TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/12 W169 2164233-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.01.2018
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Entscheidungsdatum

12.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2164233-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017, Zl. 1153444909-170612658, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.05.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprache Punjabi spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat an. Er habe von 2000 bis 2010 die Grundschule sowie zwei weitere Jahre eine Allgemeinbildende Höhere Schule besucht und zuletzt als Landwirt gearbeitet. In Indien würden die Eltern und die Schwester des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass seine Freundin dem Christentum angehört habe und als er gemeinsam mit seinen Vater zu ihren Eltern gegangen sei, um ihr einen Heiratsantrag zu machen, seien sie von ihren Verwandten geschlagen und misshandelt worden, weil sie Sikhs seien. Dann habe der Beschwerdeführer eine Anzeige erstatten wollen, welche jedoch von Polizei nicht aufgenommen worden sei, weil die Familie seiner Freundin der im Punjab regierenden Congress Partei angehöre. Später sei eine Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet und darin fälschlicherweise behauptet worden, er habe die Familie seiner Freundin bedroht, was nicht stimme. Im November 2016 sei er von der Polizei festgenommen und in der Haft geschlagen sowie misshandelt worden. Sein Vater habe ihn freikaufen müssen und aus Angst um sein Leben habe der Beschwerdeführer seine Heimat verlassen.

2. Am 22.06.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er an, dass er in Indien gemeinsam mit seinen Eltern und seiner Schwester im Elternhaus gewohnt habe. Er sei ledig und kinderlos. Er habe in Indien von 2000 bis 2010 die Grundschule sowie eine Allgemeinbildende Höhere Schule besucht. Vor seiner Ausreise habe er seinen Lebensunterhalt als Landwirt in der Landwirtschaft seines Vaters finanziert. Die wirtschaftlichen Verhältnisse seien "ok" gewesen; sie seien nicht wohlhabend gewesen, aber hätten genug zum Essen gehabt. Neben seinen Eltern und seiner Schwester würden im Heimatland weiters die Großeltern und zwei Tanten mütterlicherseits sowie vier Tanten und ein Onkel väterlicherseits leben. Seiner Familie gehe es gut; er habe vor ca. 20 Tagen zuletzt mit ihnen Kontakt gehabt. Die Frage, ob der Beschwerdeführer in Indien strafbare Handlungen begangen habe, wurde von ihm verneint. Er habe auch nie Probleme mit der indischen Polizei oder anderen staatlichen Stellen gehabt und sei auch nicht politisch aktiv gewesen.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer insbesondere Folgendes vor (A: nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

" ( )

F: Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:

A: Ich liebte ein Mädchen namens XXXX . Ich bin Jat-Sikh und sie ist Christin. Ich erzählte meinen Eltern, dass sich sie liebe. Meine Eltern waren mit der Beziehung einverstanden. Ich sagte zu meiner Freundin, sie solle auch ihren Eltern davon erzählen, dass wir uns lieben. Daraufhin wurden ich und mein Vater zu einem Gespräch bei Ihren Eltern eingeladen. Als wir ankamen, waren vier Personen anwesend und diese fragten uns, warum wir hier seien. Ich sagte, dass wir eingeladen wurden und ich jetzt einen Heiratsantrag stellen möchte. Daraufhin wurden wir geschlagen und ich verließ mit meinem Vater das Haus. Ich ging zur Polizei und erzählte, was vorgefallen war. Aber die Polizei verweigerte eine Anzeige, weil die Familie meiner Freundin der Congress Party angehört. Ich wurde jedoch von der Polizei verhaftet, weil auch die Familie meiner Freundin eine Anzeige erstatte. Einen Tag lang, war ich in Haft und wurde von der Polizei geschlagen. Mein Vater hat mich am nächsten Tag wieder rausgeholt. Die Familie meiner Freundin bedrohte mich jedoch weiterhin und mein Vater sagte dann, dass es besser wäre, wenn ich das Land verlasse. (Ende der freien Erzählung)

F: Wie hieß Ihre Freundin im Familiennamen?

A: Ich weiß es nicht.

F: Seit wann kannten Sie Ihre Freundin XXXX ?

A: Unsere Beziehung dauerte drei Jahre.

F: War Ihre Freundin schwanger?

A: Nein.

