TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/4 W243 2170979-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.01.2018
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Entscheidungsdatum

04.01.2018

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W243 2170979-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marianne WEBER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH – ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.08.2017, Zl. 1158070300-170756897, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte nach ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage zu ihrer Person ergab keine Treffermeldung. Nach Einsicht in die Visa-Datenbank konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin seitens der polnischen Vertretungsbehörde in Moskau/Russland ein Visum mit einer Gültigkeit vom 30.12.2016 bis zum 27.06.2017 ausgestellt wurde.

2. Im Rahmen ihrer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 28.06.2017 brachte die Beschwerdeführerin vor, an keinerlei Krankheiten oder gesundheitlichen Beschwerden zu leiden und weder in Österreich noch in einem anderen EU-Mitgliedstaat Familienangehörige oder sonstige Verwandte zu haben.

Befragt zu ihrem Reiseweg, gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen an, sie habe ihren Herkunftsstaat im Jahr 2017 legal verlassen. Über Weißrussland sei sie mit einem polnischen Visum nach Polen gereist und habe sie sich in der Folge nach einem eintägigen Aufenthalt in Polen nach Österreich begeben.

Als Fluchtgrund führte die Beschwerdeführerin an, dass sie in ihrem Herkunftsland zur Prostitution gezwungen worden sei und nunmehr den Tod durch ihre früheren Peiniger fürchte.

3. In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 29.06.2017 ein auf Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (in der Folge: Dublin III-VO), gestütztes – die Beschwerdeführerin betreffendes – Aufnahmegesuch an Polen.

Mit Schreiben vom 04.07.2017 stimmte die polnische Dublin-Behörde der Aufnahme der Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO ausdrücklich zu.

4. Bei der niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA am 14.07.2017 gab die Beschwerdeführerin im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung und unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die russische Sprache zu Protokoll, sie sei in psychologischer Behandlung gewesen und könne diesbezüglich auch eine Terminbestätigung vorlegen, welche sie jedoch heute nicht dabei habe. Der Beschwerdeführerin wurde seitens der Behörde eine Frist bis zum 19.07.2017 eingeräumt, um die angegebene Bestätigung vorzulegen.

Befragt, ob die Beschwerdeführerin Verwandte in Österreich habe, gab diese an, dass ihre Schwestern seit vier oder fünf Jahren in Österreich gemeinsam mit ihren Kindern lebe. Die Beschwerdeführerin habe nach ihrer Einreise zunächst bei ihrer Schwester gewohnt und sei sie nach ihrer Asylantragstellung in eine Betreuungsstelle gekommen. Zwischen der Beschwerdeführerin und ihrer Schwester bestehe ein schlechtes Verhältnis, da diese die Beschwerdeführerin an ihren Vater ausliefern wolle und die Beschwerdeführerin und ihren Ehemann mit dem Tod bedroht habe. Ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis bestehe zu der Schwester nicht; vielmehr habe sie der Beschwerdeführerin bei der Einreise den Reisepass und 5.000,-- EUR abgenommen.

Auf Vorhalt, dass beabsichtigt sei, den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen und ihre Außerlandesbringung nach Polen zu veranlassen, führte die Beschwerdeführerin an, dass sie nicht nach Polen könne, da sie dort von ihren Verwandten abgeholt werden würde. Ihre Schwester in Österreich habe sie nach Polen schicken wollen, damit die Verwandten sie dort abholen könnten. Derzeit habe sie keinen Kontakt zu ihrer Schwester und wisse diese nicht, wo sie sich aufhalte. In Polen selbst habe sie nicht um Asyl angesucht.

Der anwesende Rechtsberater beantragte die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens sowie im Falle einer Überstellung nach Polen eine Einzelfallzusicherung hinsichtlich Unterbringung und Versorgung.

5. Die in der Folge eingeholte gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren vom 09.08.2017 ergab eine bei der Beschwerdeführerin bestehende "milde Anpassungsstörung". Die Notwendigkeit therapeutischer und medizinischer Maßnahmen wurde von der untersuchenden Sachverständigen verneint.

