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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs1 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des N S in G, vertreten durch Dr. Edmund Kitzler und Mag. Martin Wabra, Rechtsanwälte in 3950 Gmünd, Stadtplatz 43, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Februar 2017, Zlen. W179 2131382- 1/11E, W179 2147691-1/4E, betreffend flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: AUSTRO CONTROL Österreichische Gesellschaft für Zivilluftfahrt mbH, vertreten durch die RECHTUNDCO Janezic & Schmidt-Brandstätter Rechtsanwälte OG in 8020 Graz, Lagergasse 57a/Eingang Grieskai 78), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Anbringen vom 14. September 2015, bei der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde am 18. September 2015 eingelangt, beantragte der Revisionswerber die Ausstellung eines Tauglichkeitszeugnisses für die Klasse 1 (Berufspilot).
2 Am 23. März 2016 langte bei der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde eine Säumnisbeschwerde ein, in der der Revisionswerber eine Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht begehrte.
3 Mit Bescheid vom 21. Juni 2016 wies die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die Säumnisbeschwerde mit näherer Begründung als unzulässig zurück. Dagegen erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 14. Juli 2016 Beschwerde.
4 Mit Bescheid vom 29. Juni 2016 stellte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die flugmedizinische Untauglichkeit des Revisionswerbers hinsichtlich der Klassen 1, 2 und LAPL fest. Dagegen erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz vom 16. August 2016 Beschwerde.
5 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde legte dem Verwaltungsgericht am 29. Juli 2016 den Verwaltungsakt, damit die Säumnisbeschwerde vom 23. März 2016, den Bescheid vom 29. Juni 2016, den Bescheid vom 21. Juni 2016 sowie die gegen diesen gerichtete Beschwerde, vor. Am 1. September 2016 erfolgte schließlich die Vorlage der Beschwerde gegen den Bescheid vom 29. Juni 2016.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 28. Februar 2017 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 21. Juni 2016 (Spruchpunkt A) I.) und den Bescheid vom 29. Juni 2016 (Spruchpunkt A) II.) jeweils ersatzlos auf. Außerdem stellte es das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht ein (Spruchpunkt A) III.). Mit gesondertem Spruchpunkt erklärte es die Revision hinsichtlich des Spruchpunktes A) III. für zulässig.
In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt A) III. im Wesentlichen aus, Zweck und Erledigungsanspruch des Rechtsbehelfs Säumnisbeschwerde sei es, eine anfechtbare inhaltliche Entscheidung herbeizuführen. Dem sei im vorliegenden Fall mit (wenn auch verspäteter) Erlassung des Feststellungsbescheides entsprochen worden, die Säumnisbeschwerde sei damit hinfällig. Der Feststellungsbescheid habe dementsprechend in Beschwer gezogen werden können, er hätte auch unangefochten bleiben und damit in Rechtskraft erwachsen können. In beiden Fällen würden durch das Erlassen einer bekämpfbaren Sachentscheidung jedenfalls der Erledigungsanspruch und das rechtliche Interesse am Fortführen des Säumnisbeschwerdeverfahrens erlöschen. Das Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde sei daher gemäß § 31 Abs. 1 iVm § 16 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss einzustellen.
7 Zur Zulassung der Revision an den Verwaltungsgerichtshof führte das Verwaltungsgericht aus, dass der Rechtsfrage nach dem Schicksal der Säumnisbeschwerde im Fall des verwaltungsgerichtlichen Aufhebens des verspätet nachgeholten Sachbescheides infolge behördlicher Unzuständigkeit grundsätzliche Bedeutung zukomme, was ausführlich näher begründet wurde, insbesondere unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 36 Abs. 2 VwGG (in der vor dem 1. Jänner 2014 geltenden Fassung) und die zur Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf die Rechtslage nach § 16 Abs. 1 VwGVG noch fehlende höchstgerichtliche Rechtsprechung.
