TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/10 W211 2157579-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.01.2018
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Entscheidungsdatum

10.01.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W211 2157576-1/10E

W211 2157579-1/10E

W211 2157570-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1) XXXX , geboren am XXXX ,

2) XXXX , geboren am XXXX , und 3) XXXX , geboren am XXXX , alle StA. Syrien, gegen die Spruchpunkte I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , 1) Zl. XXXX , 2) XXXX und 3) Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Den Beschwerden wird stattgegeben und der beschwerdeführenden

Partei 1) gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie den beschwerdeführenden Partei 2) und 3) gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX , XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die beschwerdeführende Partei 1) ist ein männlicher Staatsangehöriger Syriens und Ehemann der beschwerdeführenden Partei

2) sowie Vater der beschwerdeführenden Partei 3). Die beschwerdeführende Partei 1) stellte am XXXX .2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die beschwerdeführenden Parteien 2) und 3) stellten am XXXX .2015 Anträge auf internationalen Schutz.

2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX .2014 gab die beschwerdeführende Partei

1) soweit wesentlich an, aus Hama zu stammen. Sie habe Syrien Ende August 2014 mit einem PKW legal über die Grenze zur Türkei verlassen. Als Fluchtgrund gab die beschwerdeführende Partei 1) an, in Syrien als Bankangestellter tätig gewesen zu sein und deswegen vom syrischen Geheimdienst verfolgt zu werden. Sie sei immer wieder angehalten worden, und man habe von ihr verlangt, die Namen von Händlern zu nennen, welche mit hohen Geldbeträgen arbeiten bzw. solche abheben würden. Sie habe sich jedoch geweigert dieser Aufforderung Folge zu leisten und sei daraufhin mit dem Gefängnis bzw. Folter bedroht worden. Außerdem herrsche allgemein Kriegszustand.

Mit Bescheid vom XXXX .2015 wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei 1) auf internationalen Schutz nach Durchführung eines positiven Konsultationsverfahrens mit Italien ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 13 Abs. 1 der Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen den Bescheid vom XXXX .2015 wurde rechtzeitig Beschwerde eingebracht.

3. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX .2015 gab die beschwerdeführende Partei

2) soweit wesentlich an, sie sei gemeinsam mit ihrer Tochter, der beschwerdeführenden Partei 3), Anfang Oktober 2015 legal in den Libanon ausgereist. Syrien habe sie verlassen, da Krieg geherrscht habe und sie mit ihrer Tochter alleine gewesen sei. Die Regierung würde ständig Häuser durchsuchen, um junge Männer zu rekrutieren.

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX .2016 gab dieses der Beschwerde der beschwerdeführenden Partei 1) gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG statt und behob den Bescheid vom XXXX 2014. Begründend wurde darin ausgeführt, dass die Asylanträge der Ehegattin (beschwerdeführende Partei 2)) und des Kindes (beschwerdeführende Partei 3)) der beschwerdeführenden Partei 1) bereits jeweils zugelassen worden seien, weshalb, wie aus § 34 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 ersichtlich sei, auch der Antrag der beschwerdeführenden Partei 1) nicht zurückgewiesen werden dürfe, zumal eine gemeinsame Verfahrensführung immer noch möglich sei.

5. Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX .2016 erklärte die beschwerdeführende Partei 1), sie habe bis 2010 bei einer Telekomfirma gearbeitet und habe dann einen Job als Bankangestellter bei der XXXX – Bank in Hama angenommen, den sie bis zu ihrer Ausreise aus Syrien innegehabt habe. Angehörige des Militärs oder des Geheimdienstes hätten sie während der Mittagspause aufgesucht, um zu erfahren, welche Summen die jeweiligen Bankkunden bis zu einem gewissen Betrag in bar einzahlen würden. Einmal sei sie nach der Arbeit, als sie in ihr Auto steigen habe wollen, zur Kooperation aufgefordert worden, ansonsten sie getötet werden würde. Die beschwerdeführende Partei 1) habe Angst bekommen, insbesondere deshalb, da ihr Vater und ein Onkel im Zuge von Aufständen gegen die Regierung im Jahr 1982 entführt worden seien und bis heute als verschollen gelten würden. Es gäbe auch eine schwarze Liste, auf der ihr Familienname stehe. Ihren Militärdienst habe sie nicht abgeleistet, da ihr Vater gestorben, und sie der einzige Sohn der Familie sei.

