TE OGH 2017/11/29 8ObA55/17x

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ulrike Hammerschmidt und ADir. Gabriele Svirak als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** H*****, vertreten durch Mag. Mischa Blasoni, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei W***** AG, *****, vertreten durch die Köhler Draskovits Unger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 27.733,40 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juli 2017, GZ 9 Ra 48/17w-44, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 24. Mai 2016, GZ 6 Cga 79/14a-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit seiner am 5. 6. 2014 eingebrachten Klage begehrte der Kläger von der hier Beklagten sowie der G***** Schadenersatz aus dem Titel des Schmerzengeldes sowie des Verdienstentgangs. Seit 11. 10. 1982 sei er (bis zu seiner Pensionierung) als Beamter im Dienst der Zweitbeklagten gestanden. Aufgrund einer gesetzlichen Zuweisung habe er den Dienst bei der Erstbeklagten verrichtet; diese sei ein Eisenbahnunternehmen. Seine Aufgabe sei es gewesen, in der Zentralwerkstätte der Erstbeklagten Verschubtätigkeiten defekter Straßenbahnzüge zu koordinieren und durchzuführen. Am 15. 5. 2012 habe er einen Dienstunfall erlitten, bei dem er verletzt worden sei. Zum Unfall sei es dadurch gekommen, dass ein Triebwagen in der Verschubhalle von einem Kollegen zu stark angeschoben worden sei. Als der Kläger dies bemerkt habe und ein händisches Abbremsen gescheitert sei, seien er und ein anderer Kollege auf den Triebwagen aufgesprungen, um diesen mit dem elektronischen und dem manuellen Betriebssystem zu bremsen. Diese Systeme seien allerdings defekt gewesen. Nachdem der rollende Triebwagen die Verschubhalle verlassen hatte, sei er vom Triebwagen abgesprungen und auf eine Verschubbühne gedrängt worden. In der Folge sei er vom rollenden Triebwagen im Bereich der linken Schulter erfasst worden. Ihn treffe kein Verschulden am Unfall. Demgegenüber habe der Kollege, der den defekten Triebwagen angeschoben habe, die einschlägigen Vorschriften missachtet. Er mache seine Ansprüche gegen die Zweitbeklagte als Dienstgeberin und gegen die Erstbeklagte als Halterin der Straßenbahn, insbesondere nach den Bestimmungen des ABGB und des EKHG geltend.

Im bereits abgeführten bisherigen Verfahren wurde zunächst ausgesprochen, dass das Erstgericht für die Klage gegen die Zweitbeklagte sachlich unzuständig ist; die Rechtssache wurde auf Antrag des Klägers an das nicht offenbar unzuständige Amtshaftungsgericht überwiesen.

Gegen die Erstbeklagte wurde die Klage im bereits abgeführten Verfahren zufolge Unzulässigkeit des Rechtswegs insoweit zurückgewiesen, als die geltend gemachten Ansprüche auf das ABGB wegen Verletzung der Fürsorgepflicht gestützt wurden. Dazu wurde der außerordentliche Revisionsrekurs des Klägers mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 29. 9. 2015, 8 ObA 65/15i, zurückgewiesen.

Soweit sich die Klage gegen die Erstbeklagte auf die Bestimmungen des EKHG bezog, wurde die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen. Gegenstand des noch anhängigen Verfahrens ist somit nur mehr die Klage gegen die hier Beklagte (ursprüngliche Erstbeklagte), soweit sich die Klage auf Ansprüche nach den Bestimmungen des EKHG bezieht.

