Entscheidungsdatum
12.01.2018Norm
BFA-VG §7 Abs1 Z1Spruch
W137 2109330-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Hammer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. unbekannt, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2015, Zl. 1051573006/150518805, und die Anhaltung in Schubhaft ab 18.05.2015 (von 18.05.2015 bis 14.07.2015) zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF iVm § 76 Abs. 2 Z 3 FPG idF BGBl. I Nr. 87/2012 iVm Art. 28 Dublin III-VO stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom 18.05.2015 ersatzlos aufgehoben. Unter einem wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 18.05.2015 bis 14.07.2015 für rechtswidrig erklärt.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr wird als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer wurde am 29.12.2014 im Bundesgebiet wegen Verdachts des versuchten Einbruchsdiebstahles nach §§ 15, 127, 129 Z 1 StGB festgenommen.
2. Mit Urteil des Landesgerichtes St. Pölten vom 16.03.2015, GZ 36Hv 23/15m wurde er nach §§ 12 dritter Fall, 15, 127, 129 Z 1 StGB sowie §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 23 Monaten, davon 16 Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, verurteilt. Im Zuge eines Gnadenverfahrens wurde der Beschwerdeführer am 19.05.2015 vorzeitig aus der Strafhaft entlassen.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) vom 18.05.2015, Zl. 1051573006/150462163 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Marokko gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 8 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.05.2015, Zl. 1051573006/150518805 wurde gegen den Beschwerdeführer, nach seiner Haftentlassung aus der Strafhaft am 19.05.2015 um 8.00 Uhr, gemäß § 76 Abs. 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen.
5. Am 22.05.2016 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Aktenvermerk vom 26.05.2015 hielt das Bundesamt fest, dass die Schubhaft nunmehr auf § 76 Abs. 2 Z 3 FPG (idF BGBl. I Nr. 87/2012) gestützt werde.
6. Mit Mitteilung gemäß § 28 Abs. 2 AsylG vom 17.06.2015 wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass das Bundesamt "Konsultationen [gemäß der Dublin-III VO] in Form einer Anfrage mit SPANIEN und FRANKREICH führt."
7. Gegen den oben im Spruch bezeichneten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter mit Schriftsatz vom 28.06.2015 binnen offener Frist Beschwerde und bekämpfte ausdrücklich die Schubhaftanordnung sowie die Anhaltung in Schubhaft. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für die Anordnung der Schubhaft fehle.
Beantragt wurde a) eine mündliche Verhandlung durchzuführen; b) die "Schubhaftnahme" und die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären; c) "den bekämpften Bescheid zu beheben";
d) die ordentliche Revision zuzulassen; e) dem Beschwerdeführer Kostenersatz im Umfang des zweifachen Schriftsatzaufwandes gemäß der Pauschalersatzverordnung zuzuerkennen und ihn von der Eingabegebühr zu befreien sowie f) die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde. Mit der Beschwerde wurde eine Vollmacht des im Spruch genannten Vertreters vorgelegt.
8. Das Bundesverwaltungsgericht erkannte mit Erkenntnis vom 06.07.2015, W137 2109330-1/5E, dass gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG iVm Art 28 Dublin-III VO, § 76 Abs. 2 Z 3 FPG und § 9 Abs. 4a [gemeint § 9a Abs. 4] FPG-DVO zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG wurde zur Frage ob "gesetzlich festgelegt" im Sinne der Dublin-III VO bei Schubhaften im Rahmen dieser Verordnung, derart auszulegen sei, dass die Festlegung ausschließlich auf Basis eines formellen Gesetzes erfolgen dürfe, für zulässig erklärt.
9. Einem Aktenvermerk einer Referentin des Bundesverwaltungsgerichtes vom 19.08.2015 zufolge wurde der Beschwerdeführer aufgrund von Haftunfähigkeit infolge einer Verweigerung der Nahrungsaufnahme am 14.07.2015 aus der Schubhaft entlassen.
10. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit Erkenntnis vom 11.05.2017, Ro 2015/21/0041-4 das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.07.2015 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf.
Verwiesen wurde auf VwGH vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0108 - unter Bezugnahme auf EuGH 15.03.2017, C-528/15, Rs Al Chodor - wonach § 9a Abs. 4 FPG-DV (in der genannten Fassung) am Maßstab des Art. 2 lit. n Dublin III-VO in seiner Auslegung durch den EuGH keine taugliche Rechtsgrundlage für die Festlegung der Kriterien von Fluchtgefahr dargestellt habe. Es hätte hierfür eines Gesetzes im formellen Sinn, wie es dann auch am 20.07.2015 in Kraft getreten ist (§ 76 Abs. 3 FPG idF des FrÄG 2015), bedurft. Demnach erweise sich der vorliegend bekämpfte Ausspruch über die Zulässigkeit der Fortsetzung der gegen den Revisionswerber verhängten Schubhaft als inhaltlich rechtswidrig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamts zur Zl. 1051573006/150518805, sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
3. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."
Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
Zu A)
3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft:
3.1. Art. 28 der seit 01.01.2014 anzuwendenden Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung), ABl. 29. Juni 2013, L 180, 31 (Dublin III-VO), regelt die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung.