Die beschwerdeführende Partei 2) brachte im Rahmen ihrer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am selben Tag vor, sie habe an einer Volks- und Mittelschule in Hama Kultur über den syrischen Präsidenten Al Assad unterrichtet. Als Lehrerin sei sie gezwungen gewesen, an Veranstaltungen des Regimes teilzunehmen. Wenn sie jedoch weiter unterrichtet hätte, hätte sie Probleme mit der freien syrischen Armee (FSA) bekommen. Wenn sie aber tatsächlich aufgehört hätte zu unterrichten, hätte sie auch Probleme mit der syrischen Regierung bekommen.

6. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der beschwerdeführenden Parteien bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG bzw. § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III). Die Behörde stellte die syrische Staatsbürgerschaft der beschwerdeführenden Parteien fest. Jedoch habe eine asylrelevante Verfolgung hinsichtlich der beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft gemacht werden können.

7. Gegen die Spruchpunkte I. dieser Bescheide wurde rechtzeitig eine gemeinsame Beschwerde eingebracht, worin im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die beschwerdeführenden Parteien durchaus eine politische Verfolgung durch das syrische Regime angeführt hätten:

dies im Hinblick auf die beschwerdeführende Partei 1) wegen ihrer familiären Herkunft und der spezifischen Probleme mit den Militärangehörigen, sowie der Ablehnung des Militärdienstes, und im Hinblick auf die beschwerdeführende Partei 2), weil sie als Lehrerin die Kinder in ihrer Klasse nicht im Sinne des Assad – Regimes indoktrinieren habe wollen, wegen geschlechterspezifischer Verfolgung als Frau und allgemein aufgrund der Herkunft der beschwerdeführenden Parteien aus Hama.

8. Am XXXX .2017 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und in Anwesenheit der beschwerdeführenden Parteien 1) und 2) sowie ihrer Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der die beschwerdeführenden Parteien 1) und 2) im Detail zu ihren Fluchtgründen befragt wurden. Die belangte Behörde entschuldigte sich mit Schreiben vom XXXX .2017 für die Teilnahme an der Verhandlung. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung berichtete insbesondere die beschwerdeführende Partei 1) ausführlich über ihre Begegnungen mit Mitgliedern der Sicherheitskräfte in Hama.

9. Mit Stellungnahme vom XXXX .2017 wurde hinsichtlich der beschwerdeführenden Parteien vorgebracht, dass sowohl die Länderberichte als auch der in der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingebrachte Bericht der Fact Finding Mission zu Syrien zeigen würden, dass ein geradezu typisches Charakteristikum des syrischen Regimes darin bestehe, Personen aufgrund ihrer familiären Bindungen eine oppositionelle Haltung zu unterstellen. Dies treffe insbesondere auf die beschwerdeführenden Parteien zu, da ihre Flucht aus Syrien aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeiten als besonders verräterisch angesehen werde. Sie liefen daher spezifisch Gefahr, Opfer der syrischen Sicherheitskräfte zu werden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den beschwerdeführenden Parteien:

1.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind Staatsangehörige Syriens. Sie stellten am XXXX .2014 bzw. am XXXX .2015 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

1.1.2. Die beschwerdeführenden Parteien gehören der Volksgruppe der Araber an und sind sunnitischen Glaubens. Sie lebten bis zu ihrer Ausreise in Hama.

Die beschwerdeführenden Parteien 1) und 2) haben in Syrien standesamtlich geheiratet. Die beschwerdeführende Partei 3) ist das Kind der beschwerdeführenden Parteien 1) und 2).

Die beschwerdeführende Partei 1) besuchte in Hama sechs Jahre eine Volkschule und drei Jahre ein Gymnasium. Danach studierte sie vier Jahre lang an der Aleppo-Universität Betriebswissenschaften. 2007 ging die beschwerdeführende Partei 1) nach Saudi-Arabien und arbeitete dort als Küchendesigner. 2008 kehrte sie nach Syrien zurück und arbeitete bei einer Telekomfirma. Ab 2010 bis zur Ausreise aus Syrien arbeitete die beschwerdeführende Partei 1) bei der XXXX – Bank in Hama. Ihre Mutter und mehrere Geschwister leben im Libanon.