Mit Schreiben vom 11.08.2017 wurde der Beschwerdeführerin das Gutachten zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihr eine Frist von einer Woche zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme eingeräumt. Hiervon wurde in der Folge nicht Gebrauch gemacht.

6. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Polen zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Das BFA stellte nach einer Darstellung des Verfahrensganges fest, dass die polnische Behörde der Übernahme der Person der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 04.07.2017 gemäß Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO zugestimmt habe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass bei der Beschwerdeführerin schwere psychische Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten bestehen würden. Seitens der Behörde habe kein wirtschaftliches und familiäres Abhängigkeitsverhältnis zu der in Österreich lebenden Schwester der Beschwerdeführerin festgestellt werden können.

Zur Lage in Polen traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert durch das Bundesverwaltungsgericht):

1. Allgemeines zum Asylverfahren

 

Antragsteller 2014

Polen

8.015

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 19.3.2015)

Erstinstanzliche Entscheidungen 2014

Gesamt

Flüchtlings-status

Subsidiärer Schutz

Humanitäre Gründen

NEGATIV

 

2.700

260

165

295

1.980

Die Daten

werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 19.3.2015)

 

Antragsteller 2015

Polen

12.185

Die Daten werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 3.3.2016a)

Erstinstanzliche Entscheidungen

Gesamt

Flüchtlings-status

Subsidiärer Schutz

Humanitäre Gründe

NEGATIV

1. Qu. 2015

920

65

40

50

765

2. Qu. 2015

965

35

50

30

845

3. Qu. 2015

970

210

45

25

695

4. Qu. 2015

655

35

35

15

565

GESAMT

3.510

345

170

120

2.870

Die Daten

werden auf die Endziffern 5 oder 0 auf- bzw. abgerundet.

(Eurostat 18.9.2015a; Eurostat 18.9.2015b; Eurostat 10.12.2015; Eurostat 3.3.2016b)

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

Bild kann nicht dargestellt werden

(AIDA 11.2015; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

-

Eurostat (19.3.2015): Data in focus 3/2015, http://ec.europa.eu/eurostat/documents/4168041/6742650/KS-QA-15-003-EN-N.pdf/b7786ec9-1ad6-4720-8a1d-430fcfc55018, Zugriff 27.1.2016

-

Eurostat (3.3.2016a): Statistics explained, File: Asylum applicants (including first time asylum applicants), Q4 2014 – Q4 2015.png,

http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Asylum_applicants_(including_first_time_asylum_applicants),_Q4_2014_%E2%80%93_Q4_2015.png, Zugriff 31.3.2016

-

Eurostat (18.9.2015a): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 1st quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_1st_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016

-

Eurostat (18.9.2015b): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 2nd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_2nd_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016

-

Eurostat (10.12.2015): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 3rd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_3rd_quarter_2015.png, Zugriff 22.2.2016

-

Eurostat (3.3.2016b): Statistics explained, File: First instance decisions by outcome and recognition rates, 4th quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_4th_quarter_2015.png, Zugriff 31.3.2016

1.1. Verfolgung durch Dritte

Es wird von tschetschenischen Antragstellern immer wieder vorgebracht, sie fürchten in Polen von Agenten des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, sogenannten Kadyrowzy, drangsaliert zu werden. ACCORD zitiert dazu in einer Anfragebeantwortung vom 22.11.2013 verschiedene Quellen, aus denen hervorgeht, dass es diese Berichte zwar gibt, jedoch keine greifbaren Beweise, wie dokumentierte Fälle oder ähnliches. Die polnischen Behörden dementieren derartige Vorgänge strikt (ACCORD 22.11.2013, vgl. auch: borderline 4.11.2013).

