Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn, die Hofrätin Mag. Korn und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei M***** B*****, Versicherungsangestellter, *****, vertreten durch Dr. Andreas Joklik, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.620 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 5. Juli 2017, GZ 21 R 84/17m-16, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 7. April 2017, GZ 6 Cg 657/16t-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte war Eigentümer einer Eigentumswohnung, die er zu verkaufen beabsichtigte. Er wurde durch einen Zettel, den S***** L*****, eine Mitarbeiterin der klagenden Immobilienmakler-GmbH, in der Wohnhausanlage verteilt hatte und der mit ihrer Telefonnummer und dem Logo „Immobilienwelt L*****“ versehen war, auf das Maklerbüro der Klägerin aufmerksam. Zwischen S***** L***** und dem Beklagten wurde in der Folge telefonisch ein Termin in dessen Wohnung vereinbart, bei dem die Wohnung besichtigt wurde und auch die Ehefrau des Beklagten und seine zwei Kinder anwesend waren. Der Beklagte erklärte S***** L*****, dass er beabsichtige, die Wohnung zu verkaufen, woraufhin sie erklärte, dass die Maklerprovision 3 % vom Verkaufspreis zuzüglich Umsatzsteuer betragen werde. S***** L***** holte das Formular eines Alleinvermittlungsauftrags hervor, welches sie mit dem Beklagten und dessen Ehefrau Punkt für Punkt durchging, sodass dem Beklagten bekannt war, dass als Immobilienmaklerin die Klägerin auftrat. Da eine Nachbarin des Beklagten eine Autopanne hatte, war der Beklagte nicht bei dem gesamten Termin anwesend. Zu einer Unterzeichnung des Alleinvermittlungsauftrags kam es an jenem Tag nicht, da der Beklagte sich noch Bedenkzeit erbat. S***** L***** kündigte an, für den Fall der Erteilung des Alleinvermittlungsauftrags zu einem späteren Zeitpunkt noch Fotos von der Wohnung anfertigen zu wollen.
Einige Tage später rief S***** L***** den Beklagten an. Er gab ihr zu verstehen, dass sie die Wohnung für ihn verkaufen solle. Daraufhin fuhr sie erneut in die Wohnung und fertigte dort Fotos für die Verkaufsvermittlung an. Im Anschluss rief sie den Beklagten erneut an und ersuchte ihn um einen Termin zur Unterfertigung des Alleinvermittlungsauftrags. Sie erklärte ihm dabei, dass sie vor Unterfertigung dieses Vertrags keine Anzeigen im Internet schalten könne. Es wurde ein Termin zur Vertragsunterzeichnung für den 27. 8. 2015 im Büro des Arbeitgebers des Beklagten – einem Versicherungsunternehmen – vereinbart.
Am 27. 8. 2015 kam S***** L***** wie vereinbart in das Büro. Sie legte dem Beklagten ein leeres Formular eines Alleinvermittlungsauftrags vor und füllte dieses in seiner Anwesenheit aus. Auf dem Formular war links oben unter der Überschrift „Immobilienmakler“ ein Firmenstempel der Klägerin samt Telefonnummer und Firmenadresse aufgedruckt. Der Vertrag wurde beim Treffen nochmals Punkt für Punkt durchgegangen, wobei auch das 14-tägige Rücktrittsrecht sowie die Möglichkeit des Verzichts hierauf besprochen wurde. Der Vertragstext enthielt hierzu Folgendes (Hervorhebungen im Original):
„Rücktrittsrecht und Widerrufsbelehrung
Der Auftraggeber wird informiert, dass für einen Verbraucher bei Abschluss des Alleinvermittlungsauftrags außerhalb der Geschäftsräume des Maklers oder ausschließlich über Fernabsatz gemäß § 11 FAGG ein Rücktrittsrecht von diesem Alleinvermittlungsauftrag binnen 14 Tagen besteht. Die Rücktrittsfrist beginnt mit dem Tag des Vertragsabschlusses. Die Abgabe der Widerrufserklärung kann unter Verwendung des beigestellten Widerrufsformulars erfolgen, ist aber an keine Form gebunden. Wenn der Makler vor Ablauf der vierzehntägigen Rücktrittsfrist vorzeitig tätig werden soll bedarf es einer ausdrücklichen Aufforderung durch den Auftraggeber der damit – bei vollständiger Vertragserfüllung innerhalb dieser Frist – sein Rücktrittsrecht verliert.“
