TE Lvwg Erkenntnis 2017/12/14 VGW-151/063/10426/2017

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.2017
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Entscheidungsdatum

14.12.2017

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG §11 Abs2 Z2
NAG §11 Abs2 Z4
NAG §11 Abs3
NAG §11 Abs5
NAG §21 Abs1
NAG §21 Abs3
NAG §63
EMRK Art. 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Al-Hachich über die Beschwerde der mj. K. S., geb. am …2003, StA. Serbien, vertreten durch RA, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 03.05.2017 Zl. MA35-9/3034609-02, mit welchem der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck "Schüler" nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15.09.2017

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 08.03.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Schüler“ gemäß § 21 Abs. 1 und Abs. 2 NAG und § 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die letzte Einreise der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet sei im Dezember 2013 erfolgt. Seitdem halte sie sich durchgehend in Österreich auf. Die Beschwerdeführerin habe bereits zuvor einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt gehabt, der mit Bescheid vom 12.02.2016 (richtig: 2015) abgewiesen worden wäre. Die Obsorge über die Beschwerdeführerin wäre mit Beschluss des Bezirksgerichtes ... Wien an die Großmutter mütterlicherseits, Frau V. R., geb. 1963 sowie Herrn N. R., geb. 1961, gemeinsam übertragen worden. Frau V. R. übe eine geringfügige Beschäftigung aus, wofür sie zuletzt € 400,00 monatlich erhalten habe. Zudem beziehe sie Notstandshilfe in Höhe von € 24,09 täglich. Das monatliche Nettoeinkommen von N. R. betrage etwa € 1.100,00. Die vorgelegten Einkommensnachweise wären nicht ausreichend, um den erforderlichen Richtsatz gemäß § 293 ASVG zu decken. Bereits in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien vom 19.11.2015 über die Beschwerde im Vorverfahren über den Antrag der Beschwerdeführerin vom 11.09.2014 sei ein zu geringes Einkommen zur Deckung des erforderlichen Lebensunterhaltes festgestellt worden. Im Beschwerdeverfahren wären eine monatliche Miete von € 620,00 sowie offene Kreditverbindlichkeiten angegeben worden. Letztendlich wäre die Beschwerde als unbegründet abgewiesen worden.

Der Vertreter der Beschwerdeführerin wäre mit Schreiben vom 25.01.2017 über die beabsichtigte Abweisung des Antrags in Kenntnis gesetzt worden. Dazu sei am 16.02.2017 eine Stellungnahme inklusive Einkommensnachweisen der Großeltern der Beschwerdeführerin eingelangt. Die vorgelegte Einkommenshöhe sei für den gesicherten Lebensunterhalt eines Ehepaares und von vier Kindern unter Berücksichtigung der monatlichen Miete und des offenen Kredits (auch wenn derzeit keine Kreditraten gezahlt würden) nicht ausreichend. Die Notstandshilfe sei bis zum 05.05.2017 befristet und werde im Übrigen nur dann gewährt, wenn das Familieneinkommen zu niedrig sei.

Dem Zusatzantrag gemäß § 21 Abs. 3 NAG werde nicht stattgegeben. Serbien als Herkunftsland sei nicht weit entfernt und es sei nicht glaubwürdig, dass die Großeltern der Beschwerdeführerin das Land nicht besuchen würden. Eine ordnungsgemäße Antragstellung bei der österreichischen Botschaft in Belgrad wäre auch während der Schulferien möglich gewesen.

II. In der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde wurde im Wesentlichen vorgebracht, die Eltern der Beschwerdeführerin hätten sich getrennt und die Obsorge über sie und ihre Geschwister den Großeltern übertragen. Nachdem die Eltern unbekannten Aufenthaltes wären, die Großeltern gesundheitlich nicht in der Lage wären, mit der Beschwerdeführerin und ihren Geschwistern in das Ausland zu fahren und sie auch keine Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland hätten, wäre es der Beschwerdeführerin als Unmündiger unmöglich, auszureisen.

Dass der Lebensunterhalt nicht gesichert wäre, sei unrichtig. Die Großeltern hätten sehr wohl die erforderlichen finanziellen Mittel, um den dauernden Aufenthalt in Österreich für sich und die Enkelkinder zu sichern. Für V. R. sei die Bezugsbestätigung für Notstandshilfe mit € 24,09 sowie die Lohnabrechnung der Firma „A.“ mit € 404,90 vorgelegt worden. Für Herrn N. R. wären die Lohnabrechnung 12/16 und 01/17 der Firma „B.“ mit € 971,31 bzw. € 946,30 sowie die Lohnabrechnungen der Firma „A..“ mit netto € 473,67 vorgelegt worden. Letzterer Betrag wäre in die Berechnung nicht einbezogen worden. Somit stehe eindeutig fest, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zu keiner Belastung einer Gebietskörperschaft führen würde.

