Schlagworte
Körperverletzung a.D.Text
Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat am 15.05.2017 in der durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
GrInsp NN ist schuldig, er hat
am 8. Jänner 2017, um ca. 04:15 Uhr in NN, einen anderen am Körper iSd § 83 StGB verletzt, indem er NN eine leicht blutende Schürfverletzung am rechten Daumen und Prellungen im Bereich des Gesichtes, des rechten Knies und des rechten Oberschenkels zugefügt hat. Er hat dadurch auch schuldhaft seine Dienstpflichten gemäß § 43 Abs. 2 i.V.m § 91 BDG verletzt, nämlich die Verpflichtung, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gegen den Beschuldigten wird gemäß § 92 Abs. 1 Z 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von 100.- verhängt.
Dem Beschuldigten werden gemäß § 117 Abs. 2 BDG keine Kosten des Disziplinarverfahrens auferlegt. Die eigenen Kosten hat er selbst zu tragen.
Begründung
Der dem Beamten angelastete Sachverhalt gründet sich auf die von der Landespolizeidirektion NN gemäß § 110 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 vorgelegte Disziplinaranzeige vom 1. Februar 2017, GZ: NN, ha. eingelangt am 22.2.2017, die dem Beamten gemäß § 109 Abs. 3 BDG 1979 zugestellt worden ist.
Sachverhalt (auszugsweise aus der Disziplinaranzeige):
GrInsp NN besuchte am 07.01.2017 als aktives Mitglied der Marktmusikkapelle NN - jedoch in Freizeit und somit als Zivilperson - den Musikerball in der Musikschule NN. Im Zuge des Ballgeschehens kam es am 08.01.2017 um ca. 04.15 Uhr in der Garderobe der Musikschule zu einer vorerst verbalen Auseinandersetzung des NN mit einer Gruppe „junger Erwachsener".
Hintergrund bildete eine Sachbeschädigung auf der WC-Anlage der Musikschule. Für
GrInsp NN stellte sich der Sachverhalt offensichtlich so dar, als ob die im unmittelbaren Bereich anwesenden Personen etwas mit der Beschädigung zu tun haben könnten. Aus diesem Grund hat GrInsp NN diesen Personenkreis auf eine etwaige Beteiligung an der Sachbeschädigung angesprochen und diesen letztendlich eine Anzeigeerstattung durch die Polizei in Aussicht gestellt.
Anmerkung: Es wird angemerkt, dass der weitere Verlauf/Ablauf der Handlung von der Zeugin NN mit ihrem Handy aufgezeichnet wurde. Der Video-Clip dazu liegt der Anzeige als Beweismittel bei.
Das Video wurde vom BPKdten gesichtet und wird die darauf ersichtliche Handlungsweise des GrInsp NN sowie der übrigen beteiligten Personen nun nachfolgend beschrieben:
Ablauf des Geschehens
Die verbale Auseinandersetzung schien eigentlich schon beendet und NN war auch bereits im Begriff des Weggehens, als aus der Gruppe der jungen Männer das Schimpfwort „Schwuchtel" fiel. (am Video etwas leise wahrnehmbar — aber durchaus eindeutig verständlich). Als Reaktion auf das Schimpfwort drehte sich GrInsp NN um, stürmte auf die Gruppe zu und erfasste (zufolge Zeugenaussagen) den NN mit den Händen im Bereich des Oberkörpers bzw. am Kragen.
Sofort versuchten daraufhin mehrere der Anwesenden auf GrInsp NN einzuwirken und diesen von einem weiteren tätlichen Vorgehen abzuhalten — vermutlich insbesondere um eine Eskalation bzw. Entgleisung der Situation zu verhindern.
So auch NN, der durch Erfassen mit den Händen im Schulterbereich bzw. Halsbereich von hinten versuchte, GrInsp NN vom Angegriffenen zurück- bzw. wegzuziehen.
