TE Vwgh Beschluss 2017/12/5 Ra 2017/01/0392

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Veröffentlicht am 05.12.2017
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Index

E1P;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

12010P/TXT Grundrechte Charta Art4;
AsylG 2005 §5 Abs1;
AsylG 2005 §5 Abs3;
BFA-VG 2014 §21 Abs7;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/01/0394 Ra 2017/01/0393

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision des 1. F R, der 2. R R und des

3. Y R, alle in L, alle vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2017, 1) Zl. W185 2155111-1/9E, 2) Zl. W185 2155115-1/10E und 3) Zl. W185 2169300- 1/5E betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerber sind Staatsangehörige Tadschikistans. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern des Drittrevisionswerbers.

2 Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 12. April 2017 (Erstrevisionswerber und Zweitrevisionswerberin) bzw. 14. August 2017 (Drittrevisionswerber) wurden - nach Zulassung der Verfahren - ihre Anträge auf internationalen Schutz als unzulässig zurückgewiesen, die Zuständigkeit Litauens für die Prüfung der Anträge ausgesprochen, ihre Außerlandesbringung angeordnet und die Zulässigkeit der Abschiebung nach Litauen festgestellt.

3 Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit Erkenntnis vom 18. Oktober 2017 gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet ab (A) und sprach aus, dass die Revision gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig sei. Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, für Litauen gelte die Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005, das dortige Asylsystem leide nicht an systemischen Mängeln, das Vorbringen der Revisionswerber zu einer Bedrohung in Litauen (Bandenkriminalität) sei nicht substantiiert und zudem sei Litauen schutzfähig und - willig.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. 5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, das BVwG sei mit der Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 21 Abs. 7 BFA-VG abgewichen. Es sei zu Unrecht von einem geklärten Sachverhalt ausgegangen, da (relevantes) Vorbringen der Revisionswerber im Erstverfahren nicht gewürdigt worden sei, die Revisionswerber bereits in der Beschwerde auf die Mangelhaftigkeit der vom BFA herangezogenen Länderberichte hingewiesen und einen dem Ermittlungsergebnis des BFA entgegenstehenden Bericht vorgelegt haben. Das BVwG habe entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes veraltete Länderberichte (zur Frage der Schutzfähigkeit und Bandenkriminalität in Litauen) herangezogen.

9 Nach der Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 leg. cit. Schutz vor Verfolgung findet, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim BFA oder BVwG offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich jüngst in seinem Erkenntnis vom 20.6.2017, Ra 2016/01/0153, ausführlich mit der Sicherheitsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 und deren Wirkungen auseinandergesetzt. Demnach kann die Sicherheitsvermutung etwa nur durch eine schwere, die hohe Schwelle des Art. 3 bzw. Art. 4 GRC übersteigende allgemeine Änderung der Sach- und Rechtslage im zuständigen Mitgliedstaat widerlegt werden (Rn 34). Gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.

11 Diese Sicherheitsvermutung kommt auch im vorliegenden Fall zum Tragen:

12 Der in der Revision angesprochene, von den Revisionswerbern in der Beschwerde zitierte Bericht legt lediglich dar, dass eine geplante Kürzung der finanziellen Unterstützung von Asylwerbern angekündigt wurde. Die reale Gefahr einer dem Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRC widersprechende Behandlung von Asylwerbern in Litauen ergibt sich daraus nicht ansatzweise.

13 Soweit die Revision rügt, das BVwG habe veraltete Länderberichte herangezogen, macht sie einen Verfahrensmangel geltend, dessen Relevanz in konkreter Weise darzulegen ist. Das Revisionsvorbringen wird dieser Anforderung, insbesondere vor dem Hintergrund der Kriterien für die Widerlegung der Sicherheitsvermutung nach § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sowie des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedsstaaten, nicht gerecht (vgl. zu alldem VwGH 20.6.2017, Ra 2016/01/0153, Rn. 58, mwN).

14 Im Übrigen bringt die Revision gegen die vom BVwG festgestellte Schutzfähigkeit- und willigkeit Litauens nichts Konkretes vor.

15 Das Revisionsvorbringen ist daher zusammengefasst nicht geeignet, die Sicherheitsvermutung in Bezug auf Litauen zu widerlegen (vgl. zu Litauen bereits VwGH 19.1.2016, Ra 2015/01/0260).

16 Soweit die Revision rügt, das BVwG habe die Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung verletzt, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde nicht ausreichend geklärt sei, ist dem entgegen zu halten, dass ausgehend vom oben angeführten Maßstab der Beurteilung der Rechtsfrage, ob die Sicherheitsvermutung nach § 5 Abs. 3 AsylG 2005 widerlegt wird, die Revision mit diesem Vorbringen keine Verletzung der Verhandlungspflicht am Maßstab der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verhandlungspflicht in Dublin-Verfahren aufzeigt. Das BVwG konnte von einer Verhandlung absehen, weil das vom Revisionswerber erstattete Beschwerdevorbringen keine der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durch das BFA anhaftenden Ermittlungsmängel aufzeigen konnte (vgl.  dazu abermals VwGH Ra 2016/01/0153, Rn 66 bis 68).

17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

18 Damit erübrigt sich eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs über den Antrag, der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

19 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 zweiter Fall VwGG abgesehen werden.

Wien, am 5. Dezember 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017010392.L00

Im RIS seit

18.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.01.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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