TE Vwgh Beschluss 2017/12/19 Ra 2017/09/0045

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Veröffentlicht am 19.12.2017
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Index

63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §118 Abs1;
BDG 1979 §123;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/09/0046

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr, die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer und Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentlichen Revisionen des Prof. Mag. X Y in Z, vertreten durch Winterheller Rechtsanwalts GmbH in 5580 Tamsweg, Zinsgasse 16, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. September 2017, 1) W170 2165624-2/5E betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens und Suspendierung nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (protokolliert zu hg. Ra 2017/09/0045) und

2) vom 13. September 2017, W170 2165624-1/5E (protokolliert zu hg. Ra 2017/09/0046), betreffend vorläufige Suspendierung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Disziplinarkommission beim Landesschulrat für Salzburg, Senat für Lehrer/innen an kaufmännischen Schulen), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1 Der 1957 geborene Revisionswerber steht als Lehrer der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule X in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Mit Bescheid des Landesschulrates für Salzburg (in der Folge: Dienstbehörde) vom 20. Juni 2017 wurde der Revisionswerber vorläufig vom Dienst suspendiert, nachdem am 22. Mai 2017 eine Beschwerde von Eltern einer Schülerin der genannten Schule gegen den Revisionswerber wegen verbal sexuell belästigenden und entwürdigenden Äußerungen erstattet und nach Durchführung von Ermittlungen auf die Dienstleistung des Revisionswerbers vorerst mit schriftlicher Weisung der Dienstbehörde vom 26. Mai 2017 verzichtet worden war.

3 Nach Erstattung einer Disziplinaranzeige gegen den Revisionswerber durch den Landesschulrat für Salzburg als Dienstbehörde mit Schreiben vom 23. Juli 2017 wurde mit Bescheid der Disziplinarkommission beim Landesschulrat für Salzburg, Senat für Lehrer/innen an kaufmännischen Schulen (in der Folge: Disziplinarkommission) vom 3. August 2017 wegen des Verdachts der Verletzung der allgemeinen Dienstpflichten durch während des Schuljahres 2016/17 gegenüber Schülern und Schülerinnen des Jahrganges 1 AHK (in der Folge: 1 AHK) der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule X in der Schule wiederholt getätigter näher angeführter sexuell anzüglicher, unangemessener und übergriffiger Äußerungen einerseits vom Dienst suspendiert und gleichzeitig wurde ein Disziplinarverfahren gegen den Revisionswerber eingeleitet bzw. beschlossen, "ein Disziplinarverfahren durchzuführen". In der Begründung wurden die durch die Dienstbehörde durchgeführten Ermittlungen, insbesondere die Befragung der betroffenen Schüler und Schülerinnen sowie der Vorhalt der Vorwürfe gegenüber dem Revisionswerber sowie dessen Äußerungen dargestellt und in weiterer Folge aus rechtlicher Sicht begründet, warum die Suspendierung bzw. die Einleitung des Disziplinarverfahrens zu erfolgen habe.

4 Gegen die Bescheide vom 20. Juni 2017 (hinsichtlich der vorläufigen Suspendierung) und vom 3. August 2017 (hinsichtlich der endgültigen Suspendierung und der Einleitung des Disziplinarverfahrens) erhob der Revisionswerber jeweils Beschwerde. Darin brachte er zusammengefasst vor, er sei bereits seit vielen Jahren als Lehrer tätig und habe sich durch eine "eher zwangslose" verbale Kommunikation ausgezeichnet, sei jedoch seinem Bildungsauftrag nachgekommen. Im gegenständlichen Schuljahr sei er durch einen lückenhaften Stundenplan und zahlreiche Überstunden außergewöhnlich belastet gewesen, insbesondere, da auch seine Lebensgefährtin nach zwei schweren Operationen auf seine Hilfe angewiesen sei. Trotz entsprechendem Ersuchen sei eine Hilfe durch den zuständigen Direktor nicht eingetreten, was zu einer damit einhergehenden nervlichen Belastung und zahlreichen Krankenständen geführt habe. Auch habe der Direktor erwähnt, der Landesschulrat habe bereits ein Auge auf den Revisionswerber geworfen und er werde es "dieses Schuljahr noch schaffen", ihn suspendieren zu lassen. Aus diesem Grund habe es der Revisionswerber nicht mehr gewagt, in den Krankenstand zu gehen. Diese Umstände hätten nicht nur den Unterrichtsstil des Revisionswerbers, sondern auch dessen Kommunikation beeinträchtigt, was sich in erster Linie in seinem Umgangston gegenüber der 1 AHK bemerkbar gemacht habe, mit welcher der Revisionswerber von Anfang an Schwierigkeiten gehabt habe, da die Schüler und Schülerinnen dieser Klasse in seinen Unterrichtsstunden laut, unkonzentriert und aufmüpfig gewesen seien. Der Bescheid sei inhaltlich rechtswidrig, da die Disziplinarkommission verkannt habe, dass an die Suspendierung ein strenger Maßstab anzulegen sei, da diese insbesondere eine besoldungsrechtliche Konsequenz habe. Selbst wenn die Äußerungen des Revisionswerbers unangemessen gewesen bzw. über das Ziel hinaus geschossen seien, so stelle das keine derart schwere Dienstpflichtverletzung dar, die das gegenständliche Verfahren bzw. die Suspendierung rechtfertige. Selbst wenn es sich bei den Äußerungen um ein Fehlverhalten des Revisionswerbers handle, liege kein schuldhaftes Verhalten vor, da der Revisionswerber an einer Anpassungsstörung mit schwergradiger Insomnie und Impulskontrollstörung sowie an einer Hypertonie leide, wodurch sich seine verbalen Ausschreitungen selbst erklären würden.

