TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/31 99/18/0398

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Veröffentlicht am 31.05.2000
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §59 Abs1;
FrG 1997 §36;
FrG 1997 §39;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Bescheid des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des V S, geboren am 27. Oktober 1964, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 58/14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 24. September 1999, Zl. St-192/99, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 24. September 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen ukrainischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm §§ 37 und 39 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 20. August 1999 wegen der Vergehen gemäß §§ 153 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall, 159 Abs. 1 Z. 1 und Z. 2, 161 Abs. 1, 223 Abs. 2, 224 StGB (Untreue mit einem Schadensbetrag von mehr als S 25.000,--, fahrlässige Krida als leitender Angestellter und Fälschung besonders geschützter Urkunden) zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 12 Monaten, acht Monate davon unter bedingter Strafnachsicht, rechtskräftig verurteilt worden.

Der Beschwerdeführer habe u.a. angegeben, am 21. April 1999 unter Verwendung eines verfälschten brasilianischen Reisepasses von Österreich nach Tschechien ausgereist zu sein. Weiters habe er ausgeführt, dass seine Familie in der Ukraine lebte und er in Österreich keine Verwandten und auch keinen Wohnsitz hätte.

Aufgrund der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt.

Da der Beschwerdeführer keine familiären oder sonstigen Beziehungen zu Österreich habe, erübrige sich eine Erörterung, ob das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 FrG zulässig sei. Dessen ungeachtet wäre jedoch das Aufenthaltsverbot selbst dann, wenn es mit einem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers verbunden wäre, dringend geboten. Durch die vom Beschwerdeführer begangenen Delikte würden "in der Privatwirtschaft verheerende Schäden verursacht". Die Tathandlungen seien daher "enorm hoch einzustufen". Zu berücksichtigen sei auch, dass der Beschwerdeführer wegen einer Vielzahl von Delikten zu einer nicht nur geringfügigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei.

Es sei daher nicht nur die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Grund des § 37 Abs. 1 leg. cit. gerechtfertigt. Zudem sei das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art", weshalb nicht mit einer bloßen Ermahnung das Auslangen habe gefunden werden können, sondern "von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG Gebrauch gemacht werden musste". Unter Abwägung aller genannten Umstände wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers.

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sei auch gegen einen Fremden zulässig, der sich nicht im Bundesgebiet aufhalte. Der Hinweis des Beschwerdeführers, dass seine Delikte bereits längere Zeit zurücklägen, werde dadurch relativiert, dass sich der Beschwerdeführer immer wieder in regelmäßigen Abständen strafbar gemacht habe. Zuletzt habe er am 21. April 1999 einen gefälschten Pass verwendet.

Da nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbots geführt hätten, wegfallen würden, könne das Aufenthaltsverbot nur unbefristet erlassen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und sah von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen ihn nicht zulässig sei, weil er nach seiner Haftentlassung unverzüglich aus Österreich ausgereist sei. Es könne sich somit nur die Frage stellen, ob ihm für den Fall, dass er neuerlich nach Österreich einreisen wolle, ein Einreisetitel erteilt werde oder nicht. Dazu seien von der zuständigen Behörde jeweils die konkreten Voraussetzungen zu prüfen. Wolle der Beschwerdeführer beispielsweise lediglich durch Österreich durchreisen, stelle sich von vornherein nicht die Frage der "im angefochtenen Bescheid relevierten Zukunftsprognose". Die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über einen Ausländer, der sich im Ausland befinde, sei daher überflüssig und stelle einen Eingriff in die Kompetenz anderer Behörden dar.

1.2. Anders als durch eine Ausweisung, die lediglich den Zweck verfolgt, den Fremden zu verhalten, seinen rechtswidrigen Aufenthalt - durch Ausreise - zu beenden, und die einer neuerlichen

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legalen - Einreise nicht entgegensteht (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 7. Mai 1999, Zl. 99/18/0145), soll ein Fremder durch ein Aufenthaltsverbot für eine - bestimmte oder unbestimmte - Zeit vom Aufenthalt im Bundesgebiet abgehalten werden. Das Bestehen eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes stellt daher gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG einen zwingenden Versagungsgrund für die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels dar. Der Gesetzgeber hat sich somit - entgegen der Beschwerde - in Fällen, in denen die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsverbot vorliegen, nicht damit begnügt, dass der Fremde nur zur Ausreise verpflichtet und in der Folge bei jeder beabsichtigten Einreise beurteilt wird, ob er nach wie vor eine Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen darstellt, sondern mit dem Aufenthaltsverbot ein Rechtsinstitut geschaffen, das die Einreise und den Aufenthalt solcher Fremder

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abgesehen von Ausnahmefällen - von vornherein hintanhält.

