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L7030 Buchmacher, Totalisateur, WettenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Untersagung der Hinzunahme einer neuen Wettstätte unter Hinweis auf Zweifel an der Zuverlässigkeit der für die Betriebsstätte namhaft gemachten verantwortlichen Person sowie an deren Eignung zur Überwachung der Bestimmungen des Vorarlberger Wettengesetzes; Ersatzentscheidung ohne ordnungsgemäße Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und ohne eigenständige BegründungSpruch
I. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Das Land Vorarlberg ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Mit Schreiben vom 20. Jänner 2016 zeigte die beschwerdeführende Gesellschaft der Vorarlberger Landesregierung die Hinzunahme einer neuen Betriebsstätte an einem näher bezeichneten Standort in Götzis an. Als verantwortliche Person für diese Betriebsstätte iSd §3 Abs1 litg Vorarlberger Wettengesetz, LGBl 18/2003 ("Vlbg. WettenG"), wurde K. W. namhaft gemacht.
2. Mit Bescheid vom 21. März 2016 untersagte die Vorarlberger Landesregierung die Hinzunahme der Wettstätte gemäß §4 Abs1 iVm §3 Abs2 litb Vlbg. WettenG. Die Vorarlberger Landesregierung führte in ihrem Bescheid mit näherer Begründung aus, dass der von der beschwerdeführenden Gesellschaft namhaft gemachte K. W. nicht in der Lage sei, die Einhaltung der Bestimmungen des Vorarlberger Wettengesetzes zu überwachen. Die Betriebsstätte sei – wie im Rahmen mehrerer Kontrollen festgestellt worden sei – bereits ohne Kenntnisnahme durch die Behörde betrieben worden, indem Wettkunden vermittelt worden seien.
3. Mit Erkenntnis vom 11. August 2016 behob das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 21. März 2016. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg im Wesentlichen aus, dass weder hinsichtlich des Geschäftsführers der beschwerdeführenden Gesellschaft noch hinsichtlich der für die verfahrensgegenständliche Betriebsstätte in Götzis namhaft gemachten verantwortlichen Person an der erforderlichen Zuverlässigkeit im Sinne des §5 Vlbg. WettenG zu zweifeln sei. Die verantwortliche Person für die Betriebsstätte in Götzis, K.W., sei unbescholten, außerdem sei er bereits seit März 2016 der Verantwortliche für eine weitere Betriebsstätte in Bludenz.
4. Gegen dieses Erkenntnis erhob die Vorarlberger Landesregierung eine (ordentliche) auf Art133 Abs6 Z2 B-VG gestützte Amtsrevision. Mit Erkenntnis vom 24. Mai 2017, Ro 2016/02/0024, gab der Verwaltungsgerichtshof der Revision Folge und hob das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 11. August 2016 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. In der Begründung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes heißt es dazu:
"[…] Die für die Betriebsstätte namhaft zu machende Person hat gemäß §3 Abs1 litg Vorarlberger Wettengesetz unter anderem die erforderliche Zuverlässigkeit nach §5 Wettengesetz zu besitzen. §5 Wettengesetz beinhaltet in Abs2 lita bis c eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, bei deren Vorliegen die Zuverlässigkeit jedenfalls als nicht gegeben erachtet wird (vgl. hierzu auch die Anmerkungen in den diesbezüglichen Materialien des Vorarlberger Landtages, RV Beilage 79/2002, S. 9). Bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit sind daher allfällige Verurteilungen, aber auch andere Tatsachen zu berücksichtigen, die es zweifelhaft machen, ob der Bewilligungswerber die Gewähr voller Vertrauenswürdigkeit bietet (vgl. §5 Abs1 Wettengesetz). Weiters muss die verantwortliche Person gemäß dem Wortlaut des §3 Abs1 litg Vorarlberger Wettengesetz in der Lage sein, die Einhaltung der Bestimmungen des Wettengesetzes zu überwachen.
Die Vorarlberger Landesregierung hat in ihrem Bescheid vom 21. März 2016 mit einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Begründung ausgeführt, weshalb sie der Ansicht war, dass W. als namhaft gemachte verantwortliche Person die Bestimmungen des Vorarlberger Wettengesetzes missachtet habe und nicht in der Lage sei, die Einhaltung der Bestimmungen des Vorarlberger Wettengesetzes zu überwachen.
