Entscheidungsdatum
16.01.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
I409 2178011-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerde des AXXXX OXXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Marokko, vertreten durch den "Verein Menschenrechte Österreich" in 1090 Wien, Alser Straße 20, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. Oktober 2017, Zl. 1108291202-171008813 – EAST-WEST, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 13. März 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei seiner am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er befragt nach seinen Fluchtmotiven an, dass er von der marokkanischen Regierung unterdrückt werde, da er Berber sei.
Am 30. März 2016 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde, bei der er zu seinen Fluchtgründen befragt Folgendes vorbrachte:
"Ich habe Probleme. Ich gehöre einer Minderheitsgruppe in Marokko an. Die Volksgruppe AMAZIGH (Berber) an. Wir wurden in Marokko diskriminiert, es ist schwierig einen Arbeitsplatz zu finden."
Mit Bescheid vom 2. Mai 2016 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt 1) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt 2) als unbegründet ab; zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt 3) und dass gemäß "§ 55 Absatz 1a FPG" keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt 4). Letztlich wurde einer Beschwerde "gegen diese Entscheidung über Ihren Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt 5).
Der Bescheid erwuchs am 1. Juni 2016 in Rechtskraft.
2. Der Beschwerdeführer stellte am 30. August 2017 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen seiner am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erklärte der Beschwerdeführer Folgendes:
"Warum stellen Sie einen (neuerlichen) Asylantrag? Was hat sich seit der Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren – in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat – verändert?
In Deutschland erhielt ich eine Negativ-Entscheidung meines dortigen gestellten Asylantrages. Ich wurde dort gefragt, ob ich zurück nach Österreich wolle. Dies bejahte ich. In mein Heimatland möchte ich nicht zurück, weil es zwischen meiner Volksgruppe und anderen Volksgruppen immer wieder Probleme gibt. Außerdem finde ich in meinem Heimatland keine Arbeit. In meinem Heimatland hat sich zwischenzeitlich nichts geändert.
Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in ihre Heimat?
Ich bekomme keine Arbeit und kein Geld, weil es Probleme zwischen Berbern und Arabern gibt."
In der Einvernahme vor der belangten Behörde am 14. September 2017 machte der Beschwerdeführer folgende Angaben:
"Warum stellen Sie neuerlich einen Asylantrag?
In Deutschland wurde mein Antrag abgelehnt und man sagte dass ich nach Österreich zurückkehren soll um einen Asylantrag zu stellen. Ich gehöre der amaziri Volksgruppe an, wir sprechen kein arabisch, deshalb werden wir als Minderheit von den Arabern schlecht behandelt. Wir haben kein Anspruch auf Bildung und Arbeit in Marokko.
Gibt es Änderungen an den Fluchtgründen seit 2.6.2016?
Die Lage ist schlimmer geworden, die Araber haben auf meine Verwandten geschossen und sie haben mir immer wieder Drohungen geschickt."
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. Oktober 2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30. August 2017 gemäß "§ 68 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF" wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I). Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§ 57 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt II) und dass gemäß "§ 55 Absatz 1a FPG" keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt III).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer eine am 24. November 2017 eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid
A) 1. Feststellungen
A) 1.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der strafgerichtlich unbescholtene und Beschwerdeführer ist erwerbsfähig, ledig, kinderlos und er bekennt sich zum moslemischen Glauben. Er verfügt in Österreich über keine wesentlichen familiären Beziehungen oder über maßgebliche private Anknüpfungspunkte; seine Familie lebt in Marokko. Der Beschwerdeführer hielt sich von September 2016 bis September 2017 in Deutschland auf.
Weitere Feststellungen zu seiner Identität – vor allem zu seinem Namen und seinem Geburtsdatum – können nicht getroffen werden.
Der Beschwerdeführer ist körperlich grundsätzlich gesund, allerdings leidet er seit ca. fünf Jahren an einer psychischen Erkrankung, wobei er bereits in Marokko bei einem Psychiater in Behandlung war. Eine ambulante und stationäre psychiatrische sowie psychologische Betreuung wäre in Marokko möglich, auch die erforderlichen Medikamente sind dort erhältlich.
Die Fluchtgründe, die der Beschwerdeführer in seinem zweiten Asylverfahren geltend machte, bestanden schon vor dem Zeitpunkt, als der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2. Mai 2016 in Rechtskraft erwuchs.
Aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner persönlichen Verfolgung oder einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.
A) 1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Marokko:
Zur aktuellen Lage in Marokko werden folgende Feststellungen getroffen:
"Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen
Keine aktuellen Kurzinformationen vorhanden.
Politische Lage
Laut der Verfassung vom 1.7.2011 ist Marokko eine konstitutionelle, demokratische und soziale Erbmonarchie, mit direkter männlicher Erbfolge und dem Islam als Staatsreligion. Abweichend vom demokratischen Grundprinzip der Gewaltenteilung kontrolliert der König in letzter Instanz die Exekutive, die Judikative und teilweise die Legislative (GIZ 6.2017a; vgl. ÖB 9.2015). Im Zusammenhang mit den Protestbewegungen in Nordafrika im Frühjahr 2011 leitete der König im Jahr 2011 eine Verfassungsreform und vorgezogene Neuwahlen ein. Die in Marokko überwiegend auf ökonomisch-soziale Verbesserungen, aber nicht auf "Regimewechsel" gerichteten Proteste wurden so aufgefangen (AA 2.2017a). Die Verfassung vom 1.7.2011 brachte im Grundrechtsbereich einen deutlichen Fortschritt für das Land; in Bezug auf die Königsmacht jedoch nur eine Abschwächung der absolutistischen Stellung. Das Parlament wurde als Gesetzgebungsorgan durch die neue Verfassung aufgewertet und es ist eine spürbare Verlagerung des politischen Diskurses in die Volksvertretung hinein erkennbar. Die Judikative wird als unabhängige Staatsgewalt gleichberechtigt neben Legislative und Exekutive gestellt. Das System der checks und balances als Ergänzung zur Gewaltenteilung ist jedoch in der Verfassung vergleichsweise wenig ausgebildet (ÖB 9.2015). Einige Schlüsselministerien sind in Marokko der Kontrolle des Parlamentes und des Premierministers entzogen. Dies betrifft folgenden vier Ressorts: Inneres, Äußeres, Verteidigung, Religiöse Angelegenheiten und Stiftungen. Soziale Reformen während der Regentschaft Mohamed VI sollten mehr Wohlstand für alle bringen - doch faktisch nahm die ohnehin starke Kontrolle der Königsfamilie und ihrer Entourage über die Reichtümer und Ressourcen des Landes weiter zu (GIZ 6.2017a).
Das marokkanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Unterhaus (Chambre des Représentants, Madschliss an-Nuwwab) und dem Oberhaus (Chambre des conseillers, Madschliss al-Mustascharin). Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle fünf Jahre in direkten allgemeinen Wahlen neu gewählt (jüngste Wahl: 7.10.2016). Das Unterhaus besteht aus 395 Abgeordneten. Entsprechend einer gesetzlich festgelegten Quote sind mindestens 12% der Abgeordneten Frauen. Das Oberhaus besteht aus mindestens 90 und maximal 120 Abgeordneten, die in indirekten Wahlen für einen Zeitraum von sechs Jahren bestimmt werden (GIZ 6.2017a). In Marokko haben am 7.10.2016 Wahlen zum Repräsentantenhaus stattgefunden. Als stärkste Kraft ging die seit 2011 an der Spitze der Regierung stehende Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD – Parti de la Justice et du Développement) hervor (AA 2.2017a; vgl. GIZ 6.2017a). Sie erreichte 125 Sitze (GIZ 6.2017a). Ihr Vorsitzender, der bisherige Regierungschef Abdelilah Benkirane, wurde von König Mohammed VI. mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt (AA 2.2017a). An zweiter Stelle rangiert mit 102 Sitzen die liberal-konservative Partei für Authentizität und Moderne (PAM – Parti Authenticité et Modernité). Sie konnte ihre Stimmengewinne mehr als verdoppeln und gilt daher als heimliche Siegerin. Dahinter gereiht ist mit 46 Sitzen die traditionsreiche Unabhängigkeitspartei (PI – Parti de l'Istiqlal), dahinter andere Parteien (GIZ 6.2017a).
Auf dem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba am 30.1.2017 wurde Marokko wieder in die AU aufgenommen (DS 31.1.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2017a): Marokko - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Marokko/Innenpolitik_node.html, Zugriff 30.6.2017
-
DS - Der Standard (31.1.2017): Marokko wieder in der AU, doch Westsahara-Streit bleibt,
http://derstandard.at/2000051784210/Afrikanische-Union-diskutiert-Wiederaufnahme-von-Marokko, Zugriff 30.6.2017
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (6.2017a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 30.6.2017
-
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko
Sicherheitslage
Marokko ist grundsätzlich ein politisch stabiles Land mit gut ausgebauter Sicherheitspräsenz (BMEIA 5.7.2017). Das französische Außenministerium rät zu normaler Aufmerksamkeit im Land (das einzige in Nordafrika), außer in den Grenzregionen zu Algerien, wo zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten wird. Die Westsahara bildet natürlich eine Ausnahme, diese darf nur nach Genehmigung durch die marokkanischen Behörden und nur auf genehmigten Strecken bereist werden. Zusätzlich besteht für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara eine Reisewarnung (FD 5.7.2017). Seitens des BMEIA besteht eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5) für Reisen in das Landesinnere des völkerrechtlich umstrittenen Territoriums der Westsahara und in entlegene Saharazonen Südmarokkos, insbesondere an der Grenze zu Algerien. Erhöhtes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 2) gilt in den übrigen Landesteilen (BMEIA 5.7.2017).
Auch in Marokko besteht jedoch ein Risiko terroristischer Anschläge mit islamistischem Hintergrund, die insbesondere auf ausländische Staatsangehörige abzielen können (AA 5.7.2017, vgl. BMEIA 5.7.2017). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die instabile Sicherheitslage in den Regionen Nordafrika, Sahel und Nah-/Mittelost auf Marokko auswirkt. Es muss mit Anschlägen durch Kämpfer aus diesen Regionen gerechnet werden sowie mit Aktionen von Personen oder Gruppierungen, die innerhalb Marokkos agieren und sich von der Propaganda terroristischer Gruppierungen beeinflussen lassen. So ereignete sich zuletzt im April 2011 in Marrakesch eine Bombenexplosion mit terroristischem Hintergrund, die 17 Todesopfer und mehrere Verletzte – zumeist Touristen – forderte (AA 5.7.2017).
Marokko steht im Kampf gegen den Terrorismus im Lager des Westens. Die marokkanischen Dienste gelten als gut unterrichtet und operationell fähig; die laufende Aushebung von Terrorzellen spricht für deren Effizienz. AQIM und andere islamisch-fundamentalistische Gruppierungen, Salafisten und IS-Kämpfer werden als Staatsfeinde Nummer eins betrachtet. Besondere Sorge gilt seit Ausbruch der Mali-Krise einer vermuteten Verbindung der Polisario mit fundamentalistischen Elementen aus dem Sahel (AQIM, Ansareddine, Mujao) sowie aus Syrien und dem Irak. Die marokkanischen Behörden befürchten einen Rückfluss von Kämpfern nach Marokko aus Syrien und dem Irak und das Entstehen von grenzüberschreitenden Terrornetzwerken. Die – auch im öffentlichen Raum kaum kaschierten - Überwachungsmaßnahmen erstrecken sich auch auf die Überwachung des Internets und elektronischer Kommunikation (ÖB 9.2015).
Demonstrationen, insbesondere in Großstädten, können sich spontan und unerwartet entwickeln, so zum Beispiel aktuell im Norden Marokkos in Al Hoceima und umliegenden Orten. Die Proteste richten sich meist gegen soziale Ungerechtigkeit, Korruption und Behördenwillkür (AA 5.7.2017). Im Oktober 2016 flammten in verschiedenen Landesteilen Proteste gegen soziale und wirtschaftliche Missstände auf. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Anwohnern und der Polizei, als die Behörden mit dem Abriss von informellen Siedlungen in Sidi Bibi, einer Stadt in der Nähe von Agadir, begannen. Tausende Menschen gingen in größeren Städten, u.
a. in der Hauptstadt Rabat sowie in Marrakesch, auf die Straße, nachdem der Fischhändler Mouhcine Fikri in Al-Hoceima (Region Tanger-Tétuan-Al Hoceima) getötet worden war. Er hatte versucht, seine von Staatsbediensteten beschlagnahmte Ware zurückzuerhalten. Auch in Al-Hoceima fanden große Demonstrationen statt (AI 22.2.2017). Seitdem kommt es v.a. in Al-Hoceima immer wieder zu Protesten. Dort ist das Zentrum einer Protestbewegung gegen soziale und wirtschaftliche Missstände entstanden. Ende Mai 2017 wurde der Anführer der Protestbewegung, Nasser Zafzafi, verhaftet (DS 29.5.2017). Dies führte zu weiteren Protesten. Auch Ende des Ramadans, am 27. und 28.6.2017, kam es zu Ausschreitungen, bei denen zahlreiche Polizisten und auch Demonstranten verletzt wurden und Demonstranten verhaftet wurden (DS 28.6.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (5.7.2017): Marokko - Reise- und Sicherheitshinweise,
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/MarokkoSicherheit_node.html, Zugriff 5.7.2017
-
BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (5.7.2017): Reiseinformation Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/marokko/, Zugriff 5.7.2017
-
DS - Der Standard (29.5.2017): Anführer der Proteste in Marokko festgenommen,
http://derstandard.at/2000058382533/Hunderte-Marokkaner-demonstrierten-in-Protesthochburg-Al-Hoceima?ref=rec, Zugriff 5.7.2017
-
DS - Der Standard (28.6.2017): Marokko: Fast 80 Polizisten bei Ausschreitungen verletzt,
http://derstandard.at/2000060215022/Marokko-Fast-80-Polizisten-bei-Ausschreitungen-verletzt?ref=rec, Zugriff 5.7.2017
-
FD - France Diplomatie (5.7.2017): Conseils aux Voyageurs - Maroc
-
Sécurité,
http://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/maroc/, Zugriff 5.7.2017
-
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko
Westsahara
Der Konflikt in und um die Westsahara schwelt seit Jahrzehnten. Als sich nach dem Tod des Diktators Franco die Spanier 1975 aus ihrer damaligen Kolonie zurückzogen, marschierte Marokko im Rahmen des sogenannten Grünen Marsches in das Nachbarland ein. Seitdem hält Marokko große Teile des Territoriums besetzt und betrachtet das Gebiet seit der Annexion 1976 als Bestandteil seines Landes. Dagegen wehrt sich die Bewegung Frente Polisario, die die Unabhängigkeit der Westsahara anstrebt. Ein rund 2.500 Kilometer langer Sandwall, dessen Baubeginn 1981 war, und der von der mauretanisch-marokkanischen Grenze durch die Sahara bis zum marokkanisch-algerisch-sahrauischen Dreiländereck verläuft, spaltet heute die Westsahara (GIZ 6.2017a). Auf der einen Seite liegt der von Marokko kontrollierte, größere Teil; er umfasst rund 80 Prozent des Territoriums. Auf der anderen Seite befinden sich die restlichen 20 Prozent in der Hand der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario (CIA 27.6.2017). 1991 endeten die Kampfhandlungen zwischen der Frente Polisario und Marokko. Die UNO installierte an mehreren Orten in der Westsahara zur Friedenssicherung die MINURSO (CIA 27.6.2017; vgl. GIZ 6.2017a, AA 2.2017b). Die Frente Polisario hatte im Februar 1976 eine Exilregierung in Algerien, in der Nähe von Tindouf, gebildet, die bis zu seinem Tod im Mai 2016 von Präsident Mohamed Abdelaziz geführt wurde. Sein Nachfolger Brahim Ghali wurde im Juli 2016 gewählt (CIA 27.6.2017; vgl. GIZ 6.2017a). Für Marokko hingegen ist die Sicherung der Zugehörigkeit der Westsahara zu Marokko Staatsräson und zentrales Anliegen der marokkanischen Politik (AA 2.2017b).
Seit dem Ende der Kampfhandlungen im Jahr 1991 gelang es nicht, ein Referendum bzgl. des Status der Westsahara durchzuführen bzw. scheiterten Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario immer wieder. Seit November 2010 gab es mehrere Anläufe für neue Gespräche zwischen Marokko und der Polisario, doch eine Lösung des Konfliktes ist zurzeit nicht in Sicht. Die Zahl der Staaten, die die sahrauische Exilregierung anerkennen, ist von 80 auf gut die Hälfte gesunken (GIZ 6.2017a). Der Status des Territoriums und die Frage der Unabhängigkeit sind daher weiterhin ungeklärt; das Territorium wird von Marokko sowie der Frente Polisario beansprucht (CIA 27.6.2017; vgl. DF 26.9.2016).
