TE OGH 2017/11/28 9Ob40/17y

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2017
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr. Hargassner sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Proksch & Fritzsche Frank Fletzberger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E*****, vertreten durch Mag. Andrea Willmitzer, Rechtsanwältin in Leobersdorf, wegen 6.500 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 2. März 2017, GZ 19 R 98/16x-22, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 27. Juni 2016, GZ 8 C 10/15w-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Beklagte ist Mieterin eines Abstellplatzes auf einer der Klägerin und einem weiteren Miteigentümer gehörenden Liegenschaft. Zwischen den Parteien herrscht Streit darüber, ob die Beklagte vertraglich verpflichtet sei, anteilige Kosten für die von der Klägerin veranlasste Neuherstellung des Kanals sowie der Strom- und Wasserleitungen zu leisten. Die Vorinstanzen verneinten eine derartige Verpflichtung und wiesen das Klagebegehren ab.

Erst über Antrag der Klägerin ließ das Berufungsgericht die Revision nachträglich zu, weil „nicht ausgeschlossen“ werden könne, dass allenfalls die Berücksichtigung einer von der Klägerin zitierten Lehrmeinung zu einem von der ständigen Rechtsprechung abweichenden Ergebnis der Vertragsauslegung führe.

Gegen das Berufungsurteil wendet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag im Sinn der Klagestattgebung; hilfsweise wird die Aufhebung begehrt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben, hilfsweise, das Urteil aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Die Zurückweisung der ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

2. Weder das Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung noch die Klägerin in ihrer Revision zeigen eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Nach dieser Bestimmung ist die – von der Berufungsentscheidung allenfalls abweichende, fehlende oder uneinheitliche – Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs Maßstab für das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage kann vom Revisionswerber nicht bloß isoliert mit einer Lehrmeinung argumentiert werden, die das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung „übergangen“ haben soll. Die Revisionswerberin und – ihr bei der nachträglichen Zulassung der Revision folgend – das Berufungsgericht übergehen, dass nicht einmal der Umstand, dass die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs von einer Lehrmeinung, der das Berufungsgericht ohnehin nicht folgt, abgelehnt wird, für sich allein einen Grund für die Zulässigkeit der Revision begründen kann (RIS-Justiz RS0042985 ua). Derartiges wird hier aber in der Revision nicht einmal geltend gemacht, fehlt es doch an der Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs.

Im Hinblick auf eine bestimmte Lehrmeinung könnte von der Revision allenfalls dargelegt werden, dass das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und einer damit übereinstimmenden Lehrmeinung abgewichen ist oder dass die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs uneinheitlich ist, was gerade von einer bestimmten Lehrmeinung aufgezeigt wird. Derartiges ist hier aber in der Revision nicht erfolgt.

Sollte im Einzelfall eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs überhaupt fehlen, genügte auch nicht bloß eine diesbezügliche Pauschalbehauptung des Revisionswerbers. Vielmehr wäre im Detail darzulegen, zu welcher konkreten Frage eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlen soll. Auch das ist hier in der Revision nicht erfolgt.

3. Die Revision behauptet zwar nominell, dass es an einer „einheitlichen Rechtsprechung“ mangle, benennt aber keine Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs, die nach Auffassung der Revision in einer hier relevanten Weise nicht einheitlich sein sollen.

Dass überhaupt keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu Fragen der Vertragsauslegung vorliege, behauptet die Revision zu Recht nicht (vgl nur RIS-Justiz RS0113932 uva). Richtig ist die Auffassung der Revision, dass bei der Vertragsauslegung im Einzelfall nicht nur die Vertragsurkunde selbst, sondern auch andere, begleitende Erklärungen der Parteien eine Rolle spielen können. Zur Auslegung von rechtsgeschäftlichen Erklärungen sind nämlich grundsätzlich alle Umstände heranzuziehen, aus denen Schlüsse auf die Absicht der Parteien zu ziehen sind (RIS-Justiz RS0017817 ua).

Welche Erklärungen der Parteien im konkreten Fall aber letztlich verbindlich und maßgeblich sind, ist das Ergebnis einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042776 ua). Dies folgt entgegen der Annahme der Revisionswerberin aber nicht erst aus einer vom Berufungsgericht „übergangenen“ Lehrmeinung, sondern entspricht ohnehin der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0017817 ua). Mit dieser setzt sich die Revisionswerberin aber, wie bereits erwähnt, nicht näher auseinander.

4. Hängt nun aber wie im vorliegenden Fall die Entscheidung von der Auslegung einer Vereinbarung der Parteien ab, dann kommt der Frage der Auslegung nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs regelmäßig keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042776; RS0042936; RS0042555; RS0044358 ua). Ein unvertretbares Auslegungsergebnis wird – gemessen an der in der Revision nicht behandelten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs – nicht aufgezeigt.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision der Klägerin zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 40 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin nicht hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979).

Schlagworte

;

Textnummer

E120394

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00040.17Y.1128.000

Im RIS seit

18.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten