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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Nowakowski und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, Herzog Ernst Gasse 2a, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 18. November 1997, Zl. LGS600/LA2/1218/1997-Dr.J/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, der zuletzt 1988 eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung bezogen hatte, beantragte am 12. August 1997 Arbeitslosengeld. Er gab an, selbständig erwerbstätig zu sein, und legte u.a. den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 11. Juni 1997 vor, der Einkünfte aus dem anspruchsbegründenden Dienstverhältnis in der Höhe von S 342.611,--, sonstige Einkünfte (aus der selbständigen Tätigkeit) in der Höhe von S 54.335,-- und somit einen Gesamtbetrag der Einkünfte von S 396.946,--, weiters Sonderausgaben gemäß § 18 EStG 1988 in der Höhe von S 20.000,-- (Viertel der Aufwendungen für Personenversicherungen, Wohnraumschaffung und -sanierung, Genussscheine und junge Aktien, so genannte "Topf-Sonderausgaben"), S 2.000,-- (Zuwendungen gemäß § 18 Abs. 1 Z. 7 EStG 1988) und S 642,-- (Kirchenbeitrag) und als außergewöhnliche Belastung einen Freibetrag von S 996,-- wegen eigener Behinderung (§ 35 Abs. 3 EStG 1988) auswies. Das daraus resultierende Einkommen war mit S 373.308,-- angegeben.
Nach Durchführung weiterer Ermittlungen und Einholung einer Weisung der Landesgeschäftsstelle gab die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Mürzzuschlag dem Antrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 29. September 1997 mangels Arbeitslosigkeit keine Folge, weil der Beschwerdeführer aus seinem freien Arbeitsvertrag laut Einkommensteuerbescheid 1996 ein die monatliche Geringfügigkeitsgrenze überschreitendes Einkommen erziele. Woraus sich dies rechnerisch ergebe, war der Bescheidbegründung nicht zu entnehmen.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid legte der Beschwerdeführer dar, welche Einnahmen und Ausgaben er während der Monate Jänner bis September 1997 gehabt habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Begründend wurde dazu in der Darstellung der Rechtslage ausgeführt, die Geringfügigkeitsgrenze betrage für 1997 S 3.740,-- monatlich. Zur Frage, in welcher Weise der Beschwerdeführer diese Grenze überschritten habe, traf die belangte Behörde folgende Feststellung:
"Sie werden beim Finanzamt Mürzzuschlag, ... zur Steuerleistung erfasst und weist der Einkommensteuerbescheid 1996, der am 11.6.1997 erstellt wurde, aus: Einkünfte aus Gewerbebetrieb 0, Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit (...) S 342.611,--, sonstige Einkünfte S 54.335,--, Sonderausgaben - S 23.638,--, außergewöhnliche Belastungen - S 996,--."
In rechtlicher Hinsicht würdigte die belangte Behörde den Sachverhalt im Wesentlichen wie folgt:
"Die Beurteilung der Frage der Arbeitslosigkeit aufgrund Ihrer Antragstellung auf Leistungsgewährung am 12. August 1997 ist daher sachverhaltsbezogen relevant anhand des Veranlagungsergebnisses 1996 zu prüfen und ergibt diese Prüfung, dass 1/12 der aus Ihrer Tätigkeit erzielten Einkünfte, unter Anerkennung der anteilsmäßig zugerechneten begünstigten Einnahmenverwendungen, die so genannte Geringfügigkeitsgrenze übersteigt. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Mürzzuschlag hat daher zu Recht das Vorliegen von Arbeitslosigkeit im Sinne der Bestimmungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes verneint. Auch wenn für 1997 ein anderer Einkommensverlauf erwartet wird, ermöglicht dies keine andere Beurteilung ..."
Dagegen wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Im Fall des Beschwerdeführers, der schon neben dem anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnis einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen war, kommt es darauf an, ob er aus der Fortsetzung dieser Tätigkeit während des verfahrensgegenständlichen Zeitraumes ab der Antragstellung ein im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Einkommen erzielte (vgl. zu inhaltlich ähnlichen Rechtslagen in diesem Zusammenhang die Erkenntnisse vom 9. Februar 1993, Zl. 92/08/0265, vom 30. September 1994, Zl. 93/08/0198, und vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0148). Nach § 36a Abs. 5 Z. 1 AlVG in der hier zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 47/1997 ist dabei vom Einkommensteuerbescheid "über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr" auszugehen. Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 5. März 1998, Slg. Nr. 15.117, mit dem u.a. die zitierte Wendung aufgehoben und frühere Bestimmungen wieder in Kraft gesetzt wurden, ist außer Betracht zu lassen, weil der Verfassungsgerichtshof nicht angeordnet hat, dass die verfassungswidrige Norm auch auf vor ihrem Außerkrafttreten verwirklichte Tatbestände nicht mehr anzuwenden sei (vgl. dazu etwa den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 16. April 1998, B 467/98; aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 21. September 1999, Zlen. 97/08/0069, 0070; die gegenteilige Aussage in dem hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1999, Zl. 99/08/0015, beruhte auf einem Irrtum und wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht aufrechterhalten). Ihrem im November 1997 erlassenen Bescheid legte die belangte Behörde daher zu Recht den Einkommensteuerbescheid 1996 zugrunde.