Auf dem Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba am 30.1.2017 wurde Marokko wieder in die AU aufgenommen. Marokko hat vor knapp 33 Jahren die Vorgängerorganisation der AU, die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), verlassen. Der damalige König Hassan II. protestierte damit gegen die Aufnahme der Demokratisch Arabischen Republik Sahara (DARS) in die afrikanische Organisation. Da nun das Königreich wieder in den afrikanischen Staatenverbund eintritt, hofft man aber zumindest auf diplomatische Fortschritte im Westsaharakonflikt (DS 31.12017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (2.2017b): Marokko - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Marokko/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.7.2017
-
CIA - Central Intelligence Agency (27.6.2017): The World Factbook
-
Western Sahara,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/wi.html, Zugriff 5.7.2017
-
DF - Deutschlandfunk (26.9.2016): EU, Marokko und der Westsahara-Konflikt - Handel mit Afrikas letzter Kolonie, http://www.deutschlandfunk.de/eu-marokko-und-der-westsahara-konflikt-handel-mit-afrikas.724.de.html?dram:article_id=366913, Zugriff 5.7.2017
-
DS - Der Standard (31.1.2017): Marokko wieder in der AU, doch Westsahara-Streit bleibt,
http://derstandard.at/2000051784210/Afrikanische-Union-diskutiert-Wiederaufnahme-von-Marokko, Zugriff 5.7.2017
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (6.2017a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 30.6.2017
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Justiz ist laut Verfassung unabhängig (USDOS 3.3.2017). In der Praxis wird diese Unabhängigkeit jedoch durch Korruption (USDOS 3.3.2017; vgl. ÖB 9.2015; AA 10.3.2017) und außergerichtliche Einflüsse unterlaufen. Behörden respektieren Anordnungen der Gerichte fallweise nicht (USDOS 3.3.2017). Rechtsstaatlichkeit ist vorhanden, aber noch nicht ausreichend entwickelt. Unabhängigkeit der Justiz, Verfassungsgerichtsbarkeit, Transparenz durch Digitalisierung, Modernisierung der Justizverwaltung befinden sich noch im Entwicklungsprozess, der, teils von der Verfassung gefordert, teils von der Justizverwaltung angestoßen wurde. Die eher traditionell und konservativ eingestellte Richterschaft setzt Neuerungen oftmals nur sehr zurückhaltend um. Geltende Gesetze und Vorschriften werden auch aus administrativen Schwächen oft nicht einheitlich und flächendeckend angewandt (AA 10.3.2017).
Formal besteht Gleichheit vor dem Gesetz. Das extreme Gefälle in Bildung und Einkommen, die materielle Unterentwicklung ländlicher Gebiete und der allgegenwärtige gesellschaftliche
Klientelismus behindern allerdings die Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes (AA 10.3.2017). Gesetzlich gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechtsweg ist formal sichergestellt. Angeklagte haben das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, auf rechtzeitigen Zugang zu ihrem Anwalt und das Recht, Berufung einzulegen. Das marokkanische Recht sieht Pflichtverteidiger für mittellose Angeklagte vor. Der Zugang zu juristischem Beistand ist in der Praxis noch immer unzulänglich (AA 10.3.2017; vgl. USDOS 3.3.2017). NGOs kritisieren, dass die Beschuldigten zu Geständnissen gedrängt werden. Im Rahmen der Strafrechtsreform und der Entwicklung seiner Untersuchungsbehörden bemüht sich Marokko darum, Beschuldigtenrechte besser zu wahren und andere Möglichkeiten des Tatbeweises zu nutzen. Im Bereich der Strafzumessung wird häufig kritisiert, dass bestehende Möglichkeiten zur Vermeidung von Haft bei minderschweren Delikten (z.B. Geldstrafen, Sozialstunden) nicht genutzt werden. Auch die Möglichkeit der Entlassung auf Bewährung (libération conditionnelle) wird kaum genutzt (AA 10.3.2017).
Seit dem 1.7.2015 ist die Militärgerichtsbarkeit in Verfahren gegen Zivilisten nicht mehr zuständig. Im Juli 2016 wurden durch das Revisionsgericht die Urteile eines Militärgerichts gegen 23 sahrauische Aktivisten im Zusammenhang mit dem Tod von Sicherheitskräften bei der Räumung des Protestlagers Gdim Izik aufgehoben. Neue Verfahren finden vor einem Zivilgericht statt (AA 10.3.2017).