Die NGO Pax Christi hat im September 2010 eine Fact Finding Mission nach Polen zu dem Thema durchgeführt und gab an, es falle auf, dass es wenig Schriftliches gebe, obwohl Rechtsberater, Sozialhelfer, Anwälte und NGO-Mitarbeiter in verschiedenen EU-Ländern bei ihrer Arbeit mit tschetschenischen AW dieselben Geschichten zu hören bekämen. Die Berichte seien aber oft unspezifisch und es gebe kaum Zeugen und auch sonst keine Beweise (Pax Christi 1.12.2011).

Jedenfalls gibt es in Polen keine eigene Gesetzgebung, die speziell Asylwerber aus der Russischen Föderation unter besonderen Schutz stellen würde. Bei Vorliegen einer strafbaren Handlung gehen Polizei und Gerichte entsprechend der polnischen Rechtsordnung vor, wie bei jeder anderen Person auch. Es gibt auch keine eigene Statistik bezugnehmend auf Kriminalität unter Asylwerbern bzw. unter diversen Ethnien und es sind auch keine Berichte zu diesem Problemfeld bekannt (VB 11.2.2013).

Die Polizei und Grenzwache sorgen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages. Kommt es zu strafrechtlichen Handlungen werden diese von den Sicherheitskräften den Gerichten ausnahmslos angezeigt. Die Polizei/Grenzwache vollzieht ausnahmslos die Anordnungen der Staatsanwaltschaft und der Gerichte (VB 3.2.2010).

Quellen:

-

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (22.11.2013): Anfragebeantwortung zu Polen:

Aktivitäten des russischen Geheimdienstes in polnischen Flüchtlingslagern,

https://www.ecoi.net/local_link/270018/398486_de.html, Zugriff 1.4.2016

-

borderline-europe – Menschenrechte ohne Grenzen e.V.(4.11.2013):

Rückführungen im Rahmen von Dublin II nach Polen. Eine Ist-Stand-Erhebung zur Situation Geflüchteter, http://www.borderline-europe.de/sites/default/files/background/Bericht_Polen_2013.pdf, Zugriff 1.4.2016

-

Pax Christi (1.12.2011): Safety of Chechen asylum seekers in Poland,

http://www.paxchristi.be/wp/wp-content/uploads/2012/01/PaxChristi_SafetyofChechenasylumseekersinPoland_2011_def.pdf, Zugriff 1.4.2016

-

VB des BM.I Polen (3.2.2010): Auskunft des VB, per E-Mail

-

VB des BM.I Polen (11.2.2013): Auskunft des VB, per E-Mail

2. Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen beim Grenzschutz einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen, dem er sich entzogen hat. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von 9 Monaten möglich (bis November 2015 galten 2 Jahre als Frist und gelten für Altfälle auch weiterhin). Sind diese 9 Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. Hat der Antragsteller bereits eine Entscheidung im vorherigen Verfahren erhalten, wird der Antrag ebenfalls als Folgeantrag betrachtet. Der Grenzschutz verweist sie entweder an ein Unterbringungszentrum, oder inhaftiert sie gegebenenfalls für max. 12 Stunden und beantragt bei Gericht Unterbringung in einem geschlossenen Zentrum (guarded center). Inhaftierung ist dann möglich, wenn ein Rückkehrer Polen illegal verlassen hat (was bei Dublin-Fällen fast immer der Fall ist) oder keine Identitätsnachweise besitzt. Dublin-Rückkehrer sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt, wie alle anderen Antragsteller (AIDA 11.2015).

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Als vulnerabel (im Sinne von: eine spezielle Behandlung benötigend) gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, alleinerziehende Eltern, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychische Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. Sexueller Gewalt. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse Identifikationsmechanismen vorgesehen, deren Umsetzung nach Meinung von UNHCR und NGOs aber noch mangelhaft sei. Wird ein vulnerabler Antragsteller identifiziert, bewertet die Behörde ob eine spezielle Behandlung (im Verfahren, wie auch in Bezug auf Unterbringung) nötig ist. Dazu können auch medizinische bzw. psychologische Untersuchungen veranlasst werden. Verweigert der Ast. diese Untersuchungen, wird er nicht als vulnerabel betrachtet. Wenn die Vulnerabilität bestätigt wird, ist im Verfahren speziell darauf Rücksicht zu nehmen (z.B. Beteiligung eines Arztes/Psychologen und eines Übersetzers bei den Verfahrensschritten) (AIDA 11.2015).

Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist, mit Zustimmung des Ast. oder seines Vertreters, eine Altersfeststellung vorgesehen. Es gibt drei Möglichkeiten hierfür:

allgemeine Untersuchung, Handwurzelröntgen und Zahnuntersuchung, in dieser Reihenfolge. Im Zweifelsfall wird die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt. Die Gesetze sehen vor, dass für UMA ein Vormund bestimmt werden muss. Dieser Vormund ist nur für das Asylverfahren zuständig, nicht für andere Lebensbereiche des UMA. Es wird ausnahmslos für jeden UMA von der Ausländerbehörde beim zuständigen Vormundschaftgericht ein Vormund beantragt und von jenem einer bestellt. Dies dauerte in der Regel ca. 2 Monate, seit November 2015 liegt die Frist jedoch bei 3 Tagen. Es gibt in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist sind dies NGO-Leute bzw. entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten. Der Vormund soll während des Interviews des UMA anwesend sein, ebenso ein Psychologe (AIDA 11.2015).

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

4. Non-Refoulement

Gemäß Asylgesetzesänderung vom 13.11.2015 gilt ein Antrag als unzulässig, wenn der ASt. bereits den Schutz eines anderen Landes genießt, in dem er vor Refoulement geschützt ist (AIDA 11.2015).

Die Gesetze kennen das Prinzip des sicheren Herkunfts- oder Transitstaats, enthalten aber auch Bestimmungen, denen zufolge Schutzbedürfnisse im Einzelfall berücksichtig werden können (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

-

USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/306400/443675_de.html, Zugriff 1.4.2016

5. Versorgung

AW sind ab Registrierung in einem Ertaufnahmezentrum während des gesamten Asylverfahrens, sowie während der ersten Beschwerde im selben Ausmaß zu materieller Unterstützung berechtigt, auch im Zulassung-, im Dublinverfahren und bei Folgeanträgen. Im Erstaufnahmezentrum müssen sie sich binnen 2 Tagen ab Antragstellung registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Das Recht auf medizinische Versorgung besteht ab Antragstellung. Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu 2 Monate nach der endgülitigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings schlicht eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitram auf 14 Tage. Da Ast. mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen allerdings binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn Ast. diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Regel nur für 30 Tage weiterversorgt. Einzelne Asylwerber berichten, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Wenn gegen eine negative Entscheidung des Rats für Flüchtlingsfragen (2. Instanz) Beschwerde vor dem Regionalen Verwaltungsgericht in Warschau eingelegt wird, besteht generell kein Recht auf Versorgung bis das Gericht die Entscheidung des Rats suspendiert. Hier kann es zu einer Lücke in der Versorgung von 2-3 Monaten kommen. Und da seit Mai 2014 das Verfahren und die Rückkehr getrennt wurden und die Suspendierung der Entscheidung des Rates nicht mehr nötig ist um eine Außerlandesbringung zu verhindern, kann es passieren, dass das Gericht keine Suspendierung ausspricht und damit auch keine Versorgung gegeben ist. Es geht aber aus dem Bericht nicht hervor, wie oft das bisher vorgekommen ist. AW, die außerhalb des Zentrums wohnen dürfen, erhalten eine Zulage (AIDA 11.2015).