Offenbar als Reaktion auf das Zurückziehen von hinten drehte sich GrInsp NN nun plötzlich mit den Worten „du greifst mich nicht an" um und ging auf NN los, indem er diesen vorerst mit den Händen erfasste und diesem dann im Zuge der weiteren Auseinandersetzung mit der rechten Faust einen durchaus heftigen Schlag in die Bauchgegend versetzte. In Folge des Schlages und der handgreiflichen Einwirkung kam NN zu Sturz und schließlich rücklings auf dem Boden der Garderobe zu liegen.
GrInsp NN ließ aber dennoch nicht von NN ab, schrie ihn jetzt mehrmals mit den Worten „du greifst mich nicht an" an und versetzte dem NN in der Folge auch noch mit der rechten flachen Hand einen Schlag (sog. Watschn) in die rechte Gesichtshälfte.
Angesichts dieser Tätlichkeit des GrInsp NN wurde nun von den übrigen anwesenden Personen (unter lautstarkem Protest) verstärkt versucht, auf GrInsp NN einzuwirken und diesen zu einem „Ablassen" von NN zu bewegen.
Als Reaktion darauf begann GrInsp NN nun auch mit einigen übrigen Beteiligten eine Art handgreifliche Auseinandersetzung (gegenseitiges Erfassen an den Händen bzw.
anrempeln oder wegstoßen etc). Der zwischenzeitlich vom Boden aufgestandene NN versetzte nun GrInsp NN von hinten einen Stoß mit den flachen Händen gegen den Rücken, so dass dieser ein paar Schritte nach vorne „stolperte".
Soweit im Video nachvollziehbar, drehte GrInsp NN sich neuerlich um und holte ein weiteres Mal zu einem Faustschlag in Richtung des NN aus, wodurch dieser abermals zu Boden ging. Jedenfalls sind kurz darauf (nach dem Schlag) sowohl NN als auch noch ein eine weitere Person rücklings auf dem Boden der Garderobe liegend zu sehen.
Nach dieser Aktion und der mehrmaligen lautstarken Aufforderung aus der Gruppe in
Richtung der Kontrahenten 'endlich aufzuhören', wurde die Auseinandersetzung von allen Beteiligten beendet. GrInsp NN verließ im Anschluss die Garderobe in Richtung Ballsaal.
Anmerkung zum Verhalten des Opfers
Wie auf dem Video ersichtlich, hat NN (abgesehen vom aktiven Zurückziehen des GrInsp NN an der Schulter' zu Beginn des Vorfalles und abgesehen vom „Wegstoßen“ mit der Hand' nach dem Aufstehen vom Boden) während der gesamten
Auseinandersetzung vorwiegend ein eher „passives, abwehrendes Verhalten" an den Tag gelegt. Eine absichtliche schwere „Tätlichkeit" (z.B. ein gezielter Schlag) gegen GrInsp NN konnte in keiner Sequenz erkannt werden.
Aus ho Beurteilung kann dem NN kein großer Vorwurf hinsichtlich seiner
Handlungsweise gemacht werden. Er befand sich aus ho. Sicht grundsätzlich bzw.
vorwiegend in der Verteidigerposition.
Inwieweit verbale Äußerungen des NN während der Auseinandersetzung mit GrInsp NN eine Rolle gespielt haben, kann von ho nicht gesagt werden. Entsprechende Äußerungen waren auf dem Video jedenfalls nicht wahrnehmbar bzw. hörbar.
Anmerkung zum Verhalten des GrInsp NN
Das vorliegende sich auf dem Video offenbarte Verhalten von GrInsp NN ist aus ho Sicht für einen Polizeibeamten (wenn auch in Freizeit und in Zivil) inakzeptabel und disziplinär verfolgungsnotwendig. Wenn auch eine verbale Provokation bzw. Beleidigung („Schwuchtel") gegen GrInsp NN der Auseinandersetzung vorausgegangen ist, so hätte der Beamte trotzdem die Möglichkeit gehabt, die Angelegenheit auf einer sachlichen (und nicht tätlichen) Ebene abzuhandeln.