III. Das Verwaltungsgericht Wien führte am 15.09.2017 gemeinsam mit den Verfahren bezüglich der Anträge der beiden Geschwister der Beschwerdeführerin Vo. R. und Kr. R. eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Vertreter der Beschwerdeführerin teilnahm. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung trotz ausgewiesener Zustellung der Ladung nicht teil. Im Zuge der Verhandlung wurden die Großeltern der Beschwerdeführerin zeugenschaftlich einvernommen.

Herr N. R. machte folgende Aussage:

„Die drei Beschwerdeführer leben nach wie vor im gemeinsamen Haushalt mit mir und meiner Gattin, auch N. R. geb. am …2011, lebt mit uns im gemeinsamen Haushalt. Er geht seit Anfang September 2017 zu Schule. Bezüglich N. R. ist ein Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels „in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ beim BFA noch anhängig. Bezüglich meiner persönlichen Verhältnisse verweise ich auf meine Aussage vom 11.11.2015 im Verfahren VGW-151/016/3932/2015 u.a. Seit Nov. 2015 hat sich grundsätzlich nichts geändert. Die Kinder werden nach wie vor von mir und meiner Gattin betreut. Zu meiner Tochter, der Mutter der drei Beschwerdeführer gibt es seit zwei Jahren überhaupt keinen Kontakt mehr. Sie meldet sich auch nicht telefonisch oder über das Internet, nach den Kindern zu fragen. Sie bezahlt auch keinen Unterhalt für die Kinder. Meine Tochter ist von ihrem Gatten bereits geschieden. Die Scheidung war in Serbien. Ich habe von meiner Mutter von der Scheidung erfahren. Meine Mutter ist 76 Jahre alt und lebt alleine in Serbien. Das Haus, in dem sie lebt, gehört mir. Möglicherweise hat meine Tochter einen anderen Partner. Sie meldet sich auch bei meiner Mutter nicht mehr. Auch der Ex-Gatte meiner Tochter meldet sich überhaupt nicht bei uns. Den letzten Kontakt hatte ich ca. 2015, dies mit meiner Tochter. Mit ihrem Exgatten gab es auch seit zwei Jahren keinen Kontakt. Ich selbst bin zuletzt im Mai 2017 nach Serbien gefahren, um meine Zähne herrichten zu lassen. Meine Gattin und die vier Enkelkinder sind in Österreich geblieben. Außer meiner Mutter, habe ich keine Verwandten in Serbien. In Österreich lebt noch ein Sohn von mir, er ist seit fünf Jahren geschieden. Er hat zwei Kinder, die bei ihrer Mutter leben.

Ich arbeite derzeit geringfügig. Ich hatte eine Operation wegen eines Tumors im Darm. Derzeit erhalt ich noch eine Chemotherapie. Für meine geringfügige Beschäftigung erhalte ich monatlich ca. € 400,-- netto zuzüglich Sonderzahlungen. Meine Gattin arbeitet in der gleichen Firma wie ich, ebenfalls geringfügig. Sie hat das gleiche Einkommen wie ich. Wir arbeiten beide jeweils zwei Stunden pro Tag.

Ich lege nunmehr Gehaltszettel von mir von Mai, Juni und Juli 2017 vor, welche in Kopie zum Akt genommen werden, sowie weiters Lohn/Gehaltszettel meiner Gattin von Juni und Juli 2017.

Ich beziehe weiteres noch Arbeitslosengeld von der WGKK. Ich lege dazu eine Bestätigung vom 6.4.2017 vor.

Meine Gattin bezieht Notstandshilfe. Ich lege dazu eine Bestätigung vom 20.7.2017 vor.

Einen aktuellen KSV-Auszug habe ich jetzt nicht mit. Die offene Kreditforderung besteht nach wie vor. Derzeit zahlen wir nichts zurück. Es ist richtig, dass wir bis Ende 2008 Raten in der Höhe zwischen € 170 und € 220 monatlich zurückgezahlt haben.