8 Gegen Spruchpunkt A) III. dieses Erkenntnisses richtet sich die ordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht nach Durchführung des Vorverfahrens, an dem sich die belangte Behörde beteiligte, gemeinsam mit den Verfahrensakten vorgelegt wurde. Der Revisionswerber beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Spruchpunktes A) III. des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Der Revisionswerber bezieht sich im Hinblick auf die Zulässigkeit auf den diesbezüglichen Ausspruch des Verwaltungsgerichtes und führt in den Revisionsgründen insbesondere aus, weshalb er die im angefochtenen Spruchpunkt getroffene Entscheidung zur Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens für inhaltlich rechtswidrig hält und seiner Ansicht nach das Säumnisbeschwerdeverfahren fortführen und über den Antrag auf Ausstellung des Tauglichkeitszeugnisses inhaltlich absprechen hätte müssen. Weitere Gründe für die Zulässigkeit der Revision werden in der Revision nicht dargelegt.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
11 Die Revision ist nicht zulässig:
12 Die Frage, ob die Voraussetzung des Art. 133 Abs. 4 B-VG, also eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu beurteilen. Wurde die zu lösende Rechtsfrage in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - auch nach Einbringung der Revision -
bereits geklärt, liegt keine Rechtsfrage (mehr) vor, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme (VwGH 26.6.2014, Ra 2014/03/0005).
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner - nach Einlangen der hier vorliegenden Revision ergangenen - Rechtsprechung bereits festgehalten, dass auch mit einem nach Ablauf der Nachfrist gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG erlassenen Bescheid die Partei zunächst den von ihr mit ihrer Säumnisbeschwerde verfolgten Anspruch auf Entscheidung durchgesetzt hat, auch wenn dabei eine gesetzliche Bestimmung - nämlich, die zwischenzeitig eingetretene Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts zur Entscheidung in der Sache - verletzt wurde. Diese Gesetzesverletzung geltend zu machen, ist in erster Linie der Disposition der Partei überlassen, als ihr die Entscheidung darüber offensteht, ob sie den Bescheid in Rechtskraft erwachsen lässt oder Beschwerde gegen den nachgeholten Bescheid erhebt. Die Gesetzesverletzung ist in dem allfälligen Beschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht zu klären, während das Säumnisbeschwerdeverfahren als Rechtsschutzziel (nur) die Herbeiführung einer Entscheidung in der betreffenden Verwaltungsangelegenheit vor Augen hat und nicht die Richtigkeit der Entscheidung (VwGH 19.10.2017, Ro 2017/20/0001).
14 Im Revisionsfall langte das verfahrenseinleitende Anbringen des Revisionswerbers am 18. September 2015, die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde am 23. März 2016 bei der belangten Behörde ein. Mit Bescheid vom 29. Juni 2016 (dem Vertreter des Revisionswerbers unstrittiger Weise zugestellt am 2. August 2016), also nach Verstreichen der dreimonatigen Frist nach § 16 Abs. 1 erster Satz VwGVG, stellte die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde die flugmedizinische Untauglichkeit des Revisionswerbers fest. Das Verwaltungsgericht stellte daraufhin mit Spruchpunkt A) III. des angefochtenen Erkenntnisses das Säumnisbeschwerdeverfahren ein.
15 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers führte die - nach Ablauf der Nachfrist nach § 16 Abs. 1 VwGVG erfolgte - Erlassung des Bescheides vom 29. Juni 2016 nicht dazu, dass das Verwaltungsgericht (nach Aufhebung dieses Bescheides wegen Unzuständigkeit der außerhalb der Nachfrist entscheidenden Behörde) wieder zuständig geworden wäre, aufgrund der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst anstelle der Verwaltungsbehörde zu entscheiden. Indem das Verwaltungsgericht daher im Säumnisbeschwerdeverfahren im vorliegenden Fall eine derartige Sachentscheidungspflicht (nach Nachholung des Bescheides durch die Verwaltungsbehörde, wenn auch außerhalb der Nachfrist) nicht angenommen hat, ist es nicht von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.
16 Die Revision war daher, da in ihr keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme, gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Daran ändert es auch nichts, dass die Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens hier vom Verwaltungsgericht vorgenommen wurde, nicht aber - wie dies nach dem bereits zitierten hg. Erkenntnis vom 19. September 2017, Ro 2017/20/0001, erfolgen hätte müssen - von der Verwaltungsbehörde, da die Frage der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts weder in der Begründung der Revisionszulassung durch das Verwaltungsgericht noch in der Revision aufgegriffen wurde (vgl. VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0025, 0026; 27.11.2014, Ro 2014/03/0078).
Wien, am 20. Dezember 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RO2017030019.J00Im RIS seit
24.01.2018Zuletzt aktualisiert am
05.02.2018