Das Erstgericht wies das noch anhängige Klagebegehren – ausgehend vom Vorbringen des Klägers und ohne Durchführung eines Beweisverfahrens – ab. § 3 Z 3 EKHG sehe einen Haftungsausschluss vor, wenn der Verletzte zur Zeit des Unfalls beim Betrieb der (hier) Eisenbahn tätig gewesen sei. Dabei sei jene Person beim Betrieb der Eisenbahn tätig, die bei der Beförderung ihre berufliche Tätigkeit ausübe. Die Voraussetzungen für diesen Haftungsausschluss seien im Anlassfall gegeben, weil der Kläger in das Verschubgeschehen, das letztlich zu seiner Verletzung geführt habe, eingegriffen habe und darin eingebettet gewesen sei. Schadenersatzansprüche nach dem EKHG gegen die Eisenbahnunternehmerin schieden daher aus.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Haftungsausschluss des § 3 Z 3 EKHG gelte auch bei einer nicht unmittelbar im Zeitpunkt des Unfalls beförderten, beim Betrieb tätigen Person, wenn deren eigentliche berufliche Tätigkeit auch während der Beförderung ausgeübt werde. Ein derartiger faktischer Zusammenhang zwischen Beförderung und der beruflichen Tätigkeit beim Betrieb der Eisenbahn sei hier gegeben. Da der Kläger in das gesamte Verschubgeschehen eingebettet gewesen sei, liege eine Tätigkeit beim Betrieb der Eisenbahn vor. Der in Rede stehende Haftungsausschluss sei nicht auf Dienstnehmer des Betriebsunternehmers beschränkt. Der Haftungsausschluss des § 3 Z 3 EKHG gelte – trotz gegenteiliger Judikatur des 2. Senats des Obersten Gerichtshofs, die jedoch von den arbeitsrechtlichen Senaten abgelehnt werde – auch im Fall außergewöhnlicher Betriebsgefahr. Aus § 3 Z 3 EKHG ergebe sich nämlich, dass bei Vorliegen der darin genannten Voraussetzungen das EKHG nicht anwendbar sei. Dies müsse auch für die Haftung nach § 9 EKHG gelten. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zum Verhältnis des § 3 EKHG zu § 9 EKHG keine einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers, die auf eine Stattgebung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Beklagte und die Nebenintervenientin, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofs zur teleologischen Reduktion des § 3 Z 3 EKHG in den Fällen des § 9 EKHG (vor allem außergewöhnliche Betriebsgefahr) geboten erscheint. Die Revision ist im Sinn des subsidiären Aufhebungsantrags auch berechtigt.

1. Ansprüche des Klägers gegen die G***** als Dienstherrin (er war bis zu seiner Pensionierung deren Beamter) sind nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens.

2. Soweit die Klage gegen die hier Beklagte auf die Verletzung von Fürsorgepflichten nach dem ABGB gestützt wurde, liegt bereits eine rechtskräftige Entscheidung über die Zurückweisung der Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs vor. In der dazu ergangenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 ObA 65/15i wurde unter anderem ausgeführt, dass für die hier Beklagte als „Beschäftigerin sui generis“ zufolge gesetzlicher Zuweisung des Klägers keine eigenständige Fürsorgepflicht besteht. Bei den Fürsorgepflichten der Beklagten in Bezug auf ihr zugewiesene öffentlich-rechtliche Bedienstete handelt es sich um die abgeleiteten Fürsorgepflichten des öffentlich-rechtlichen Dienstgebers. Ihre Verletzung – durch den Dienstgeber oder ein diesem zurechenbares Organ – ist als Amtshaftungsanspruch gegen den Dienstgeber geltend zu machen.

Auf diese Anspruchsgrundlage kann der Kläger im noch anhängigen Verfahren nicht mehr zurückkommen. Entgegen seiner Ansicht geht es in dieser Hinsicht nicht um die Reichweite der materiellen Rechtskraftwirkung eines klagszurückweisenden Beschlusses, sondern um die gerade im vorliegenden Verfahren erfolgte Zurückweisung der Klage aus einer der vom Kläger geltend gemachten Anspruchsgrundlagen. Dessen ungeachtet wären seine Ausführungen auch inhaltlich nicht überzeugend. Dies gilt vor allem auch für die angestellten verfassungsrechtlichen und unionsrechtlichen Überlegungen.

