TE Bvwg Beschluss 2018/1/11 W125 2170558-1

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Veröffentlicht am 11.01.2018
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Entscheidungsdatum

11.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch

W125 2170558-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , StA Indien, vertreten durch den MigrantInnenverein St Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.8.2017, Zl 1165470405-170987619, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Indien, wurde am 25.8.2017 in XXXX beim Ausliefern von Zeitungen mit überhöhter Geschwindigkeit angehalten, einer Kontrolle unterzogen und in der Folge festgenommen und dem Bundesamt vorgeführt.

An demselben Tag erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme im Beisein eines Rechtsberaters vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , im Zuge derer der Beschwerdeführer zunächst auf seinen Gesundheitszustand angesprochen vorbrachte, gesund zu sein und keine Medikamente zu benötigen.

Der Beschwerdeführer führte weiters aus, seit drei Jahren einen Aufenthaltstitel, er glaube ein Schengen-Visum, für Griechenland zu haben; dieser sei bis Dezember 2017 gültig und werde danach wieder erneuert. Der Beschwerdeführer arbeite in Griechenland in einer Firma, die XXXX herstelle.

In Österreich befinde er sich seit 15 Tagen; er sei per Flugzeug von Griechenland aus eingereist, um Freunde zu besuchen. Derzeit habe er einen Monat Urlaub von seiner Arbeit in Griechenland.

Der Beschwerdeführer wohne derzeit bei einem Freund in Wien. Diesem gehöre auch das Auto; er habe ihn heute beim Ausliefern von Zeitungen begleitet. Der Freund des Beschwerdeführers habe derzeit Rückenschmerzen, weshalb ihm der Beschwerdeführer geholfen habe und mit seinem Lieferwagen gefahren sei.

Zu seinen Lebensverhältnissen befragt, gab der Beschwerdeführer an, in Griechenland von dem Geld zu leben, das er bei der Arbeit verdiene. In Österreich habe der Beschwerdeführer nunmehr kein Geld mehr.

In Österreich würden sich keine Familienangehörigen des Beschwerdeführers aufhalten und pflege er im Bundesgebiet auch keine sonstigen sozialen Kontakte. In Indien seien noch die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers aufhältig. Er sei ledig und habe keine Kinder.

Im Heimatland habe er zwölf Jahre lang die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen; Beruf habe er keinen erlernt.

Im Verwaltungsakt befinden sich die Kopie eines offenbar bis 2030 gültigen griechischen Führerscheins und eine Passkopie mit griechischen Eintragungen (zum Teil Visa).

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.8.2017 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG 2005 erlassen. Gleichzeitig wurde gemäß § 52 Abs 9 FPGfestgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt I.). Gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen festgehalten, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Falle des Beschwerdeführers zulässig sei, da durch sein Verhalten ein geordnetes Fremdenwesen in Österreich gestört sei. Weder ergebe sich aus den Feststellungen zur Lage im Zielstaat noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine Gefährdung im Sinne der Art 2 oder 3 EMRK oder des Protokolls Nr 6 oder 13 zur Konvention.

Betreffend Spruchpunkt II. wurde insbesondere ausgeführt, dass im Falle des Beschwerdeführers § 53 Abs 2 Z 6 FPG erfüllt sei; der Beschwerdeführer gehe im Bundesgebiet keiner geregelten Beschäftigung nach und besitze keine Barmittel, um sich dauerhaft und eigenständig ein Leben in Österreich finanzieren zu können. Auch sei er in Österreich nicht aufrecht gemeldet und könne er sich keine Wohnung leisten.

Was Spruchpunkt III. betrifft, so wurde ins Treffen geführt, dass der Verbleib des Beschwerdeführers eine gegenwärtige, erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstelle und eine sofortige Ausreise daher erforderlich sei.

