Entscheidungsdatum
16.01.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I419 2000143-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX StA. NIGERIA, vertreten durch RA Edward W. DAIGNEAULT, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.12.2017, Zl. XXXX, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,
dass er erste Satz des Spruchpunktes II zu lauten hat:
"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird Ihnen nicht erteilt."
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer nigerianischer Staatsangehörigkeit reiste illegal ein und stellte am 01.11.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Er gab an, seine Flucht sei wegen eines Bombenanschlags auf eine Kirche seiner Heimatgemeinde und der sich daraus resultierenden Unruhen nötig gewesen, an denen er teilgenommen habe. Aus Furcht vor einer Verfolgung durch Polizei und Boko Haram habe er seinen Herkunftsstaat verlassen. Das Bundesasylamt beschied den Antrag am 12.12.2013 negativ und wies den Beschwerdeführer nach Nigeria aus. Die Berufung dagegen wies dieses Gericht am 27.02.2014 ab und verwies das Verfahren zur Prüfung einer Rückkehrentscheidung an das BFA zurück.
Am 10.03.2014 erteilte das BFA dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Zudem gewährte es eine Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise. Die Beschwerde dagegen wies dieses Gericht am 01.09.2014 als verspätet zurück.
2. Seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz stellte der Beschwerdeführer am 22.10.2014. Er sei homosexuell und habe in Nigeria eine Beziehung zu einem anderen Mann gehabt. Die nigerianische Polizei sei davon in Kenntnis und suche deshalb nach ihm.
Am 16.04.2015 wies das BFA den Folgeantrag hinsichtlich der Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Nigeria ab. Zugleich erteilte es keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für seine freiwillige Ausreise legte das BFA wie zuvor fest.
Die Beschwerde dagegen wies dieses Gericht am 12.07.2017 ab.
3. Am 13.11.2017 stellte der Beschwerdeführer den zweiten Folgeantrag, den er in der Erstbefragung wiederum mit drohender Verfolgung aufgrund Homosexualität begründete. Eine Ladung zur Einvernahme konnte nicht zugestellt werden.
Mit dem nun angefochtenem Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurück (Spruchpunkt I). Zugleich erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen", erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt II). Eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährte das BFA dem Beschwerdeführer nicht (Spruchpunkt III).
Die Beschwerde dagegen vom 02.01.2018 macht geltend, der Beschwerdeführer habe mangels Einvernahme keine Gelegenheit gehabt, neues Vorbringen zu erstatten. Eine Entscheidung hätte nicht erlassen werden dürfen, das Verfahren wäre stattdessen einzustellen gewesen. Vor dem Hintergrund der Länderinformation zu Homosexualität in Nigeria könne ohne weitere Prüfung nicht gesagt werden, dass ihm eine Rückkehr nach Nigeria zumutbar sei. Beantragt wurde, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zum Beschwerdeführer:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Christ, ledig und kinderlos. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht Edo und Englisch, aber kaum Deutsch. Im Mai 2018 hat er sich mit einer in Bayern lebenden deutschen Staatsangehörigen verlobt und war dies zumindest bis 12.07.2017.
Er ist gesund und arbeitsfähig und weist eine sechsjährige Schulbildung in Nigeria auf. Wie er sich in seinem Herkunftsland den Unterhalt finanzierte, kann nicht festgestellt werden. Er verfügt über keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Im Herkunftsland leben seine Mutter sowie seine Schwester und sein Bruder, die Zwillinge und knapp 20 sind.
Der Beschwerdeführer hält sich seit spätestens 05.12.2013 in Österreich auf. Er stellte bereits zuvor zwei Anträge auf internationalen Schutz in Österreich, welche als unbegründet abgewiesen wurden. Den zweiten Antrag begründete er mit Furcht vor Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität.
Im gegenständlichen Asylverfahren bringt der Beschwerdeführer keine neuen Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor. Er gab in der Befragung an, dass er schon in seiner Heimat homosexuell gewesen sei und ihn die Polizei dort deshalb suche. Dieses Vorbringen war bereits Gegenstand des Vorverfahrens I411 2000143-2.
Der Beschwerdeführer übte in Österreich keine erlaubte Erwerbsarbeit aus und ist hier nicht selbsterhaltungsfähig. Fallweise verkaufte er eine Straßenzeitung. Er ist abgesehen von der Kirche kein Mitglied eines Vereines oder einer sonstigen integrationsbegründenden Institution. Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für eine ungewöhnlich starke Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
Die Polizei hat nach fehlgeschlagenen Zustellversuchen die Abmeldung des Beschwerdeführers veranlasst. Seit dem 02.01.2018 ist der Beschwerdeführer in Österreich nicht mehr gemeldet.