An Miete zahlen wir € 631 netto monatlich. Wir haben immer regelmäßig gezahlt.

Mein Sohn D. R. geb. am …1984, lebt seit einem Jahr mit uns gemeinsam im Haushalt. Er hatte zuvor eine Wohnung für sich alleine, diese war ihm aber zu teuer. Unsere Wohnung hat zwei Zimmer. Befragt, wer in welchem Zimmer schläft, gebe ich an, dass mein Sohn manchmal Nachtdienst hat. Meine Frau und ihre Tochter und das jüngste Kind schlafen in einem Zimmer, die anderen in dem zweiten Zimmer. Die Wohnung hat ca. 74 m².

Mein Sohn arbeitet bei einer Reinigungsfirma. Ich lege dazu eine Verdienstabrechnung vom August 2017, sowie seinen Meldezettel, vor. Mein Sohn will derzeit keine eigene Wohnung, weil ihm das zu teuer ist. Mein Sohn ist bereits seit 10 Jahren geschieden und seit dem nicht wieder geheiratet. Er zahlt für seine Exgattin und die beiden Kinder keinen Unterhalt. Ich weiß nicht wie alt die Kinder sind, weil kein Kontakt besteht. Auch mein Sohn hat keinen Kontakt zu seinen Kindern.“

Frau V. R. sagte aus:

„Die vier Enkelkinder leben nach wie vor mit mir und meinem Gatten im gemeinsamen Haushalt. Auch mein Sohn wohnt seit ca. einem Jahr bei uns. Ich weiß nicht warum mein Sohn wieder zu uns gezogen ist. Vorher hat er 10 Jahre hindurch eine eigene Wohnung gehabt. Unsere Wohnung hat 100 m². Auf Vorhalt des Mietvertrags wonach 75,08 m² angegeben ist, es gibt auch eine Terrasse. Es gibt zwei Schlafzimmer, Küche, Badezimmer und WC. Es ist richtig, dass darin 3 Erwachsene und 4 Kinder leben. K. schläft mit uns in einem Raum, die drei anderen Kinder gemeinsam mit dem anderen Sohn. Später wollen wir eine größere Wohnung. Ich kaufe das in einem Jahr. Auf die Frage, wo ich das Geld dafür habe, wir haben alle zusammen, mein Sohn und mein Mann, genug Geld. Ich habe keine Schulden. Es ist richtig, dass ich zuletzt angegeben habe, einen Privatkonkurs anzustreben. Derzeit gibt es noch kein Konkursverfahren. Derzeit zahlen wir monatlich € 630 an Miete. Auch mein Sohn unterstützt uns bei den Mietzahlungen. Ich selbst und mein Gatte arbeiten beide geringfügig bei der B. GmbH. Ich beziehe außerdem Notstandshilfe. Mit meiner Tochter habe ich in den letzten zwei Jahren keinerlei Kontakt gehabt. Sie fragt auch nicht nach den Kindern. Meine Tochter ist nicht geschieden. Ich habe keine Ahnung, wo sie ist. Ich weiß auch nichts über den Gatten meiner Tochter. Ich selbst war vor zwei Jahren zuletzt in Serbien in ..., dort lebt meine Schwiegermutter. Sie lebt dort alleine und ist 90 Jahre alt. Auf Vorhalt der Aussage meines Gatten, ich habe keine Ahnung, wie alt sie ist.

Auf Befragen des BfV:

Unser Balkon ist ca. 2x2m groß. Es gibt Blumen, einen Tisch und Sitzgelegenheit.“

Mit Eingabe vom 17.11.2017 wurden vom Vertreter der Beschwerdeführerin KSV 1870-Auszüge von Frau V. R. und Herrn N. R. sowie Mietzahlungsbelege der Monate Juli, August und September 2017 vorgelegt.

IV. Auf Grund des Akteninhalts und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht folgender Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin wurde am …2003 geboren und ist serbische Staatsangehörige.

Die Beschwerdeführerin reiste im Dezember 2013 gemeinsam mit ihren Eltern und ihren drei gleichfalls minderjährigen Geschwistern, Vo. R., geb. 2008, Kr. R., geb. 2005 und N. R., geb. 2011, in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie sich seither durchgehend aufhält. Sie lebt ebenso wie ihre drei Geschwister nunmehr bei ihren in Österreich aufenthaltsberechtigten Großeltern mütterlicherseits, Frau V. R., geb. 1963 und Herrn N. R., geb. 1961, und besucht seit Februar 2014 in Wien die Schule. Die Eltern der Beschwerdeführerin haben sich laut Aussage der Großeltern der Beschwerdeführerin kurze Zeit nach der Einreise getrennt, und sind seither unbekannten Aufenthalts, wobei auch kein Kontakt zu den Kindern mehr bestehe und kein Unterhalt geleistet werde. Die 76-jährige Urgroßmutter mütterlicherseits der Beschwerdeführerin lebt nach wie vor in Serbien.