Es hätte für den Beamten auch die Möglichkeit bestanden, die örtlich zuständige PI
NN beizuziehen und den Sachverhalt zur Anzeige zu bringen. Zudem hätte GrInsp NN mehrmals die Möglichkeit gehabt, den NN loszulassen und die Aktion zu beenden.
Gerichtliche Maßnahmen:
Mit Abschlussbericht der LPD NN GZ NN vom 13. Februar 2017 wurde GrInsp NN der Staatsanwaltschaft NN wegen des Verdachtes des Vergehens nach § 83 Abs. 1 StGB zur Anzeige gebracht.
In der am 6.4.2017 durchgeführten Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht NN wurde das Strafverfahren nach Zahlung des vom Angeklagten angebotenen und übergebenen Schmerzensgeldbetrages in Höhe von € 200.- und erfolgten Bezahlung der vom Gericht auferlegten Kosten in Höhe von € 200.- gem. § 204 iVm § 199 StPO, r e c h t s k r ä f t i g eingestellt.
Ergebnis der Disziplinarverhandlung:
Aufgrund des Einleitungsbeschlusses vom 12.4.2017 wurde die Verhandlung für den 15.05.2017 anberaumt und durchgeführt.
Bei dieser erklärte sich GrInsp NN für schuldig hinsichtlich des im Einleitungsbeschlusses angelasteten Faktums.
Der DB erhebt seine Angaben in bisherigen Stellungnahmen zu seiner Beschuldigtenverantwortung.
Plädoyer des Disziplinaranwaltes
Der Disziplinaranwalt fasst die Beweisführung zusammen, trägt die Milderungsgründe vor und beantragt einen Schuldspruch und die Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldbuße im unteren Bereich.
Schlusswort des Beschuldigten
Er bedauert nochmals den Vorfall, trägt vor, dass er wegen eines Todesfalls in der Familie finanzielle Belastungen zu tragen habe und ersucht im Falle eines Schuldspruches um eine milde Bestrafung.
In rechtlicher Sicht hat der Senat erwogen:
Beamten-Dienstrechtsgesetz
§ 43 (2) BDG 1979
Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen in die Allgemeinheit in die Sachliche Wahrnehmung seiner Aufgaben erhalten bleibt.
Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist nach diesem Abschnitt zur Verantwortung zu ziehen.
(1) Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 vorzugehen.
(2) Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.
Zur Bindungswirkung des Rücktrittes von der Strafverfolgung
Sowohl einem Rücktritt von der Strafverfolgung gemäß § 200 Abs 5 StPO als auch einer Einstellung des Strafverfahrens durch das Gericht nach § 204 iVm § 199 StPO kommt jeweils keine Bindungswirkung der Disziplinarbehörde im Sachverhaltsbereich zu. Die für den Rücktritt von der Strafverfolgung bzw. für die Einstellung des Strafverfahrens maßgeblichen Gründe sind für das Disziplinarverfahren schon deswegen von keinerlei Relevanz, weil die Disziplinarbehörde gemäß § 95 Abs. 2 BDG nur an ein rechtskräftiges strafgerichtliches Urteil gebunden ist.
Es sind daher die für die disziplinäre Verfolgung wesentlichen Gesichtspunkte von der Disziplinarbehörde selbständig zu beurteilen und kann es nicht übersehen werden, dass die strafrechtliche und die disziplinäre Verantwortlichkeit eine in weiten Bereichen verschiedene Zielsetzung haben.
Insoweit muss bei der Disziplinarverfolgung das gesamte Verhalten des Beamten mit in die rechtliche Beurteilung einbezogen werden.
Zur Dienstpflichtsverletzung
GrInsp NN steht in Verdacht und hat sich sowohl in der am 6.4.2017 vor dem BG NN durchgeführten Hauptverhandlung als auch in der durchgeführten Disziplinarverhandlung zu diesem Faktum schuldig bekannt, einen anderen am Körper iSd § 83 StGB verletzt zu haben, indem er NN eine leicht blutende Schürfverletzung am rechten Daumen und Prellungen im Bereich des Gesichtes, des rechten Knies und des rechten Oberschenkels zugefügt hat. Daraus folgt jedenfalls das Vorliegen einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG, nämlich in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Der Begriff „Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben“ bedeutet dabei die allgemeine Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießen sollte (VwGH 11. Oktober 1993, 92/09/0318 und 93/09/0077; VwGH 16. Dezember 1997, 94/09/0034).