Das BG Graz-West hat den Beschwerdeführer am 13.08.2015 wegen des Vergehens der Körperverletzung, begangen am 12.04.2015, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt, und am 11.05.2017 wegen des gleichen Vergehens, begangen am 01.01.2017, zu einer ebensolchen von vier Monaten mit drei Jahren Probezeit, wobei die Probezeit der ersten Nachsicht von drei auf fünf Jahre verlängert wurde.
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer einer Ladung des BFA zur Einvernahme nicht gefolgt ist. Die Ladung konnte trotz mehrerer Versuche nicht zugestellt werden. Der Beschwerdeführer war bei den Zustellversuchen mit Hauptwohnsitz an der angegebenen Adresse gemeldet.
1.2 Zum Herkunftsstaat:
Im angefochtenen Bescheid wurde das bis dato aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Algerien mit Stand 07.08.2017 zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung der entscheidenden Sachverhaltselemente bekannt geworden, sodass das Gericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und sie auch zu den seinen erhebt.
Im gegebenen Zusammenhang ist davon in Bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers von Bedeutung:
1.2.1 Homosexuelle
Homosexuelle Handlungen jeglicher Art sind – unabhängig vom Geschlecht der betroffenen Personen – sowohl nach säkularem Recht als auch nach Scharia-Recht (Körperstrafen bis hin zum Tod durch Steinigung in besonderen Fällen) strafbar. Homosexuelle versuchen auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen und weitverbreiteter Vorbehalte in der Bevölkerung, ihre sexuelle Orientierung zu verbergen (AA 21.11.2016). Obwohl alle nigerianischen Bürger mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, dass Förderung und Schutz ihrer Rechte gewährleistet werden sowie der Zugang zu grundlegenden Sozialdienstleistungen, haben Mitglieder der homosexuellen Gemeinschaft mit weiteren Herausforderungen zu kämpfen (TIERS 1.2017). Dabei treten Erpressung und Gewalt schon beim Verdacht auf, homosexuell zu sein (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015). Die meisten Menschenrechtsverletzungen gegen Homo-sexuelle gehen von nicht-staatlichen Akteuren aus (LLM 16.11.2015; vgl. MSMK 19.11.2015). Die Verfügbarkeit von staatlichem Schutz ist in Frage zu stellen, manchmal interveniert die Polizei gar nicht oder verhaftet das Opfer (MSMA 17.11.2015; vgl. DS3 18.11.2015; DS1 20.11.2015). TIERS berichtet, dass die Opfer Menschenrechtsverletzungen nicht bei der Polizei melden aus Angst vor Repressalien, Mangel an Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden, und weil die Polizei häufig selbst die Täter bei Menschenrechtsverletzungen gegen Homosexuelle sind (TIERS 1.2017).
In Nigeria ist nach der Unterzeichnung durch den Präsidenten am 7.1.2014 bundesweit der über mehrere Jahre diskutierte "Same Sex Marriage Prohibition Act" (SSMPA) in Kraft getreten (HRW 29.1.2015; vgl. CNN 16.1.2014; TT 14.1.2014). Seither ist das Eingehen homosexueller Verbindungen oder das Mitwirken daran mit bis zu 14 Jahren Haft unter Strafe gestellt. Die Organisation oder Unterstützung von Homosexuellen-Clubs, Vereinigungen oder Kundgebungen sowie öffentliches zur Schau stellen gleichgeschlechtlicher Liebesbeziehungen werden mit bis zu zehn Jahren Haft bedroht (AA 5.7.2017 vgl. HRW 20.10.2016). Laut Telegraph seien schon "Gruppen" von zwei Homosexuellen verboten (TT 14.1.2014). Human Rights Watch erklärt, dass jegliches öffentliches homosexuelles Verhalten zwischen Paaren kriminalisiert worden sei ("who directly or indirectly make public show of same-sex amorous relationship”). Auch Personen, die Zeugen, Unterstützter oder Beihelfer einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft oder Ehe sind, können mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden (HRW 15.1.2014; vgl. HRW 20.10.2016). Die Rechtsänderung hat aber bisher nicht zu einer spürbar verschärften Strafverfolgung geführt: Bisher ist es nach Kenntnis der deutschen Botschaft noch nicht zu Anklagen bzw. Verurteilungen nach dem neuen Gesetz gekommen (AA 21.11.2016). Auch Human Rights Watch hat keine Beweise dafür gefunden, dass Personen im Rahmen des SSMPA strafrechtlich verfolgt oder verurteilt wurden (HRW 20.10.2016). Laut einem Bericht von Human Rights Watch hat das Gesetz zu einer weiteren Stigmatisierung von Lesben und Schwulen in Nigeria geführt. Diese werden oftmals von der Polizei schikaniert und misshandelt und von der Bevölkerung gemobbt und per Selbstjustiz verfolgt (GIZ 7.2017b).