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

5.1. Unterbringung

AW, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag/Person), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat), Einmalzahlung für Kleidung (PLN 140,-), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentl. Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. AW, die außerhalb der Zentren leben erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit 4 oder mehr Familienmitgliedern), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentl. Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. Ende Juli 2015 erhielten 1.315 AW Versorgung innerhalb der Zentren und 2.460 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützungen liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum” und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard zu führen. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, seien so schwer abzudecken. Dies trage dazu bei, dass AW oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen lebten und oft illegaler Beschäftigung nachgehen müssten. Selbst für Familien reiche die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 11.2015).

In Polen gibt es 11 Unterbringungszentren mit gesamt 1.980 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Ausländerbehörde UDSC, 7 der Zentren werden aber von Vertragspartnern geführt. Es gibt keine speziellen Zentren für AW im Grenzverfahren oder in Transitzonen. AW dürfen die Zentren untertags jederzeit verlassen, sollten aber vor 23 Uhr zurück sein (AIDA 11.2015).

Wenn AW spezielle Bedürfnisse haben (Vulnerable) sind diese bei der Versorgung zu berücksichtigen. Einige Unterbringungszentren sind für Vulnerable angepasst: 3 Zentren haben behindertengerechte Eingänge und ein entsprechendes Zimmer und Badezimmer. 4 weitere Zentren sind teilweise angepasst. Ein Zentrum in Warschau ist speziell für alleinstehende Frauen bzw. alleinstehende Frauen mit Kindern gewidmet. UMA werden nicht zusammen mit Erwachsenen untergebracht, sondern in Kinderheimen oder übergangsweise in Pflegefamilien (AIDA 11.2015).

Es gibt Berichte über Vorfälle von geschlechterbezogener Gewalt, aber UNHCR berichtet, dass darauf unter Einbeziehung von Polizei, Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern reagiert wurde. UNHCR und NGOs berichten auch keine größeren oder anhaltenden Probleme mit Missbrauch in den Zentren (USDOS 25.6.2015).

Polen verfügt auch über mehrere geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers), in denen Schubhäftlinge und unter bestimmten Voraussetzungen auch AW untergebracht werden können (Versuch der illegalen Überquerung der Grenze, keine Identitätsdokumente, usw.). Mitte 2015 wurden Schritte unternommen, um die bewachten Zentren zu reformieren und mehr Bewegungsfreiheit usw. zu gewährleisten. Ein Problem sei die zunehmende Zahl von Kindern (Familien dürfen geschlossen untergebracht werden, UMA bis 15 Jahre nicht) in den Zentren, welche keinen Zugang zu Schulunterricht haben. Die geschlossene Unterbringung ist nur auf gerichtliche Anordnung möglich (USDOS 25.6.2015).

UMA werden in Kinderfürsorgeeinrichtungen oder Familien in ganz Polen untergebracht (AIDA 11.2015).

Quellen:

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AIDA – Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/306400/443675_de.html, Zugriff 1.4.2016

5.2. Medizinische Versorgung

MedCOI bearbeitet keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind (MedCOI 14.5.2012).

AW in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder beendet wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versogung von AW wird öffentlich finanziert. In den Unterbringungszentren wird medizinische Basisversorgung vor Ort bereitgestellt. In den Erstaufnahmezentren werden AW auch medizinisch untersucht. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von AW durch die Vertragsfirma Petra Medica gewährleistet. Sie umfasst auch psychologische Versorung. Psychologische Betreuung ist in jedem Unterbringungszentrum und bei UDSC vorhanden. Pro 120 Personen sind 4 Stunden psychologische Versorgung zuzüglich eines Übersetzers vorgesehen. AW können, wenn nötig, aber auch zu Psychiatern oder psychiatrische Kliniken überwiesen werden. Nach Ansicht einiger Experten ist Spezialbehandlung für Folteropfer oder traumatisierte AW in der Praxis nicht verfügbar. In Polen existieren 2 NGOs, die sich auf psychologische Unterstützung vulnerabler AW spezialisiert haben: Die International Humanitarian Initiative, welche regelmäßig in Warschau ihre Dienste zur Verfügung stellt; und Ocalenie Foundation, welche dreimal die Woche Asylwerber in Warschau unterstützt. Ihre Psychologen sprechen Englisch und Russisch. Andere NGOs bieten aus finanziellen Gründen nur limitiert und unregelmäßig psychologische Unterstützung an (z.B. Caritas, Polish Humanitarian Action). Einige Organisationen spezialisieren sich auf bestimmte Gruppen (z.B. Kinder oder Opfer von Menschenhandel). Da mangelnde Sprachkenntnisse bisher das größte Zugangshindernis zu medizinischer Versorgung waren, wurde dies beim Vertrag mit Petra Medica beachtet und die Gewährleistung von Übersetzung bei medizinischer und psychologischer Betreuung festgeschrieben (AIDA 11.2015).