Verwaltungsentscheidungen können vor Verwaltungsgerichten appelliert werden, der Instanzenzug führt zum Kassations-Gerichtshof. Die Verfassung sieht eine Reihe von Räten und Kommissionen vor, denen konsultative und überwachende Funktionen zukommt (Oberster Justizrat, Gleichstellungs-Rat, Hohe Rundfunk-Behörde, Wettbewerbsrat, Nationalstelle für korrekte Verwaltung und Korruptionsbekämpfung, Familien- und Jugendbeirat). Diese Gremien stehen aber teilweise noch am Beginn der Tätigkeit bzw. muss ihr rechtlicher Unterbau erst geschaffen werden, sodass noch schwer absehbar ist, inwieweit sie für Rechtsstaatlichkeit, gute Regierungsführung und Achtung der Grundrechte in der Praxis Bedeutung gewinnen (ÖB 9.2015).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)
-
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko
-
USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.6.2017
Sicherheitsbehörden
Der Sicherheitsapparat verfügt über einige Polizei- und paramilitärische Organisationen, deren Zuständigkeitsbereiche sich teilweise überlappen. Die Nationalpolizei (DGSN) ist für die Umsetzung der Gesetze zuständig und untersteht dem Innenministerium. Bei den "Forces auxiliaires" handelt es sich um paramilitärische Hilfskräfte, die dem Innenministerium unterstellt sind und die Arbeit der regulären Sicherheitskräfte unterstützen. Die Gendarmerie Royale ist zuständig für die Sicherheit in ländlichen Gegenden und patrouilliert auf Autobahnen. Sie untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 10.3.2017). Es gibt zwei Nachrichtendienste: den Auslandsdienst DGED ("Direction Générale des Etudes et de Documentation") und den Inlandsdienst DGST ("Direction Générale de la Surveillance du Territoire") (AA 10.3.2017; vgl. ÖB 9.2015). Im April 2015 wurde zusätzlich das "Bureau central d'investigations judiciaires" (BCIJ) geschaffen. Es untersteht dem Inlandsdienst DGST. Von der Funktion entspricht es etwa dem deutschen Bundeskriminalamt mit originären Zuständigkeiten und Ermittlungskompetenzen im Bereich von Staatsschutzdelikten sowie Rauschgift- und Finanzdelikten im Rahmen von Verfahren der Organisierten Kriminalität (AA 10.3.2017).
Die zivile Kontrolle über die Sicherheitskräfte [Anm.: durch den König] ist abgesehen von Einzelfällen effektiv (USDOS 3.3.2017), jedoch sind die Sicherheitskräfte weitgehend der zivilen Kontrolle durch Parlament und Öffentlichkeit entzogen (AA 10.3.2017). Es besteht kein systematischer Mechanismus, Menschenrechtsverletzungen und Korruption wirksam zu untersuchen und zu bestrafen, was Straffreiheit bei Vergehen durch die Sicherheitskräfte begünstigt (USDOS 3.3.2017). Inhaftierte Islamisten werfen dem Sicherheitsapparat, insbesondere dem Inlandsgeheimdienst DGST, vor, Methoden anzuwenden, die rechtsstaatlichen Maßstäben nicht immer genügen (z.B. lange U-Haft unter schlechten Bedingungen, kein Anwaltszugang). Die zivilgesellschaftlichen Organisationen und Medien dokumentieren diese Vorwürfe nur bruchstückhaft (AA 10.3.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)
-
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko
-
USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.6.2017
Folter und unmenschliche Behandlung
Folter ist gemäß Verfassung unter Strafe gestellt (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 10.3.2017). Marokko ist Vertragsstaat der Anti-Folter-Konvention der Vereinten Nationen und hat auch das Zusatzprotokoll unterzeichnet (AA 10.3.2017). Ein Nationaler Präventionsmechanismus zum Schutz vor Folter ist allerdings noch immer nicht eingerichtet worden (AI 22.2.2017). Die marokkanische Regierung lehnt den Einsatz von Folter ab und bemüht sich um aktive Prävention. Systematische Folter findet nicht statt. Gleichwohl berichten NGOs über Fälle von nicht gesetzeskonformer Gewaltanwendung gegenüber Inhaftierten durch Sicherheitskräfte. Betroffen sind laut Bericht des VN-Menschenrechtsausschusses vom Oktober 2016 vor allem Terrorverdächtige und Personen, die Straftaten verdächtig sind, die die Sicherheit oder die territoriale Integrität des Staats gefährden. Ein Einsatz von systematischer, staatlich angeordneter Folter wird auch von NGOs nicht bestätigt. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation OMDH ("Organisation Marocaine des Droits de l’Homme") geht vom Fehlverhalten einzelner Personen aus (AA 10.3.2017). Berichte über Folter sind in den letzten Jahren zurückgegangen, aber dennoch langen immer wieder Berichte über Misshandlungen von Gefangenen durch Sicherheitskräfte bei Regierungsinstitutionen oder NGOs ein (USDOS 3.3.2017).