Seit der Unabhängigkeit Nigerias gab es nur wenige Fälle von Verurteilungen Homosexueller nach dem Strafgesetzbuch, die Zahl ist einstellig (HL1 16.11.2015). Mit der zunehmenden Öffentlichkeit im Zuge der Diskussion um den SSMPA hat sich zwar die Zahl der Verhaftungen gesteigert. Es kam aber zu keinen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. HRW 20.10.2016). Überhaupt gibt es keine systematische Verfolgung Homosexueller (DS4 20.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Die Community wird nicht überwacht (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015; DS2 19.11.2015). Die Polizei wird nicht aus eigenem Antrieb aktiv und sucht gezielt nach Homosexuellen (HL1 16.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015). Es gibt keine Haftbefehle nur aufgrund von Homosexualität – weder nach dem Strafgesetzbuch, noch nach der Scharia oder dem SSMPA (LLM 16.11.2015).
Aus dem Zeitraum 12.2014-11.2015 wurden 48 Vorfälle berichtet, in welche die Polizei involviert war, 27 davon waren willkürliche Verhaftungen. Insgesamt wurden im genannten Zeit-raum 172 Übergriffe bzw. (Menschen-)Rechtsverletzungen an Homosexuellen gemeldet. Allerdings wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst wurden (TIERS 3.2016). Für das Jahr 2016 wurden von TIERS 152 Menschenrechtsverletzungen gegen LGBT-Personen gemeldet. Die meisten Übergriffe fanden in den Bundesstaaten Rivers und Lagos statt. 35 davon waren willkürliche Verhaftungen, 27 rechtswidrige Inhaftierungen, 51 Fälle von Erpressung, 33 Fälle von Körperverletzung, 21 Fälle von Diffamierung, zwölf Morddrohungen, zwei Fälle von Folter (TIERS 1.2017).
Laut TIERS gab es im Jahr 2016 auch Positives zu vermelden, so z.B. hat das NHRC öffentlich Stellung gegen Gewalt gegen Homosexuelle genommen. Auch hat sich der ehemalige Präsident, der das Gesetz unterzeichnete, von der Geisteshaltung hinter der Entstehung des Gesetzes distanziert (TIERS 1.2017; vgl. HRW 12.1.2017). Im Jänner 2016 hat der General-inspektor der Polizei Polizisten davor gewarnt, illegal auf Mobiltelefone der Bürger ohne Gerichtsbeschluss zuzugreifen. Dennoch verletzte die Polizei Privatsphäre von Homosexuellen und verwendete ihre persönlichen Daten, um sie rechtswidrig zu verhaften, damit sie dann für Geld und andere Wertsachen im Gegenzug zu ihrer Freiheit erpresst werden können (TIERS 1.2017).
Im April 2017 hat die nigerianische Polizei erklärt, dass sie in der im Norden des Landes gelegenen Stadt Zaria 53 junge Männer verhaftet hat, weil sie an einer homosexuellen Hochzeit teilgenommen hatten. Die Festgenommenen wurden laut Polizei einem Richter vorgeführt (NBC 20.4.2017). Die Männer werden wegen Verschwörung, illegaler Versammlung und Zugehörigkeit einer illegalen Gesellschaft angeklagt. Diese Straftaten verstoßen gegen den Criminal Procedure Code (PT 7.6.2017). Alle hatten sich nicht schuldig bekannt und konnten bei Zahlung einer Kaution wieder freigelassen werden (NBC 20.4.2017). Am 29.7.2017 wurden über 40 Personen festgenommen, da sie verdächtigt wurden bei einer privaten Feier in einem Hotel in Lagos homosexuelle Handlungen durchgeführt zu haben. Der erste Gerichtstermin war noch ausstehend (Reuters 31.7.2017).