3.1 Zu den Ansprüchen auf der Grundlage des EKHG stützen sich die Vorinstanzen auf den Haftungsausschluss des § 3 Z 3 EKHG. Nach dieser Bestimmung ist im Fall der Tötung oder Verletzung eines durch die Eisenbahn oder das Kraftfahrzeug beförderten Menschen das EKHG hinsichtlich der beförderten Eisenbahn oder des beförderten Kraftfahrzeugs insofern nicht anzuwenden, als der Verletzte zur Zeit des Unfalls beim Betrieb der Eisenbahn oder beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätig war.

Diese Bestimmung normiert somit einen Ausschluss der Haftung nach dem EKHG, also eine Ausnahme vom Grundsatz der Gefährdungshaftung (RIS-Justiz RS0109833). Nach ihrem Zweck haben die beim Betrieb der Eisenbahn oder beim Betrieb des Kraftfahrzeugs tätigen Personen die Folgen ihrer eigenen Tätigkeit, war diese nun sorglos oder sorgfältig, grundsätzlich selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0108193).

„Beim Betrieb tätig“ bedeutet, dass der Verletzte oder Getötete während der schadenskausalen Beförderung, die einen bestimmungsgemäßen Vorgang darstellt (RIS-Justiz RS0058156), seine eigene berufliche Tätigkeit ausübt. Wird die Person hingegen ohne Arbeitsverrichtung bloß wie ein Gast befördert, so ist sie nicht beim Betrieb tätig (RIS-Justiz RS0108191). Der Haftungsausschluss gemäß § 3 Z 3 EKHG ist nach der Rechtsprechung auch bei einer nicht unmittelbar im Zeitpunkt des Unfalls beförderten Person zu bejahen, wenn die eigentliche berufliche Tätigkeit auch während der Beförderung ausgeübt wird und ein enger faktischer Zusammenhang der schadenskausalen beruflichen Tätigkeit mit der Beförderung besteht (RIS-Justiz RS0124240; 9 ObA 52/11d).

3.2 Die Vorinstanzen sind zu Recht davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen schon ausgehend vom Vorbringen des Klägers gegeben sind. Der Kläger war Verschubarbeiter in vorgesetzter Stellung. Seine Aufgabe bestand nicht nur in der Organisation, sondern auch in der Durchführung von Verschubtätigkeiten defekter Straßenbahnzüge. Das Aufspringen (noch in der Verschubhalle) auf den rollenden Triebwagen, um diesen abzubremsen, ist noch als Tätigkeit beim Betrieb anzusehen. Das Verschieben von defekten Straßenbahnzügen (Triebwägen und Anhängern) ist in der Zentralwerkstätte der Beklagten ein üblicher Betriebsvorgang, bei dem die Verschubarbeiter auf den verschobenen Garnituren auch mitfahren, also befördert werden, und dabei ihre berufliche Tätigkeit ausüben. Der Umstand, dass der Kläger nach seinem Vorbringen aufgrund der Gefahrensituation vom Triebwagen (auf eine Verschubbühne im Sinn einer verschiebbaren Gleisbühne) abgesprungen ist, ändert an der Beurteilung nichts, weil in dieser Hinsicht ein enger faktischer Zusammenhang mit der Beförderung besteht.

Der Haftungsausschluss nach § 3 Z 3 EKHG ist im Anlassfall demnach zu bejahen.

4.1 Nach dem Wortlaut des § 3 Z 3 EKHG führt der Haftungsausschluss dazu, dass das EKHG nicht anzuwenden ist. Das Berufungsgericht leitet daraus ab, dass auch § 9 EKHG nicht zur Anwendung gelange. Aus diesem Grund „stelle sich die Frage der Haftung der Beklagten nach § 9 EKHG“ nicht. Die gegenteilige Rechtsprechung des 2. Senats des Obersten Gerichtshofs werde von den arbeitsrechtlichen Senaten des Obersten Gerichtshofs abgelehnt.

