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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GebAG 1975 §22 Abs1 idF 343/1989;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger und Dr. Thoma als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Baumann, LL.M., über die Revision des Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. Februar 2017, Zl. W101 2006599- 1/3E, betreffend Zeugengebühren (mitbeteiligte Partei: Ing. H Z in S, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Auf Grund eines Begehrens des Mitbeteiligten setzte die Kostenbeamtin des Landesgerichtes Salzburg im Zusammenhang mit einer Zivilrechtssache die Zeugengebühren des Mitbeteiligten nach dem Gebührenanspruchsgesetz mit Bescheid vom 6. Juni 2013 in näher angeführter Höhe fest.
2 Dagegen erhob der Mitbeteiligte mit Schriftsatz vom 17. Juli 2013 eine Beschwerde mit dem Begehren des Zuspruchs höherer Zeugengebühren.
3 Mit einem mit 5. Dezember 2013 datierten, vom Vizepräsidenten des Landesgerichtes Salzburg gefertigten und dem Mitbeteiligten am 19. Februar 2014 zugestellten Bescheid wurde der Beschwerde nicht stattgegeben.
4 Der Mitbeteiligte erhob dagegen mit Schriftsatz vom 19. März 2014 eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht."
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde Folge, hob den bekämpften Bescheid vom 5. Dezember 2013 (ersatzlos) auf und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Der angefochtene Bescheid sei nicht vom zuständigen Organ erlassen worden, denn der Bescheid sei nicht im Namen des Präsidenten des Landesgerichtes als "Leiter des Gerichts", sondern vom Vizepräsidenten des Landesgerichtes im eigenen Namen genehmigt und entschieden worden.
7 Die Fertigungsklausel laute "Landesgericht Salzburg, i. V. LGVPräs (Name)". Aufgrund "des - von der belangten Behörde nicht beantworteten - Parteiengehörs mit Schreiben vom 25.11.2016" stehe fest, dass der Präsident des Landesgerichtes am 5. Dezember 2013 weder urlaubsbedingt noch aus sonstigen Gründen dienstlich verhindert gewesen wäre. Ein solcher Vertretungsfall sei nicht vorgelegen.
8 Die dagegen vom Präsidenten des Landesgerichtes Salzburg erhobene außerordentliche Revision legte das Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens dem Verwaltungsgerichtshof vor.
9 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); der Mitbeteiligte reichte mit Schriftsatz vom 17. Mai 2017 eine Revisionsbeantwortung ein.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
11 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden und hat er die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
13 Der revisionswerbende Präsident trägt zur Zulässigkeit seiner Revision vor, das Bundesverwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 31 Abs. 2 GOG ab, wonach der Vizepräsident eines Landesgerichtes als "Leiter des Gerichtes" entscheiden dürfe. Mit der der Revision angeschlossenen, näher bezeichneten Geschäftseinteilung für den fraglichen Zeitraum seien dem Vizepräsidenten (Name) auch Entscheidungen über Gerichtsgebühren und Zeugengebühren übertragen worden und sei dort ausdrücklich die Unterzeichnung "in Vertretung" angeordnet worden.
14 Die der Revision angeschlossene "Geschäftseinteilung in Justizverwaltungssachen für das Jahr 2013 mit Wirksamkeit 1. März 2013" lautet auszugsweise:
"Gemäß § 31 Abs. 2 GOG wird mit Wirksamkeit vom 1. März 2013 für das Jahr 2013 die nachfolgende Geschäftseinteilung in Justizverwaltungssachen (einschließlich Diensteinteilung Präsidium und Hausdienst) erlassen:
I) die Bearbeitung der Justizverwaltungssachen erfolgt
durch den Präsidenten des Landesgerichtes, soweit keine Zuweisung an einen anderen Sachbearbeiter erfolgt. Der Präsident des Landesgerichtes behält sich vor, einzelne Justizverwaltungsgeschäfte oder Gruppen derselben an sich zu ziehen. Die Vizepräsidenten zeichnen in Vertretung des Präsidenten (‚In Vertretung'). Alle Berichte an vorgesetzte Dienststellen .....
II) Nachstehende Justizverwaltungssachen werden zugewiesen an:
1) Vizepräsidenten des Landesgerichtes (Name):
2) Dienstaufsicht über alle mit Zivilsachen befassten
Gerichtsabteilungen des Landesgerichtssprengels (ausgenommen
Auswertung der Prüflisten ......), Sachen der Grundbuchsanlegung
und -ergänzung, Rechtsschutzgesuche in Zivilsachen und
Korrespondenz, Sachen nach dem Übereinkommen über die
Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland, Ablehnungen in
Zivilsachen, Anordnungen nach § 48a GOG in Zivilsachen,
Amtshaftungssachen, soweit sie nicht den Strafrechtsbereich
betreffen, Leiter der Medienstelle (insbesondere ....),
Verantwortung für die Überwachung der RIS-Eingaben, Dienstaufsicht
hinsichtlich aller konzeptiven Vorerledigungen für den Präsidenten
des Landesgerichtes Salzburg durch die Revisorinnen des
Oberlandesgerichtes.