5 Diese Beschwerden des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht mit den nun angefochtenen Erkenntnissen vom 13. September 2017 und 20. September 2017 ab und erklärte jeweils die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

6 Nach Darstellung des Verfahrensganges stellte das Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst fest, die Dienstbehörde habe in Einvernahmen von Schülern und Schülerinnen ermittelt, dass der Revisionswerber gegenüber Schülern und Schülerinnen der Klasse 1 AHK im Schuljahr 2016/2017 die Aussagen wie "jetzt bist du 16, jetzt bist du stichreif, nur für mich nicht, weil ich bin dein Lehrer"; "kein Schwanz rührt sich"; "ich steh voll auf Schokotitten"; "was seufzt du wie in deinen feuchten Träumen"; "ausziehen, ausziehen" etc. sowie dass dieser häufig das Wort "ficken" verwendet habe. Weder im Rahmen des Parteiengehörs noch im Rahmen der Beschwerde habe der Revisionswerber diesen Sachverhalt in objektiver Sicht bestritten, er habe lediglich ausgeführt, dass er einerseits in einer psychisch angespannten Situation gewesen sei und andererseits eine lose verbale Kommunikation pflege. Rechtlich erachtete das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich des Vorliegens des Verdachts einer Dienstpflichtverletzung, dass bei objektiver Betrachtung der festgestellten Aussagen des Revisionswerbers diese jeweils für sich als auch in ihrer Gesamtheit als unangemessene, aus objektiver Sicht durchaus auch als sexuell anzügliche und übergriffige Äußerungen zu verstehen seien, die insbesondere dadurch, dass diese gegenüber Minderjährigen, der Obhut des Revisionswerbers unterstellten Schülern und Schülerinnen getätigt worden seien, mit den objektiven Pflichten eines Lehrers, insbesondere mit der Pflicht, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu erhalten, an der Entwicklung der Anlagen der gegenständlichen Schüler und Schülerinnen nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen mitzuwirken, nicht in Einklang zu bringen wären. Die Ausführungen zur mangelnden Vereinbarkeit mit den Dienstpflichten des Revisionswerbers würden auch, wenn auch in abgeschwächter Form, für die häufige, unangebrachte Verwendung des Wortes "ficken" gelten. Dies deshalb, da die häufige Verwendung dieses der Vulgärsprache zugehörigen Wortes durch einen Lehrer durchaus - in einer objektiven Betrachtung - geeignet sei, den Verdacht zu begründen, dass ein Verhalten vorliege, das (zusammengefasst) mit seinen Dienstpflichten nicht in Einklang zu bringen wäre.

