TE Vwgh Erkenntnis 2017/12/20 Ro 2016/04/0050

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Veröffentlicht am 20.12.2017
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §1 Abs2;
GewO 1994 §1 Abs6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrat Dr. Kleiser, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Tiefenböck, über die Revision des Mag. R K in W, vertreten durch die Proksch & Partner Rechtsanwälte OG in 1030 Wien, Am Heumarkt 9/1/11, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 27. Jänner 2016, Zl. VGW-021/019/10934/2015-16, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 8. Juni 2015 wurde der Revisionswerber für schuldig erkannt, es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ eines bestimmt bezeichneten Vereins zu verantworten, dass dieser Verein mit der Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, durch Organisation eines Marktes in der Zeit von 20. März 2015 bis 29. März 2015 an einem näher bezeichneten Ort das Gewerbe "Organisation von Veranstaltungen, Märkten und Messen (Eventmanagement)" ausgeübt habe, ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben, und über ihn gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1994 eine Geldstrafe in Höhe von EUR 380,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 22 Stunden) verhängt.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab.

3 Der Verein habe die Organisation des Marktes selbständig im Sinne des § 1 Abs. 2 GewO 1994 ausgeübt. Nach den Umständen des Falles sei von einer Wiederholungsabsicht gemäß § 1 Abs. 4 GewO 1994 und der Dauerhaftigkeit der Tätigkeit auszugehen. Der Verein habe zudem im Sinne der Bestimmungen der Gewerbeordnung in der Absicht gehandelt, einen Ertrag zu erzielen, weil er die jährliche Zuwendung eines anderen Vereins einem seiner Mitglieder habe zukommen lassen, sodass dieses aus der Vereinstätigkeit einen wirtschaftlichen Vorteil erziele. Die Möglichkeit eines Vereinsaustritts ändere nichts an der Tatsache, dass die begünstigte Person zum Zeitpunkt der Zuwendung Vereinsmitglied gewesen sei. Die ordentliche Revision wurde - ohne fallbezogene Begründung - für zulässig erklärt.

4 2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

5 Die belangte Behörde beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung in eventu Abweisung der Revision.

6 3. Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 3.1. Die Revision bringt zur Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu § 1 Abs. 6 GewO 1994 ab, der diese Bestimmung dahingehend ausgelegt habe, dass die Entgeltlichkeit einer Dienstleistung eines Vereinsmitgliedes dann keinen vermögensrechtlichen Vorteil für das Vereinsmitglied im Sinne dieser Gesetzesbestimmung darstelle, wenn der Wert der Dienstleistung zu dem hierfür geleisteten Entgelt in einem angemessenen Verhältnis stehe.

8 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

9 3.2. Gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu EUR 3.600,00 zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

10 Nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, gleichgültig für welche Zwecke dieser bestimmt ist.

11 Nach § 1 Abs. 6 erster Satz GewO 1994 liegt die Absicht, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen, bei Vereinen auch dann vor, wenn die Vereinstätigkeit das Erscheinungsbild eines einschlägigen Gewerbebetriebes aufweist und diese Tätigkeit - sei es mittelbar oder unmittelbar - auf Erlangung vermögensrechtlicher Vorteile für die Vereinsmitglieder gerichtet ist. Das Merkmal der Ertragsabsicht wird damit gegenüber der allgemeinen Grundregel des § 1 Abs. 2 GewO 1994 weiter gefasst (vgl. RV 341 BlgNR 17. GP 31 f), wobei die allgemeine Bestimmung des § 1 Abs. 2 GewO 1994 daneben weiterhin anwendbar ist (vgl. VwGH 18.8.2017, Ra 2017/04/0081).

12 3.3. Im vorliegenden Fall bestreitet der Revisionswerber ausschließlich die Ertragsabsicht.

13 Die belangte Behörde erachtete den Tatbestand des § 1 Abs. 6 GewO 1994 - im Hinblick auf die alleine strittige Ertragsabsicht - als erfüllt, weil der Verein eine jährliche Zuwendung in Höhe von EUR 40.000,00 von einem anderen Verein beziehe und diesen Betrag in Form eines Erwerbseinkommens einem Mitglied des Vereins zukommen lasse, das dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erziele.

14 Der vermögensrechtliche Vorteil für ein Vereinsmitglied liegt somit nach Ansicht des Verwaltungsgerichts bereits darin begründet, dass dieses Mitglied für eine geleistete Tätigkeit ein Entgelt bezieht. Zu dieser Rechtsfrage (dort in Bezug auf die Beschäftigung eines Vereinsmitgliedes als Geschäftsführer bei diesem Verein) hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Jänner 1992, 91/04/0232, ausgeführt, dass die Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt einen Austausch wirtschaftlicher Leistungen darstelle, wobei von einem vermögensrechtlichen Vorteil für eine der beiden Vertragsparteien dann nicht gesprochen werden könne, wenn der Wert der Dienstleistung zu dem dafür geleisteten Entgelt in einem angemessenen Verhältnis stehe.

15 Vom Verwaltungsgericht wurden keine Feststellungen getroffen, die die Beurteilung erlauben würden, ob das bezahlte Entgelt für die von dem betreffenden Vereinsmitglied erbrachten Leistungen nach objektiven Maßstäben angemessen ist. Insbesondere lässt das angefochtene Erkenntnis jede Feststellung zur Art und zum Ausmaß der vom Vereinsmitglied erbrachten Leistungen vermissen, die nach den Behauptungen des Revisionswerbers im Austauschverhältnis zu dem festgestellten Erwerbseinkommen stehen. Dabei macht es keinen Unterschied, wenn diese Leistungen des Vereinsmitglieds in dieser Eigenschaft - wie vorgebracht - gegenüber einem Dritten erbracht werden, der dafür dem Verein ein Entgelt leistet. Damit fehlen die zur Überprüfung des Vorliegens der dem Revisionswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretung notwendigen Tatsachengrundlagen (sekundärer Feststellungsmangel).

16 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte, ist es von der oben wiedergegebenen Rechtsprechung abgewichen, weshalb der Revision Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung.

Wien, am 20. Dezember 2017

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RO2016040050.J00

Im RIS seit

23.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

16.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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