Die belangte Behörde hat richtig erkannt, dass im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Einkünfte aus dem anspruchsbegründenden Beschäftigungsverhältnis außer Betracht zu lassen sind. Dies ergibt sich schon aus § 12 Abs. 6 lit. c AlVG, wonach das "Einkommen gemäß § 36a" hier nur insoweit von Bedeutung ist, als es aus der selbständigen Tätigkeit ("daraus") erzielt wird. Auszugehen war von dem im Einkommensteuerbescheid 1996 ausgewiesenen Einkommen im vorliegenden Fall daher insoweit, als ihm die "sonstigen Einkünfte" in der Höhe von S 54.335,-- zugrunde lagen.
Bringt man die im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen nur von diesen Einkünften in Abzug, so verbleibt ein die monatliche Geringfügigkeitsgrenze bei Weitem nicht erreichendes Einkommen. Die angefochtene Entscheidung beruht demgegenüber auf einer Rechenoperation, auf die in der Bescheidbegründung nur mit der Formulierung "Anerkennung der anteilsmäßig zugerechneten begünstigten Einnahmenverwendungen" Bezug genommen wurde. Die belangte Behörde ist, wie in der Gegenschrift offen gelegt wird, so vorgegangen, dass die Summe aus Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen (insgesamt S 23.638,-- und nicht, wie im angefochtenen Bescheid aktenwidrig festgestellt, S 23.638-- zuzüglich S 996,--) zu 86 % den (außer Betracht zu lassenden) Einkünften aus dem Dienstverhältnis und nur zu 14 % den sonstigen Einkünften "zugeordnet" wurde, woraus sich ein von der belangten Behörde angenommenes Jahreseinkommen des Beschwerdeführers aus den "sonstigen Einkünften" abzüglich "aliquoter" Sonderausgaben usw. in der Höhe von S 51.026,-- ergab. Dass gemäß § 36a Abs. 5 (gemeint: Abs. 3) AlVG eine Hinzurechnung vom Finanzamt bei der Einkommensermittlung abgezogener Beträge zum steuerpflichtigen Einkommen stattzufinden habe, nahm die belangte Behörde - nach den Ausführungen in der Gegenschrift - nicht an.
Diese Berechnungsweise, deren nachvollziehbare Offenlegung erst in der Gegenschrift auch zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides schon seiner mangelhaften Begründung wegen Anlass geben könnte, entsprach nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht dem Gesetz. Eine aliquote Aufteilung von Sonderausgaben auf verschiedene Einkunftsarten (mit der Konsequenz der Nichtberücksichtigung des auf Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit entfallenden Anteils) findet im Gesetz nämlich keine Grundlage. Die belangte Behörde hätte vielmehr wegen der erforderlichen Ausscheidung der Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit aus dem steuerlichen Ergebnis des Jahres 1996
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allenfalls unter Inanspruchnahme von Amtshilfe - zunächst den Einkommensteuerbescheid 1996 unter Weglassung der genannten Einkünfte fiktiv neu zu erstellen gehabt und dabei von den Abzugsbeträgen nur diejenigen nicht berücksichtigen dürfen, die auch das Finanzamt für den Fall des Vorliegens nur der Einkunftsart "sonstige Einkünfte" nicht in die Einkommensberechnung aufgenommen hätte. Zu dem so ermittelten (fiktiven) steuerpflichtigen Einkommen hätte die belangte Behörde die in § 36a Abs. 3 AlVG genannten Beträge - soweit in Betracht kommend - wieder hinzuzurechnen gehabt, wobei die Besonderheit hier darin bestanden hätte, dass von den Einkünften des Beschwerdeführers vom Finanzamt gemäß § 18 Abs. 3 EStG 1988 ein einheitlicher Höchstbetrag für Ausgaben im Sinne des § 18 Abs. 1 Z. 2 bis 4 EStG 1988 in Abzug gebracht wurde, die belangte Behörde gemäß § 36a Abs. 3 Z. 2 AlVG von diesen Ausgaben aber nur diejenigen nach § 18 Abs. 1 Z. 4 EStG 1988 (Genussscheine und junge Aktien) wieder hinzuzurechnen gehabt hätte, "soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden". Eine Hinzurechnung hätte daher die Feststellung vorausgesetzt, dass im Ausmaß des Hinzurechnungsbetrages der bei der Einkommensermittlung abgezogene Höchstbetrag ohne die Berücksichtigung geltend gemachter Ausgaben für Genussscheine und/oder junge Aktien nicht erreicht worden wäre. Für eine von vornherein bloß aliquote Berücksichtigung bei der Einkommensermittlung abgezogener Beträge gab es hingegen keine Rechtsgrundlage. Sie widerspräche im gegebenen Zusammenhang
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nämlich bei der Außerachtlassung der Einkünfte aus dem beendeten Beschäftigungsverhältnis - auch der Funktion der Einkommensteuerbescheides als provisorische Grundlage für die Beurteilung des während der Arbeitslosigkeit zu erwartenden Einkommens.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde den Einkommensteuerbescheid 1996 nicht mehr heranzuziehen haben, wenn inzwischen ein solcher für 1997 vorliegen sollte (vgl. hiezu etwas das Erkenntnis vom 21. September 1999, Zlen. 97/08/0069, 0070). Im Übrigen wird - für die davon jeweils betroffenen Anspruchszeiträume - auf die seit der Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetretenen Änderungen der Rechtslage Bedacht zu nehmen sein.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 31. Mai 2000
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1997080657.X00Im RIS seit
18.10.2001