4.2 Richtig ist, dass der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs seit 2 Ob 109/04z – unter Hinweis auf § 333 Abs 3 ASVG in der Fassung der 48. ASVG-Novelle – die Ansicht vertritt, dass es bei risikoerhöhenden Umständen auf Seiten des Halters bzw Betriebsunternehmers ungeachtet des § 3 Z 3 EKHG als sachgerechte Lösung erscheint, dem beim Betrieb Tätigen die Gefährdungshaftung zu eröffnen und ein allfälliges Mitverschulden des Geschädigten nach § 7 EKHG iVm § 1304 ABGB angemessen zu berücksichtigen. Die „risikoerhöhenden Umstände“ im Sinn von außergewöhnlicher Betriebsgefahr, Fehlern in der Beschaffenheit oder Versagen der Vorrichtungen beruhen nach dieser Rechtsprechung auf der Wertung des § 9 EKHG, nach der diese Risiken jedenfalls der Betriebsunternehmer oder Halter zu tragen hat, ohne dass ihm der Entlastungsbeweis offensteht (RIS-Justiz RS0120591; 2 Ob 13/12v).

Daraus folgt, dass der Betriebsinhaber oder Halter das Risiko der außergewöhnlichen Betriebsgefahr, die durch das Verhalten eines nicht beim Betrieb tätigen Dritten oder eines Tieres ausgelöst wurde, sowie das Risiko eines Fehlers in der Beschaffenheit oder des Versagens der Vorrichtungen jedenfalls zu tragen hat (vgl Schauer in Schwimann/Kodek4 § 3 EKHG, Rz 14). In diesen Fällen trifft den Betriebsunternehmer oder Halter die Gefährdungshaftung des EKHG (RIS-Justiz RS0120591; 2 Ob 13/12v).

In der befürwortenden Literatur (Reischauer, Neuerungen im Bereich des Arbeitgeber-Haftungsprivilegs im Zusammenhang mit Kfz-Verkehr und Integritätsabgeltung, DRdA 1992, 317 [322]; Schauer in Schwimann/Kodek4 § 3 EKHG Rz 14) wird dieser Lösungsansatz damit begründet, dass in den erwähnten Fällen des § 9 EKHG eine teleologische Reduktion des § 3 Z 3 EKHG zu erfolgen habe, sodass der Betriebsunternehmer bzw Halter diese Risiken jedenfalls selbst zu tragen habe, während das Element der Zurechnung zum Geschädigten in den Hintergrund trete (2 Ob 109/04z).

4.3 Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts resultiert der dargestellte Lösungsansatz nicht aus einer (vom Berufungsgericht abgelehnten) „Anwendung“ des § 9 EKHG, sondern aus einer teleologischen Reduktion allein des § 3 Z 3 EKHG aufgrund der Wertungen des § 9 EKHG im Verein mit § 333 Abs 3 ASVG (siehe dazu Neumayr in Schwimann, TaKomm ABGB3 § 3 EKHG Rz 4). Dementsprechend erkennt das Berufungsgericht in dieser Hinsicht selbst, dass § 9 EKHG lediglich einen (weiteren) Haftungsausschluss im Fall eines unabwendbaren Ereignisses normiert. Es ist also nicht richtig, dass der 2. Senat des Obersten Gerichtshofs von einer „Anwendung“ des § 9 EKHG ausgehe, die Senate 8 und 9 eine solche „Anwendung“ hingegen ausschließen würden.