Die beschwerdeführende Partei 2) besuchte in Hama sechs Jahre eine Volkschule und drei Jahre ein Gymnasium. Dann absolvierte sie eine zweijährige Ausbildung für Kunst und einen einjährigen Informatikkurs. Die beschwerdeführende Partei 2) arbeitete an einer Volks- und Mittelschule in Hama als Lehrerin. Ihre Mutter, eine Schwester und drei Brüder leben noch in Hama. Weiters hat sie einen Bruder in Schweden, einen in Saudi-Arabien und eine Schwester in der Türkei.

1.1.3. Die beschwerdeführenden Parteien 2) und 3) sind gesund. Die beschwerdeführende Partei 1) war aufgrund einer schweren depressiven Episode, die medikamentös behandelt wurde, vom XXXX .2015 bis zum XXXX 2015 in stationärer Behandlung (stationärer Arztbrief und Aufenthaltsbestätigung XXXX AS 106-109). Die gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren vom XXXX .2015 ergab, dass eine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung vorlag (AS 135-141). Die beschwerdeführende Partei 1) gab im Rahmen der mündlichen Verhandlung am XXXX .2017 an, dass es ihr nun wieder gut geht und sie weder Medikamente nimmt, noch eine Therapie macht (Seite 4 des Verhandlungsprotokolls).

Die beschwerdeführenden Parteien sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Die beschwerdeführende Partei 1) wurde im Juli 2014 aufgrund ihrer Arbeit als Bankangestellter von Mitgliedern des Militärgeheimdienstes mehrmals aufgefordert, Informationen über Bankkunden an die syrische Regierung weiterzuleiten. Im Falle einer Weigerung wurde sie mit dem "Verschwindenlassen" bedroht.

Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass der beschwerdeführenden Partei 1) eine regimefeindliche Gesinnung zumindest unterstellt wird, weil sie sich weigerte, Daten über Bankkunden an den syrischen Geheimdienst weiterzugeben.

Die beschwerdeführenden Parteien verließen daher ihr Heimatland aufgrund einer drohenden Gefährdung aufgrund einer (zumindest unterstellten) oppositionellen politischen Gesinnung der beschwerdeführenden Partei 1).

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet, wobei die beschwerdeführende Partei

1) dort Gefahr läuft, vom Regime verhaftet zu werden.

Es wird nicht festgestellt, dass die beschwerdeführende Partei 2) wegen ihrer Eigenschaft als Lehrerin sowohl vom syrischen Regime als auch von der FSA bedroht wurde. Eine Gefährdungslage der beschwerdeführenden Partei 2) als Frau bzw. wegen ihrer Herkunft aus Hama wird nicht festgestellt.

Genauswenig wird eine Gefährdungslage der beschwerdeführenden Partei

3) im Falle einer Rückkehr nach Syrien festgestellt.

1.3. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben:

a) Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, 05.01.2017:

1. Politische Lage

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten (Spiegel Online 10.8.2016).

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten (Spiegel Online 10.8.2016). Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, vom IS, von der Kurdisch Demokratischen Unionspartei (PYD) und von anderen Rebellen- Fraktionen kontrollierte Gebiete aufgeteilt (BS 2016).

Das syrische Regime kontrolliert ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, leben (Reuters 13.4.2016). Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes.

Vielfach errichten oder wiedererrichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen, inklusive irregulär aufgebauten Gerichten (USDOS 13.4.2016). Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickt Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe, von syrischen Militärbasen aus, auszuführen, wobei hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt wird. Die von den USA geführte internationale Koalition führte Luftangriffe gegen den IS durch (FH 27.1.2016; vgl. AI 24.2.2016).

Im Norden Syriens gibt es Gebiete, welche unter kurdischer Kontrolle stehen und von den Kurden Rojava oder Westkurdistan genannt werden. Noch sind die beiden größeren Gebietsteile voneinander getrennt, das Ziel der Kurden ist es jedoch entlang der türkischen Grenze ein zusammenhängendes Gebiet unter ihre Kontrolle zu bringen (Spiegel Online 16.8.2016).

