einen Anruf bekommen. Jemand habe ihn angerufen. Die Boko-Haram Leute hätten etwas in seinen Shop geschrieben. Am 15. Juli 2014 habe man ihm am Telefon mitgeteilt, dass die Boko-Haram in seinen Shop geschrieben habe, dass sie wo immer sie ihn sehen würden, sie in töten würden. Am 20. Juli 2014 habe er einen Telefonanruf in der Nacht bekommen, dass Boko-Haram seinen Shop gebombt habe. Am 20. August habe er zu seinem Arzt im Krankenhaus gesagt, dass er entlassen werden wolle, weil sein Leben in Abuja in Gefahr sei und er in den Imo State nach Hause möchte. Er sei daher entlassen worden. Er habe einen Bus nach XXXX genommen. Am 22. Oktober 2014 in der Früh habe ihn sein Vermieter in Abuja angerufen. Sein Vermieter habe gesagt, dass XXXX zu ihm gekommen sei und nach seiner Heimatadresse und einem Bild von ihm gefragt habe. XXXXhabe den Vermieter gedroht, wenn er sich weigern würde, dann werde ihm das gleiche passieren wie dem Beschwerdeführer. Aus Furcht habe der Vermieter daher seine Wohnung geöffnet und ihm ein Foto vom Beschwerdeführer gegeben und auch seine Adresse in XXXX. Er habe nach dem Telefonanruf sofort das Dorf verlassen und sei nach Niger gefahren. Er habe einen Anruf von seinem Schwiegervater erhalten. Sein Schwiegervater habe ihm gesagt, dass das Haus seines Vaters in XXXX von der Boko-Haram zerstört worden sei. Nachbarn hätten ihm das erzählt. Hätte er dem Vermieter nicht geglaubt, dann wäre er gestorben. Sein Schwiegervater und die Kinder seien bei der Explosion nicht verletzt worden, da diese in Aba leben würden.

5. Mit Bescheid vom 16.10.2017, Zl. 1128140901-161196531, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), gewährte dem Beschwerdeführer keine Frist für seine freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer im Verfahren mangels Glaubwürdigkeit keine Anhaltspunkte in Bezug auf eine persönliche Verfolgung durch Mitglieder der Boko-Haram habe geltend machen können und dass nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer in Nigeria wegen Kritik an der Boko-Haram verfolgt werde. In der Beweiswürdigung wurde diesbezüglich ausgeführt, dass aus den Länderberichten ersichtlich sei, dass die Kenntnis oder auch nur der Verdacht, dass jemand ein Sympathisant von Boko-Haram sein könnte, in Nigeria schon ausreiche, um diese Person den staatlichen Behörden zu melden. Es sei daher nicht glaubhaft und nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung oder Bedrohung durch den Chef Imam überhaupt zugelassen hätte. Spätestens nach dem Bombenangriff hätte der Beschwerdeführer im Krankenhaus von der Zugehörigkeit des Chef Imam zur Boko-Haram berichtet. Auch dass der Schwiegersohn den Vermieter in solcher Weise einschüchtern könnte, sei aus denselben Gründen nicht glaubhaft. Weiters sei aufgrund der Länderinformationen festzustellen, dass dem Beschwerdeführer bei Wahrheitsunterstellung eine innerstaatliche Fluchtalternative in Nigeria offen stehe.

Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führte die belangte Behörde aus, dass das Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche, wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt sei.

6. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig und zulässig, vertreten durch den MigrantInnenverein Sankt Marx, Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer glaubhaft dargelegt habe, dass er aufgrund individueller Gründe persönlich verfolgt werde und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht bestünde. Der Beschwerdeführer habe aus Eigenem genaue Angaben zu seiner Biografie, seiner Familie und der Herkunftsregion gemacht. Er habe, wenn auch vermutlich traumatisiert, ein nachvollziehbares Vorbringen erstattet. Seine Angaben würden mit der Berichtslage übereinstimmen. Die Verhältnisse, die der Beschwerdeführer geschildert habe, würden der Wahrheit entsprechen und seien örtlich, zeitlich, personell usw. verifizierbar.

7. Mit Teilerkenntnis vom 22.11.2017 zu GZ. I404 2176983-1/4E wurde der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunkt V. Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben.

8. Am 10.01.2018 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der (spätestens) am 30.08.2016 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer ist volljährig, ledig, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und an einer Angst und depressiven Störung nach einem Schädel-Hirn Trauma. Diesbezüglich ist der Beschwerdeführer derzeit in medikamentöser Behandlung (Trittico und Stablon) und in ambulanter Therapie.