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

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MedCOI – Medical COI (14.5.2012): Anfragebeantwortung, per E-Mail

Beweiswürdigend wurde hervorgehoben, dass die Identität der Beschwerdeführerin mangels geeigneter, heimatstaatlicher, identitätsbezeugender Dokumente nicht feststehe. Hinsichtlich der geltend gemachten Rückkehrbefürchtungen wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer bei einer tatsächlichen Verfolgung durch ihre Verwandten in Polen die Möglichkeit habe, sich an die dortige Behörde zu wenden, um sich bei Bedarf Schutz zu suchen. Nach ihrer Rücküberstellung habe sie nach Antragstellung die Berechtigung einer materiellen Versorgung und Unterstützung durch den Staat. Bei der Beschwerdeführerin sei eine milde Anpassungsstörung festgestellt worden, es seien jedoch keine therapeutischen und medizinischen Maßnahmen angeraten worden. Es stehe fest, dass die Beschwerdeführerin an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung leide. Die Beschwerdeführerin könne auch in Polen bei Bedarf jederzeit medizinische Versorgung und Unterstützung in Anspruch nehmen. Dem Antrag des Rechtsberaters auf Einholung einer Einzelfallzusicherung werde nicht stattgegeben, da keine außergewöhnlichen Umstände, welche einer Verletzung von Art. 3 EMRK nahe kämen, eingetreten seien.

In der rechtlichen Beurteilung wurde festgehalten, dass Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO formell erfüllt sei. Die Anordnung der Außerlandesbringung würde nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führen. Zu der Schwester habe kein wirtschaftliches und familiäres Abhängigkeitsverhältnis festgestellt werden können, zumal die Beschwerdeführerin selbst angegeben habe, dass keinerlei Abhängigkeit bestehe. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführerin ernstlich für möglich erscheinen lassen würde, sei im Verfahren nicht erstattet worden. In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben.

7. Gegen den zitierten Bescheid erhob die Beschwerdeführerin im Wege ihrer ausgewiesenen Vertretung mit Schriftsatz vom 14.09.2017 binnen offener Frist die vorliegende Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die belangte Behörde keine Einzelfallprüfung vorgenommen habe und berücksichtigen hätte müssen, dass die Beschwerdeführerin von ihrem seit dem Jahr 2009 in Österreich lebenden und subsidiär Schutzberechtigten Ehemann emotional und finanziell abhängig sei; sie sei weiters wie eine Mutter für dessen drei Kinder. Es werde beantragt, den Ehemann der Beschwerdeführerin als Zeugen im gegenständlichen Verfahren zu laden. Weiters habe die belangte Behörde nur äußerst oberflächlich den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin ermittelt. Das BFA habe außerdem mangelhafte Länderberichte herangezogen habe, wobei in diesem Zusammenhang diverse Berichte zitiert werden. Vor dem Hintergrund aktueller Länderberichte hätte die belangte Behörde zu dem Schluss kommen müssen, dass es wahrscheinlich sei, dass die Beschwerdeführerin im Fall der Überstellung nach Polen weder über eine angemessene Unterkunft noch über eine angemessene (medizinische) Versorgung verfügen werde. Allenfalls bei Vorlage einer entsprechenden individuellen Zusicherung durch die polnischen Behörden ließe sich davon ausgehen, dass die Beschwerdeführerin in Polen adäquat versorgt werde. Eine Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen stelle eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK bzw. Art. 3 GRC und Art. 8 EMRK gewährleisteten Recht dar, weshalb die Behörde vom Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch hätte machen müssen.