Mit rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichtes ... vom 17.6.2014, Zl. ..., wurde die Obsorge über die Beschwerdeführerin und ihre Geschwister – mit Einverständnis ihrer Eltern – auf die Großeltern mütterlicherseits übertragen.

Die Beschwerdeführerin lebt mit ihren drei Geschwistern, ihren Großeltern und ihrem Onkel D. R., geb. 1984, in einer Wohnung in Wien. Die Wohnung besteht aus Vorraum, Wohnraum mit Kochnische samt Herd und Spüle, 1 Zimmer, Bad, WC und Abstellraum inklusive Loggia im Ausmaß von 4,39 m² und hat eine Größe von ca. 75,08 m². Die Großeltern der Beschwerdeführerin zahlen dafür einen monatlichen Mietzins in Höhe von € 631,00.

Herr N. R. ist seit 01.04.2017 geringfügig beschäftigter Arbeiter des Unternehmens „B.“, wofür er zuletzt im Durchschnitt € 398,20 netto pro Monat zuzüglich Sonderzahlungen erhielt. Er bezieht außerdem von der WGKK Krankengeld (Sonderfall) im Ausmaß von € 25,42 täglich. Frau V. R. bezieht aktuell Notstandshilfe im Ausmaß von € 24,09 täglich. Sie ist zudem gleichfalls geringfügig beschäftigte Arbeiterin im Unternehmen „B.“, wofür sie zuletzt im Durchschnitt € 417,07 netto pro Monat zuzüglich Sonderzahlungen erhielt.

Die Großeltern der Beschwerdeführerin haben im November 2005 einen Kredit über € 17.500,– aufgenommen, wobei die Kreditraten seit dem Jahr 2009 nicht mehr bedient werden. Zuvor wurden zwischen EUR 170,– und 220,– monatlich beglichen. Die Absicht von Frau V. R., Privatkonkurs anzumelden, wurde bis dato noch nicht umgesetzt. Bezüglich Herrn N. R. besteht zudem eine offene Forderung von € 2.754,00 aus einem Rahmenkredit der H., wobei diesbezüglich am 04.07.2016 Klage eingereicht wurde.

Der Erstantrag der Beschwerdeführerin (sowie auch die gleichlautenden Anträge ihrer Geschwister) vom 11.09.2014 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Schüler“ wurde von der belangten Behörde mit Bescheid vom 12.02.2015 abgewiesen. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 19.11.2015, VGW-151/016/3932/2015-13 wurde die dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Am 08.03.2016 stellte die Beschwerdeführerin den verfahrensgegenständlichen weiteren Erstantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels „Schüler“.

V. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf den unbestritten gebliebenen Akteninhalt sowie das Vorbringen des Vertreters der Beschwerdeführerin und die zeugenschaftlichen Aussagen ihrer Großeltern im Zuge der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen bezüglich der Größe und Beschaffenheit der Familienwohnung wurden aufgrund des vorgelegten Mietvertrages getroffen.

Bezüglich des aktuellen Einkommens der Großeltern der Beschwerdeführerin wurden den Feststellungen die im Zuge der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen zu Grunde gelegt, hinsichtlich der Kreditforderungen zudem die übermittelten KSV 1870-Auskünfte.

VI. maßgebliche Rechtsvorschriften:

§ 11 NAG lautet samt Überschrift:

Allgemeine Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel

§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;

3. gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;

4. eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;

5. eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder

6. er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn

1. der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;

2. der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;

3. der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;

4. der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;

5. durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;

6. der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und

7. in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.

(3) Ein Aufenthaltstitel kann trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses gemäß Abs. 1 Z 3, 5 oder 6 sowie trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z 1 bis 7 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Drittstaatsangehörigen;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Drittstaatsangehörigen in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(4) Der Aufenthalt eines Fremden widerstreitet dem öffentlichen Interesse (Abs. 2 Z 1), wenn

1. sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde oder

2. der Fremde ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass er durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt.