Davon abgesehen leidet er weder an einer lebensbedrohlichen Krankheit noch ist er längerfristig pflege- oder rehabilitationsbedürftig und ist daher auch erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer hat für die Dauer von 6 Jahren in Nigeria eine Schule besucht und dann wie sein Vater als Tischler gearbeitet. Später war er dann als selbständiger Geschäftsmann tätig.

In Nigeria leben zumindest noch sein Schwiegervater sowie drei minderjährige Kinder des Beschwerdeführers.

Er verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Der Beschwerdeführer hat keinen Deutschkurs abgeschlossen und spricht nicht Deutsch. Er ist in keinem Verein aktiv. Seinen Aufenthalt in Österreich finanziert er sich als Zeitungs-Kolporteur. Er bezieht seit August 2017 keine Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist nicht vorbestraft.

1.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers, dass er ins Visier der Boko Haram gekommen ist, weshalb am 14. April 2014 ein Anschlag auf die Busstation in Nyanya bei Abuja erfolgte, war nicht glaubhaft.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat Nigeria:

Den im angefochtenen Bescheid enthaltenen und unwidersprochen gebliebenen Länderfeststellungen zu Nigeria ist im Wesentlichen zu entnehmen, dass durch die allgemeine Sicherheitslage keine konkrete gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgungsgefahr gegeben ist und die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen die Bewegungsfreiheit im gesamten Land gewährleisten, sodass sich Bürger in jedem Teil des Landes niederlassen können. Es besteht daher für jeden grundsätzlich die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung oder Repressionen Dritter durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen.

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete und keine Bürgerkriegsparteien (AA 21.11.2016). In drei Gebieten herrschen Unsicherheit und Spannungen: im Nordosten (islamistische Gruppe Boko Haram); im Middle Belt (v.a. im Bundesstaat Plateau); und im Nigerdelta (SBM 17.1.2017).

Das Nigerdelta, welches die Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River umfasst, sorgt mit seinen Öl- und Gasreserven für 95 Prozent der Exporterlöse Nigerias (DACH 2.2013; vgl. OP 22.6.2017).

Die Lage im Nigerdelta hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, ist aber noch nicht vollständig stabil und bleibt volatil; die Bedrohung der dort angesiedelten Öl- und Gasförderung durch militante Gruppen und Piraten bleibt ein Risiko, ebenso wie die Verschlechterung der ökologischen Grundlagen der Region (AA 4.2017c). Es gab eine Reihe von Angriffen auf die Ölinfrastrukturen, so zum Beispiel übernahm im Mai 2016 die aufständische Gruppe Niger Delta Avengers die Verantwortung für mehrere Angriffe auf die Ölgiganten Chevron, Shell und Nigerian National Petroleum Company (N24 29.5.2016). Ende August 2016 gaben die Niger Delta Avengers bekannt, dass die Gruppe die Feindseligkeiten einstellt und zum Dialog mit der Regierung bereit sei (NW 30.8.2016). Die Delta Avengers haben mit ihren Angriffen aufgehört, um den Friedensgesprächen eine Chance zu geben. Allerdings hat sich eine neue Gruppe, die sich die "New Delta Avengers" nennen, gebildet (Reuters 14.6.2017; vgl. NW 29.6.2017). Der Vizepräsident, Yemi Osinbajo, hat dem Nigerdelta bereits mehrere Besuche abgestattet und sich dabei mit traditionellen Führern und lokalen Politikern getroffen, um die Lage zu besprechen (FT 9.4.2017).

Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität o.ä. diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte auf Grund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich. Auch der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen (AA 21.11.2016). Rechtsberatungen und Rechtsbeistand bieten u.a. die folgenden Organisationen: Legal Aid Council; die Nationale Menschenrechtskommission (NHRC); Legal Defence and Assistance Project (LEDAP) (IOM 8.2013). Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 21.11.2016).

Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken (Bundes-) Polizei, die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 21.11.2016). Der Generalinspekteur ist für die Durchsetzung der Gesetze verantwortlich. Zusätzlich zu der üblichen polizeilichen Verantwortung der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung in den Bundesstaaten und Federal Capital Territory (FCT), überwacht der Generalinspekteur die Strafverfolgungsbehörden im ganzen Land, die mit Grenzschutz, Marineangelegenheiten (Navigation) und Terrorismusbekämpfung involviert sind. Der Generalinspekteur nominiert einen Polizeikommissar, der die National Police Force (NPF) in jedem Bundesstaat und FCT befehligt (USDOS 3.3.2017). Etwa 100.000 Polizisten sollen als Sicherheitskräfte bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen tätig sein (AA 21.11.2016).