Hinsichtlich des SSMPA gab es keinen Anklagen oder Verurteilungen (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; VA1 16.11.2015; DS1 20.11.2015; DS4 20.11.2015). Die Polizei verhaftet Verdächtige in erster Linie mit dem Ziel, Geld zu erpressen. Grundsätzlich kommen Verdächtige nach der Zahlung einer "Kaution" wieder frei (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015). Aufgrund der bei der Polizei herrschenden Korruption ist es einfach, sich aus der Haft freizukaufen (VA1 16.11.2015).
Auch für betroffene Homosexuellen-NGOs hatte der SSMPA kaum Auswirkungen, keine der Organisationen musste die Arbeit einstellen (LLM 16.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015; DS2 19.11.2015). Im Gesundheitsbereich tätige NGOs mit Fokus auf Homosexuelle (v.a. HIV/AIDS) stellten zwar Anfang 2014 kurzfristig den Betrieb ein, doch wurde dieser nach wenigen Wochen wieder aufgenommen und läuft seither wie vor Inkrafttreten des SSMPA (IO1 20.11.2015).
UK Home Office gibt an, dass es seit der Einführung des SSMPA einige Berichte über die Verhaftung von LGBT-Personen gab. Es gab auch einige Berichte über Gewalt und Schläge gegenüber den Verhafteten. Allerdings gibt es nur wenige Berichte über Verfolgung oder Verurteilung von LGBT-Personen. Es gibt nur begrenzte Anzeichen dafür, dass die Regierung gezielt gegen LGBT-Organisationen vorgehen würde; allerdings scheint es indirekte Auswirkungen auf diese Gruppen zu geben. So gibt es etwa Berichte über eine Reduzierung der Angebote bezüglich HIV/AIDS-Behandlung (UKHO 3.2015).
Die vom Home Office zitierte Homosexuellen-NGO Erasing 76 Crimes schätzt, dass sich im August 2014 23 Personen aufgrund von Homosexualität in Haft befanden. 15 weitere würden auf freiem Fuß auf ihren Prozess warten. Die NGO gibt auch an, dass es unmöglich sei, eine vollständige Liste von Personen zu erstellen, die sich aufgrund von Verstößen gegen Anti-Homosexuellen-Gesetzen in Nigeria in Haft befinden würden. Nigerianische Medien berichten oft nur von Verhaftungen, manchmal auch von der Eröffnung von Prozessen, nie aber von Urteilen bezüglich LGBT-Personen. Die gleiche NGO schätzt im Oktober 2014, dass seit der Einführung des Same Sex Marriage (Prohibition) Act in ca. vier Bundesstaaten ca. 38 Personen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verhaftet worden sind. Alleine im Bundesstaat Bauchi seien es zwölf (UKHO 3.2015). Das Gesetz ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu verstehen, dass man dem wachsenden Druck aus dem westlichen Ausland für die Gleichberechtigung Homosexueller die Stirn bieten möchte, da in Nigeria noch nie zwei Männer oder zwei Frauen versucht haben zu heiraten. Im Rahmen der Verabschiedung des Gesetzes und der negativen internationalen Reaktion kam es zu vermehrten Vorfällen von Verhaftungen und physischer Gewalt gegen vermeintlich Homosexuelle. Eine generelle "staatliche Verfolgung" ist allerdings derzeit nicht gegeben. Gesellschaftliche Diskriminierung bei offenem zur Schau stellen der sexuellen Orientierung ist vorhanden (ÖBA 9.2016).
Laut bereits bestehenden Gesetzen wird "Geschlechtsverkehr, der gegen die Ordnung der Natur geht" mit einer Haft von 14 Jahren bestraft. In den zwölf nördlichen Bundesstaaten, wo das islamische Recht in Kraft ist, werden homosexuelle Handlungen mit Haft, Stockschlägen oder Tode durch Steinigung bestraft. Aktivisten sind keine Fälle bekannt, bei denen die Todesstrafe umgesetzt wurde. Auch unter der Scharia kam es also nur zu wenigen Verurteilungen (HL1 16.11.2015; vgl. DS1 20.11.2015).