F: Wer waren die vier anwesenden Personen, als Sie zu Ihrer Freundin aufgrund der Einladung kamen?

A: Ich weiß es nicht.

F: Könnten es Ihre Eltern gewesen sein?

A: Ja.

F: Also Vater und Mutter und zwei weitere Personen?

A: Ja.

F: Wer waren die zwei weiteren Personen?

A: Ich weiß nicht.

F: Wann besuchten Sie gemeinsam mit Ihrem Vater XXXX Eltern?

A: Es war im November 2016.

F: Können Sie mir ein genaues Datum nennen?

A: Ich weiß es nicht.

F: An welchem Wochentag?

A: Ich weiß es nicht.

F: Um wie viel Uhr?

A: Es war um 10:00 Uhr vormittags.

F: Was macht der Vater Ihrer Freundin beruflich?

A: Ich weiß es nicht.

F: Was hat Ihre Freundin beruflich gemacht?

A: Sie studierte.

F: Was studierte Ihre Freundin?

A: Ich weiß es nicht.

F: Was passierte nun genau als Sie in diesem Haus waren?

A: Ich und mein Vater wurden geschlagen.

F: Wer hat Sie geschlagen?

A: Der Vater meiner Freundin und die anderen zwei mir unbekannten Personen haben uns geschlagen. Wir haben jedoch auch zurückgeschlagen.

F: Erlitten Sie oder Ihr Vater Verletzungen?

A: Nein.

F: Erlitt jemand anderer bei diesem Vorfall Verletzungen?

A: Nein, es war nicht so hart und fest.

F: Wie lange dauerte dieser Vorfall?

A: Ca. 15 Minuten waren wir im Haus meiner Freundin und danach verließen wir das aus.

F: Wann gingen Sie zur Polizei?

A: Um ca. 13:00 Uhr ging ich zur Polizei.

F: Wie viele Polizisten waren anwesend?

A: Ich habe drei oder vier Polizisten gesehen.

F: Gibt es eine polizeiliche Niederschrift über diesen Vorfall?

A: Nein.

F: Woher wusste die Polizei, dass Ihre Freundin der Congress Party angehört?

A: Die Familie meiner Freundin hatte die Polizei schon vor mir informiert.

F: Hat die Familie Ihrer Freundin auch eine Anzeige erstattet?

A: Ja, vor mir.

F: Wer hat die Anzeige gemacht?

A: Der Vater und die zwei weiteren Personen.

F: Woher wissen Sie das?

A: Sie waren auch dort.

F: Was gab die Familie Ihrer Freundin bei der Anzeige an?

A: Das ich bei ihnen zuhause geschrien und getobt hätte.

F: Wann kamen Sie in Haft?

A: Am gleichen Tag, ca. um 14:00 Uhr.

F: Warum waren Sie in Haft?

A: Weil mir vorgeworfen wurde, dass ich bei der Familie zu Hause randaliert hätte.

F: Gab es ein Gerichtsverfahren?

A: Nein

F: Welche Polizeistation war dies?

A: Sie heißt XXXX Polizeistation in Amritsar.

F: Wer hat Sie von den Polizisten geschlagen?

A: Von zwei oder drei Polizisten.

F: Wie wurden Sie geschlagen?

A: Ich wurde mit einem Gürtel geschlagen.

F: Erlitten Sie Verletzungen?

A: Nein, man wird so geschlagen, dass man nicht blutet und keine Wunde zu sehen ist.

F: Warum wurden Sie von den Polizisten geschlagen?

A: Weil die Familie meiner Freundin diese Anzeige erstattete, dass ich bei ihnen zu Hause randalierte.

F: Wie lange waren Sie in Haft?

A: Ein Tag.

F: Warum war Ihr Vater nicht in Haft?

A: Weil gesagt wurde, dass ich der Grund für die Streiterei sei.

F: Wann wurden Sie freigelassen?

A: Das Datum weiß ich nicht, aber am nächsten Tag kam mein Vater und half mir, damit ich aus der Haft entlassen werde.

F: Um wie viel Uhr wurden Sie freigelassen?

A: Ich weiß es nicht.

F: Wie sah die Hilfe Ihres Vaters für sie aus?