Neben der Polizei werden im Inneren auch Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten (sogenannte Rapid Response Squads) eingesetzt (AA 21.11.2016). Die Innere Sicherheit liegt also auch im Zuständigkeitsbereich des Department of State Service (DSS), das dem Präsidenten via nationalen Sicherheitsberater unterstellt ist. Die Polizei, das DSS und das Militär sind zivilen Autoritäten unterstellt, sie operieren jedoch regelmäßig außerhalb ziviler Kontrolle (USDOS 3.3.2017). Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA, in deren Zuständigkeit Dekret 33 fällt, wird Professionalität konstatiert (ÖBA 9.2016).

Neben der Nationalen Menschenrechtskommission (NHRC) gibt es eine Vielzahl von Menschenrechtsorganisationen, die sich grundsätzlich frei betätigen können (AA 21.11.2016; vgl. USDOS 3.3.2017). Rund 42.000 nationale und internationale NGOs sind in Nigeria registriert; sie sind keinen gesetzlichen Beschränkungen unterworfen (ÖBA 9.2016).

Sie beobachten die Menschenrechtslage, untersuchen Vorfälle und veröffentlichen ihre Erkenntnisse. Regierungsvertreter reagieren vereinzelt auf Vorwürfe (ÖBA 9.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). Sie sind nach Art, Größe und Zielrichtung sehr unterschiedlich und reichen von landesweit verbreiteten Organisationen wie der CLO (Civil Liberties Organization), CD (Campaign for Democracy) und LEDAP (Legal Defense Aid Project), die sich in erster Linie in der Aufklärungsarbeit betätigen, über Organisationen, die sich vorrangig für die Rechte bestimmter ethnischer Gruppen einsetzen, und Frauenrechtsgruppen bis hin zu Gruppen, die vor allem konkrete Entwicklungsanliegen bestimmter Gemeinden vertreten. Auch kirchliche und andere religiös motivierte Gruppierungen sind in der Menschenrechtsarbeit aktiv (AA 21.11.2016).

Die Menschenrechtssituation hat sich seit Amtsantritt einer zivilen Regierung 1999 zum Teil erheblich verbessert (AA 4.2017a; vgl. GIZ 7.2017a). Schwierig bleiben die allgemeinen Lebensbedingungen, die durch Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, ein ineffektives Justizwesen und die Scharia-Rechtspraxis im Norden des Landes beeinflusst werden (AA 4.2017a).

Zur wirtschaftliche Lage ist auszuführen, dass Nigeria seit 2014 als die größte Volkswirtschaft Afrikas gilt, im Jahr 2014 wurde sogar das Bruttoinlandsprodukt von Südafrika übertroffen (GIZ 7.2017c). Neben der Öl- und Gasförderung sind der (informelle) Handel und die Landwirtschaft von Bedeutung, die dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bietet (AA 21.11.2016).

Neben Millionen von Kleinbauern gibt es Großfarmen. In den letzten Jahren wuchs dieser Sektor mit 10 Prozent überdurchschnittlich, denn die Förderung der Landwirtschaft mittels finanzieller und technischer Anreize (Produktivitätssteigerung mittels Düngermittel und Ausbau des Transportnetzwerkes) stand im Mittelpunkt von Wirtschaftsreformen der Regierung (GIZ 7.2017c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde – durch Einwirken der Regierung - kräftig ausgeweitet. Die unterentwickelte Landwirtschaft ist nicht in der Lage, den inländischen Nahrungsmittelbedarf zu decken. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 4.2017c). Eine Lebensmittelknappheit war in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent, in vereinzelten Gebieten im äußersten Norden Nigerias (Grenzraum zur Republik Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen aber auch aufgrund der Flüchtlingsbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten nicht mehr aus (ÖBA 9.2016).

Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern kann, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016). Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014).

