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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §5 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/18/0232 Ra 2017/18/0234 Ra 2017/18/0233Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision
1. des N C B, 2. der E F, 3. des mj. M S B und 4. des mj. A C B, alle in A, alle vertreten durch Mag. Manuel Krenn, Rechtsanwalt in 4150 Rohrbach, Hanriederstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2017, Zlen. W105 2146188- 2/2E (ad 1.), W105 2147372-2/2E (ad 2.), W105 2147373-2/2E (ad 3.) und W105 2147371-2/2E (ad 4.), betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien sind syrische Staatsangehörige und Mitglieder einer Familie; der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind Ehegatten, die minderjährigen Dritt- und Viertrevisionswerber ihre Kinder.
2 Sie gelangten über Italien, wo sie in das Gebiet der Europäischen Union eingereist waren und auch erkennungsdienstlich behandelt wurden, in das österreichische Bundesgebiet. Am 3. Oktober 2016 stellten sie hier Anträge auf internationalen Schutz.
3 Nachdem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 5. Oktober 2016 unter Hinweis auf vorliegende EURODAC-Treffer ein Wiederaufnahmeersuchen an Italien richtete und der italienischen Dublin-Behörde in der Folge am 15. Dezember 2016 mitteilte, dass aufgrund des Unterbleibens der Beantwortung desselben die Zuständigkeit zur Überprüfung des vorliegenden Antrags auf internationalen Schutz auf Italien übergegangen sei, wies es die Anträge der revisionswerbenden Parteien mit Bescheiden vom 8. Mai 2017 gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als unzulässig zurück, sprach aus, dass Italien für die Prüfung der Anträge zuständig sei, ordnete die Außerlandesbringung der revisionswerbenden Parteien an und stellte fest, dass deren Abschiebung nach Italien zulässig sei.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Parteien wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 1. Juni 2017 als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
5 Begründend führte das BVwG (soweit entscheidungsrelevant) aus, dass die Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Italien keine systemischen Mängel aufweisen würden. Italien habe die Betreuungsplätze für Familien ausgebaut und habe das italienische Innenministerium in mehreren Schreiben garantiert, dass alle Familien mit minderjährigen Kindern in familiärer Einheit in einer familiengerechten "SPRAR"-Unterkunft, untergebracht würden. Zudem sei durch entsprechende Korrespondenz im Überstellmodus im Einzelfall gesichert, dass das BFA vor der Überstellung einer Familie im Falle mangelnder Verfügbarkeit von adäquater Unterbringung rechtzeitig informiert werde. Bei der Übernahme der Familie mit den minderjährigen Kindern durch die italienischen Behörden sei der österreichische Verbindungsbeamte des Bundesministeriums für Inneres in Italien am vereinbarten Überstellungsort anwesend, wodurch sichergestellt werden solle, dass die überstellte Familie in den zugesicherten Unterbringungsplatz verbracht werde. Eine individuelle Zusicherung der Unterbringung und Versorgung seitens Italiens sei daher nicht erforderlich gewesen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil das Rundschreiben des italienischen Innenministeriums angesichts der Tatsache, dass die dort angeführten Unterbringungsplätze innerhalb weniger Monate um ein Drittel gesunken seien, keine Zusicherung darstelle, dass die revisionswerbenden Parteien, die als vulnerabel zu qualifizieren seien, einen Unterbringungsplatz in einem "SPRAR"-Projekt erhalten würden, und das BVwG vor diesem Hintergrund weitere Ermittlungen durchzuführen gehabt hätte, um zu gewährleisten, dass den revisionswerbenden Parteien nach der Rücküberführung nach Italien keine Art. 3 EMRK verletzende Behandlung zu Teil werde.
7 Die Revision erweist sich als unzulässig.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird. Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
9 Dem Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerber ist entgegenzuhalten, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) - in zeitlich nach dem Urteil in der Rechtssache Tarakhel/Schweiz, 29217/12, ergangenen Entscheidungen - zur Frage der Überstellung von Familien nach Italien wiederholt ausgesprochen hat, dass vor dem Hintergrund der Rundschreiben des italienischen Innenministeriums insbesondere in Zusammenschau mit der Darlegung der Überstellungsmodalitäten durch die nationalen Behörden bzw. Gerichte, nicht davon auszugehen ist, dass die betroffenen Personen tatsächlich keine adäquate Unterkunft erhalten würden (vgl. etwa EGMR 4.10.2016, Jihana Ali ua/Schweiz und Italien, 30474/14, Z 33f; EGMR 4.10.2016, M.A.-M. ua/Finnland, 32275/15, Z 24ff; EGMR 3.11.2015, J.A. ua/Niederlande, 21459/14, Z 14f).
10 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung vermag das Zulässigkeitsvorbringen der Revisionswerber, wonach sich aus den Rundschreiben des italienischen Innenministeriums auch ergebe, dass die Anzahl der "SPRAR"-Unterbringungen um ein Drittel gesunken sei, nicht darzulegen, dass dies den Schluss rechtfertige, dass die Revisionswerber tatsächlich keine adäquate Unterkunft erhalten würden.
11 Die Revision zeigt daher keine Rechtsfrage auf, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
12 Die Revision war daher wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig zurückzuweisen.
Wien, am 22. Dezember 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017180231.L00Im RIS seit
24.01.2018Zuletzt aktualisiert am
01.02.2018