Die meisten Homosexuellen-NGOs haben ihre Basis in den Hauptstädten der Bundesstaaten (DS3 18.11.2015; vgl. DS2 19.11.2015; MSMA 17.11.2015). Üblicherweise sind die Homo-sexuellen-NGOs den Betroffenen auch bekannt (DS3 18.11.2015; vgl. MSMA 17.11.2015). Es existieren auch eigene HIV/AIDS-Kliniken, die gezielt für Homosexuelle Patienten eingerichtet wurden (IO1 20.11.2015; MSMA vgl. 17.11.2015).
Es existieren Netzwerke von Menschenrechtsanwälten, welche – im Falle der Verhaftung eines Homosexuellen – unmittelbar kontaktiert werden und die Person gegen "Kaution" frei-zukaufen versuchen (IO1 20.11.2015). Die Anwälte sind organisiert, es gibt unterschiedliche Vereine, z.B. Lawyers League for Minorities, Lawyers Alert oder die Coalition of Human Rights Lawyers (LLM 16.11.2015; vgl. HL1 16.11.2015).
Homosexuellen Netzwerke verschiedener Landesteile bzw. Städte sind miteinander in Kontakt. Die Netzwerke und Organisationen bieten auch Unterstützung und sogar Zufluchtsmöglichkeiten an (MSMA 17.11.2015; vgl. LLM 16.11.2015).
1.2.2 Meldewesen
Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (AA 21.11.2016; vgl. ÖBA 9.2016). Auch ein nationales funktionierendes polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Damit ist es in der Praxis äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, nach verdächtigen Personen national zu fahnden, wenn diese untergetaucht sind. Das Fehlen von Meldeämtern und gesamtnigerianischen polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung "unterzutauchen" (ÖBA 9.2016).
Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Bailiffs müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖBA 9.2016).
1.2.3 Behandlung nach Rückkehr
Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann aufgrund der dargelegten Gründe kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen generell festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Der pauschale Hinweis eines Asylwerbers auf die allgemein herrschende Situation in Nigeria reicht nicht aus, um eine Bedrohung iSv Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK darzustellen. Es kann allgemein festgestellt werden, dass in Nigeria eine zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird und ihre existenziellen Grundbedürfnisse, aus selbstständiger Arbeit, sichern kann, insbesondere dann wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖBA 9.2016).
Abschiebungen erfolgen auf dem Luftweg, in Linien- oder Chartermaschinen. Rückführungen aus EU-Staaten erfolgen meist durch Charterflüge, die auch durch FRONTEX durchgeführt werden. Ohne gültigen nigerianischen Pass oder einen von einer nigerianischen Botschaft ausgestellten vorläufigen Reiseausweis ist eine Einreise aus Europa kommender nigerianischer Staatsangehöriger nicht möglich. Dies gilt auch für zwangsweise Rückführungen. Die Einwanderungsbehörde führt ein Fahndungsbuch, anhand dessen bei aus dem Ausland zu-rückkehrenden Nigerianern eine Überprüfung bereits bei Ankunft am Flughafen erfolgt: Bei Notierung im Fahndungsbuch wird der Betreffende noch im Flughafengebäude verhaftet; im anderen Fall wird der betroffenen Person ein vorläufiges Identifikationspapier durch die nigerianische Einwanderungsbehörde ausgestellt, wenn sie lediglich über einen vorläufigen Reiseausweis einer nigerianischen Botschaft verfügt (AA 21.11.2016).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Verhaftung bei Rückkehr aus politischen Gründen oder andere
außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylbewerbern aus Deutschland sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der Nigerianischen Immigrationsbehörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch der Drogenpolizei (National Drug Law Enforcement Agency/NDLEA) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 21.11.2016). Die österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations im Rahmen von FRONTEX als "lead nation". Die Erfahrungen seit dem Jahre 2005 lassen kaum Probleme erkennen. Die Rückgeführten verlassen das Flughafengebäude und steigen meistens in ein Taxi ein oder werden von ihren Familien abgeholt. Probleme, Anhaltungen oder Verhaftungen von rückgeführten Personen bei ihrer Ankunft am Flughafen Lagos wurden im Rahmen des Monitoring der Ankunft und des ungehinderten Verlassens des Flughafengeländes durch Vertreter der Botschaft nicht beobachtet. Es kann jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit offiziellen Behörden haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖBA 9.2016).