Beim unmittelbar nachfolgenden Absatz wurde das links neben dem Text angebrachte Ankreuzkästchen mit einem Häkchen („Hakerl“) versehen, weil der Beklagte ein sofortiges Tätigwerden der Klägerin wünschte; dieser Absatz lautete (Hervorhebungen im Original):
„Der Auftraggeber wünscht ein vorzeitiges Tätigwerden innerhalb der offenen Rücktrittsfrist und nimmt zur Kenntnis, dass er damit bei vollständiger Vertragserfüllung (Namhaftmachung) das Rücktrittsrecht vom Maklervertrag gem. § 11 FAGG verliert. Eine Pflicht zur Zahlung der Provision besteht aber erst nach Zustandekommen des vermittelten Geschäfts (Kaufvertrag, Mietvertrag) aufgrund der verdienstlichen, kausalen Tätigkeit des Maklers.“
Der Vertrag wurde vom Beklagten durchgelesen und im Anschluss daran sowohl von ihm als auch von S***** L***** unterfertigt. Beim Alleinvermittlungsauftrag handelt es sich um ein selbstdurchschreibendes Formular. Nachdem es ausgefüllt worden war, riss S***** L***** das Original herunter und wollte dem Beklagten die Durchschrift übergeben. Dieser lehnte jedoch ab und meinte, er könne die Durchschrift jetzt im Büro nicht brauchen und würde S***** L***** ohnehin vollkommen vertrauen. Daraufhin nahm S***** L***** die Durchschrift wieder mit.
Aufgrund der Tätigkeiten von S***** L***** wurde schlussendlich J***** R***** als Käufer gefunden, der die Wohnung um 295.000 EUR kaufte, den Kaufpreis zahlte und die Wohnung übergeben bekam.
Der Beklagte verweigerte die Bezahlung der Maklerprovision und erklärte mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 16. 2. 2016 den Rücktritt vom Maklervertrag.
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage aus dem abgeschlossenen Vertrag die dreiprozentige Maklerprovision zuzüglich 20 % USt. Sie brachte soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse vor, dass ein Rücktrittsrecht nach dem FAGG nach dessen § 18 ausgeschlossen gewesen sei.
Der Beklagte wendete mangelnde Aktivlegitimation ein sowie dass er nach den Bestimmungen des FAGG wirksam vom Vertrag zurückgetreten sei. Die Klägerin habe ihren Informationspflichten nach § 4 Abs 1 FAGG nicht entsprochen, weshalb sich die Rücktrittsfrist auf 12 Monate verlängert habe. Die Voraussetzungen des § 18 FAGG für einen Ausschluss des Rücktrittsrechts seien nicht erfüllt.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es bejahte die Aktivlegitimation der Klägerin und dass ein Rücktritt nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG ausgeschlossen gewesen sei; dieser Ausschluss setze eine strikte Einhaltung des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht voraus.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Es ließ die ordentliche Revision nach § 502 Abs 1 ZPO im Wesentlichen mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu den Voraussetzungen des Entfalls des Rücktrittsrechts nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG zu.
Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.
Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig.
Die Revision ist aber nicht berechtigt.
1. Der Beklagte kommt in der Revision auf den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation nicht mehr zurück, weshalb darauf vom Obersten Gerichtshof nicht einzugehen ist, ist dieser doch an eine Beschränkung der Klagegründe bzw
Einwendungen durch den Rechtsmittelwerber gebunden (vgl RIS-Justiz
RS0043352 [T23, T25, T30, T35]).