Wenn auch eine systematische Anwendung von Folter und anderen erniedrigenden Behandlungsweise nicht anzunehmen ist, werden Folter und folterähnliche Methoden punktuell praktiziert. Diese Umstände werden von Menschenrechts-NGOs und von unabhängigen Beobachtern wiederholt angeprangert, wie insbesondere CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte), UN Sonderbeauftragter für Folter Juan Mendez, Arbeitsgruppe über willkürliche Verhaftungen, die frühere UN-HCHR Navi Pillay. Justizminister Ramid hat die Staatsanwälte aufgerufen, Hinweisen und Anzeigen auf Folter rigoros nachzugehen, gleichzeitig aber auch auf den Verleumdungstatbestand hingewiesen, falls sich Anschuldigungen als haltlos erweisen. Marokko hat das Fakultativprotokoll zur Antifolter-Konvention Ende 2014 ratifiziert, eine Durchführungsgesetzgebung (nationaler Mechanismus) muss aber erst erfolgen (ÖB 9.2015).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)
-
AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2014/15 - Kingdom of Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/336547/479222_de.html, Zugriff 30.6.2017
-
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko
-
USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.6.2017
Korruption
Das Gesetz sieht für behördliche Korruption Strafen vor, doch setzt die Regierung die gesetzlichen Regelungen nicht effektiv um. Staatsbedienstete sind häufig in Korruptionsfälle verwickelt und gehen straffrei aus. Korruption stellt bei der Exekutive, inklusive der Polizei, bei der Legislative und in der Justiz ein ernstes Problem dar. Es gibt Berichte von Korruption im Bereich der Regierung, und von deren Untersuchung in einigen Fällen, aber mangelnder strafrechtlicher Verfolgung. Die Antikorruptionsbehörde Instance centrale de prévention de la corruption (ICPC) ist für den Kampf gegen die Korruption zuständig. Sie wird nur in wenigen Fällen tätig, vor allem in mittleren und höheren Ebenen der Verwaltung werden kaum Ermittlungen durchgeführt (USDOS 3.3.2017).
Die Bekämpfung der Korruption wird in Marokko unter anderem durch eine langsame Justiz, Zentralismus und die Verflechtung von Politik und Wirtschaft erschwert. Im Alltag ist Korruption allgegenwärtig. Ob im Krankenhaus, in der Schule, an der Universität oder bei der KFZ-Zulassung – fast überall in Marokko werden Extrazahlungen fällig, wenn man eine Dienstleistung braucht. Da das Steuersystem wenig entwickelt und die öffentliche Hand dementsprechend finanziell schwach ist, betrachten viele Marokkaner – einschließlich der verantwortlichen Politiker – die Bestechungsgelder als eine Art Steuerersatz. Als korruptionsanfällig gilt auch die Armee (GIZ 6.2017a).
Marokko belegt im Korruptionswahrnehmungsindex 2016 den 90. von insgesamt 176 Plätzen (TI 25.1.2017).
Quellen:
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH (6.2017a), LIPortal - Marokko - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/marokko/geschichte-staat/, Zugriff 30.6.2017
-
TI - Transparency International (25.1.2017): Corruptions Perceptions Index 2016,
https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 30.6.2017
-
USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.6.2017
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Menschenrechtsorganisationen publizieren Berichte über Menschenrechtsfälle. Die Einstellung der Regierung gegenüber lokalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen variiert jedoch, abhängig von der politischen Orientierung der Organisation und der Sensitivität der jeweiligen Angelegenheit. Lokale und internationale NGOs sind immer wieder Einschränkungen bei ihren Aktivitäten ausgesetzt (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 10.3.2017). Die Regierung trifft sich gelegentlich mit Vertretern von NGOs und beantwortet Anfragen und Empfehlungen seitens der NGOs (USDOS 3.3.2017).