Wie der VwGH nämlich zu § 43 Abs. 2 BDG bereits wiederholt ausgesprochen hat, lassen die Worte 'in seinem gesamten Verhalten' den Schluss zu, dass hierdurch nicht nur das Verhalten im Dienst gemeint ist, sondern auch außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen (vgl. z.B. VwGH 20.10.1982, 82/09/0046 = VwSlg. 10.864/A; 14.11.1983, 82/12/0156; 29.6.1989, 86/09/0164, sowie 31.5.1990, 86/09/0200 = VwSlg. 13.213/A).
Polizeibeamte sind im Rahmen ihrer dienstlichen Aufgaben zum Schutz vor Verletzungen des gesamten StGB berufen und man muss zumindest von ihnen selbst erwarten können, dass sie die darin geschützten Rechtsgüter nicht verletzen. Eine solche Rechtsverletzung liegt jedenfalls bei einer vorsätzlich begangenen Körperverletzung vor. Zweifelsfrei gehört der Schutz vor strafbaren Handlungen gegen Leib und Leben zu den dienstlichen Aufgaben des Disziplinarbeschuldigten und er hat auch sowohl präventiv als auch repressiv wegen solcher Delikte, die ihm letztlich vorgeworfen wurden, einzuschreiten. Daher führt ein derartiges Verhalten zu Unverständnis in der Bevölkerung und auch im Vorgesetzten- und Kollegenkreis.
Zur Schuldfrage
Das Beweisverfahren hat zweifelsfrei ergeben, dass der Beschuldigte seine Dienstpflichten im Umfang der erhobenen Anlastungen wenigstens fahrlässig schuldhaft verletzt hat und bekannte sich der DB auch schuldig hinsichtlich der angelasteten Dienstpflichtsverletzung.
Strafbemessung - § 93 BDG
Gemäß § 93 Abs. 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung; dabei ist jedoch darauf Bedacht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Zu berücksichtigen sind aber auch die bisherigen dienstlichen Leistungen, sowie sein Verhalten im Dienststand und die Qualität der bisherigen Dienstleistung. Der erkennende Senat hat sich nach der jüngsten Judikatur des VwGH jedenfalls ein umfassendes Bild des Beschuldigten zu machen und dann eine Prognose zu stellen, inwieweit und in welchem Ausmaße eine Bestrafung notwendig ist. Für die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist nicht nur maßgebend, in welchem objektiven Ausmaß gegen Dienstpflichten verstoßen oder der Dienstbetrieb beeinträchtigt wurde, sondern es muss die Bestrafung grundsätzlich in einem angemessenen Verhältnis zum Unrechtsgehalt der Verfehlung stehen und sie muss spezial- und generalpräventiv erforderlich sein. Innerhalb des Schuldrahmens darf keine strengere Strafe verhängt werden, als sie aus Gründen der Spezialprävention notwendig erscheint (vgl. Kucsko-Stadlmayer).
Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiteres ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen. Den Milderungsgründen des Geständnisses, der bisherigen Unbescholtenheit, der Schadensgutmachung und der Einsicht standen keine Erschwerungsgründe gegenüber, sodass der erkennende Senat vermeint, dass mit der Disziplinarstrafe der Geldbuße im untersten Bereich das Auslangen gefunden werden konnte, um den Beschuldigten an seine bestehenden Dienstpflichten zu erinnern und um andere Bedienstete von der Begehung gleichartiger Dienstpflichtsverletzungen abzuhalten. Es wird damit auch ein deutliches Signal gesetzt, dass sowohl dem dienstlichen als auch dem außerdienstlichen Verhalten von Exekutivbeamten ein hoher Stellenwert zugemessen wird.
Zuletzt aktualisiert am
17.01.2018