7 Zur vorläufigen und endgültigen Suspendierung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es rechtfertige nicht jeder Verdacht, irgendwelche Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, bereits eine Suspendierung, sondern nur grundsätzlich der Verdacht des Vorliegens gewichtiger Dienstpflichtverletzungen. Die dem Revisionswerber im Verdachtsbereich vorgeworfene Dienstpflichtverletzung möge zwar nicht so schwerwiegend sein wie etwa der sexuelle Kontakt mit einem Schüler oder einer Schülerin. Jedoch würden auch wiederholt getätigte sexuell anzügliche, unangemessene und übergriffige Äußerungen eines Lehrers gegenüber ihm anvertrauten Schülern eine schwerwiegende Verletzung seiner Vertrauensstellung darstellen, zumal die Lebenserfahrung zeige, dass gerade im Alter der betroffenen Schüler solche Äußerungen durch Autoritätspersonen auch zu einer weiterführenden Herabsetzung der betroffenen Schülerinnen im Klassenverband führen könne und die ungestörte Entwicklung des Charakters und des Selbstvertrauens der betroffenen Schülerin störe. Darüber hinaus wäre das Ansehen der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule X gefährdet, wenn die Aussagen des Revisionswerbers öffentlich würden, wobei bei dieser Beurteilung dem tatsächlichen Bekanntwerden des disziplinären Vorfalls in der Öffentlichkeit weder bei der objektiven Betrachtung der Schwere der Dienstpflichtverletzung noch im Rahmen der Milderungsgründe und Erschwerungsgründe entscheidende Bedeutung zukomme, weil dieser Umstand von Zufälligkeiten abhänge, die sich der Objektivierung bzw. der persönlichen Einflussnahme des Beamten entziehe. Ein Verbleib des Beschwerdeführers in seiner Dienststellung würde im Lichte der im Verdachtsbereich festgestellten Dienstpflichtverletzungen daher das Ansehen der Bundeshandelsakademie und Bundeshandelsschule X gefährden und sei die endgültige Suspendierung schon alleine deshalb rechtmäßig. Im Rahmen der Prüfung offenkundig vorhandener Einstellungsgründe im Suspendierungsverfahren sei der Eintritt der Verjährung der zur Last gelegten Tat zu prüfen. Diese liege im Hinblick auf die Kenntnis der Dienstbehörde von der Dienstpflichtverletzung nicht vor.

8 Zum Einleitungsbeschluss führte das Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die bereits dargelegten Feststellungen, insbesondere der unbestrittenen Äußerungen des Revisionswerbers seinen Schülern gegenüber und den Erwägungen zur Verdachtslage hinsichtlich der angelasteten Dienstpflichtverletzung aus, dass ein hinreichender Verdacht der Begehung einer Dienstpflichtverletzung vorliege und darüber hinaus nicht offensichtlich Gründe für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorlägen. Daher könne der Disziplinarkommission hinsichtlich der Fassung des Einleitungsbeschlusses nicht entgegengetreten werden. In einer objektiven Betrachtung müsse jedem Lehrer aus eigenem einsichtig sein, dass sich sexuell anzügliche, herabwürdigende oder übergriffige Äußerungen gegenüber einem Schüler oder einer Schülerin verbieten würden. Da der Revisionswerber bis dato nicht bewiesen habe, dass ihm Schuldausschließungsgründe zu Gute kämen, sei auch im Verdachtsbereich von einem schuldhaften Verhalten auszugehen. Es sei auch nicht notwendig nachzuweisen, dass der Beamte die ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen tatsächlich begangen habe, sondern es genüge, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer gewichtigen Dienstpflichtverletzung rechtfertigen würden.

9 Dagegen richten sich die außerordentlichen Revisionen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhangs verbunden und erwogen:

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

11 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

13 Hat das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, so hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird (außerordentliche Revision). Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl. etwa VwGH 26. 4. 2016, Ra 2016/09/0006, mwN).

14 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit in beiden Revisionen vor, das Bundesverwaltungsgericht sei in seiner Entscheidung von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung angenommen habe, obwohl die dazu getroffenen Feststellungen hiefür nicht ausreichend gewesen seien. Abgesehen davon sei auch der Sachverhalt nicht hinreichend festgestellt worden, damit sei auch kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden.

15 In der Zulassungsbegründung in der Revision betreffend die endgültige Suspendierung und den Einleitungsbeschluss führt der Revisionswerber noch zusätzlich aus, er habe nachweislich vorgebracht, unter einer Anpassungsstörung mit schwergradiger Insomnie und Impulskontrollstörung zu leiden, weshalb auch kein schuldhaftes Verhalten vorliegen könne. Diesbezüglich seien keine weiteren Erhebungen getätigt worden, insbesondere sei kein Sachverständigengutachten zur Schuld(un)fähigkeit des Revisionswerbers eingeholt worden.

16 Wird als Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen (denn nur ein solches Abweichen vermag schon dem Wortlaut des Art. 133 Abs. 4 B-VG zufolge eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen), ist konkret anzuführen, in welchen Punkten der angefochtene Bescheid bzw. das angefochtene Erkenntnis von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. VwGH 19.10.2017, Ra 2017/09/0038, VwGH 24. 5. 2017, Ra 2017/09/0017, mwN). Indem die Revisionen überhaupt keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anführen, werden sie diesen Anforderungen nicht gerecht.