2. Zwischen den Parteien ist zu Recht unstrittig, dass das FAGG auf den vorliegenden Fall Anwendung findet. Der zeitliche Anwendungsbereich dieses Gesetzes ist aufgrund des Vertragsschlusses im August 2015 eröffnet (§ 20 FAGG), der personelle, weil der Beklagte Verbraucher und die Klägerin Unternehmerin ist (§ 1 Abs 1 FAGG iVm § 1 KSchG), der sachliche, weil der Vertrag bei gleichzeitiger Anwesenheit des Beklagten und der Repräsentantin der Klägerin an der Arbeitsstelle des Beklagten, somit an einem Ort, der kein Geschäftsraum des Unternehmers (Klägerin) ist, geschlossen wurde (§ 3 Abs 1 Z 1 lit a FAGG) und er als Immobilienmaklervertrag nicht unter die Ausnahmen des § 1 Abs 2 FAGG, insbesondere nicht unter jene des § 1 Abs 2 Z 6 und 7 FAGG fällt (Pesek, Auswirkungen des VRUG auf das Wohn- und Immobilienrecht, wobl 2014, 185 [188 f mwH]; Dehn in Schwimann/Kodek, ABGB4 Bd Va § 1 FAGG Rz 28 und 64; Leupold in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 § 1 FAGG Rz 27; vgl auch Erwägungsgrund 26 der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU).
3.1. Nach § 4 Abs 1 FAGG muss der Unternehmer den Verbraucher, bevor dieser durch einen Vertrag oder seine Vertragserklärung gebunden ist, in klarer und verständlicher Weise bestimmte Informationen erteilen, und zwar (auf eine Verletzung der folgenden Bestimmungen des § 4 Abs 1 FAGG hat sich der Beklagte gestützt):
- „bei Bestehen eines Rücktrittsrechts [über] die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung dieses Rechts, dies unter Zurverfügungstellung des Muster-Widerrufsformulars gemäß Anhang I Teil B“ (Z 8)
;
-
„gegebenenfalls [über] die den Verbraucher im Fall seines Rücktritts vom Vertrag gemäß § 16 FAGG treffende Pflicht zur Zahlung eines anteiligen Betrags für die bereits erbrachten Leistungen“ (Z 10);
- sowie „
gegebenenfalls über das Nichtbestehen eines Rücktrittsrechts nach § 18 FAGG oder über die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Rücktrittsrecht verliert“ (Z 11).
Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen sind die in § 4 Abs 1 FAGG genannten Informationen dem Verbraucher auf Papier oder, sofern der Verbraucher dem zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen, wobei die Informationen lesbar, klar und verständlich sein müssen (§ 5 Abs 1 FAGG). Der Unternehmer hat dem Verbraucher eine Ausfertigung des unterzeichneten Vertragsdokuments oder die Bestätigung des geschlossenen Vertrags auf Papier oder, sofern der Verbraucher dem zustimmt, auf einem anderen dauerhaften Datenträger bereitzustellen (§ 5 Abs 2 Satz 1 FAGG).
Der Verbraucher kann von einem Fernabsatzvertrag oder einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag binnen 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zurücktreten, wobei bei Dienstleistungsverträgen – ein solcher liegt hier vor – die Frist zum Rücktritt mit dem Tag des Vertragsabschlusses beginnt (§ 11 Abs 1 und 2 Z 1 FAGG).
Ist der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht nachgekommen, so verlängert sich die in § 11 FAGG vorgesehene Rücktrittsfrist gemäß § 12 Abs 1 FAGG um zwölf Monate.
3.2. § 18 Abs 1 FAGG statuiert „Ausnahmen vom Rücktrittsrecht“. Nach Abs 1 Z 1
hat der Verbraucher kein Rücktrittsrecht bei Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über „Dienstleistungen, wenn der Unternehmer – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach § 10 FAGG sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hatte und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht wurde“. Hat ein Fernabsatzvertrag oder ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Vertrag eine Dienstleistung, die nicht in einem begrenzten Volumen oder in einer bestimmten Menge angebotene Lieferung von Wasser, Gas oder Strom oder die Lieferung von Fernwärme zum Gegenstand und wünscht der Verbraucher, dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG mit der Vertragserfüllung beginnt, so muss nach der in § 18 Abs 1 Z 1 FAGG genannten Bestimmung des § 10 FAGG der Unternehmer den Verbraucher dazu auffordern, ihm ein ausdrücklich auf diese vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen – im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger – zu erklären.