5. Die frühere Entscheidung 2 Ob 203/02w verfolgte noch einen anderen Lösungsansatz als die oben dargestellte neuere Judikatur des 2. Senats. In 2 Ob 203/02w wurde die Haftung (des Haftpflichtversicherers) des Arbeitgebers für einen Arbeitsunfall mit einem Kraftfahrzeug unmittelbar aus § 333 Abs 3 ASVG in der Fassung der 48. ASVG-Novelle abgeleitet. Dazu wurde die verschuldensunabhängige Risikohaftung des Auftraggebers (Arbeitgebers) nach § 1014 ABGB als „gesetzliche Haftpflichtbestimmung“ iSd § 2 Abs 1 KHVG und damit die daraus resultierenden Ansprüche generell als solche mit einer erhöhten Haftpflicht qualifiziert, weil für Ansprüche nach § 1014 ABGB im Zusammenhang mit einem Verkehrsmittel eine Haftpflichtdeckung des Haftpflichtversicherers bestehe.

Die Entscheidung 8 ObA 117/02t lehnte 2 Ob 203/02w zu Recht ab, wobei dafür Überlegungen nach § 1014 ABGB maßgebend waren. Während § 3 Z 3 EKHG die [normale] Gefährdungshaftung des Halters [bzw Betriebsunternehmers] für Personenschäden des beim Betrieb eines Kraftfahrzeugs [bzw einer Eisenbahn] Tätigen ausschließe, würde der Arbeitgeber und dessen Haftpflichtversicherer bei Anwendung des § 1014 ABGB über die bloße Gefährdungshaftung des Halters hinaus selbst dann haften, wenn der verletzte Betriebsgehilfe selbst den Unfall verschuldet hätte. Darüber hinaus sei zu beachten, dass die Risikohaftung des Arbeitgebers nach § 1014 ABGB unter Anwendung der Grundsätze des DHG nur dann bejaht werde, wenn der Arbeitgeber ohne den Einsatz der Sachen des Arbeitnehmers zur Besorgung der aufgetragenen Arbeit eigene Sachen hätte beistellen und damit das Schadensrisiko selbst hätte tragen müssen.

6.1 Diese früheren Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs betreffen somit nicht die Frage der Haftung für die Risiken des § 9 EKHG (vor allem außergewöhnliche Betriebsgefahr). Zu der sich darauf beziehenden neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs seit 2 Ob 109/04z besteht auch keine widersprüchliche Judikatur des Obersten Gerichtshofs.

6.2 Der hier erkennende Senat schließt sich insbesondere der Meinung von Schauer (in Schwimann/Kodek4 § 3 EKHG, Rz 8 und 14) an, wonach Ansprüche aus der normalen Gefährdungshaftung des EKHG (gewöhnliche Betriebsgefahr) durch § 3 Z 3 EKHG ausgeschlossen werden, hingegen Schäden aus dem Risiko der außergewöhnlichen Betriebsgefahr, eines Fehlers der Beschaffenheit oder des Versagens der Vorrichtungen jedoch in jedem Fall, also auch im Verhältnis zu einer beim Betrieb tätigen Person, vom Betriebsunternehmer oder Halter zu tragen sind. Insoweit wird die neuere Judikatur des 2. Senats des Obersten Gerichtshofs gebilligt.

7. Die Entscheidungen der Vorinstanzen halten in dieser Frage der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht Stand.

Für den Anlassfall ergibt sich daraus Folgendes: Der Kläger hat im gegebenen Zusammenhang vorgebracht, dass die elektronischen und manuellen Bremssysteme des rollenden Triebwagens defekt gewesen seien, weshalb der Triebwagen aus der Verschubhalle gerollt und es zum Unfall gekommen sei. Damit kann das auf das EKHG gestützte Klagebegehren nicht schon ausgehend vom Vorbringen des Klägers abgewiesen werden. Vielmehr ist der Sachverhalt im Hinblick auf eine mögliche Haftung der Beklagten für die geltend gemachten Ansprüche nach den Wertungen des § 9 EKHG zu ermitteln. Insoweit macht der Kläger zu Recht sekundäre Feststellungsmängel geltend. Aus diesem Grund waren die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht das Beweisverfahren zu den hier maßgebenden Fragen abzuführen und dazu den Sachverhalt zu ermitteln haben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

Textnummer

E120369

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00055.17X.1129.000

Im RIS seit

17.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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