3. In der dagegen erhobenen Beschwerde vom 11.9.2017 wurde die Entscheidung im vollen Umfang angefochten. Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass der Beschwerdeführer in Österreich zu keinem Zeitpunkt die Sicherheit oder Ordnung gefährdet habe, sondern er einfach nur motorisiert unterwegs gewesen sei. Er arbeite legal in einem Land der Europäischen Union und habe einen Aufenthaltstitel. Wenn die Behörde anderes behaupte, bleibe sie dafür jeglichen Nachweis schuldig. Die belangte Behörde habe kein ordentliches Ermittlungsverfahren durchgeführt und wäre ein fünfjähriges Einreiseverbot selbst im Falle einer tatsächlichen Störung des Fremdenwesens nicht zu rechtfertigen.

Darüber hinaus sei die Rechtsmittelbelehrung verfassungswidrig.

4. Im Zuge der Beschwerdevorlage wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme, datiert mit 11.9.2017, übermittelt, in welcher der bisherige Verfahrensverlauf widergegeben wurde.

5. Am 14.9.2017 wurde seitens des zuständigen Einzelrichters ein Verspätungsvorhalt übermittelt, da die Beschwerde zu diesem Zeitpunkt verspätet erschien.

Am 20.9.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers dazu ein.

6. Ein Telefonat mit einer Referentin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich Flughafen Wien-Schwechat, am 9.10.2017 ergab, dass die Behörde über keinen Originalreisepass beziehungsweise griechischen Aufenthaltstitel verfüge, sondern selbst nur Kopien erhalten habe, die nicht lesbar seien.

7. Mit Verständigung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2017 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Beschwerde aufgrund der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 26.9.2017, G 207/2017, im vorliegenden Fall jedenfalls rechtzeitig eingebracht wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu Spruchteil A)

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen, und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl I 2013/33 idf BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg cit). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

1.2. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden,

1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der (jedenfalls zum Teil) vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl 2002/20/0315 und Zl 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs 2 AVG im Asylverfahren getätigt. Dabei hat er insbesondere ausgeführt, dass es der Funktion des Unabhängigen Bundesasylsenates als gerichtsähnliche, unparteiliche und unabhängige "oberste Berufungsbehörde" im Rahmen eines zweiinstanzlichen Verfahrens widerspreche, wenn das Bundesasylamt, das den gesamten für die Entscheidung über den Asylantrag relevanten Sachverhalt zu ermitteln und den Asylwerber dazu persönlich einzuvernehmen hat, ein Ermittlungsverfahren in erster Instanz unterlässt und somit nahezu das gesamte Verfahren vor die Berufungsbehörde verlagert würde, sodass die Einrichtung von zwei Entscheidungsinstanzen zur bloßen Formsache würde. Dies wäre etwa der Fall, wenn es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen (vgl in einem etwas anderen Zusammenhang schon das E 21.11.2002, Zl 2000/20/0020). Demnach wäre hier – auch bei Bedachtnahme auf eine mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens – nach § 66 Abs 2 AVG vorzugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl 2003/20/0389).

Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl Erkenntnis vom 24.2.2009, Zl U 179/08-14 u.a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl VfSlg 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).

1.3. Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm 11.)

§ 28 Abs 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, (nur) wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

1.4. In seinem Erkenntnis vom 26.6.2014, Zl Ro 2014/03/0063, hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl dazu auch VwGH vom 30.6.2015, Ra 2014/03/0054).

2. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens im gegenständlichen Fall krass missachtet und sind dem Bundesamt schwerwiegende Ermittlungsmängel anzulasten:

2.1. Im angefochtenen Bescheid wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG 2005 erlassen.

Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren vor, im Besitz eines Aufenthaltstitels eines anderen EU-Staates, nämlich von Griechenland zu sein und legte diesbezüglich auch einen indischen Reisepass mit wahrscheinlich griechischen Aufenthaltstiteln sowie einen griechischen Führerschein (im Akt befinden sich zum Teil unleserliche Kopien dazu) vor.

Dennoch hat die belangte Behörde nur ansatzweise Ermittlungen hinsichtlich des Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers in Griechenland getätigt.