(5) Der Aufenthalt eines Fremden führt zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche (§ 2 Abs. 4 Z 3) oder durch eine Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. In Verfahren bei Erstanträgen sind soziale Leistungen nicht zu berücksichtigen, auf die ein Anspruch erst durch Erteilung des Aufenthaltstitels entstehen würde, insbesondere Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage.

(6) Die Zulässigkeit, den Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des Abs. 2 Z 2 und 4 mit einer Haftungserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 15) erbringen zu können, muss ausdrücklich beim jeweiligen Aufenthaltszweck angeführt sein.

(7) Der Fremde hat bei der Erstantragstellung ein Gesundheitszeugnis vorzulegen, wenn er auch für die Erlangung eines Visums (§ 21 FPG) ein Gesundheitszeugnis gemäß § 23 FPG benötigen würde.

Gemäß § 21 Abs. 3 NAG sind Erstanträge vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und ist die Entscheidung im Ausland abzuwarten.

§ 21 Abs. 3 NAG lautet:

(3) Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).

Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.

VII. rechtliche Beurteilung:

Die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels „Schüler“ setzt die Erfüllung sämtlicher allgemeiner Voraussetzungen gemäß § 11 NAG voraus.

Gegenständlich sind die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 NAG nicht erfüllt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht der Behörde bei der Beurteilung der Frage der Ortsüblichkeit der Wohnung eines Antragstellers kein Ermessen zu. Sie hat diese Frage vielmehr in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (vgl. VwGH vom 14. Mai 1999, Zl. 97/19/1352). Die Behörde hat, wenn sie die Ortsüblichkeit einer von einem Antragsteller als ihm zur Verfügung stehend angegebenen Wohnung im Sinn des § 5 Abs. 1 AufG in Zweifel zieht, zu ermitteln und darzulegen, ob Inländer mit vergleichbarer Familienstruktur und sozialer Schichtung in vergleichbaren Wohngegenden (Bezirksteilen) zu einem noch ins Gewicht fallenden Anteil vergleichbare Wohnungen so nutzen, wie es der Beschwerdeführer mit seiner Familie beabsichtigt (vgl. dazu grundlegend das Erkenntnis des VwGH vom 28. Februar 1997, Zlen. 95/19/0566 bis 0571, VwGH vom 5. Mai 2000, Zl. 99/19/0010).

Nach dem seit Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes geltenden § 11 Abs. 2 Z 2 NAG hat der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachzuweisen, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird. Es ist somit bezüglich der Frage der Ortsüblichkeit darauf abzustellen, ob die Wohnung sich für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich darstellt.

Für das Wohn- und Schlafbedürfnis von drei Erwachsenen und vier Kindern im Alter zwischen sechs Jahren und 14 Jahren stehen gegenständlich lediglich ein Zimmer und ein Wohnraum mit Kochnische zur Verfügung. Aufgrund der widersprüchlichen Aussagen der beiden zeugenschaftlich einvernommenen Großeltern (die Großmutter der Beschwerdeführerin gab an, die Beschwerdeführerin schlafe gemeinsam mit ihren Großeltern in einem Zimmer und ihre drei Geschwister gemeinsam mit ihrem Onkel in dem anderen Zimmer, wohingegen der Großvater aussagte, die Großmutter schlafe gemeinsam mit der Beschwerdeführerin und ihrem jüngsten Bruder in einem Zimmer, in dem anderen Zimmer der Großvater mit dem Onkel und den beiden 12- bzw. 9-jährigen Brüdern der Beschwerdeführerin) war zudem davon auszugehen, dass nicht einmal feststeht, welches Familienmitglied jeweils in welchem Zimmer übernachtet. Aus der Aussage des Großvaters, dass der Onkel D. R. manchmal Nachtdienst habe (auf Antwort auf die Frage, wer in welchem Raum schlafe, womit offenbar zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass der Onkel ohnehin in der Nacht nicht immer eine eigene Schlafgelegenheit benötige), ist überdies zu folgern, dass der Onkel nach seinen Nachtdiensten die Wohnung tagsüber zum Schlafen benötigt, was sich wiederum einschränkend auf das Wohnbedürfnis der übrigen Familienmitglieder auswirken muss.

Laut Vergaberichtlinien von Wiener Wohnen gilt eine Wohnung mit zwei Wohnräumen als überbelegt, wenn mindestens drei Personen darin leben. Bei einer Nutzung durch sieben Personen – wie gegenständlich – ist von einem extremen Überbelag auszugehen.

