TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/31 98/08/0315

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Veröffentlicht am 31.05.2000
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4 idF 1994/314;
AlVG 1977 §16 Abs1 litg idF 1992/416;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Saxinger - Baumann & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stubenring 16/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Juli 1998, Zl. LGS-W Abt. 10/1218/56/1998, betreffend Nachsicht vom Ruhen des Arbeitslosengeldes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 4. August 1997 Arbeitslosengeld. Nach den Angaben im Antrag war er vom 1. Jänner bis 30. November 1995 Rechtspraktikant und vom 1. Dezember 1995 bis 31. Juli 1997 Konzipient. Nach der beiliegenden Arbeitsbescheinigung sei das Dienstverhältnis durch Kündigung durch den Dienstnehmer beendet worden. Im Antrag wurde die Frage 9. (Ich befinde mich in Ausbildung (Schule, Hochschule, Fachschule, Kurs, Lehrgang, Praktikum, usw.) Wenn ja, welcher Art?) bejaht und ergänzend angefügt, "ab 11.8.1997 Postgraduate Studium an der Columbia University New York". Gleichzeitig mit dieser Antragstellung begehrte er die Nachsicht gemäß § 16 Abs. 3 AlVG. Darin machte er geltend, er werde sich ab 7. August 1997 rund 1 Jahr in den USA aufhalten, um dort ein Postgraduate Studium zum Erwerb des Grades eines LL.M. (Master of Laws) an der Columbia University (New York) zu absolvieren. Bei Bewerbern für Konzipientenstellen würden Zusatzqualifikationen, wie die von ihm angestrebte, gefordert, ja häufig sogar vorausgesetzt. Die Absolvierung einer derartigen Ausbildung sei daher für sein weiteres berufliches Fortkommen unerlässlich. Da er sich ausschließlich zu Aus- und Fortbildungszwecken im Ausland aufhalten werde, stelle er den Antrag, das Arbeitsmarktservice möge das Ruhen des Anspruches auf Arbeitslosengeld gemäß § 16 Abs. 3 AlVG nachsehen.