Zu bemängeln ist zunächst, dass sich im Akt nur teilweise leserliche Kopien des Reisepasses beziehungsweise griechischen Aufenthaltstitels finden, die zu keinem Zeitpunkt einer Übersetzung in die deutsche Sprache zugeführt wurden. Auf entsprechende Nachfrage teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl lediglich mit, ebenfalls nur Kopien erhalten zu haben, die auch im Akt der Behörde nicht lesbar seien.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stützte sich im angefochtenen Bescheid lediglich darauf, dass der Beschwerdeführer über keinen rechtmäßigen Aufenthaltstitel in Österreich verfüge und hier keiner legalen Beschäftigung nachgehe.

Es wären Ermittlungen dahingehend anzustellen gewesen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich über eine aktuell gültige Aufenthaltsberechtigung in Griechenland verfügt. Angesichts dessen, dass nur Kopien vorhanden sind, erscheinen diesbezügliche Nachfragen in Griechenland beziehungsweise griechischen Systemen unerlässlich.

Es ist in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Bestimmung des § 52 Abs 6 FPG hinzuweisen, die als lex specialis zu der Regelung des Abs 1 leg cit zu sehen ist (vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 52 FPG, K20):

"Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs 1 zu erlassen."

Zu beachten sind hierbei auch die einschlägigen Bestimmungen des Schengener Durchführungsübereinkommens:

Artikel 23 SDÜ legt fest:

(1) Der Drittausländer, der die im Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien geltenden Voraussetzungen für einen kurzen Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt, hat grundsätzlich unverzüglich das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien zu verlassen.

(2) Verfügt der Drittausländer über eine von einer anderen Vertragspartei ausgestellte gültige Aufenthaltserlaubnis oder über einen von einer anderen Vertragspartei ausgestellten vorläufigen Aufenthaltstitel, so hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieser Vertragspartei zu begeben.

(3) Soweit die freiwillige Ausreise eines solchen Drittausländers nicht erfolgt oder angenommen werden kann, dass diese Ausreise nicht erfolgen wird, oder soweit die sofortige Ausreise des Drittausländers aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung geboten ist, muss der Drittausländer nach Maßgabe des nationalen Rechts aus dem Hoheitsgebiet der Vertragspartei abgeschoben werden, in dem er aufgegriffen wurde. Ist die Abschiebung nach nationalem Recht nicht zulässig, so kann die betroffene Vertragspartei dem Drittausländer den Aufenthalt in ihrem Hoheitsgebiet gestatten.

(4) Der betroffene Drittausländer kann in seinen Herkunftsstaat oder in einen anderen Staat, in dem seine Zulassung insbesondere nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der zwischen den Vertragsparteien geschlossenen Rückübernahmeabkommen möglich ist, abgeschoben werden.

(5) Die nationalen asylrechtlichen Bestimmungen, die Bestimmungen der Genfer Konvention vom 28. Juli 1951 über den Flüchtlingsstatus in der Fassung des Protokolls von New York vom 31. Januar 1967, sowie Absatz 2 dieses Artikels und Artikel 33 Absatz 1 dieses Übereinkommens bleiben von den Bestimmungen des Absatzes 4 unberührt.

Da es sich bei Beschwerdeführer um einen Drittstaatsangehörigen handelt, der vorbrachte, im Besitz eines Aufenthaltstitels des Mitgliedsstaates Griechenland zu sein, wäre im gegenständlichen Fall jedenfalls die Spezialnorm des § 52 Abs 6 FPG zu beachten gewesen. Aus dem angefochtenen Bescheid ist eine Auseinandersetzung mit der Norm des § 52 Abs 6 FPG jedoch in keiner Weise ersichtlich; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bezog sich lediglich auf die Regelung des § 52 Abs 1 Z 1 FPG.

Aus der Bestimmung des § 52 Abs 6 FPG ergibt sich, dass eine Rückkehrentscheidung nach Abs 1 nur zu erlassen ist, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl alle diesbezüglich relevanten Umstände in einem ordentlichen Ermittlungsverfahren zu erheben haben, insbesondere haltbare Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers in Griechenland zu treffen und zu erörtern haben, ob der Beschwerdeführer bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

2.2. Schließlich unterließ es die belangte Behörde auch, den maßgeblichen Sachverhalt hinsichtlich eines etwaigen Familien- und Privatlebens des Beschwerdeführers in Griechenland zu ermitteln. Damit ließ das Bundesamt jedoch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außer Acht, wonach die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen nicht alleine im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden darf, sondern auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten in Blick zu nehmen ist; Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot sind grundsätzlich auf das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten bezogen (vgl dazu VwGH vom 15.12.2011, 2011/21/0237).