Im Ausland straf- oder polizeilich auffällig gewordene Personen, insbesondere Prostituierte, werden in ihren Herkunfts-Bundesstaat überstellt. Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vor-schriften im "Decree 33" nicht zu befürchten. Im Mai 2012 erhielt die Deutsche Botschaft in Abuja ein Schreiben des nigerianischen Justizministers mit der Bestätigung der Nichtanwendung des "Decree 33" (AA 21.11.2016). Da die österreichische Botschaft stets "overstay" als Abschiebungsgrund angibt, sind Verhaftungen bei Ankunft in Nigeria unwahrscheinlich. Dadurch ist das "Dekret 33" nicht geeignet, ein Rückschiebungshindernis für eine Person darzustellen (ÖBA 9.2016).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, so dass z.B. eine ausreichende Versorgung von minderjährigen Rückkehrern dort nicht ohne weiteres gewährleistet wäre (AA 21.11.2016).
1.3 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers:
Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in seinem gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz vom 13.11.2017 keine neu entstandenen Fluchtgründe vorgebracht hat.
In Bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er homosexuell sei, und aufgrund der allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat wird festgestellt, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria weder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeutet noch für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt.
Es kann nicht festgestellt werden, dass er in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.
Es spricht auch nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 EMRK oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.
Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass er im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
2. Beweiswürdigung:
2.1 Zum Verfahrensgang
Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten, speziell dem Polizeibericht (AS 73) und des vorliegenden Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichts samt den Erkenntnissen aus den Vorverfahren I403 2000143-1 und I411 2000143-2 sowie dem Verhandlungsprotokoll aus dem letzteren. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Gewerberegister und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt. Die illegale Einreise folgt auch aus der Angabe des Beschwerdeführers im Vorverfahren, wonach er noch nie einen Pass besessen habe.
2.2 Zur Person des Beschwerdeführers
Soweit Feststellungen zur Identität, den Lebensumständen und zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den Angaben im Akt, insbesondere den in den angeführten Erkenntnissen dieses Gerichts und im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Das Alter der Geschwister konnte aus den im Bescheid des Vorverfahrens wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers abgeleitet werden, welche auch die Dauer seines Schulbesuchs umfassen.
Eine wesentliche Änderung des Privat- und Familienlebens in Österreich wurde nicht behauptet. Betreffend die im Vorerkenntnis festgestellte Verlobung konnte nur festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach wie vor ledig ist, zumal er das in der Beschwerdeschrift so angibt. Die Feststellung betreffend die strafgerichtlichen Verurteilungen beruht auf dem Strafregister, jene zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit auf den Angaben des Beschwerdeführers im vorangegangenen Gerichtsverfahren, die er in der nun eingebrachten Beschwerde weder ergänzt noch geändert hat.
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden noch nie identitätsbezeugende Dokumente vorgelegt hat, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
2.3 Zu den Fluchtgründen
Der Beschwerdeführer argumentiert, dass neue Fluchtgründe vorliegen würden, die darin bestünden, dass er von einem Freund erfahren habe, in Nigeria immer noch wegen seiner homosexuellen Neigung "namentlich" gesucht zu werden.
Inhaltlich handelt es sich dabei um dasselbe Vorbringen, nämlich einer behaupteten Bedrohung aufgrund seiner sexuellen Neigung. Bei der Erstbefragung im Vorverfahren hat der Beschwerdeführer am 22.10.2014 bereits angegeben, die Polizei hätte ihn wegen seiner Homosexualität gesucht, weshalb er Nigeria verlassen habe. Bei einer Rückkehr fürchte er, von der Polizei festgenommen zu werden und für 15 Jahre ins Gefängnis zu kommen.
Im vorliegenden dritten Asylverfahren bringt der Beschwerdeführer damit keine neuen Gründe für die Stellung des Antrages auf internationalen Schutz vor.
Das Gericht hat dem BFA bereits im Vorverfahren beigepflichtet, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine homosexuelle Neigung glaubhaft zu machen.
2.4 Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zum Herkunftsland entsprechen auszugsweise denen des Länderinformationsblatts Nigeria der Staatendokumentation mit aktuellem Stand 07.08.2017. Diese liegen auch dem Bescheid zu Grunde. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der Erkenntnisquellen sowie dessen, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Somit kann angesichts der Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers davon ausgegangen werden, dass ihm keine asylrelevante Verfolgung aufgrund der geschlechtlichen Neigung droht.
Das Gericht kommt daher – wie auch das BFA – zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung oder Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen, der auch Asylrelevanz zukommt.