Der Bereich NGOs/Menschenrechtsverteidiger stellt sich als breit gefächerte Landschaft (ca. 90.000 Vereinigungen) dar, mit einer aktiven und sich artikulierenden Menschenrechts-Verteidigerszene, die mit dem CNDH (Nationaler Rat für Menschenrechte) korreliert und dessen Arbeit ergänzt oder diesem sogar voraneilt. Sichtbarste und mit Veranstaltungen und Berichten hervortretende Protagonisten der Menschenrechtsszene sind die OMDH (Organisation Marocaine des Droits Humains) und die AMDH (Association Marocaine des Droits Humains). Die Zivilcourage der einzelnen Aktivisten verdient Anerkennung, weil nicht nur Gefahr besteht, mit staatlicher Repression in Konflikt zu geraten, sondern auch an die Grenzen des von der Gesellschaft Tolerierten zu stoßen (ÖB 9.2015).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)
-
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko
-
USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.6.2017
Ombudsmann
Zur Kontrolle der Gewährleistung grundlegender Menschenrechte wurde nach der Verabschiedung der neuen Verfassung im Jahr 2011 ein "Nationaler Menschenrechtsrat" (Conseil National des droits de l’homme - CNDH) als besondere Verfassungsinstanz eingerichtet. Seine kritischen Bestandsaufnahmen und Empfehlungen zu Gesetzesentwürfen haben Gewicht und beeinflussen die Politik (AA 10.3.2017). Menschenrechtsangelegenheiten werden somit durch den CNDH, die interministerielle Abordnung über Menschenrechte (DIDH), und die Institution des Médiateur (Ombudsmann) wahrgenommen. Im Jahr 2014 etablierte der CNDH das Nationale Ausbildungsinstitut für Menschenrechte (INFDH) für Schulungen im Bereich der Menschenrechte (USDOS 3.3.2017).
Der CNDH wurde – nach den Pariser Kriterien – als nationale Grundrechtsinstitution eingerichtet (ÖB 9.2015; vgl. USDOS 3.3.2017) und ist in der Verfassung direkt verankert. Seine Aufgabe liegt in der Beobachtung und Aufzeigung menschenrechtsrelevanter Entwicklungen und Sachverhalte, er kann Wahrnehmungen durch Vorort-Inspektionen machen, ohne dass ihm der Zugang verwehrt werden darf. Eigene Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten stehen allerdings nicht offen. 2014 sprach der Präsident des CNDH, Driss EL Yazami, erstmals vor dem Parlament und übte präzise Kritik an Defiziten im Bereich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. 14.000 – ein Drittel – der an den CNDH gerichteten Beschwerden betreffen Justiz, Strafvollzug und behauptete Menschenrechtsverletzungen. Der CNDH ist sichtbar, aktiv und produktiv (Berichte über psychiatrische Anstalten, Strafvollzug, Jugendwohlfahrtseinrichtungen, Situation von Asylsuchenden und Migranten). Er legt jährlich einen Bericht vor, der dem König und dem Parlament zur Kenntnis gebracht wird und nimmt auch zu Individualfällen Stellung, bis hin zur Intervention. Im Wege von Begutachtungsverfahren und durch Stellungnahmen zu einzelnen Gesetzesvorhaben übt der CNDH kraft seines moralischen Gewichts nicht selten Einfluss auf Gesetzesinhalte aus, die Menschenrechtsinteressen betreffen. 13 Außenstellen des CNDH wurden in Provinzstädten eingerichtet, sodass eine stärkere räumliche Nähe zu potentiellen Beschwerdeführern angeboten wird (ÖB 9.2015).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)
-
ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko
-
USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Morocco, http://www.ecoi.net/local_link/337215/479978_de.html, Zugriff 30.6.2017
Wehrdienst und Rekrutierungen
Das Mindestalter für den freiwilligen Militärdienst ist 20 Jahre. Es gibt keine Wehrpflicht, die Mindestverpflichtungsdauer für freiwilligen Militärdienst ist 18 Monate (CIA 15.6.2017). Die allgemeine Wehrpflicht ist seit dem 31.8.2006 ausgesetzt (AA 10.3.2017).
Frauen haben Zugang zu den Streitkräften, aber nicht zu allen Truppengattungen. Die Armee ist als Arbeitgeber begehrt. Rund die Hälfte der marokkanischen Streitkräfte befindet sich dauerhaft auf dem Gebiet der Westsahara. Fahnenflucht wird mit Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und drei Jahren bestraft. Bestrafungen aufgrund von Wehrdienstverweigerung und Desertion sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt geworden (AA 10.3.2017).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (10.3.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: März 2017)