Auch die diesbezüglich relevanten Umstände wird das BFA in einem ordentlichen Ermittlungsverfahren zu erheben und dabei auch auf das Beschwerdevorbringen Bedacht zu nehmen haben.

2.3. In Ansehung des § 37 AVG iVm § 39 AVG sind sohin grobe verfahrenserhebliche Mängel evident. Aus diesen Normen geht nämlich die Verpflichtung der belangten Behörde hervor, den maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dieser Verpflichtung ist das BFA in diesem Verfahren nicht nachgekommen.

Auch wenn die Voraussetzungen der Z 1 und 2 des § 28 Abs 2 VwGVG angesichts der Zielsetzung (meritorische Entscheidung durch die Verwaltungsgerichte) weit zu verstehen ist und damit dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung bzw dem Gebot der angemessenen Verfahrensdauer entsprochen wird (vgl VwGH vom 26.6.2014, Ro 2014/03/0063 und vom 9.9.2015, Ra 2014/04/0031), sind im vorliegenden Fall krasse bzw besonders gravierende Ermittlungslücken der Behörde erkennbar. Es sind im konkreten Fall auch nicht lediglich ergänzende Ermittlungen vorzunehmen (VwGH vom 14.12.2016, Ro 2016/19/0005), sondern sind jegliche taugliche Sachverhaltsermittlungen unterblieben. Die belangte Behörde hat den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nur sehr unzureichend festgestellt, indem sie keine für die Entscheidung in der Sache brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, weshalb sich eine Zurückverweisung nach § 28 Abs 3 VwGVG im konkreten Fall als zulässig erweist (vgl VwGH vom 23.2.2017, Ra 2016/09/0103 und VwGH vom 20.10.2015, Ra 2015/09/0088).

Wie ersichtlich wurden im konkreten Fall völlig unzureichende Ermittlungsschritte getätigt und stellt insbesondere die unterbliebene Abklärung des Aufenthaltsstatus in Griechenland einen Versuch der Verlagerung / Delegation der Ermittlungstätigkeit auf das Verwaltungsgericht dar, wodurch eben insgesamt schon die notwendigen Sachverhaltselemente auf Tatsachenebene vollkommen fehlen.

In einem solchen Fall wie dem vorliegenden können dem, ausnahmsweise, auch nicht Überlegungen der Verfahrensbeschleunigung entgegengehalten werden, da man ja sonst jede auch schwerwiegende und krasse Rechtswidrigkeit der Behörde hinzunehmen hätte.

3. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, zumal aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Insbesondere liegt im gegenständlichen Fall hinsichtlich des angewendeten § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG keine grundsätzliche Rechtsfrage vor, da die genannte Bestimmung, jedenfalls soweit hier konkret präjudiziell, inhaltlich dem bisher in solchen Fällen herangezogenen § 66 Abs 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht und in Hinblick auf die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung aufgrund mangelhafter Sachverhaltsermittlungen auf die bisherige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (und damit in Einklang stehender Rechtsprechung des Asylgerichtshofes) zurückgegriffen werden konnte. Ebenso wurden die jüngsten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, welche konkrete Aussagen zu den bestehenden Zurückverweisungsmöglichkeiten (als Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte) treffen, berücksichtigt. Die hier, im Lichte der Rechtsprechung des VwGH, im vorliegenden Fall getroffene Anwendung des § 28 Abs 3 VwGVG erweist sich auch im Hinblick auf Art 10 und 11 RL 2013/32/EU betreffend Durchsetzung der Pflichten der Verwaltungsbehörde als unionsrechtlich zwingend.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, Einreiseverbot, Mitgliedstaat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W125.2170558.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.01.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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