Die überwiegende Mehrheit der Nigerianer ist im informellen Arbeitsmarkt tätig und bekommt somit keine Pension (TE 25.10.2014). Jedoch wurde das Pension Reform Act novelliert, um die Kosten und Nutzen für die Mitarbeiter von öffentlichen und privaten Sektor zu harmonisieren (BS 2016). Bis März 2016 waren es etwa 7,01 Millionen Arbeitnehmer die beim Contributory Pension Scheme registriert sind und dazu beitragen. Dies repräsentiert etwa 7,45 Prozent der gesamten erwerbstätigen Bevölkerung und 3,95 Prozent der gesamten Bevölkerung. 26 von 36 Bundesstaaten haben das Contributory Pension Scheme übernommen (TD 2.5.2016).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene, die State Economic Empowerment Strategy (SEEDS), als auch auf lokaler Ebene, die Community Economic Empowerment and Development Strategy (CEEDS). Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 7.2017c).

Heimkehrer können gegen Gebühr eine Wohnung in jeder Region Nigerias mieten. Es gibt keine speziellen Unterkünfte für Heimkehrer. Reintegrationshilfe kann durch Regierungsprogramme wie etwa NDE, NAPEP, NAPTIP, COSUDOW, UBE, SMEDAN, NACRDB erhalten werden und nichtstaatliche Organisationen wie etwa die Lift above Poverty-Organisation (LAPO) bieten allgemeine Reintegrationshilfe (IOM 8.2014). Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten.

Es besteht auch wie im Länderbericht ausgeführt, keine Gefahr dahingehend, dass der ob eines abgelehnten Asylantrages rückgeführte Asylwerber bei seiner Rückkehr nach Nigeria mit staatlichen Repressionen zu rechnen habe.

Nigeria verfügt über ein sehr kompliziertes Gesundheitssystem. Das öffentliche Gesundheitssystem wird von den drei Regierungsebenen geleitet (VN 14.9.2015) und das Hauptorgan der Regierung für das Gesundheitswesen ist das Bundesgesundheitsministerium (IOM 8.2014). Die Bundesregierung ist zuständig für die Koordination der Angelegenheiten in den medizinische Zentren des Bundes und Universitätskliniken. Die Landesregierung ist zuständig für allgemeine Spitäler, die Kommunalregierung für die Medikamentenausgabestellen (VN 14.9.2015).

Die meisten Landeshauptstädte haben öffentliche und private Krankenhäuser sowie Fachkliniken, und jede Stadt hat darüber hinaus eine Universitätsklinik, die vom Bundesgesundheitsministerium finanziert wird (IOM 8.2014).

Öffentliche (staatliche Krankenhäuser): Diese umfassen die allgemeinen Krankenhäuser, die

Universitätskliniken und die Fachkliniken. Die Gebühren sind moderat, doch einigen Krankenhäusern fehlt es an Ausrüstung und ausreichendem Komfort. Es treten oftmals Verzögerungen auf und vielfach werden Untersuchungen aufgrund der großen Anzahl an Patienten nicht sofort durchgeführt (IOM 8.2014). Die Kosten von medizinischer Betreuung müssen im Regelfall selbst getragen werden; die staatlichen Gesundheitszentren heben eine Registrierungsgebühr von umgerechnet 10 bis 25 Cent ein: Tests und Medikamente werden unentgeltlich abgegeben, so ferne vorhanden (ÖBA 9.2016).

Private Krankenhäuser: Hierbei handelt es sich um Standard-Krankenhäuser. Diese Krankenhäuser verfügen nur teilweise über eine ausreichende Ausstattung und müssen Patienten für Labortests und Röntgenuntersuchungen oftmals an größere Krankenhäuser überweisen. Diese Krankenhäuser sind im Allgemeinen teurer (IOM 8.2014).

Die medizinische Versorgung im Lande ist mit Europa nicht zu vergleichen. Sie ist vor allem im ländlichen Bereich vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. In den großen Städten findet man jedoch einige Privatkliniken mit besserem Standard (AA 4.7.2017). Es besteht keine umfassende Liste der Krankenhäuser und Ausstattungen, aber zahlreiche Krankenhäuser in Nigeria sind gut ausgestattet und in der Lage, zahlungsfähige Patienten medizinisch zu versorgen. Verschiedene Krankenhäuser in Nigeria haben sich auf unterschiedliche Krankheiten spezialisiert und Patienten suchen diese Krankenhäuser entsprechend ihrer Erkrankung auf. Allgemeine Krankenhäuser in Nigeria behandeln Patienten mit verschiedenen Krankheiten, verfügen jedoch üblicherweise über Fachärzte wie etwa Kinderärzte, Augenärzte, Zahnärzte, Gynäkologen zur Behandlung bestimmter Krankheiten. Zu den Fachkliniken zählen orthopädische Kliniken, psychiatrische Kliniken etc. (IOM 8.2014).