Aus dem dargestellten Zweck eines Aufenthaltsverbotes ergibt sich eindeutig, dass ein solches auch zu einem Zeitpunkt erlassen werden kann, in dem sich der davon betroffene Fremde nicht im Bundesgebiet befindet.

2.1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung vom 20. August 1999 bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

2.2. Schon im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität kann auch die Ansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Ebenso unbedenklich ist die - in der Beschwerde nicht bekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass § 37 Abs. 1 und 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht entgegenstehe.

4.1. Was die Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes betrifft, sieht § 39 Abs. 1 FrG vor, dass die Maßnahme in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 1 und 5 leg. cit. unbefristet, in den Fällen des § 36 Abs. 2 Z. 9 leg. cit. für die Dauer von höchstens fünf Jahren und in allen anderen Fällen nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden kann. Nach § 39 Abs. 2 erster Satz FrG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Nach der ständigen hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 7. Juli 1999, Zl. 99/18/0226 mwN) ist ein Aufenthaltsverbot - unter Bedachtnahme auf § 39 Abs. 1 FrG - für jenen Zeitraum, nach dessen Ablauf vorhersehbarer Weise der Grund für seine Verhängung weggefallen sein wird, und auf unbestimmte Zeit (unbefristet) zu erlassen, wenn ein Wegfall des Grundes für seine Verhängung nicht vorhergesehen werden kann.

Die Verhängung eines - nur in den typischerweise besonders gravierenden Fällen der Verwirklichung eines gerichtlich strafbaren Tatbestandes oder der Begehung von (bzw. Mitwirkung an) Schlepperei um des eigenen Vorteiles willen zulässigen - unbefristeten Aufenthaltsverbotes, das auch über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren aufrecht erhalten werden kann, stellt gegenüber der Verhängung eines - auf höchstens zehn Jahre - befristeten Aufenthaltsverbotes die schwerer wiegende Beeinträchtigung der persönlichen Interessen des Fremden dar.

4.2. Der Beschwerdeführer hat bereits in der Berufung die unbefristete Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes bekämpft und dazu vorgebracht, dass der aus der von ihm begangenen Untreue resultierende Schaden nur S 25.150,-- betrage und die angeblich geschädigte Bank erklärt habe, insoweit keinen Schadenersatz geltend zu machen. Auch durch das Vergehen der fahrlässigen Krida habe er keinen hohen Schaden verursacht. Es seien zwar hohe Ansprüche an ihn gestellt worden, diese seien vom Gericht allerdings nicht als erwiesen angesehen worden. Die Verhängung eines - üblicherweise für "Schwerkriminalität und Suchtgiftdelikte" vorgesehenen - unbefristeten Aufenthaltsverbotes sei daher "völlig unangemessen".

4.3. Die belangte Behörde hat lediglich im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots im Grund des § 37 FrG ausgeführt, dass durch die Straftaten des Beschwerdeführers "verheerende Schäden" verursacht worden seien und diese Taten daher "enorm hoch einzustufen" seien, ohne allerdings zu begründen, worauf sich diese Annahme stützt. Zur Begründung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes hat die belangte Behörde bloß darauf verwiesen, dass nicht abgesehen werden könne, wann die Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes weggefallen sein würden. Ausführungen dazu, warum unter Bedachtnahme auf die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände der Wegfall des Grundes für diese Maßnahme nicht bereits nach Ablauf eines bestimmten Zeitraumes von bis zu zehn Jahren angenommen werden könne, enthält der angefochtene Bescheid nicht. Insbesondere hat sich die belangte Behörde mit dem oben (4.2.) wiedergegebenen - in der Beschwerde im Wesentlichen wiederholten - Vorbringen nicht auseinander gesetzt.

Es ist nicht auszuschließen, dass die belangte Behörde bei einem entsprechenden Eingehen auf dieses Vorbringen zu einem hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des verhängten Aufenthaltsverbotes anders lautenden - für den Beschwerdeführer günstigeren - Bescheid gekommen wäre.

5. Da es sich bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes um einen vom übrigen Inhalt des angefochtenen Bescheides nicht trennbaren Abspruch handelt (vgl. das zur Rechtslage nach dem Fremdengesetz, BGBl. Nr. 838/1992, ergangene, auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0189), war der angefochtene Bescheid zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 31. Mai 2000

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999180398.X00

Im RIS seit

04.09.2001

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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