3.3. Tritt der Verbraucher nach § 11 Abs 1 FAGG von einem Vertrag über Dienstleistungen oder über die in § 10 FAGG genannten Energie- und Wasserlieferungen zurück, nachdem er ein Verlangen gemäß § 10 FAGG erklärt und der Unternehmer hierauf mit der Vertragserfüllung begonnen hat, so hat er nach § 16 Abs 1 Satz 1 FAGG dem Unternehmer einen Betrag zu zahlen, der im Vergleich zum vertraglich vereinbarten Gesamtpreis verhältnismäßig den vom Unternehmer bis zum Rücktritt erbrachten Leistungen entspricht. Die anteilige Zahlungspflicht nach § 16 Abs 1 FAGG besteht gemäß § 16 Abs 2 FAGG nicht, wenn der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 und 10 FAGG nicht nachgekommen ist.
4. Zwischen den Parteien ist strittig, ob die Voraussetzungen für einen Ausschluss des Rücktritts nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG im vorliegenden Fall erfüllt sind. Dabei vertritt der Beklagte – hier interessierend – den Standpunkt, § 18 Abs 1 Z 1 FAGG setze voraus, dass der Verbraucher gehörig – das heißt in Übereinstimmung mit der Vorschrift des § 4 Abs 1 FAGG – vom Unternehmer informiert wurde, und zwar insbesondere auch über das Rücktrittsrecht (Information nach § 4 Abs 1 Z 8 FAGG), die allfällige Pflicht zur Zahlung eines anteiligen Betrags nach § 16 FAGG (Information nach § 4 Abs 1 Z 10 FAGG) und das Nichtbestehen eines Rücktrittsrechts nach § 18 FAGG oder die Umstände, unter denen der Verbraucher sein Rücktrittsrecht verliert (Information nach § 4 Abs 1 Z 11 FAGG).
Die Frage, ob bzw inwiefern die Einhaltung allfälliger Informationspflichten nach § 4 FAGG Voraussetzung dafür ist, dass ein Ausschluss des Rücktrittsrechts nach der – der Umsetzung des Art 16 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU dienenden – Vorschrift des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG angenommen werden kann, wird in der Literatur verschieden beantwortet.
4.1. Ob das Rücktrittsrecht tatsächlich entfällt oder trotz vollständiger Erbringung der Dienstleistung weiter bestehen bleibt, hängt nach Geiger (in Keiler/Klauser, Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht § 18 FAGG Rz 2) „von verschiedenen Voraussetzungen ab, die in § 18 Abs 1 Z 1 genannt sind“. In dieser Vorschrift ungenannte („ungeschriebene“) Tatbestandsmerkmale nimmt diese Autorin demnach nicht an.
4.2. Die gleiche Meinung vertreten Docekal/Ecker/Kogelmann/Kolba (in Deixler-Hübner/Kolba, Handbuch Verbraucherrecht [2015] 113 f; zur abweichenden Ansicht des letztgenannten Autors gemeinsam mit Leupold siehe jedoch unter Punkt 4.8.), wenn sie die Vorschrift des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG dahingehend zusammenfassen, dass die Dienstleistung „auf ausdrückliches Verlangen des Verbrauchers nach § 10 FAGG sowie nach Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG begonnen und sodann vollständig erbracht“ worden sein müsse.
4.3. Auch Dehn (in Schwimann/Kodek, ABGB4 Bd Va § 4 Rz 54 FAGG, § 10 FAGG Rz 11) vertritt diese Ansicht. Der Verbraucher habe nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG kein Rücktrittsrecht mehr und werde entgeltpflichtig, wenn der Unternehmer – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach § 10 FAGG sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht hat. Bei Verletzung der Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 11 FAGG über Verlust des Rücktrittsrechts bestehe dasselbe mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG fort.
4.4. Desgleichen zählt Pesek (wobl 2014, 194, 196) die in § 18 Abs 1 Z 1 FAGG explizit genannten Voraussetzungen für den Entfall des Rücktrittsrechts bei vollständiger Leistungserbringung auf und meint, dass bei Nichtvorliegen einer derselben vom Vertrag bei noch offener Frist zurückgetreten werden könne.