Der IS übernahm seit 2014 vermehrt die Kontrolle von Gebieten in den Gouvernements Deir al-Zour und Raqqa, außerdem in anderen Regionen des Landes. Der IS rief daraufhin ein "islamisches Kalifat" mit der Hauptstadt Raqqa aus (USDOS 13.4.2016). Präsident Bashar al-Asad regiert die Arabische Republik Syrien seit dem Jahr 2000. 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Asad führten (USDOS 13.4.2016). Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte, Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Diese Wahl wurde jedoch als undemokratisch bezeichnet, die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce" (Haaretz 4.6.2014; vgl. USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16-The State of the World’s Human Rights-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/319684/458913_de.html, Zugriff 6.12.2016

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Syria Country Report, http://www.btiproject.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Syria.pdf, Zugriff 5.12.2016

-

CNN (12.9.2016): Syria ceasefire: Who’s in, who’s out and will this one hold?,

http://edition.cnn.com/2016/09/12/middleeast/syria-ceasefire-explained/, Zugriff 6.12.2016 - FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Syria,

https://www.ecoi.net/local_link/327745/468444_de.html, Zugriff 6.12.2016

-

France24 (4.17.2016): Assad’s Party wins majority in Syrian election,

http://www.france24.com/en/20160417-syria-bashar-assad-baath-party-wins-majorityparliamentaryvote, Zugriff 6.12.2016

-

Haaretz (4.6.2014): Landslide Win for Assad in Syria’s Presidential Elections,

http://www.haaretz.com/middle-east-news/1.597052, Zugriff 6.12.2016

-

Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 6.12.2016

-

Spiegel Online (10.8.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien: 1. Was sind die Ursachen des Konflikts in Syrien?, http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-allewichtigenfakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 6.12.2016

-

Spiegel Online (16.8.2016): Ankara sieht kurdischen Militärerfolg mit Sorge,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-kurden-traeumen-nach-eroberung-vonmanbidschvon-eigenem-staat-rojava-a-1107785.html, Zugriff 6.12.2016

-

Spiegel Online (18.12.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien: 3. Wo wird gekämpft?,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaertendlichverstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=3, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 6.12.2016

2. Sicherheitsbehörden und regimetreue Milizen: Zivile und militärische Sicherheits- und Nachrichtendienste

Syrien verfügt über eine Myriade von Sicherheits- und Geheimdiensten mit überlappenden Mandaten zur Sammlung von Informationen über die innere Sicherheit. Diese Einheiten können Gegner des Regimes festnehmen und neutralisieren (GS 21.3.2016). Die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden arbeiten autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen (USDOS 13.4.2016). Es gibt vier Hauptzweige der Sicherheits- und Nachrichtendienste. Der Militärische Nachrichtendienst, der Luftwaffennachrichtendienst und das Direktorat für Politische Sicherheit unterstehen dem Innenministerium. Das Allgemeine Nachrichtendienstdirektorat ist eine alleinstehende Organisation und untersteht direkt dem Präsidenten. Diese vier Dienste arbeiten unabhängig voneinander und größtenteils außerhalb des Justizsystems, überwachen einzelne Staatsbürger und unterdrücken Stimmen innerhalb Syriens, die vom Regime abweichen (USDOS 13.4.2016; vgl. GS 21.3.2016).

Der Staatssicherheitsapparat wird verwendet, um den Aufstand zu unterdrücken (UK HOME 11.9.2013; vgl. GS 21.3.2016). Die größeren Organisationen haben ihre eigenen Gefängniszellen und Verhörzentren (UK HOME 11.9.2013; vgl. UNHRC 3.2.2016).

Quellen:

-

GS - Global Security (21.3.2016): Syria Intelligence & Security Agencies,

http://www.globalsecurity.org/intell/world/syria/intro.htm, Zugriff 01.12.2016

-

UNHRC - United Nations Human Rights Council (3.2.2016): Out of Sight, Out of Mind: Deaths in Detention in de Syrian Arab Republic, http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A-HRC-31-CRP1_en.pdf, Zugriff 1.12.2016

-

UK HOME - UK Home Office (11.9.2013): Syrian Arab Republic Country of Origin Information (COI) Report, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1379488369_syr-cr-2013-09-11-ukhomeoffice.pdf; Zugriff am 1.12.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 1.12.2016

3. Folter und unmenschliche Behandlung

Die weit verbreitete Anwendung von Folter in Syrien zeigt die Straflosigkeit, mit der die Konfliktparteien agieren. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016).

Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weitverbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Viele der Opfer von Folter sind Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Das Regime foltert jedoch auch Frauen und Kinder, welche sich in Gewahrsam befinden (UNHRC 11.8.2016). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder als die Regierung nicht ausreichend unterstützend wahrgenommen werden. Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen (UNHRC 11.8.2016).