17 I. Zur (vorläufigen) Suspendierung (Ra 2017/09/0045 und 46):

18 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Suspendierung ihrem Wesen nach eine sichernde Maßnahme, die bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zwingend zu treffen ist. Sie stellt keine endgültige Lösung dar. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt vielmehr erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen. Die Suspendierung eines Beamten gehört demnach in die Reihe jener vorläufigen Maßnahmen, die in zahlreichen Verfahrensgesetzen vorgesehen sind, um einen Zustand vorübergehend zu ordnen, der endgültig erst aufgrund des in der Regel einen längeren Zeitraum beanspruchenden förmlichen Verfahrens geregelt wird, um dadurch Nachteile und Gefahren - insbesondere für das allgemeine Wohl - abzuwehren und zu verhindern. Die Verfügung der Suspendierung setzt den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung voraus, die wegen "ihrer Art" das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet. Es können daher nur schwerwiegende, auf der Hand liegende Interessen der Verwaltung als sachbezogen anerkannt werden und die Suspendierung rechtfertigen. So kann eine Suspendierung zunächst in Betracht kommen, weil das verdächtige Verhalten noch nicht abzugrenzen, aber als schwerwiegend zu vermuten ist. Aber auch bei geringeren Verdachtsgründen kann aus der konkreten Situation das dienstliche Interesse an der Suspendierung begründet sein, z.B. bei schwerer Belastung des Betriebsklimas. Für eine Suspendierung sind greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung von ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite erforderlich (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 21. 4. 2015, Ro 2015/09/0004, mit umfangreichen Hinweisen auf die Vorjudikatur).

19 Eine Suspendierung ist dann unzulässig, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen oder lediglich bloße Gerüchte und vage Vermutungen vorliegen. Es müssen vielmehr greifbare Anhaltspunkte für eine Dienstpflichtverletzung in ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie auf die subjektive Tatseite gegeben sein, welche die für eine Suspendierung geforderten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen (vgl. dazu VwGH 20.10.2015, Ra 2015/09/0035, mwN).

20 Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall ausführlich begründet, weshalb es zu dem Ergebnis gelangte, dass die (auch vorläufige) Suspendierung des Revisionswerbers notwendig und gerechtfertigt sei. Mit den allgemein gehaltenen Ausführungen in der Zulassungsbegründung, die Feststellungen zur Verdachtslage einer Dienstpflichtverletzung seien nicht ausreichend und es sei kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden, zeigt der Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. Dazu kommt, dass es nicht ausreicht, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Diese sind in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 6.7.2016, Ra 2015/01/0194).

21 Der Revisionswerber rügt in der Zulassungsbegründung weiters, das Bundesverwaltungsgericht habe im Hinblick auf seinen vorgebrachten Gesundheitszustand keine Erhebungen getätigt, die das Vorliegen seiner Schuldunfähigkeit darlegen sollten.

22 Das Bundesverwaltungsgericht ist begründet davon ausgegangen, dass offenkundige Gründe für eine Einstellung des Disziplinarverfahrens nicht vorliegen. Abgesehen davon, dass schon die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis von allfälligen Schuldausschließungsgründen nicht offenkundig war, zeigt der Revisionswerber auch keinen Kausalzusammenhang zwischen seinem Gesundheitszustand und dem im Verdachtsbereich vorgeworfenen Verhalten auf.

23 Ausgehend von dem wider ihn erhobenen Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ist nicht zweifelhaft, dass durch eine Belassung im Dienst angesichts der Art der ihm zur Last gelegten Verhaltensweisen das Ansehen des Amtes bzw. wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet wären.

24 II. Zum Einleitungsbeschluss (Ra 2017/09/0045):

25 Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen Gang eine weitere Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist (vgl. erneut VwGH 19.10.2017, Ra 2017/09/0038, mwN).

26 Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens reicht es aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Die Disziplinarbehörde muss bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. In dieser Phase des Verfahrens ist nur zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob allenfalls offenkundige Gründe für eine sofortige Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (vgl. VwGH 17. 2. 2015, Ra 2014/09/0007).

27 Im vorliegenden Fall ist das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis gekommen, dass die teils wiederholt getätigten Äußerungen des Revisionswerbers seinen Schülern und Schülerinnen gegenüber aus objektiver Sicht als sexuell anzügliche und übergriffige Äußerungen zu verstehen und diese mit den näher genannten objektiven Pflichten eines Lehrers nicht in Einklang zu bringen seien und daher der Verdacht einer Dienstpflichtverletzung vorliege. Dabei ist nicht zu erkennen und bringt der Revisionswerber in diesem Zusammenhang auch nicht vor, dass das Bundesverwaltungsgericht bei dieser Beurteilung von den zuvor dargestellten Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre. Zu den in der Zulassungsbegründung erstatteten Argumenten, die undifferenziert sowohl zur Suspendierung als auch zum Einleitungsbeschluss vorgebracht wurden, wurde unter Rz 23 bis 26 bereits Stellung genommen und auf diese wiederum verwiesen. Ob der Revisionswerber aber durch die vorgeworfenen Handlungen und Unterlassungen tatsächlich vorwerfbare Dienstpflichtverletzungen begangen hat, wird im Disziplinarverfahren zu klären sein.

28 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2017:RA2017090045.L00

Im RIS seit

17.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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