Die gesamte Nutzfläche der Wohnung beträgt 75,08 m², was einer durchschnittlichen Wohnnutzfläche von 10,72 m² pro Bewohner entspricht.

Laut Erhebungen der Statistik Austria zur Registerzählung 2011 betrug im Jahr 2011 die durchschnittliche Wohnnutzfläche pro Bewohner im Bezirk ... 32 m². (Quelle: Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2016) Eine durchschnittliche Wohnnutzfläche pro Bewohner von weniger als 30 m² ist für keinen Wiener Bezirk ausgewiesen. Für das Jahr 2017 betrug die durchschnittliche Wohnnutzfläche pro Bewohner in Wien insgesamt 38 m² (Quelle: MA 23, Wien in Zahlen 2017).

Es ist davon auszugehen, dass einer aus sieben Personen bestehenden Familie selbst bei Zugehörigkeit zur sozialen Unterschicht und entsprechend ärmeren Wohngegend pro Person zumindest die Hälfte der geringsten laut Statistik in Betracht kommenden Nutzfläche pro Person von 30 m² zur Verfügung stehen muss, um noch von einer ortsüblichen Unterkunft ausgehen zu können. Im gegenständlichen Fall stehen für sieben Personen lediglich zwei Wohnräume zur Verfügung und beträgt die Nutzfläche pro Person lediglich 10,72 m², sodass für jede Person nur ca. ein Drittel der geringsten in Betracht kommenden durchschnittlichen Nutzfläche von 30 m² zur Verfügung steht. Ein für eine vergleichbar große Familie ortsübliches Ausmaß liegt demnach nicht vor.

Die Beschwerdeführerin verfügt somit über keinen Rechtsanspruch auf eine für eine vergleichbar große Familie ortsübliche Unterkunft. Dass die Familie tatsächlich, wie von der Großmutter der Beschwerdeführerin angegeben, bereits innerhalb des nächsten Jahres in eine größere Wohnung umziehen kann, ist nicht anzunehmen, reichen doch die derzeit vorhandenen finanziellen Mittel der obsorgeberechtigten Großeltern nicht einmal aus, um die aushaftenden Kreditschulden zu begleichen und ist auch dem Onkel der Beschwerdeführerin eine eigene Wohnung laut der Zeugenaussage des Großvaters zu teuer.

Darüber hinaus liegen gegenständlich auch die Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG nicht vor.

Der aktuelle Richtsatz des § 293 ASVG für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar und vier Kinder beträgt derzeit monatlich € 1.883,37. An Mietzinsbelastungen fallen monatlich € 631,00 an. Weiters besteht eine offene Kreditforderung gegenüber beiden Großeltern der Beschwerdeführerin, der aktuell nicht nachgekommen wird und die bis Ende 2008 mit monatlichen Raten in Höhe von € 170,00 bis 220,00 bedient wurde, sowie eine weitere offene Kreditforderung gegenüber dem Großvater der Beschwerdeführerin in Höhe von € 2.754,00, bezüglich derer am 04.07.2016 Klage eingereicht wurde (zur Möglichkeit der Berücksichtigung einer Kreditverbindlichkeit bei Nichtrückzahlung vgl. VwGH 11.11.2013, 2012/22/0017).

Unter Berücksichtigung des Wertes der freien Station (€ 284,32) sowie der Kreditverbindlichkeiten, wobei bezüglich des Kredits beider Großeltern die günstigste zuletzt bezahlte Rate von € 170,00 sowie bezüglich der weiteren Forderung ein Betrag von € 229,50 (was einer zinsenfreien Rückzahlung des geschuldeten Betrages binnen eines Jahres entspricht) angenommen wird, ergibt sich demnach ein monatliches Gesamterfordernis in Höhe von € 2.629,55.

Der Großvater der Beschwerdeführerin bezieht derzeit aus seiner geringfügigen Beschäftigung ein monatliches Einkommen in Höhe von € 398,20, unter Berücksichtigung der aliquoten Sonderzahlungen von € 464,57. Zudem bezieht er Krankengeld (Sonderfall) im Ausmaß von € 25,42 täglich, monatlich sohin € 762,60.

Die Großmutter der Beschwerdeführerin bezieht aus ihrer geringfügigen Beschäftigung ein monatliches Einkommen in Höhe von € 417,07 netto, unter Berücksichtigung der aliquoten Sonderzahlungen von € 486,58. Zudem bezieht sie Notstandshilfe im Ausmaß von € 24,09 täglich, monatlich sohin € 722,70.