Danach dürfen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 28 Abs. 1 Dublin III-VO eine Person nicht allein deshalb in Haft nehmen, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt. Allerdings dürfen sie nach Abs. 2 im Einklang mit dieser Verordnung "die entsprechende Person" zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren nach einer Einzelfallprüfung in Haft nehmen, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, die Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen. Unter dem Begriff der "Fluchtgefahr" ist nach Art. 2 lit. n Dublin III-VO das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte", zu verstehen.
3.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf den Beschluss des deutschen Bundesgerichtshofes vom 26.06.2014, V ZB 31/14, in seinem Erkenntnis vom 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075, festgehalten hat, verlangt Art. 2 lit. n Dublin III-VO unmissverständlich gesetzlich festgelegte Kriterien zur Konkretisierung der im Unionsrecht für die Verhängung von Schubhaft (u.a.) normierten Voraussetzung des Vorliegens von "Fluchtgefahr". Ein Rückgriff auf Kriterien, die der Verwaltungsgerichtshof vor allem zum Tatbestand der Ziffer 4 des § 76 Abs. 2 FPG für die Annahme von "Fluchtgefahr" (Gefahr des "Untertauchens") als maßgeblich angesehen hat, reiche nicht, um den Vorgaben der Dublin III-VO zu entsprechen. Solche Umstände hätten vielmehr gesetzlich determiniert werden müssen. Solange dies nicht der Fall sei, komme daher Schubhaft gegen Fremde, die sich in einem Verfahren nach der Dublin III-VO befinden, zwecks Sicherstellung des Überstellungsverfahrens nach Art. 28 der Verordnung nicht in Betracht.
3.3. Mit der am 29.05.2015 in Kraft getretenen Novellierung der Durchführungsverordnung zum Fremdengesetz (FPG-DVO) versuchte das Bundesministerium für Inneres diesen Zustand (bis zum Inkrafttreten einer FPG-Novelle im Juli 2015) zu sanieren. Mit Erkenntnis vom 13.06.2016, V152/2015 ua, bestätigte der Verfassungsgerichtshof die Gesetzeskonformität dieser Verordnung.
In Erledigung einer Revision vom 11.06.2015 führte der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11.05.2017, Ra 2015/21/0108 – unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 15.03.2017, C-528/15 – aus, dass die Festlegung von Kriterien zur Annahme einer Fluchtgefahr durch ein Gesetz im formellen Sinn hätte erfolgen müssen. Aufgrund dessen sei unter Berücksichtigung der in Punkt 3.2. angeführten Entscheidung vom 19.02.2015 auch die FPG-DVO nicht geeignet (gewesen), Schubhaften im Anwendungsbereich der Dublin III-VO zu ermöglichen.
3.4. Da das FPG zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keinen formal-gesetzlich determinierten "Kriterienkatalog" zur Annahme einer Fluchtgefahr verfügte, erweist sich der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Dementsprechend ist auch die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig anzusehen. Auf weitere Punkte der Beschwerde muss daher nicht näher eingegangen werden.
4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
5. Kostenersatz
5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Der Behörde gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz. Der Beschwerdeführer ist auf Grund der Rechtswidrigkeit der Schubhaftanordnung und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft in allen Punkten obsiegende Partei, weshalb er Anspruch auf Kostenersatz (soweit beantragt und im Umfang der VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr 517/2013) hat. Die VwG-Aufwandersatzverordnung sieht in deren § 1 Z 1 lediglich einen Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand vor, so dass sich bereits aus dem Wortlaut dieser Regelung ergibt, dass der Schriftsatzaufwand mit einem Pauschalbetrag ersetzt wird und ein doppelter Schriftsatzaufwand wie vom Beschwerdeführervertreter - zudem ohne nähere Begründung, weshalb dieser in doppelter Höhe zu ersetzen sei - beantragt, nicht als Aufwandersatz zuerkannt werden kann.
Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren und Barauslagen sind im gegenständlichen Verfahren nicht angefallen.
5.3. Eingabegebühr
Der Beschwerdeführer stellt zudem den Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr.
Ein solcher Antrag ist jedoch gesetzlich nicht vorgesehen – es gibt dementsprechend keine rechtliche Grundlage für eine solche Befreiung. Die Eingabegebühr ist zudem in § 35 Abs. 4 VwGVG nicht als Aufwendung definiert und insofern auch nicht ersatzfähig. Im Übrigen kann eine "finanzielle Belastung iHv 30 Euro" auch nicht als unüberwindliche oder unverhältnismäßige Hürde zur Wahrnehmung eines Rechtsmittels angesehen werden.
Der Antrag auf Befreiung von der Eingabegebühr ist daher zurückzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung zur Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides und der vollzogenen Schubhaft im konkreten Fall weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch ist diese im gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen, wobei es diesbezüglich auch nicht an einer relevanten Rechtsprechung fehlt (vgl. dazu VwGH 19.02.2015, Zl. Ro 2014/21/0075; 11.05.2017, Ra 2015/21/0108).
Schlagworte
Eingabengebühr, Fluchtgefahr, Kostenersatz, Rechtsgrundlage,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W137.2109330.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.01.2018