Die syrischen Sicherheitskräfte führen willkürliche Festnahmen durch und lassen häufig Festgenommene in dem weitreichenden Netzwerk an Haftanstalten in Syrien verschwinden. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 13.4.2016).

Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (also solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen und konfessionell motivierte Tötungen von Zivilisten (FH 27.1.2016). Manche Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 13.4.2016). Des Weiteren begehen sie Massaker, Morde, Folter, Geiselnahmen, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt und setzen Kinder in Kampfhandlungen ein (UKFCO 8.2016).

Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the human":

Torture, disease and death in Syria’s prisons [MDE 24/4508/2016], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 2.12.2016

-

AI - Amnesty International (18.8.2016): Schwere Folter in syrischen Gefängnissen,

http://www.amnesty.de/2016/8/18/schwere-folter-syrischen-gefaengnissen, Zugriff 22.11.2016

-

FH-Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/454885_en.html, Zugriff 22.11.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/318418/443598_en.html, Zugriff 18.11.2016

-

UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.7.2016): Human Rights and Democracy Report 2015- Human Rights Priority Country update report: January to June 2016, http://www.ecoi.net/local_link/329304/470272_de.html, Zugriff 22.11.2016

-

UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2016): Report of the Independent International Commission of inquiry on the Syrian Arab Republic,

https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1474461066_g1617860.pdf, Zugriff 22.11.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015-Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016

4. Korruption

Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex von 2015 von Transparency International liegt Syrien auf Platz 154 von 167 untersuchten Ländern (TI 2015). Das Gesetz sieht strafrechtliche Konsequenzen für amtliche Korruption vor, die Regierung hat die diesbezüglichen Regelungen jedoch nicht effektiv durchgesetzt. Beamte üben regelmäßig korrupte Praktiken aus, ohne dafür bestraft zu werden. Korruption ist weiterhin ein allgegenwärtiges Problem bei Polizei, Sicherheitskräften, Regierung und anderen Behörden (USDOS 13.4.2016).

In der syrischen Armee gibt es eine Tradition der Bestechung, und es gibt die Möglichkeit, durch Bestechung eine bessere Position oder einfachere Aufgaben zu erhalten (FIS 23.8.2016).

Korruption war bereits vor dem Bürgerkrieg weitverbreitet und beeinflusste das tägliche Leben der Syrer. Bürger müssen häufig Bestechungsgelder zahlen, um bürokratische Angelegenheiten abschließen zu können. Seit der Krieg in Syrien ausgebrochen ist, vermeiden Syrer, die Verfolgung durch den Staat befürchten, den Kontakt zu offiziellen Institutionen. Stattdessen müssen sie – z.B. im Falle wichtiger Dokumente – auf den Schwarzmarkt zurückgreifen (FH 27.1.2016).

Quellen:

-

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/454885_en.html, Zugriff 10.11.2016

.BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 22 von 42

-

FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

-

TI - Transparency International (2015): Corruption Perceptions Index 2015, https://www.transparency.org/cpi2015/#results-table, Zugriff 9.11.2016

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 9.11.2016

5. Rückkehr

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 22.11.2016).

Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert (UK HOME 8.2016).

Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen (IRB 19.1.2016).

Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird (UK Home Office 8.2016).

Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.11.2016): Syrien: Reisewarnung, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SyrienSicherheit_node.html, Zugriff 22.11.2016

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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:

Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015),

https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 30.9.2016

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UK HOME - UK Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 22.11.2016

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USDOS - US Department of State (13.04.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016

b) Risikoprofile (Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung aus November 2015):

Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.

Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.

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Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben."

c) Auszüge aus dem Bericht der Fact Finding Mission Syrien aus August 2017:

Sexuelle Gewalt gegenüber Frauen und deren Folgen

Sexuelle Gewalt wird von den Konfliktparteien weiterhin als systematische Kriegs-, Terror- und Foltertaktik angewendet. Frauen und Mädchen sind besonders im Kontext von Hausdurchsuchungen, an Checkpoints, in Haftanstalten, an Grenzübergängen und nach einer Entführung durch regierungstreue Einheiten davon betroffen, während Männer und Jungen vor allem während Befragungen in Haftanstalten der Regierung von sexueller Gewalt betroffen sind. Vergewaltigungen sind weit verbreitet, und Regierungs- und pro-Regierungskräfte setzen Vergewaltigungen ein, um Frauen, aber auch Männer und Kinder, zu bestrafen und zu terrorisieren, wenn diese mit der Opposition in Verbindung stehen. Mehrere Berichte von internationalen Organisationen und NGOs besagen, dass die Zahl der Fälle von Vergewaltigung und anderer schwerer sexueller Gewalt gegen Frauen im Jahr 2016, von mehreren Hundert bis in die Tausenden reichen.