Das Einkommen des Onkels der Beschwerdeführerin blieb außer Betracht, da dieser der Beschwerdeführerin und ihren Geschwistern gegenüber weder obsorgeberechtigt noch zum Unterhalt verpflichtet ist.

 

Es ergibt sich demnach ein monatliches Gesamteinkommen von € 2.436,45. Der Betrag liegt unter dem nach den Richtsätzen des § 293 ASVG erforderlichen Betrag, weshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen wird. Eine Besserung der angespannten wirtschaftlichen Situation der Großeltern der Beschwerdeführerin ist innerhalb des nächsten Jahres nicht zu erwarten. Ihre Großmutter bezieht nach einem Arbeitslosengeldbezug von 01.01.2014 bis 04.05.2014 seit 06.05.2014 praktisch durchgehend (lediglich von 04.04.2015 bis 07.04.2015 sind keinerlei Bezüge ausgewiesen) Notstandshilfe, der Großvater bezieht seit dem letzten Arbeitslosengeldbezug (von 16.03.2017 bis 11.07.2017) seit 12.07.2017 laufend Krankengeld und ist offenbar gesundheitlich auch nicht in der Lage, eine mehr als geringfügige Beschäftigung auszuüben.

Zur Zulässigkeit der Antragstellung im Inland war zu bemerken, dass mit der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien vom 19.11.2015, VGW-151/016/3932/2015-13 über den vorangegangenen Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zwar von der Zulässigkeit der Antragstellung im Bundesgebiet ausgegangen wurde, der Antrag jedoch gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm. Abs. 5 NAG abgewiesen wurde.

Die Beschwerdeführerin hält sich ebenso wie ihre drei Geschwister seit nunmehr fast vier Jahren durchgehend unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Es wäre der Beschwerdeführerin bzw. ihrer Vertreter insbesondere im Hinblick auf die rechtskräftige verwaltungsgerichtliche Entscheidung vom 19.11.2015 oblegen, Veranlassungen für eine Rückkehr in ihr Heimatland zu treffen. Dass die Großeltern der Beschwerdeführerin gesundheitlich nicht in der Lage wären, gemeinsam mit ihr nach Serbien zu reisen, ist nicht ersichtlich. Beide Großeltern sind in der Lage, einer -wenn auch geringfügigen – Beschäftigung nachzugehen und für die vier Kinder zu sorgen. Der Großvater der Beschwerdeführerin war laut eigener Aussage zuletzt im Mai 2017 in Serbien, die Großmutter vor zwei Jahren.

Die Beschwerdeführerin hat bis zur Einreise vom Dezember 2013 ihr gesamtes Leben in ihrem Heimatland verbracht. Ihre Urgroßmutter lebt nach wie vor in Serbien und bestehen über diese offenbar auch noch Kontakte zur leiblichen Mutter der Beschwerdeführerin (sie wusste laut der Aussage des Großvaters auch darüber Bescheid, dass sich die Mutter in Serbien scheiden ließ). Die Übertragung der Obsorge über die Beschwerdeführerin und ihre Geschwister mit gerichtlichem Beschluss vom 17.06.2014 erfolgte im Einvernehmen mit beiden Kindeseltern, welche dazu auch befragt worden waren. Deren unsicherer Aufenthalt in Österreich wurde dabei von den Eltern offenbar angesprochen, der gleichfalls unsichere (bzw. unrechtmäßige) Aufenthalt der Kinder in Österreich jedoch nicht erwähnt. Durch die Übertragung der Obsorge (und dem nachfolgenden plötzlichen „Verschwinden“ der Kindeseltern) wurde offenkundig versucht, vollendete Tatsachen zu schaffen, um den Aufenthalt der Beschwerdeführerin und ihrer Geschwister im Bundesgebiet zu erzwingen.

Dass es der Beschwerdeführerin nicht möglich gewesen wäre, den gegenständlichen Erstantrag ordnungsgemäß bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen und die Entscheidung im Ausland abzuwarten, kann bei diesem Sachverhalt nicht festgestellt werden.

Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Erteilungsvoraussetzung ua. nach § 11 Abs. 2 Z 2 und Z 4 NAG erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten ist.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in diesem Zusammenhang zur vorzunehmenden Abwägung nach § 11 Abs. 3 NAG aus, Art. 8 MRK verlange eine gewichtende Gegenüberstellung des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen mit dem persönlichen Interesse des Fremden an einem Verbleib in Österreich. Dieses Interesse nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des besagten persönlichen Interesses ist aber auch auf die Auswirkungen, die eine allfällige fremdenpolizeiliche Maßnahme auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat fallbezogen unterschiedliche Kriterien herausgearbeitet, die bei einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 MRK einer fremdenpolizeilichen aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegensteht bzw. humanitäre Gründe im Sinn der §§ 72 ff NAG 2005 zu bejahen sind. Maßgeblich sind dabei die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität und die Schutzwürdigkeit des Privatlebens; weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert; sowie die Bindungen zum Heimatstaat. Aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, sind bei der Abwägung in Betracht zu ziehen (vgl. etwa VfGH, 29. September 2007, B 1150/07, VwGH, 22. November 2007, 2007/21/0317, 0318, sowie 18. Juni 2009, Zl. 2008/22/0387).

Weiters erfordert die nach § 11 Abs. 3 NAG vorzunehmende Interessensabwägung eine fallbezogene Auseinandersetzung mit den konkreten Lebensumständen des Fremden und dem daraus ableitbaren Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens in Österreich (vgl. VwGH, 22. Dezember 2009, 2008/21/0379). Somit ist für die Beurteilung, ob die Versagung eines Aufenthaltstitels einen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben darstellt, an Hand der Umstände des jeweiligen Einzelfalles und unter Bedachtnahme auf die in § 11 Abs. 3 Z 1 bis 8 genannten Kriterien eine gewichtende Gegenüberstellung des Interesses des Fremden an der Erteilung des Aufenthaltstitels und dem öffentlichen Interesse an der Versagung vorzunehmen (vgl. VwGH, 20. Oktober 2011, Zl. 2009/21/0182).

Eine Abwägung öffentlicher und privater Interessen führt zu nachstehenden Erwägungen:

Wesentlich erscheint bei der Beurteilung der öffentlichen Interessen an der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels der mangelnde Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin auf eine ortsübliche Unterkunft. Auf das dadurch beeinträchtigte öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens sowie insbesondere der Hintanhaltung der Vermarktung unzureichender Quartiere an Fremde und der Zurückdrängung von Substandardquartieren wird in diesem Zusammenhang verwiesen. Darüber hinaus bestehen ebenso gewichtige öffentliche Interessen an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen (welche durch den ca. vierjährigen durchgehend unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet nicht bloß geringfügig beeinträchtigt wurden) und der Vermeidung von Belastungen der Gebietskörperschaften.

Dem entgegen steht das gleichfalls gewichtige Interesse der Beschwerdeführerin an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet, dies insbesondere im Hinblick auf das erwünschte weitere Zusammenleben mit den obsorgeberechtigten Großeltern und den Schulbesuch. Hiezu ist allerdings relativierend zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin erstmals im Dezember 2013 im Alter von zehn Jahren nach Österreich gekommen ist und sie zuvor stets in Serbien gelebt hat. Ihr nachfolgender Aufenthalt im Bundesgebiet war nach dem Ablauf der erlaubten sichtvermerksfreien Zeit durchgehend unrechtmäßig und wurde offenbar versucht, durch die Übertragung der Obsorge und Anmeldung zum Schulbesuch vollendete Tatsachen („fait accompli“) zu schaffen (vgl. dazu z.B. VwGH 10.12.2008, Zl. 2008/22/0125). Dass es keinem Großelternteil möglich wäre, gemeinsam mit der Beschwerdeführerin nach Serbien zu reisen, ist – wie bereits ausgeführt – nicht ersichtlich. Weiters ist auch nicht ersichtlich, weshalb der Beschwerdeführerin eine zumindest vorübergehende Wohnsitznahme im Haus der Urgroßmutter und Kontaktierung ihrer leiblichen Mutter nicht möglich sein sollten.

Zusammenfassend war daher von einem Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Versagung des beantragten Aufenthaltstitels gegenüber den privaten Interessen der Beschwerdeführerin an der Erteilung dieses Aufenthaltstitels auszugehen.

Die Abweisung des gegenständlichen Antrags durch die belangte Behörde erfolgte demnach zu Recht, weshalb der Beschwerde der Erfolg zu versagen war.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Erteilungsvoraussetzung, ortsübliche Unterkunft, finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft, Inlandsantragstellung, Interessenabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.151.063.10426.2017

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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