Nach Anhörung des Regionalbeirates sprach die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit Bescheid vom 13. August 1997 aus, dass dem Antrag auf Nachsicht vom Ruhen des Arbeitslosengeldes wegen Auslandsaufenthaltes vom 25. August 1997 bis 24. November 1997 keine Folge gegeben werde.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin machte er geltend, dass er bereits im Antrag auf Gewährung des Arbeitslosengeldes ausgeführt habe, dass er sich aussschließlich zu Ausbildungszwecken, nämlich zur Absolvierung eines Postgraduate Studiums, im Ausland aufhalte und dass diese Ausbildung im Interesse der Beendigung der Arbeitslosigkeit gelegen sei. Darüber hinaus sei als weiterer berücksichtigungswürdiger Umstand die Tatsache zu erblicken, dass er die erheblichen Ausbildungskosten zur Gänze selbst trage.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wurde nach Wiedergabe der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen und kurzer Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, der Beschwerdeführer sei bis 31. Juli 1997 in einem Dienstverhältnis gestanden. Auf Grund des Bezuges einer Urlaubsentschädigung bis 24. August 1997 wäre frühestens ab dem 25. August 1997 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld gegeben gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich der Beschwerdeführer bereits im Ausland befunden. Gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG sei während einer Ausbildung als ordentlicher Hörer einer Hochschule in Österreich Arbeitslosigkeit grundsätzlich nicht gegeben und sei davon auszugehen, dass bei einem Studium im Ausland keine andere Beurteilung vorzunehmen sei. Die Ausbildung des Beschwerdeführers in den USA dauere nach seinen Angaben jedenfalls ein Jahr. Nach Ablauf des gemäß § 16 Abs. 3 AlVG zulässigen maximalen Nachsichtszeitraumes von drei Monaten sei daher seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen und eine Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht möglich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nachsicht vom Ruhen des Arbeitslosengeldes aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 16 Abs. 3 AlVG verletzt. Er führt aus, es sei angesichts des notorisch angespannten Arbeitsmarktes für Juristen im Allgemeinen und Rechtsanwaltsanwärter im Besonderen für Stellenwerber praktisch unumgänglich, Zusatzqualifikationen vorweisen zu können. Er habe sich im Ausland einer berufsspezifischen Ausbildung unterzogen. Die absolvierte Postgraduate Ausbildung könne nicht mit einem Studium an einer österreichischen Universität gleichgesetzt werden. Es vermittle einerseits praxisbezogene Kenntnisse und Qualifikationen und diene andererseits anders als ein Universitätsstudium in Österreich der beruflichen Fortbildung. Eine derartige Postgraduate Ausbildung werde auch von amerikanischen Teilnehmern erst nach einem Grundstudium, das mit dem österreichischen Diplomstudium vergleichbar sei, und mehrjähriger Berufspraxis absolviert. Die belangte Behörde habe daher die Ausbildung zu Unrecht einem österreichischen Studium gleichgesetzt. § 16 Abs. 3 AlVG spreche allein von einer Ausbildung im Ausland und differenziere nicht nach Dauer oder Umfang der Ausbildung. Es werde lediglich die höchstzulässige Dauer der Nachsicht festgelegt. Daraus könne aber nicht abgeleitet werden, dass die Ausbildung nicht länger als die dort vorgesehene Nachfrist dauern dürfte. Die Aufzählung einer Ausbildung im Ausland als berücksichtigungswürdiger Umstand für eine Nachsicht vom Ruhen des Arbeitslosengeldes könne nur so verstanden werden, dass der Arbeitslose, der sich zur beruflichen Fortbildung ins Ausland begebe, nicht durch diesen Umstand "bestraft" werden solle. Entscheidend sei daher der Zweck der Ausbildung, nämlich die berufliche und berufsspezifische "Fortqualifikation". Das vom Beschwerdeführer absolvierte Postgraduate Studium werde auch auf dem österreichischen Arbeitsmarkt für Juristen häufig nachgefragt. Er habe daher durch diese Ausbildung seine Qualifikationen und damit seine Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt wesentlich verbessert.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 lit. g AlVG i.d.F. der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Aufenthaltes im Ausland, soweit nicht Abs. 3 oder Regelungen auf Grund internationaler Verträge anzuwenden sind. Nach § 16 Abs. 3 AlVG (i.d.F. BGBl. Nr. 364/1989, Nr. 314/1994 und Nr. 297/1995) ist auf Antrag des Arbeitslosen das Ruhen des Arbeitslosengeldes gemäß Abs. 1 lit. g bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände nach Anhörung des Regionalbeirates bis zu drei Monaten während eines Leistungsanspruches (§ 18) nachzusehen. Berücksichtigungswürdige Umstände sind Umstände, die im Interesse der Beendigung der Arbeitslosigkeit gelegen sind, insbesondere, wenn sich der Arbeitslose ins Ausland begibt, um nachweislich einen Arbeitsplatz zu suchen oder um sich nachweislich beim Arbeitgeber vorzustellen oder um sich einer Ausbildung zu unterziehen, oder Umstände, die auf zwingenden familiären Gründen beruhen.

Das Ruhen des Arbeitslosengeldes nach § 16 Abs. 1 lit. g AlVG setzt den Anspruch auf Arbeitslosengeld voraus. Die belangte Behörde hat daher zutreffend gemäß § 12 Abs. 3 lit. f AlVG geprüft, ob Arbeitslosigkeit bei einem Studium im Ausland anzunehmen ist. Die belangte Behörde hat diese Frage zu Recht verneint. Nach dem § 12 Abs. 4 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 314/1994 kommt die (nicht im Ermessen der Behörde stehende) Zulassung einer Ausnahme vom Ausschluss des Arbeitslosengeldes nach § 12 Abs. 3 lit. f AlVG nur mehr in Betracht, wenn schon vor Eintritt der Arbeitslosigkeit eine in § 12 Abs. 4 AlVG näher bestimmte Parallelität einer Ausbildungsmaßnahme im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f leg. cit. und des (der) dem Eintritt der Arbeitslosigkeit vorangegangenen arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses (Beschäftigungsverhältnisse) bestanden hat (vgl. dazu das Erkenntnis vom 22. Oktober 1996, 96/08/0125). Fehlt eine solche Parallelität, so darf keine Ausnahme erteilt werden. Da in der Beschwerde - abgesehen von der Behauptung, die Postgraduate-Ausbildung könne nicht mit einem Studium an einer österreichischen Universität gleichgesetzt werden - nicht in Abrede gestellt wird, dass der Besuch des Postgraduate Studiums einem Lehrgang im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. f AlVG entspricht, ist die belangte Behörde mit ihrer Auffassung, Arbeitslosigkeit liege ausgehend von den übrigen unstrittigen Tatsachen nicht vor, im Recht. Den Ausführungen der belangten Behörde zu § 16 Abs. 3 AlVG kommt daher keine Bedeutung mehr zu.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998080315.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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