Aufgrund der hohen Sterblichkeitsrate von rund 90.000 Neugeborenen jährlich, die während der ersten 28 Tage nach ihrer Geburt sterben, rangiert Nigeria auf Platz 12 von 176 untersuchten Ländern und gilt auch innerhalb des südlichen Afrikas als "einer der gefährlichsten Orte" um geboren zu werden (GIZ 7.2017b). Die aktuelle Sterberate unter 5 beträgt 128 Todesfälle pro 1.000 Lebendgeburten. Die mütterliche Sterblichkeit liegt bei 545 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten (ÖBA 9.2016).

Laut dem Gesundheitsministerium gibt es weniger als 150 Psychiater in Nigeria (IRIN 13.7.2017). Insgesamt gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten (SFH 22.1.2014; vgl. WPA o.D.). In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem klinische Depressionen, suizidale Tendenzen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Schizophrenie und Psychosen behandelt (SFH 22.1.2014). Es existiert kein mit deutschen Standards vergleichbares Psychiatriewesen, sondern allenfalls Verwahreinrichtungen auf sehr niedrigem Niveau, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen oft gegen ihren Willen untergebracht werden, aber nicht adäquat behandelt werden können (AA 21.11.2016; vgl. SFH 22.1.2014). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die abgeschoben werden sollen. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team direkt am Flughafen belaufen sich auf ca. 195.000Naira (ca. 570 Euro). Zudem ist dort auch die stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen mit entsprechender Medikation möglich (AA 21.11.2016).

Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten dagegen als Bauern, Landarbeiter oder Tagelöhner im informellen Sektor. Leistungen der Krankenversicherung kommen schätzungsweise nur zehn Prozent der Bevölkerung zugute (AA 21.11.2016). Gemäß dem Exekutivsekretär des National Health Insurance Scheme (NHIS) beträgt nach zwölf Jahren die Zahl der Nigerianern, die durch das NHIS krankenversichert sind, 1,5 Prozent (Vanguard 22.6.2017). Hilfsorganisationen, die für notleidende Patienten die Kosten übernehmen, sind nicht bekannt. Aufwändigere Behandlungsmethoden, wie Dialyse oder die Behandlung von HIV/AIDS, sind zwar möglich, können vom Großteil der Bevölkerung aber nicht finanziert werden (AA 21.11.2016). Wer kein Geld hat, bekommt keine medizinische Behandlung (GIZ 7.2017b).

Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor. In privaten Kliniken können die meisten Krankheiten behandelt werden (AA 21.11.2016). Wenn ein Heimkehrer über eine medizinische Vorgeschichte verfügt, sollte er möglichst eine Überweisung von dem letzten Krankenhaus, in dem er behandelt wurde, vorlegen (IOM 8.2014). Heimkehrer, die vorher nicht in ärztlicher Behandlung waren, müssen lediglich dem Krankenhaus eine Registrierungsgebühr zahlen und in der Lage sein, ihre Behandlungskosten selbst zu tragen (IOM 8.2014; vgl. AA 21.11.2016). Hat eine Person keine Dokumente, führt dieser Umstand nicht zur Verweigerung medizinischer Versorgung oder zum Ausschluss von anderen öffentlichen Diensten (z.B. Bildung) (USDOS 3.3.2017).

Medikamente sind verfügbar, können aber je nach Art teuer sein (IOM 8.2014). Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Jeder Patient - auch im Krankenhaus - muss Medikamente selbst besorgen bzw. dafür selbst aufkommen (AA 21.11.2016). Medikamente gegen einige weit verbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/Aids können teils kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖBA 9.2016).

In der Regel gibt es fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Antiphlogistika und Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die meisten Antibiotika, Bluthochdruckmedikamente und Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden (AA 21.11.2016).

Es gibt zahlreiche Apotheken in den verschiedenen Landesteilen Nigerias. Die National Agency for Food and Drug Administration and Control (NAFDAC) hat ebenfalls umfangreiche Anstrengungen unternommen, um sicherzustellen, dass diese Apotheken überwacht werden und der nigerianischen Bevölkerung unverfälschte Medikamente verkaufen (IOM 8.2014). Trotzdem bliebt die Qualität der Produkte auf dem freien Markt zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte - meist aus asiatischer Produktion - vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die aufgrund unzureichender Dosisanteile der Wirkstoffe nur eingeschränkt wirken (AA 21.11.2016).

Der Glaube an die Heilungskräfte der traditionellen Medizin ist bei den Nigerianern nach wie vor sehr lebendig. Bei bestimmten Krankheiten werden eher die traditionellen Heiler als die Schulmediziner nach westlichem Vorbild konsultiert (GIZ 7.2017b).

In den letzten Jahren wurden mehrere Massenimpfungen gegen Polio und Meningitis durchgeführt. Ende 2016 kam es zu einem akuten Meningitis-Ausbruch, bei dem 745 Menschen gestorben sind und mehr als 8.000 Verdachtsfälle registriert wurden (GIZ 7.2017b).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu seiner Volljährigkeit, seinem Familienstand, seiner Staatsangehörigkeit und seiner Konfession ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Befragung vor der belangten Behörde am 27.09.2017 und wurde vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG bestätigt.

Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht fest.

Dass der Beschwerdeführer an einer posttraumatischen Belastungsstörung und an einer Angst und depressiven Störung leidet, basiert auf den vom Beschwerdeführer vorgelegten ärztlichen Bestätigungen der Sigmund Freud Universitätsambulanz vom 14.11.2016 sowie einen ambulanten Arztbrief des AKH vom 29.11.2016. Die diesbezügliche medikamentöse Behandlung basiert auf dem vom Beschwerdeführer in der Verhandlung vorgelegten Medikamentenverschreibung vom 20.11.2017 und stimmt mit den ärztlichen Unterlagen aus dem Jahr 2016 über ein.

Dass der Beschwerdeführer darüberhinaus an keiner lebensbedrohlichen Krankheit leidet, wurde festgestellt, zumal er angegeben hat, darüberhinaus keine Medikamente zu nehmen. Dass der Beschwerdeführer erwerbsfähig ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer angibt, einer regelmäßigen Tätigkeit nachzugehen (Zeitungsverkauf).

Die Feststellungen zu seiner Schulausbildung, dem bisherigen Verdienst seines Lebensunterhaltes sowie seinem familiären Anknüpfungspunkt in Nigeria gründen auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben.

Dass der Beschwerdeführer weder Mitglied in einem Verein ist, noch österreichische Freunde hat, hat er in der Verhandlung angegeben. Dass der Beschwerdeführer kein Deutsch spricht, basiert auf der Wahrnehmung der Richterin in der Verhandlung.

Die Angaben zu seiner beruflichen Tätigkeit basieren auf den Angaben des Beschwerdeführers und werden durch eine Kopie seines Ausweises als Kolporteur belegt.

Dass er seit August 2017 keine Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, wurde einer Abfrage aus dem Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem entnommen.

2.2. Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

2.2.1. Das erkennende Gericht hat anhand der Darstellung der persönlichen Bedrohungssituation des Beschwerdeführers und den dabei allenfalls auftretenden Ungereimtheiten – z.B. gehäufte und eklatante Widersprüche (z.B. VwGH 25.1.2001, 2000/20/0544) oder fehlendes Allgemein- und Detailwissen (z.B. VwGH 22.2.2001, 2000/20/0461) - zu beurteilen, ob Schilderungen eines Asylwerbers mit der Tatsachenwelt im Einklang stehen oder nicht.

Im gegenständlichen Fall war das Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er ins Visier der Boko Haram gekommen ist, weshalb am 14. April 2014 ein Anschlag auf die Busstation in Nyanya bei Abuja erfolgte, nicht glaubhaft. Dies aus den folgenden Erwägungen:

Zunächst bestehen schon Bedenken, dass der Beschwerdeführer tatsächlich von Orlu nach Abuja gezogen ist. Der Beschwerdeführer konnte im Rahmen der Verhandlung keinerlei Angaben zu der Stadt machen, die belegen würden, dass er tatsächlich dort gelebt hat. So hat er auf Nachfrage keine Angriffe der Boko Haram in Abuja vor dem 14.04.2014 nennen können, obwohl er seinen Angaben zufolge bereits mehrere Jahre dort wohnhaft war. Insbesondere im Zusammenhang mit seinen Fluchtangaben vor der belangten Behörde, wonach er ja gerade deshalb ins Visier der Boko Haram geraten sei, weil er einen Iman darauf angesprochen habe, dass die Boko Haram aufhören solle, Soldaten und andere Menschen zu töten, erscheint dies keinesfalls nachvollziehbar. Außerdem war er auch nicht in der Lage dem Gericht, nachdem die von ihm genannte Adresse auf google-maps nicht gefunden werden konnte, den Namen einer Kirche oder eines öffentlichen Gebäudes in der Nähe seiner Wohnadresse in Abuja zu nennen. Dass er auch den Namen der Schule seiner Kinder nicht nennen konnte, begründete er damit, dass seine Kinder (seine älteste Tochter war im Jahr 2014 bereits 7 Jahre) erst in die Schule gegangen seien, als diese bei seinem Schwiegervater waren. Auch konnte er keinen Fluss, Kirche, See, Park oder öffentliches Gebäude nennen, das sich in der Nähe des Krankenhauses in Abuja befunden hat, in dem er sich seinen Angaben zufolge etwa 5 Monate aufgehalten hat.

