Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Univ.-Prof. Dr.
Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Kodek, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin K***** R*****, vertreten durch Mag. Peter Riedel, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Antragsgegner S***** R*****, vertreten durch Dr. Kurt Hirn, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse (hier wegen Wiedereinsetzung), über die außerordentlichen Revisionsrekurse des Antragsgegners gegen die Beschlüsse des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. September 2017, GZ 4 R 227/17z, 235/17a-65, mit denen der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 13. Juli 2017, GZ 3 Fam 110/13k-63, bestätigt und der Rekurs gegen den Beschluss vom 2. Mai 2017, GZ 3 Fam 110/13k-56, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revisionsrekurse werden mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Beschluss des Erstgerichts über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse wurde dem Rechtsvertreter des Antragsgegners am 16. 5. 2017 zugestellt. Dieser befand sich in der Zeit vom 16. 5. bis 2. 6. 2017 auf einem länger geplanten Urlaub. Der erst am 13. 6. 2017 bei Gericht eingebrachte Rekurs des Antragsgegners wurde vom Erstgericht (rechtskräftig) zurückgewiesen. Den daraufhin am 6. 7. 2017 eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag wies es mit der Begründung, dem Rechtsvertreter hätte schon bei der Verfassung des Rekurses, der eingangs ausführe, dass der angefochtene Beschluss vom 2. 5. 2017 am 16. 5. 2017 zugestellt worden sei, dessen Verspätung erkennen müssen, ebenso als verspätet zurück.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss (4 R 227/17z). Zudem wies es auch den als Nachholung der versäumten Prozesshandlung im Antrag auf Wiedereinsetzung ausgeführten Rekurs gegen den Aufteilungsbeschluss „zur Klarstellung“ wegen Verspätung zurück (4 R 235/17a).
Zum Wiedereinsetzungsantrag gab das Rekursgericht zu bedenken, dass dem Rechtsvertreter des Antragsgegners eine Verspätung der in § 148 Abs 2 ZPO genannten 14-tägigen Frist nicht nur im Hinblick auf die Kontrolle der Rechtzeitigkeit bei Verfassung des Rekurses, sondern auch schon wegen einer fehlenden Überprüfung des Fristenvormerkbuchs direkt nach seiner Rückkehr von einem mehr als 14-tägigen Urlaub vorzuwerfen wäre.
Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Gegen beide Beschlüsse erhebt der Antragsgegner Revisionsrekurs.
Rechtliche Beurteilung
Die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist mangels einer dem § 519 Abs 1 Z 1 ZPO vergleichbaren Regelung nicht jedenfalls, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RIS-Justiz RS0120974 [T9]). Weist das Gericht zweiter Instanz „im Rahmen des Rekursverfahrens“ den Rekurs gegen die erstinstanzliche Sachentscheidung wegen Verspätung zurück, so ist auch dieser Beschluss (nur) unter den Voraussetzungen des § 62 AußStrG anfechtbar (RIS-Justiz RS0120974 [T7, T9]).
Der Revisionsrekurswerber kann aber zu beiden Beschlüssen in seinem Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen:
Zur Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags legt er dar, es überspanne die Sorgfalts- und Kontrollpflichten eines Rechtsanwalts, wenn von ihm verlangt werde, das Fristenvormerkbuch sofort nach der Rückkehr aus dem Urlaub zu überprüfen. Er referiert in seinem Revisionsrekurs die Rechtsprechung dazu, dass ein einmaliges Versehen eines bewährten und verlässlichen Mitarbeiters eines Rechtsanwalts der Bewilligung der Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht entgegenstehe, wenn dem Anwalt kein Sorgfalts-, Organisations- und Kontrollversehen vorgeworfen werden müsse, und meint, der Fehler seiner Mitarbeiterin sei ein entschuldbarer Irrtum.
Mit dem Fehler der Kanzleiangestellten haben sich die Vorinstanzen aber aufgrund der Verspätung des Wiedereinsetzungsantrags gar nicht näher befasst.