A: Mein Vater hat eine andere Person mitgenommen, der die Polizisten kannte. Mein Vater hat dann dafür bezahlt, dass ich freigelassen wurde.

F: Wer war diese andere Person?

A: Es ist ein Bekannter meines Vaters.

F: Sie kannten diese Person nicht?

A: Nein.

F: Wie viel musste Ihr Vater für Ihre Haftentlassung bezahlen?

A: Ich weiß es nicht, aber mit weniger als 40.000 indischen Rupien wird man nicht freigelassen. Damit war die Strafe getilgt.

F: War damit Ihre Angelegenheit und Ihr Haftaufenthalt erledigt?

A: Ja.

F: Wem hat Ihr Vater das Geld gegeben?

A: Ich weiß es nicht. Es passierte nicht vor mir. Irgendeinem Polizisten hat er das Geld gegeben.

F: Sie fragten Ihren Vater nicht, wie viel er für Sie bezahlte?

A: Nein.

F: Sie befragten Ihren Vater überhaupt nicht zu diesem Vorfall?

A: Nein, mein Vater hatte genug eigene Probleme.

F: Welche Probleme hatte Ihr Vater?

A: Er war besorgt, weil ich verhaftet wurde.

F: Wie sah der Tag Ihre Freilassung aus?

A: Mein Vater hat mich mitgenommen und ich wurde dann von der Familie meiner Freundin bedroht.

F: Was machten Sie danach?

A: Nichts.

F: Wie wurden Sie bedroht?

A: Ich habe meine Freundin angerufen und sie teilte mir mit, dass sie gelauscht hätte und sie gehört hätte, dass ich umgebracht werden sollte.

F: Wer sollte Sie umbringen?

A: Es kann sein, dass sie ihren Vater meinte.

F: Sie sind sich nicht sicher?

A: Doch, ich bin mir sicher, dass meine Freundin ihren Vater meinte, aber ich weiß nicht auf welchen Weg er mich umbringen wollte.

F: Gab es noch weitere Vorfälle?

A: Nein und ich reiste ungefähr zwei Monate später aus.

F: Gab es in dieser Zeit Bedrohungen gegen Ihre im Heimathaus lebende Familie?

A: Nein.

F: Haben Sie somit alle Fluchtgründe genannt? Gibt es sonst noch Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?

A: Ja, ich habe alles gesagt. Es gibt keine weiteren Gründe.

F: Was befürchten Sie im Fall einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?

A: Ich würde von der Familie meiner Freundin umgebracht werden.

F: Hätten Sie in einem anderen Teil des Heimatlandes leben können?

A: Nein, das wollte ich nicht.

F: Wieso hätten Sie nicht in eine große Stadt gehen können, um sich dort zu verstecken?

A: Weil mir mein Freund in Neu-Delhi empfohlen hat, dass ich nach England gehen sollte.

F: Warum können Ihre Eltern und Ihre Schwester weiterhin ungestört in Indien leben, Sie aber nicht?

A: Ich habe vor der Familie meiner Freundin Angst.

F: Haben Sie den Wehrdienst bereits abgeleistet? Wenn Ja, welche Funktion hatten Sie?

A: Nein.

F: Haben Sie je eine Waffe getragen?

A: Nein.

F: Würde Ihnen im Falle der Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsland auf Grund Ihrer Religion Probleme?

A: Nein.

F: Hatten Sie auf Grund Ihrer Rasse, Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe Probleme in Ihrem Herkunftsstaat?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrem Herkunftsstaat persönliche Probleme mit staatlichen Behörden, dem Militär, Gerichten oder der Polizei in Ihrem Herkunftsland?

A: Nein.

F: Wurden sie in Ihrem Herkunftsland jemals von Dritten (Begriff wird erklärt) verfolgt, benachteiligt oder bedroht?

A: Nein, nur die Familie meiner Freundin machte mir Probleme.

( )".

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass es ihm in Österreich sehr gut gefalle, es gebe "gute Gesetze" und sei der Lebensstandard "ebenfalls sehr gut". Die Leute seien sehr hilfsbereit. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Angehörigen oder aus der Heimat bekannte Personen. Er lebe in einer privaten Unterkunft bei einem Bekannten aus dem Sikh-Tempel, der ihm in Österreich schon sehr viel geholfen habe. Dafür putze und koche er als Gegenleistung. Der Beschwerdeführer besuche keinen Deutschkurs und auch keine sonstigen Fortbildungsveranstaltungen; was er in Österreich machen wolle, wisse er nicht.

Am Ende der Einvernahme wurden dem Beschwerdeführer Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer verzichtete auf die Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme.

Nach Rückübersetzung der Niederschrift gab der Beschwerdeführer an, dass er keinen Kontakt zu seiner Freundin habe und sie auch nicht mehr liiert seien.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.06.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Unabhängig davon würde dem Beschwerdeführer eine inländische Fluchtalternative zur Verfügung stehen. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der relativ kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führte aus, dass das Bundesamt einen großen Teil der Aussagen des Beschwerdeführers nicht zur Kenntnis genommen habe, sondern nur "selektiv und in tendenziöser Weise jene Aussagen herausklaubt", die seiner Argumentation zuträglich seien. Der Beschwerdeführer habe genaue Zeit- und Ortsangaben gemacht, die Ereignisse chronologisch geschildert und Erklärungen zu sämtlichen Personen sowie Detailangaben gemacht. Aus dem Protokoll der Befragung gehe ferner hervor, dass die indischen Behörden ihm gegenüber schutzunwillig bzw. schutzunfähig gewesen seien. Auch sei die pauschale Behauptung, es gebe für jeden in Indien eine innerstaatliche Fluchtalternative, nicht zutreffend. Im Falle einer Abschiebung bestehe aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage die reale Gefahr menschenrechtswidriger Behandlung und wäre dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz zu gewähren. Ferner sei eine unzureichende Behandlung des Vorbringens hinsichtlich des Privat- und Familienlebens erfolgt und würde die Abschiebung des Beschwerdeführers gegen Art. 8 EMRK verstoßen. Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Seine Identität steht nicht fest. Er beherrscht die Sprache Punjabi und lebte im Herkunftsstaat bis zur Ausreise mit seinen Eltern und seiner Schwester im Bundesstaat Punjab, wo er zehn Jahre die Grundschule und zwei weitere Jahre eine Allgemeinbildende Höhere Schule besuchte. Er finanzierte seinen Lebensunterhalt durch Mitarbeit in der Landwirtschaft seines Vaters, die weiterhin besteht. Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer steht in Indien eine innerstaatliche Schutz- bzw. Fluchtalternative offen.

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige Familienangehörige in Österreich. Er nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch, besucht keinen Deutschkurs, ist nicht erwerbstätig und nimmt auch nicht in sonstiger Weise am gesellschaftlichen Leben in Österreich teil. Er ist strafgerichtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer wohnt bei einem Bekannten in einer privaten Unterkunft und putzt und kocht als Gegenleistung. Im Herkunftsstaat leben nach wie vor die Eltern des Beschwerdeführers, denen es gut geht, seine Schwester, weiters seine Großeltern, Onkeln und Tanten. Er steht in regelmäßigem Kontakt zu seiner Familie. Der Beschwerdeführer ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - India, http://www.ecoi.net/local_link/319831/466697_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

BBC - British Broadcasting Corporation (20.10.2015): Why are Indian Sikhs angry?,

http://www.bbc.com/news/world-asia-india-34578463, Zugriff 5.1.2017

-

MoHA - Government of India, Ministry of Home Affairs, Office of the Registrar General & Census Commissioner, India (o.D.): C-1 Population By Religious Community, http://www.censusindia.gov.in/2011census/C-01.html, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

-

USDOS - US Department of State (2.7.2016): Country Report on Terrorism 2015 – Chapter 2 - India, http://www.ecoi.net/local_link/324726/464424_de.html, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

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NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

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ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS – US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 21.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 21.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 21.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Christen

Christliche Gemeinschaften finden sich im gesamten Land, aber in größerer Konzentration im Nordosten und in den südlichen Bundesstaaten Kerala, Tamil Nadu, und Goa. In drei kleinen Bundesstaaten im Nordosten (Nagaland, Mizoram, und Meghalaya) stellen die Christen die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Die Lage der mehrheitlich katholischen Christen (ausweislich der letzten Volkszählung 2011 ca. 2,3% der indischen Bevölkerung) ist in den letzten Jahren durch das Erstarken hindunationalistis

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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