Schließlich hat er auch unterschiedliche Angaben zu dem Zeitpunkt seines Umzugs von Orlu nach Abuja gemacht. So gab er vor der belangten Behörde an, dass er im Jänner 2010 nach Abuja gezogen sei, vor dem BVwG gab er hingegen an, dass er erst 2012 umgezogen sei.

Selbst wenn der Beschwerdeführer tatsächlich nach Abuja gezogen wäre, wurde dem Beschwerdeführer jedenfalls nicht geglaubt, dass er sich mit einem Iman angelegt habe, der dann den Anschlag auf der Bushaltestelle am 14.04.2014 in Nyanya bei Abuja mit 88 Toten und 200 Verletzten geplant habe.

Zunächst kann es als ausgeschlossen gesehen werden, dass es möglich wäre, in nur einer Nacht – nach den Angaben des Beschwerdeführers konnte der Iman erst am Abend vor dem Anschlag davon erfahren, dass sich der Beschwerdeführer am nächsten Tag auf dem Busbahnhof aufhalten werde- einen solchen Anschlag mit zwei Autobomben zu organisieren. Außerdem erscheint es nicht nachvollziehbar, dass wenn der Beschwerdeführer das Ziel der Boko Haram gewesen wäre, dann nicht ein gezielter Anschlag auf ihn als Person – etwa in seinem Geschäft – hätte stattfinden sollen.

Unglaubwürdig war darüberhinaus auch die Angabe des Beschwerdeführers, dass seine Frau und er gemeinsam seinen Vater und die Geschwister an jenem Morgen zu dem Busbahnhof begleitet haben, während seine drei Kinder, das älteste war sieben und das jüngste war den Angaben des Beschwerdeführers zufolge erst einen Monat (!) alt, alleine in der Wohnung zurückgelassen wurden.

Widersprüchlich war dann auch die Angabe des Beschwerdeführers, dass sich ein Freund um seine Kinder gekümmert habe, während er von April bis August im Krankenhaus gewesen sei. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung an, dass dieser Freund ebenfalls ein Christ sei und im selben Haus wie er gewohnt habe. Die restlichen Bewohner seien "Hausa". Vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer hingegen an, dass er in einem Haus mit 8 Räumen gewohnt habe. Er habe in zwei Räumen mit seiner Familie gewohnt. In den verbleibenden Räumen hätten nur "Hausa" gewohnt.

Die Richterin übersieht nicht, dass beim Beschwerdeführer seit dem November 2016 eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert wurde, jedoch ergeben sich so viele Widersprüche und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers, die nicht allein durch die Diagnose erklärbar sind.

Auffallend war auch, dass der Beschwerdeführer sehr wohl in der Lage war, genaue Datumsangaben in sämtlichen Befragungen gleichbleibend zu nennen, soweit sie mit seiner Fluchtgeschichte in direkten Zusammenhang standen. So gab er (zumindest annähernd) gleichbleibend an, dass er nach dem Telefonanruf seines Vermieters aus Abuja am 22.10.2014 Nigeria verlassen hat und dass ihn am 10.04.2014 (bzw. in der Verhandlung führte er den 12.04.2014 an) der Iman in seinem Geschäft aufgesucht habe, etc. Diese Datumsangaben finden sich auch alle auf der vom Beschwerdeführer vorgelegten "eidesstattlichen Erklärung" seines Schwiegervaters. Sobald er jedoch zu anderen Begebenheiten gefragt wurde – wie etwa seinem Umzug nach Abuja - konnte er noch nicht einmal das Jahr übereinstimmend angeben.

Schließlich hat der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung zu keinem Zeitpunkt angegeben, dass er nicht in der Lage wäre, die gestellten Fragen zu beantworten und der Verhandlung zu folgen.

Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, dem Gericht glaubhaft darzulegen, dass er in Nigeria Probleme mit der Boko Haram gehabt hat und Opfer eines Anschlages geworden ist.

Andere Gründe für seine Flucht aus Nigeria hat der Beschwerdeführer nicht angegeben.

2.3. Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Hinsichtlich der aktuellen Sicherheitslage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 16.10.2017 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Diese Feststellungen beruhen auf den im Bescheid wiedergegebenen Länderinformationen und den dabei angeführten Quellen.

Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung eingetreten; die diesbezüglichen Feststellungen der belangten Behörde wurden daher übernommen. Der Beschwerdeführer ist diesen Feststellungen weder in der Beschwerde noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung entgegen getreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1. Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinaus geht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Wie im Sachverhalt samt Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, konnte der Beschwerdeführer dem Gericht nicht glaubhaft machen, dass er in Nigeria Probleme mit der Boko Haram gehabt hat und Opfer eines Anschlages geworden ist. Andere Gründe hat der Beschwerdeführer weder vorgebracht, noch ergeben sich solche aus dem Akteninhalt.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1. Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptioneller Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2. Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem Beschwerdeführer droht in Nigeria - wie oben bereits dargelegt wurde - keine asylrelevante Verfolgung.

Auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt. Der Beschwerdeführer ist volljährig und arbeitsfähig. Er hat in Nigeria zunächst als Tischler gearbeitet und hatte sich zuletzt selbständig gemacht und ein Geschäft für Kosmetikartikel betrieben. Auch wenn beim Beschwerdeführer eine posttraumatische Belastungsstörung und Angst und depressiven Störung vorliegt, so war er auch in Österreich in der Lage einer regelmäßigen Beschäftigung als Zeitungskolporteur nachzugehen und finanziert sich seit August 2017 durch diese Tätigkeit seinen gesamten Unterhalt.

Er wird sich daher auch bei einer Rückkehr nach Nigeria seinen Lebensunterhalt finanzieren können. Außerdem hat er auch noch Verwandte in Nigeria. So ist zumindest noch sein Schwiegervater, bei dem die Kinder des Beschwerdeführers derzeit untergebracht sind, in Nigeria aufhältig.

Akute und schwerwiegende Erkrankungen, welche in Nigeria nicht behandelbar wären und im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat allenfalls zu einer Überschreitung der hohen Eingriffsschwelle des Art. 3 EMRK führen könnten, liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Hinsichtlich des Umstandes, dass beim Beschwerdeführer eine posttraumatische Belastungsstörung und Angst und depressiven Störung diagnostiziert wurden, ist weiters auszuführen, dass der Beschwerdeführer diesbezüglich in medikamentöser Behandlung steht und eine ambulante Psychotherapie in Anspruch nimmt. Wie im Sachverhaltsteil unter 1.3. den Länderberichten zu entnehmen ist, ist die Behandlung von psychiatrischen Krankheiten in Nigeria ausreichend gewährleistet. So gibt es in Nigeria acht psychiatrische Krankenhäuser, die von der Regierung geführt und finanziert werden. Sechs weitere psychiatrische Kliniken werden von Bundesstaaten unterhalten. In diesen psychiatrischen Kliniken werden unter anderem auch klinische Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen behandelt. Außerdem gibt es in der Regel fast alle geläufigen Medikamente in Nigeria in Apotheken zu kaufen, so auch die Schmerzmittel Ibuprofen und Diclofenac sowie die Medikamente zur Behandlung von neurologischen und psychiatrischen Leiden.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis U 48/08 vom 07.11.2008 zu verweisen, wonach im Allgemeinen ein Fremder kein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Derartige außergewöhnliche Umstände können jedoch im gegenständlichen Fall ausgeschlossen werden.

Damit ist der Beschwerdeführer durch die Abschiebung nach Nigeria nicht in seinem Recht gemäß Art 3 EMRK verletzt, weil die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer allenfalls in Österreich wirtschaftlich gegenüber seiner Situation in Nigeria besser gestellt ist, genügt nicht für die Annahme, er würde in Nigeria keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Hierfür fehlen im vorliegenden Fall alle Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPEMRK) ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden und ergeben sich auch nicht aus dem amtliches Wissen darstellenden Länderinformationsblatt für Nigeria, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Beschwerdeführer ein reales Risiko einer gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bzw der Todesstrafe besteht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):

3.3.1. Rechtslage

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des Beschwerdeführers, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststel

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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