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10/10 Grundrechte, Datenschutz, AuskunftspflichtNorm
DSG 2000 §1, §27Leitsatz
Verletzung im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens durch Abweisung eines Antrags auf Datenlöschung und Vernichtung sämtlicher bei einem Finanzamt aufbewahrter Akten wegen denkunmöglicher Annahme des Überwiegens des öffentlichen Interesses an der Aufbewahrung der Papierakten gegenüber dem Löschungsinteresse der BeschwerdeführerinRechtssatz
Hinweis auf das (Vor-)Erkenntnis VfSlg 19937/2014.
Das angefochtene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes setzt sich mit der Abwägung zwischen dem Interesse der Beschwerdeführerin gemäß Art8 EMRK und dem öffentlichen Interesse an der Aufbewahrung (Nichtvernichtung) der Unterlagen (Papierakte) über das Privatleben der Beschwerdeführerin aus verfassungsrechtlicher Perspektive in unzureichender Weise auseinander.
Die Ausführungen des Bundesfinanzgerichtes, wonach von der Möglichkeit weiterer Anträge und Klagen seitens der Beschwerdeführerin ausgegangen werden könne und folglich die Akten zur Verteidigung der Rechte und des rechtmäßigen Handelns der betroffenen Organe benötigt würden, sind nicht nachvollziehbar. Das Bundesfinanzgericht selbst führt aus, dass die Beschwerdeführerin eine Amtshaftungsklage eingebracht habe, das Verfahren jedoch durch ewiges Ruhen beendet worden sei. Daraus folgt aber, dass - zumal in der Vereinbarung des ewigen Ruhens in der Regel ein materiell-rechtlicher Verzicht des Klägers liegt - das Amtshaftungsverfahren als beendet anzusehen und die Aufbewahrung der Papierakten zu diesem Zweck nicht mehr notwendig ist. Hinsichtlich der im Erkenntnis erwähnten Anzeige wegen Amtsmissbrauches fehlt jede nähere Auseinandersetzung. Es wird nicht dargetan, ob noch ein entsprechendes Verfahren anhängig ist oder nicht.
Des Weiteren ist nicht nachvollziehbar, inwieweit die Aufbewahrung des Papieraktes unter dem Aspekt der Kontrolltätigkeit durch die Volksanwaltschaft (Art148b Abs1 B-VG), eines Disziplinarverfahrens (§13 Abs1 AHG und §46 Abs5 BDG), einer Auskunftserteilungspflicht gegenüber dem Rechnungshof, die eine Aktenvorlage einschließt (§4 Abs1 RechnungshofG), sowie einer internen Revision notwendig ist.
Auch der Hinweis auf die Möglichkeit eines künftigen Verfahrens beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vermag ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufbewahrung der Papierakten gegenüber dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht der Beschwerdeführerin auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK nicht zu begründen.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin im Recht auf Privatleben gemäß Art8 EMRK verletzt worden ist, weil das Bundesfinanzgericht im angefochtenen Erkenntnis in denkunmöglicher Weise vom Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Aufbewahrung der Papierakten gegenüber dem Löschungsinteresse der Beschwerdeführerin ausgegangen ist.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Datenschutz, Privat- und FamilienlebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E3249.2016Zuletzt aktualisiert am
21.03.2019