3) ......"
15 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
16 Gemäß § 20 Abs. 1 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 (im Folgenden: GebAG) in der im Revisionsfall noch maßgeblichen Stammfassung war die vom Zeugen gemäß § 19 Abs. 1 leg.cit. geltend gemachte Gebühr im Justizverwaltungsweg von dem damit betrauten Bediensteten desjenigen Gerichtes zu bestimmen, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte.
17 Gegen eine solche Entscheidung konnte der Zeuge gemäß § 22 Abs. 1 GebAG in der im Revisionsfall noch maßgeblichen Fassung der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1989 (WGN 1989), BGBl. I Nr. 343, binnen 14 Tagen die Beschwerde an den Leiter des Gerichtes erheben.
18 Gemäß § 30 Abs. 2 des Gerichtsorganisationsgesetzes (im Folgenden: GOG) sind bei jedem Gerichtshof erster Instanz ein Präsident, zumindest ein Vizepräsident und die erforderlichen Richter zu ernennen.
19 Gemäß § 31 Abs. 1 GOG leitet der Präsident den Gerichtshof, übt die Dienstaufsicht über das gesamte Personal des Gerichtshofes aus und führt die anderen Justizverwaltungsgeschäfte für den Gerichtshof, soweit diese nicht auf Grund des Gesetzes durch Senate zu erledigen sind.
20 § 31 Abs. 2 und 3 GOG lautet:
"(2) Der Präsident wird bei seinen Aufgaben nach Maßgabe der von ihm zu erlassenden Geschäftseinteilung für Justizverwaltungssachen durch den oder die Vizepräsidenten, erforderlichenfalls auch durch andere Richter unterstützt und vertreten.
(3) Falls der Präsident verhindert ist, seinen Aufgaben nach Abs. 1 nachzukommen, oder falls die Planstelle des Präsidenten nicht besetzt ist, obliegen die Aufgaben nach Abs. 1 dem Vizepräsidenten (bei mehreren Vizepräsidenten bestimmt sich die Reihenfolge nach § 36 Abs. 3 des Richterdienstgesetztes), in Ermangelung eines Vizepräsidenten dem nach der Geschäftseinteilung für Justizverwaltungssachen hiezu berufenen Richter, sofern nicht der Präsident des Oberlandesgerichtes aus dienstlichen Interessen eine andere Anordnung trifft."
21 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 15. Februar 1999, 98/10/0422, dem Einwand des damaligen Beschwerdeführers, der erstinstanzliche Bescheid (über die Entziehung der Eigenschaft als allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger nach § 10 Abs. 1 Z 1 des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes) sei vom Vizepräsidenten des Handelsgerichtes Wien in Vertretung des Präsidenten erlassen worden und für die Vertretung gebe es keine rechtliche Grundlage, entgegengehalten, die Bestimmung des § 31 Abs. 2 GOG berufe den Vizepräsidenten zur Vertretung in den im Rahmen der Justizverwaltung wahrzunehmenden Aufgaben und für einen Verstoß gegen die Geschäftseinteilung fehle jeder Anhaltspunkt.
22 Das Bundesverwaltungsgericht begründet - ohne § 31 GOG zu erwähnen - die Unzuständigkeit des Vizepräsidenten im Revisionsfall damit, dass ein Fall der urlaubsbedingten oder sonstigen dienstlichen Verhinderung des Präsidenten nicht vorgelegen sei, und spricht dergestalt lediglich § 31 Abs. 3 GOG an.
23 Damit lässt das Bundesverwaltungsgericht § 31 Abs. 2 GOG außer Betracht. Die Zuständigkeit des Vizepräsidenten zur Erlassung des in Rede stehenden Bescheides vom 5. Dezember 2013 über eine Beschwerde gemäß § 22 Abs. 1 GebAG betreffend eine Gebühr eines Zeugen im Rahmen einer Zivilrechtssache ergab sich im Revisionsfall aus § 31 Abs. 2 GOG in Verbindung mit der für den fraglichen Zeitpunkt geltenden Geschäftseinteilung ("Rechtsschutzgesuche in Zivilsachen").
24 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 19. Dezember 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017160055.L00Im RIS seit
22.01.2018Zuletzt aktualisiert am
22.03.2018