8. Mit Eingabe vom 25.10.2017 übermittelte das BFA einen Bericht der Landespolizeidirektion Steiermark vom 21.10.2017, wonach die Beschwerdeführerin am 18.10.2017 auf dem Landweg nach Polen überstellt worden sei.

9. Mit E-Mail vom 23.11.2017 teilte das BFA mit, dass die Beschwerdeführerin am gestrigen erneut in Österreich erschienen sei und einen neuerlichen Asylantrag eingebracht habe. Ein neues Konsultationsverfahren mit dem zuständigen Mitgliedstaat werde nochmals eingeleitet.

10. Mit Eingabe vom 15.12.2017 übermittelte das BFA einen weiteren Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 14.12.2017, wonach die Beschwerdeführerin am selben Tag auf dem Luftweg neuerlich nach Polen überstellt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die volljährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte nach ihrer Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.06.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalem Schutz. Bei ihrer Einreise in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU war sie im Besitz eines seitens der polnischen Vertretungsbehörde in Moskau/Russland ausgestellten Schengen-Visums mit einer Gültigkeit vom 30.12.2016 bis zum 27.06.2017.

Das BFA richtete am 29.06.2017 ein auf Art. 12 Abs. 4 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Polen, dem die polnische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 04.07.2017 ausdrücklich zugestimmt hat. Ein Sachverhalt, der die Zuständigkeit Polens wieder beendet hätte, liegt nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Polen an.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Überstellung nach Polen Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Bei der Beschwerdeführerin wurde im Rahmen der PSY-III-Untersuchung eine "milde Anpassungsstörung" diagnostiziert. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin an einer schwerwiegenden oder gar lebensbedrohlichen gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet bzw. eine stationäre oder sonstige Behandlung benötigt.

Die Beschwerdeführerin hat im Bundesgebiet familiäre Anknüpfungspunkte durch ihre in Österreich aufhältige Schwester und deren Familie, jedoch steht sie mit diesen Verwandten aktuell nicht in Kontakt. Ein gemeinsamer Haushalt bestand zu der Schwester laut eigenen Angaben der Beschwerdeführerin nur für einen kurzen Zeitraum. Ein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zwischen der angeführten Verwandten und der Beschwerdeführerin bestand zu keinem Zeitpunkt. Die Beschwerdeführerin geht keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach.

Die am 18.10.2017 sowie am 14.12.2017 stattgefundenen Überstellungen der Beschwerdeführerin nach Polen erfolgten ruhig und waren auch kein Ambulanz- bzw. Notarzteinsatz erforderlich.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin nach der ersten erfolgten Überstellung nach Polen am 22.11.2017 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet stellte.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich des ausgestellten Schengen-Visums ergeben sich aus der – in den Verwaltungsakten dokumentierten – Auskunft aus dem VIS-System des Bundesministeriums für Inneres vom 29.06.2017.

Die Feststellungen betreffend das Aufnahmegesuch seitens der österreichischen Dublin-Behörde an Polen und die Zustimmung zur Aufnahme der Beschwerdeführerin seitens Polens beruhen auf dem – im Verwaltungsakt dokumentierten – durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen der österreichischen und der polnischen Dublin-Behörde.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Polen auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin III-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Die Beschwerdeführerin hat die Richtigkeit dieser Feststellungen in einer Gesamtschau nicht hinreichend in Zweifel gezogen und auch keine dem (tatsächlichen) Inhalt dieser Quellen (fundamental) entgegenstehenden Berichte zitiert oder bezeichnet. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Polen den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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