Begehrt eine Partei die Wiedereinsetzung wegen eines Irrtums, so fällt das Hindernis nicht erst dann weg, wenn sie den Irrtum tatsächlich aufgeklärt hat, sondern zu dem Zeitpunkt, zu dem die Aufklärung wegen eines nicht bloß minderen Grades des Versehens unterblieben ist (10 ObS 64/93 = SZ 66/51; RIS-Justiz RS0036742; Deixler-Hübner in Fasching/Konecny3 II/2 § 148 ZPO Rz 11; Gischthaler in Rechberger4 § 148 ZPO Rz 8). Dabei darf kein strengerer Maßstab angelegt werden als bei einer Versäumung der Frist selbst (RIS-Justiz RS0036827; RS0036608). Grobes Verschulden des Parteienvertreters ist der Partei zuzurechnen (RIS-Justiz RS0111777).
Nach dem Vortrag des Antragsgegners im Wiedereinsetzungsantrag hat sein Rechtsvertreter, nachdem ihm von seiner Kanzleikraft am 12. 6. 2017 der Akt vorgelegt worden war, den Rekurs gegen diesen Beschluss verfasst. Zweifelsohne gehört es zum Mindeststandard einer Rechtsanwaltskanzlei, das Datum des Zugangs von Schriftstücken, insbesondere Gerichtsentscheidungen, beim Einlangen ersichtlich zu machen, sei es entweder durch das Setzen eines Eingangsvermerks oder auf andere geeignete Weise, wenn nicht ohnehin systemgemäß beim Ausdruck von im Wege des ERV übermittelten Schriftstücken das Datum der Hinterlegung aufscheint (vgl zur Beurteilung des Verhaltens gerichtliche Zustellstücke nicht bereits beim Einlangen mit einem Eingangsvermerk zu versehen als auffallende Sorglosigkeit schon bei der unvertretenen Partei 6 Ob 161/16v und 9 ObA 92/92). Warum dem Rechtsanwalt des Antragsgegners anlässlich der Verfassung des Rechtsmittels die Verspätung des Rechtsmittels bei der spätestens dann gebotenen Prüfung der Rechtzeitigkeit (anhand eines solchen Eingangsvermerks oder bei dessen Fehlen durch Nachforschungen) verborgen geblieben sein konnte, lässt der Rechtsmittelwerber offen. In seinem Rekurs legt er dazu nur dar, dass diesem die Fristversäumnis nicht aufgefallen sei, weil sich sein Anwalt an dem auf der ersten Seite des Beschlusses in roter Schrift vermerkten Termin seiner Kanzleikraft orientiert habe. Damit gesteht der Antragsgegner aber selbst zu, dass sein Rechtsvertreter jedwede nachprüfende Kontrolle der Rechtzeitigkeit und zwar auch bei der Verfassung des Rechtsmittels unterlassen hat. Bei Bearbeitung eines Rechtsmittels muss der Rechtsanwalt aber selbst prüfen, ob die Rechtsmittelfrist möglicherweise bereits verstrichen ist bzw wann diese endet (1 Ob 26/12y mwN; s auch 1 Ob 77/05p). Wenn nun der Rechtsvertreter des Beklagten die Rechtzeitigkeit überhaupt keiner eigenen Überprüfung unterzogen hat, liegt in der Beurteilung der Vorinstanzen, ein solches Verhalten sei auffallend sorglos, keinesfalls eine zu korrigierende Fehlbeurteilung.
Darauf, ob er auch das Fristenvormerkbuch (sogleich) nach der Rückkehr aus dem Urlaub zu überprüfen gehabt hätte, kommt es, weil schon zwischen der Verfassung des verspäteten Rekurses und der Stellung des Wiedereinsetzungsantrags mehr als 14 Tage vergangen waren, gar nicht an.
Da der Revisionsrekurswerber keine Gründe angibt, warum er den Beschluss über die Zurückweisung des im Wiedereinsetzungsantrag enthaltenen Rekurses anficht, sind beide Revisionsrekurse zurückzuweisen, ohne dass es einer weitergehenden Begründung bedarf (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).
Textnummer
E120383European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00213.17F.1129.000Im RIS seit
18.01.2018Zuletzt aktualisiert am
12.09.2018