Frauen werden entweder aufgrund ihrer eigenen Aktivitäten inhaftiert, oder aber um deren männliche Verwandte dazu zu bringen sich den Sicherheitskräften zu stellen. Die gesellschaftliche Tabuisierung von sexueller Gewalt führt zu einer Stigmatisierung von Frauen, die in Haft waren, zur Erniedrigung von Opfern, Familien und Gemeinschaften und zu einer hohen Dunkelziffer bezüglich der Fälle von sexueller Gewalt. Eltern oder Ehemänner verstoßen oftmals Frauen, die während der Haft vergewaltigt wurden, selbst wenn es sich dabei nur um eine Vermutung handelt. Es gibt Fälle von Frauen, die nach einer Vergewaltigung Opfer von Ehrenmorden werden. Berichten von NGOs zufolge kam es seit dem Ausbruch des Konfliktes zu einem starken Anstieg bei Ehrenmorden infolge weit verbreiteter Fälle von Vergewaltigungen durch Regierungseinheiten und Ausbeutung durch den IS.

In diesem Kapitel zitierte Quellen:

Interview mit Lama Fakih, Beirut, 18.5.2017

Interview mit Orion Wilcox, Amman, 16.5.2017

UN Security Council, 15.4.2017

USDOS, 3.3.2017

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität der beschwerdeführenden Parteien und ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei 1) und 2) sowie auf die im Verfahren vorgelegten Dokumente (Kopien der syrischen Reisepässe der beschwerdeführenden Parteien, Kopie Familienbuch). Die Identität wurde auch bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft, Schulbildung und Berufstätigkeit in Syrien sowie zu den Familienangehörigen in Syrien und im Ausland ergeben sich teilweise bereits aus den Feststellungen der belangten Behörde und aus den in diesen Punkten nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Parteien im Verfahren. Die Feststellung, dass die beschwerdeführenden Parteien 1) und 2) in Syrien standesamtlich geheiratet haben und die Eltern der beschwerdeführenden Partei 3) sind, ergibt sich aus dem Akteninhalt (Kopie Familienbuch).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Parteien 2) und 3) basiert auf den Angaben der beschwerdeführenden Parteien im Laufe des Verfahrens. Die Feststellung zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei 1) basiert auf den vorgelegten medizinischen Unterlagen und ihren Angaben im Laufe des Verfahrens und im Laufe der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit der beschwerdeführenden Parteien ergibt sich aus den Auszügen aus dem Strafregister vom XXXX 2018.

2.3. Die Feststellung, dass die beschwerdeführende Partei 1) im Juli 2014 aufgrund ihrer Beschäftigung als Bankangestellter von Mitgliedern des Militärgeheimdienstes mehrmals aufgefordert wurde, Informationen über Bankkunden an die syrische Regierung weiterzuleiten, und für den Fall einer Weigerung mit dem "Verschwindenlassen" bedroht wurde, basiert auf den substantiierten, schlüssigen und im Wesentlichen widerspruchsfreien Angaben der beschwerdeführenden Partei 1) im Zuge des Verfahrens. In der mündlichen Verhandlung führte die beschwerdeführende Partei 1) dazu wie folgt aus:

"[ ] R: Können Sie mir ein bisschen genauer von diesen Begegnungen mit den Sicherheitsleuten erzählen? Wie und wo ist das abgelaufen, was wollten die genau? Können Sie mir das genauer schildern?

BF1: An diesem Kontrollpunkt arbeiteten verschiedene Sicherheitsleute. Unter ihnen einer, den die anderen " XXXX " riefen. Er war groß und kräftig und in seiner Begleitung befand sich immer noch ein jüngerer Mann, dessen Name ich nicht kenne. Welche Rangabzeichnung sie hatten, kann ich nicht sagen, da ich keinen Militärdienst abgeleistet habe. Die Arbeitszeit in der Bank war immer von 9:00 bis ca 16:00 Uhr. Jeweils um ca. 12:00 bis 12:30 hatte ich Mittagspause, und ging dann auch immer vor die Tür, um eine Zigarette zu rauchen. An einem Tag kamen XXXX und dieser andere junge Mann zu mir, grüßten mich und begannen mit mir zu plaudern. Anfänglich war das Gespräch unverfänglich, doch dann sagten sie mir, dass sie mit mir eine Sache bereden müssten, von der wir beide profitieren würden. Ich fragte, um was es ginge, doch sie sagten, sie wollten das nicht jetzt, sondern nach meinem Dienstende mit mir bereden. Nach dem Dienstende stieg ich in mein Auto und XXXX setzte sich auf den Beifahrersitz, der junge Mann auf die Rückbank. Es war kurz nach 16:00 Uhr. XXXX führte das Gespräch und erklärte mir, dass er mich hiermit auffordere, ihnen Informationen über Kunden aus der Bank zu liefern. Dies sollte nicht zu meinem Nachteil sein, sie würden mich dafür auch bezahlen können. Ich sagte ihnen, dies sei verboten und ich würde mich straffällig machen, worauf sie meinten, dass ich mir diesbezüglich keine Sorgen machen soll, da sie mich schützen würden. Ich versuchte sie hinzuhalten und die Sache hinauszuzögern. Sie kamen jedoch in diesen zwei, drei Tagen, in denen ich versuchte sie hinzuhalten, immer wieder und insistierten auf ihre Forderung. Ich nahm Urlaub, weil ich mir dachte, die Sache würde einschlafen und sie würden auf mich vergessen. Als ich wieder kam, kam XXXX zu mir und sagte, dass ich nicht meinen müsste, dass sie mich vergessen hätten. Er wiederholte die Aufforderung und begann zu drohen, dass sie schon wissen würden, wie sie mich beschuldigen, verhaften und verschwinden lassen können, wenn ich auf ihre Forderung nicht eingehe. [ ]"

Es erscheint durchaus plausibel, dass das syrische Regime Interesse an der Person der beschwerdeführenden Partei 1) zeigte, insbesondere, da diese als Bankangestellter über wertvolle Informationen, Finanztransaktionen syrischer Bürger betreffend, verfügte. Auch das Drohen mit dem "Verschwindenlassen" entspricht durchaus der üblichen Vorgehensweise syrischer Sicherheitskräfte, wie sich aus den oben unter Punkt 1.3 angeführten Länderberichten ergibt, wonach diese willkürliche Festnahmen durchführen und häufig Festgenommene in dem weitreichenden Netzwerk an Haftanstalten in Syrien verschwinden lassen. Weiters stellt das von der beschwerdeführenden Partei dargestellte Bild einer nicht klaren Abgrenzung zwischen Militär und Geheimdiensten ein Spezifikum der syrischen Sicherheitskräfte dar, das sich auch in den Länderinformationen der Staatendokumentation widerspiegelt, wonach die zahlreichen syrischen Sicherheitsbehörden autonom und ohne klar definierte Grenzen zwischen ihren Aufgabenbereichen arbeiten. Dies kann als weiteres Indiz für die Glaubhaftigkeit der Angaben der beschwerdeführenden Partei 1) gewertet werden.

Wies die erkennende Richterin in der mündlichen Verhandlung darauf hin, die beschwerdeführende Partei 1) habe im Gegensatz zur Einvernahme vor dem BFA am XXXX .2016, in der sie ausgesagt habe, sie sei von einem Angehörigen der Sicherheitskräfte namens " XXXX " aufgefordert worden, nicht in das Auto einzusteigen (AS 587), angegeben, dieser habe sich neben sie auf den Beifahrersitz gesetzt (siehe obiges Zitat aus dem Verhandlungsprotokoll), so konnte dieser scheinbare Widerspruch in der mündlichen Verhandlung aufgelöst werden. Hierzu abermals aus dem Verhandlungsprotokoll:

"[ ] R: Wie viele Gespräche mit XXXX in Ihrem Auto haben insgesamt stattgefunden?

BF1: Im Auto insgesamt drei Mal, einmal vor dem Urlaub und zwei Mal danach.

R: Ich habe Sie so oft nach dem Auto gefragt, weil Sie bei der Behörde gesagt haben, es habe ein Gespräch mit XXXX beim Auto gegeben, bei dem XXXX Ihnen sagte, Sie sollten nicht einsteigen; können Sie diese Diskrepanz erklären?

BF1: Ich glaube, dass dies daran liegt, dass ich gesagt habe, dass mir XXXX es verbot, mit dem Auto loszufahre

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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