Die im Bescheid genannten Umstände wurden auch im Rahmen der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht thematisiert. Das Verwaltungsgericht hat sodann bei der Beurteilung der verantwortlichen Person im Sinne des §4 Abs1 iVm §3 Abs1 litg Vorarlberger Wettengesetz im angefochtenen Erkenntnis ausschließlich auf die Unbescholtenheit der verantwortlichen Person abgestellt, die jedoch gemäß §5 Vorarlberger Wettengesetz nicht alleine ausschlaggebend ist. Weitere Feststellungen zur Person des W. hat das Verwaltungsgericht nicht getroffen. Auch in der rechtlichen Beurteilung finden sich keinerlei Ausführungen in diesem Sinne. Insbesondere blieb ungeprüft, ob hinsichtlich der verantwortlichen Person - trotz Unbescholtenheit - Zweifel an der Zuverlässigkeit bestehen könnten und ob diese in der Lage ist, die Einhaltung der Bestimmungen des Vorarlberger Wettengesetzes zu überwachen, obwohl im Verfahren Umstände hervorgekommen sind, die im Sinne des §4 Abs1 iVm §3 Abs1 litg Vorarlberger Wettengesetz zu berücksichtigen gewesen wären.
Insgesamt wurde dadurch dem Erfordernis einer gesamthaften Betrachtung des Verhaltens der verantwortlichen Person zur Überprüfung ihrer Zuverlässigkeit sowie ihrer Eignung, die Einhaltung der Bestimmungen des Wettengesetzes zu überwachen, nicht entsprochen.
[…]."
5. Im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens erließ das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg das nunmehr angefochtene Ersatzerkenntnis vom 20. Juli 2017, mit dem die Beschwerde der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 21. März 2016 abgewiesen wurde. Die Begründung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes erschöpft sich in einer bloßen Wiedergabe von Auszügen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2017, Ro 2016/02/0024.
6. Gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg vom 20. Juli 2017 richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Darin macht die beschwerdeführende Gesellschaft die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art7 B-VG und Art2 StGG geltend.
7. Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg legte die Gerichts- und Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II. Erwägungen
Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 10.413/1985, 14.842/1997, 15.326/1998 und 16.488/2002) nur vorliegen, wenn die angefochtene Entscheidung auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn das Verwaltungsgericht der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass das Verwaltungsgericht diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn das Verwaltungsgericht Willkür geübt hätte.
Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).
2. Ein solches willkürliches Verhalten des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg liegt hier vor:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. Mai 2017, Ro 2016/02/0024, ausgeführt, dass es für die Frage der Zuverlässigkeit einer verantwortlichen Person nicht bloß auf die Unbescholtenheit der Person ankomme. Es sei vielmehr eine gesamthafte Betrachtung des Verhaltens der verantwortlichen Person notwendig, wobei zu prüfen sei, ob die verantwortliche Person in der Lage sei, die Einhaltung der Bestimmungen des Vorarlberger Wettengesetzes zu überwachen.
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg wäre daher gehalten gewesen, das Ermittlungsverfahren entsprechend zu ergänzen, Beweise aufzunehmen und die vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Feststellungen zu treffen, um beurteilen zu können, ob die von der beschwerdeführenden Partei namhaft gemachte verantwortliche Person zuverlässig und geeignet ist, die Einhaltung der Bestimmungen des Vorarlberger Wettengesetzes zu überwachen.
Im angefochtenen Erkenntnis fehlt jegliche nähere Auseinandersetzung mit der Frage, ob die von der beschwerdeführenden Gesellschaft namhaft gemachte verantwortliche Person zuverlässig und geeignet ist, die Einhaltung der Bestimmungen des Vorarlberger Wettengesetzes zu überwachen. Das Erkenntnis erschöpft sich lediglich in der Wiedergabe der wesentlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes in seinem Erkenntnis vom 24. Mai 2017, Ro 2016/02/0024, ohne auch nur ansatzweise irgendeine eigenständige Begründung vorzunehmen.
3. Schon deshalb ist das angefochtene Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Vorarlberg wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben.
III. Ergebnis
1. Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz gemäß Art2 StGG und Art7 B-VG verletzt worden.
2. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Wetten, Ersatzentscheidung, Ermittlungsverfahren, Entscheidungsbegründung, Bindung (der Verwaltungsgerichte an VwGH)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E2974.2017Zuletzt aktualisiert am
19.01.2018