Des Weiteren kann nicht davon ausgegangen werden, dass der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer, der über eine mehrjährige Schulbildung verfügt, bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existenzielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde, zumal er in Nigeria bereits gearbeitet hat, auch wenn er über kein familiäres Netzwerk verfügt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) (Abweisung der Beschwerde):
Das bereits im Erstverfahren erstattete Fluchtvorbringen und die dort geltend gemachten Gründe sind bereits abschließend beurteilt und in der seinerzeitigen, rechtskräftigen Erledigung berücksichtigt worden. Insofern geht es im aktuellen Folgeverfahren um die Prüfung der darüber hinaus geltend gemachten neuen Tatsachen und im Beschwerdeverfahren um den Inhalt des nun bekämpften Bescheids.
Da die belangte Behörde den Folgeantrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, ist Beschwerdegegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung dieses Antrages, nicht aber der Antrag selbst.
3.1 Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache (Spruchpunkt I):
Nach § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Letzteres betrifft die amtswegige oder aufsichtsbehördliche Bescheidänderung oder -aufhebung. Die §§ 69 und 71 AVG bezeichnen die Rechtsinstitute der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die beide hier nicht anwendbar sind.
Die Anordnung, dass Anbringen unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 1 AVG nicht inhaltlich behandelt, sondern zurückgewiesen werden, soll die wiederholte Befassung der Behörde mit einer bereits entschiedenen Sache vermeiden, wobei es auf die unveränderte Sach- und Rechtslage ankommt.
Wenn die Beschwerde kritisiert, der Beschwerdeführer hätte keine Gelegenheit gehabt, "entsprechendes" neues Vorbringen zu erstatten, so ist dies im Hinblick auf die Aktenlage nicht nachvollziehbar. Wie festgestellt, wurde mehrmals versucht, dem Beschwerdeführer die Ladung an seinem gemeldeten Wohnsitz zuzustellen, was nicht möglich war, da er dort nicht wohnte. Der Beschwerdeführer ist also seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, weshalb sein Aufenthaltsort nicht bekannt ist und auch nicht leicht festgestellt werden konnte oder kann. Er hat sich damit gemäß § 24 Abs. 3 AslyG 2005 dem Verfahren entzogen. Eine Einvernahme vor dem BFA war nicht notwendig, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststand.
Welches neue Vorbringen der Beschwerdeführer nicht hätte erstatten können, ergibt sich auch aus der Beschwerde nicht. Demgemäß existiert kein zusätzliches Vorbringen neben dem bisherigen.
Das Vorbringen zum Fluchtgrund stimmt, was die behauptete Schutzrelevanz anbelangt, mit dem des vorangegangenen Verfahrens überein, wonach er gesucht worden sei und weiter verfolgt werden würde, weil er homosexuell sei. Es beinhaltet keinen neuen Fluchtgrund und weder einen neuen noch einen neu hervorgekommenen Sachverhalt. Für das BFA lag somit kein Anlass für eine Überprüfung der seinerzeitigen Erledigung vor.
Da weder in der maßgeblichen Sachlage noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens gegenüber dem Vorbescheid nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, liegt – wie das BFA zu Recht entschieden hat – eine entschiedene Sache vor, über die nicht neuerlich inhaltlich entschieden werden darf.
Da die belangte Behörde demnach den Folgeantrag des Beschwerdeführers zutreffend gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat, war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I nach § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen.
3.2 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt II):
3.2.1 Im ersten Satz des Spruchpunkts II im angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war offensichtlich das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.
Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.
3.2.2 Da der Folgeantrag des Beschwerdeführers gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen war, ist im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.
Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.
Zur Feststellung, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, ist ausführen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig.
Dabei ergibt im Fall des Beschwerdeführers eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandes-bringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig anzusehen ist.
Der Beschwerdeführer hat unstrittig kein Familienleben im Bundesgebiet. Zu prüfen war daher ein etwaiger Eingriff in sein Privatleben. Dem Vorerkenntnis zufolge war - oder ist - er mit einer deutschen Staatsangehörigen verlobt, die im Ausland wohnt. Ein gemeinsamer Wohnsitz bestand nie, die Verlobten hatten sich im Oktober 2016 kennengelernt, als der – erste – Antrag des Beschwerdeführers bereits rechtskräftig negativ entschieden war und nach dessen Angaben eine Fernbeziehung geführt. Nach wie vor ist der Beschwerdeführer ledig.
