TE OGH 2017/12/15 1Ob207/17y

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Veröffentlicht am 15.12.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätinnen Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** P*****, vertreten durch Mag. Harald Rossmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund) vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 44.500 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. Oktober 2017, GZ 4 R 120/17d-21, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Juli 2017, GZ 11 Cg 112/16t-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das für die Begründung von Amtshaftungsansprüchen erforderliche Verschulden eines Organs ist dann zu verneinen, wenn seine Entscheidung auf einer bei pflichtgemäßer Überlegung vertretbaren Rechtsauslegung oder Rechtsanwendung beruht (RIS-Justiz RS0049974 [T2], RS0050216 [T1]). Die Prüfung der Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und entzieht sich deshalb regelmäßig einer Beurteilung als erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS-Justiz RS0110837). Eine solche läge nur vor, wenn dem Berufungsgericht eine im Interesse der Rechtssicherheit korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (vgl RIS-Justiz RS0044088), was im vorliegenden Fall von der Revisionswerberin nicht aufgezeigt werden kann.

2. Es trifft zu, dass nach § 250 Abs 2 Z 2 EO bei Personen, die aus persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, sowie bei Kleingewerbetreibenden die zur Berufsausübung bzw zur persönlichen Fortsetzung der Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände der Pfändung entzogen und die Bestimmungen über die Unpfändbarkeit von Amts wegen zu beachten sind (RIS-Justiz RS0003529; Mini in Burgstaller/Deixler-Hübner, Exekutionsordnung § 250 Rz 2). Maßgeblich für die Beurteilung der Unpfändbarkeit ist der Zeitpunkt der Vornahme der Pfändung (Mohr in Angst/Oberhammer, Kommentar zur EO³ § 250 Rz 6). Soweit die Rechtsmittelwerberin dazu geltend macht, dass der Gerichtsvollzieher schon zu diesem Zeitpunkt die von ihr zur Grundlage ihres Amtshaftungsanspruchs gemachte Unpfändbarkeit des nach ihren Angaben zur Berufsausübung benötigten Kastenwagens von Amts wegen zu erforschen gehabt hätte, übersieht sie, dass nach den Feststellungen für das Vollzugsorgan keine Anhaltspunkte vorlagen, die auf eine Verwendung des Fahrzeugs zu einem der in § 250 Abs 1 Z 2 EO genannten Zwecke und damit dessen Unpfändbarkeit schließen lassen hätten können. Dass ohne einen begründeten Anhaltspunkt von Vornherein kein Anlass für ein amtswegiges Abstehen von der Pfändung gesehen werden kann, erkennt die Rechtsmittelwerberin grundsätzlich ohnedies auch selbst an (vgl dazu RIS-Justiz RS0001577 [T1]; vgl auch Neumann/Lichtblau, Kommentar zur EO 494 f).

3.1 Im Revisionsverfahren releviert die Klägerin nicht mehr, dass im Exekutionsverfahren nicht von ihrem Eigentum am Fahrzeug auszugehen gewesen wäre, sondern beruft sich nur noch auf dessen Unpfändbarkeit, was gemäß § 39 Abs 2 EO von Amts wegen zu einer Einstellung des Verfahrens führen hätte müssen.

3.2 Die Pfändung einer (hier nach § 250 Abs 2 Z 2 EO) unpfändbaren Sache ist nicht nichtig, sondern bloß vernichtbar. Der Verpflichtete kann die Unpfändbarkeit durch einen Antrag auf Einstellung der Exekution nach § 39 Abs 1 Z 2 EO geltend machen (Mohr aaO § 250 EO Rz 7). Dessen ungeachtet meint die Klägerin, es sei rechtlich unzulässig, ihr „Anträge aufzubürden“, und führt die Rechtssatzkette RIS-Justiz RS0003529 zum Beleg dafür ins Treffen, dass der Gerichtsvollzieher „zwingend eine amtswegige Prüfung des maßgeblichen Sachverhalts“ vorzunehmen verpflichtet gewesen wäre, und meint damit offenbar – andere Ansätze finden sich weder in den Feststellungen noch in ihrem Rechtsmittel – bereits ihre bloße Behauptung, sie würde das Fahrzeug für einen Futterhandel benötigen, hätte die von ihr vermisste amtswegige Nachforschung auslösen müssen.

3.3 Maßgeblich für ein Vorgehen von Amts wegen ist grundsätzlich, ob nach der jeweiligen Sachlage ausreichend Anlass für ein solches Organverhalten bestanden hat (vgl Neumann/Lichtblau, Kommentar zur EO 1648). Anders als im vorliegenden Fall lagen den im zitierten Rechtssatz angeführten Entscheidungen Einstellungsanträge der Verpflichteten zugrunde, wobei der dritte Senat des Obersten Gerichtshofs zu einer hier vergleichbaren Konstellation ausführte, dass es Sache des Verpflichteten ist, kann von seinem Eigentum an der Pfandsache ausgegangen werden, deren Unpfändbarkeit mit einem Einstellungsantrag nach § 39 Abs 1 Z 2 EO zu relevieren, die dann von Amts wegen festzustellen ist (3 Ob 33/08m). Hier wurde die Klägerin wiederholt dahin belehrt, einen solchen Antrag zu stellen. Dass dabei die Bezeichnung „Aussonderungsantrag“ Verwendung fand, wie die Revisionswerberin als weiteres Fehlverhalten des Gerichtsvollziehers geltend macht, kann schon deshalb nicht schaden, weil beim gegebenen Sachzusammenhang an der Bedeutung der Belehrung kein Zweifel bestehen konnte. Hat sie aber weder einen solchen Antrag gestellt, noch versucht, ihre Behauptungen in irgendeiner Weise zu untermauern und damit begründet erscheinen zu lassen, ist nicht erkennbar, inwieweit die Beurteilung des Berufungsgerichts, das angesichts des konkreten Ablaufs ein unvertretbares Handeln des Gerichtsvollziehers verneinte, korrekturbedürftig sein sollte. Der Umstand, dass die Klägerin am Tag der Versteigerung mit dem zuständigen Richter Kontakt aufnahm, führt dabei zu keiner anderen Beurteilung, weil nach den Feststellungen auch bei dieser Gelegenheit keine greifbaren Anhaltspunkte vorlagen, die Anlass für die von ihr vermisste amtswegige Sachverhaltsprüfung und anschließende Einstellung des Verfahrens gemäß § 39 Abs 2 EO geben hätten können.

4. Damit ist es nicht mehr von Relevanz, ob der Klägerin auch ein Verstoß gegen die Rettungspflicht gemäß § 2 Abs 2 AHG anzulasten oder ihr Anspruch verjährt ist, sodass dieser Beschluss keiner weiteren Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E120421

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00207.17Y.1215.000

Im RIS seit

24.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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