Unter den gegebenen Umständen kann vom Vorhandensein eines Privatlebens im Inland – wo der Beschwerdeführer laut Melderegister gar nicht mehr wohnhaft ist – über die Unterkunft, den Gottesdienstbesuch, den fallweisen Straßenzeitungs-Verkauf und die täglichen Verrichtungen hinaus kaum ausgegangen werden, zumal der Beschwerdeführer kein sonstiges Privatleben vorbringt und abgesehen von der Kirche nicht Mitglied einer Organisation oder eines Vereins ist. Im Vorverfahren hat er vier Unterstützungserklärungen und zwei Einstellungszusagen vorgelegt.
Im Hinblick auf Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist, dass der Aufenthalt des - volljährigen und arbeitsfähigen - Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit seiner Einreise gut vier Jahre gedauert hat, allerdings von den ersten Monaten abgesehen entgegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und Ausreiseverpflichtung, die ihrerseits seit bald vier Jahren bestehen, in denen er sich seines unsicheren Aufenthalts bewusst sein musste.
Von einer "Aufenthaltsverfestigung" kann daher keine Rede sein. Nach Ansicht des Gerichtes ergibt auch eine individuelle Abwägung der berührten Interessen, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.
Es liegen auch keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen solchen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Der Beschwerdeführer übte in Österreich keine erlaubte Beschäftigung aus und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er konnte auch keine eigenen Existenzmittel in Österreich nachweisen. Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.
Es würde eine Benachteiligung jener Fremden, die die Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen in Österreich beachten, gleichkommen, wenn sich der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen könnte, obwohl er seinen Aufenthalt lediglich durch seine faktische Einreise und einen unzulässigen Asylantrag erzwungen hat und dann vor und nach der Strafhaft entgegen der Ausreiseverpflichtung fortsetzte. In letzter Konsequenz würde ein solches Verhalten zu einer unsachlichen und damit verfassungswidrigen Differenzierung der Fremden untereinander führen.
Im Fall des Beschwerdeführers kommt neben dem mangelnden Vorweis von Integrationsschritten in Österreich hinzu, dass er statt seiner Ausreisepflicht nachzukommen, im Inland verblieb und Straftaten beging, wodurch er ein Verhalten gesetzt hat, das keine Achtung der in Österreich rechtlich geschützten Werte zeigt.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.
3.2.3 Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.
Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.
Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Auch eine Doppelbestrafung ist nach den Feststellungen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht zu befürchten.
Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet würde.
Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Selbst die Beschwerde belässt es beim Vorbringen, ein Aufenthalt im Heimatland erscheine unerträglich.
Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Nigeria zumindest notdürftig leben zu können. Er ist dort aufgewachsen und hat nach eigenen Angaben den Großteil seines Lebens dort verbracht, nämlich rund 30 Jahre, und sechs Jahre die Schule besucht. Er spricht Edo und Englisch und hat seine Mutter und zwei erwachsene Geschwister im Heimatland.
Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als in Nigeria, genügt nicht für die Annahme, er würde dort keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine dringendsten Bedürfnisse nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.
Zudem besteht in Nigeria keine so extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.
Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Nigeria das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht festgestellt worden.
Eine der Abschiebung nach Nigeria entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.
Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.
Die Beschwerde war daher – von der Richtigstellung abgesehen – auch betreffend den Spruchpunkt II abzuweisen.
3.3 Zum Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III):
Das BFA hat den Folgeantrag zu Recht wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG zurückgewiesen.
Bereits unmittelbar aus § 55 Abs. 1a FPG ergibt sich, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG nicht besteht, was hier nach dem Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides der Fall ist.
Daher war die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.
3.4 Zur beantragten aufschiebenden Wirkung der Beschwerde
Mit der Erledigung der Beschwerde durch das Gericht wird ein dort gestellter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos (vgl. VwGH 30.01.2015, Ra 2014/02/0174, mwH).
Daher erübrigte sich eine eigene Entscheidung über den in der Beschwerde gestellten, darauf gerichteten Antrag.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zu übereinstimmenden Fluchtvorbringen und Neuerungen im Folgeantrag oder zu den Voraussetzungen der Zurückweisung nach § 68 Abs. 1 AVG.
Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung relevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch das BFA vollständig erhoben und weist – aufgrund des Umstandes, dass zwischen der Entscheidung durch die belangte Behörde und jener durch das Bundesverwaltungsgericht rund sechs Wochen liegen – die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.
Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben.
Schlagworte
Folgeantrag, Homosexualität, Identität der Sache,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2000143.3.00Zuletzt aktualisiert am
23.01.2018