4.5. Ebenso lehrt Lurger (Widerrufsrechte, in Bydlinski/Lurger, Die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher [2012] 53 [64, 81]), dass unter den Voraussetzungen, dass die Dienstleistung bereits vollständig erbracht wurde, der Verbraucher der vorzeitigen Erbringung ausdrücklich zugestimmt und nach Information durch den Unternehmer zur Kenntnis genommen hat, dass er dadurch sein Rücktrittsrecht verliert, bei Verträgen über Dienstleistungen kein Widerrufsrecht existiere. Wer bei einem Dienstleistungsvertrag sofortige Leistung wünsche und auch ausreichend rechtlich gewarnt wird, verliere sein Rücktrittsrecht. Sofortige Leistung und Widerrufsrecht schlössen einander unter diesen Voraussetzungen aus.
4.6. In diese Richtung geht letztlich auch Schwarzenegger (in Schwimann/Kodek, ABGB4 Bd Va § 16 FAGG Rz 11 ff [insb Rz 15], § 18 FAGG Rz 4). Die „strikte Einhaltung“ des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG sei nicht Voraussetzung für den Verlust des Rücktrittsrechts, sodass auch eine unvollständige oder formal unzureichende Aufklärung demselben nicht entgegenstehe. Die Verletzung von § 4 Abs 1 Z 8 FAGG werde nur mit der Verlängerung des Rücktrittsrechts nach § 12 FAGG und dem Entfall der Vergütungspflicht nach § 16 FAGG sanktioniert. Würden aber gleichwohl die Anforderungen des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG erfüllt (Verlangen nach § 10 FAGG, Bestätigung des Verlusts des Rücktrittsrechts), erlösche mit vollständiger Erfüllung das Rücktrittsrecht und es ende damit das „Privileg“ des Verbrauchers, ohne Zahlungspflicht Dienstleistungen in Anspruch genommen zu haben. Er schulde nun die vertraglich vereinbarten Zahlungen. Dass die Verletzung des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG per se kein Hindernis für den Entfall des Rücktrittsrechts infolge vollständiger Erbringung der Dienstleistung darstelle, folgt nach Schwarzenegger zwanglos aus § 18 Abs 1 Z 1 FAGG, der die Einhaltung des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG nicht zur Voraussetzung des Entfalls des Rücktrittsrechts mache.
Aus Art 14 Abs 4 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie könne kein Anhaltspunkt für das gegenteilige Ergebnis gewonnen werden. Dass der Verbraucher unter den dort bestimmten Voraussetzungen von der Zahlung befreit ist, wenn die Leistung „ganz oder teilweise“ erbracht worden ist, bedeute nicht, dass jede Verletzung der Vorgaben des § 16 FAGG zwingend auch eine Verletzung des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG darstelle; insbesondere bei bloß unzureichender Aufklärung über das Rücktrittsrecht treffe dies eben nicht zwangsläufig zu. Aus Art 14 Abs 4 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie könne nur abgeleitet werden, dass auch bei vollständiger Erfüllung des Vertrags diese Befreiung zum Tragen kommen könne – nämlich dann, wenn zugleich auch die Voraussetzungen des Art 16 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie bzw § 18 Abs 1 Z 1 FAGG nicht erfüllt seien.
4.7. Nach Hammerl (in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 § 10 FAGG Rz 5, § 18 FAGG Rz 5) setzt das Verlangen nach einer „vorzeitigen Erfüllung“ hingegen voraus, dass der Verbraucher über das Bestehen des Rücktrittsrechts gemäß § 4 Abs 1 Z 8 FAGG sowie die allfällige Zahlungspflicht eines anteiligen Betrags im Rücktrittsfall (§ 4 Abs 1 Z 10 FAGG) Bescheid weiß. § 10 FAGG könne seine Signalwirkung nur dann entfalten, wenn der Verbraucher in Kenntnis um sein Rücktrittsrecht (im Sinne von § 4 Abs 1 Z 8 FAGG) und die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Erfüllung (im Sinne von § 4 Abs 1 Z 10 und 11 FAGG) einen bewussten Akt setze.
4.8. Mit gleicher Stoßrichtung meinen Leupold/Kolba (Das neue Verbraucherrecht [2014] Rz 357, 386), der Rücktrittsausschluss des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG setze in richtlinienkonformer Auslegung – die Autoren verweisen auf die Worte „ganz oder teilweise erbracht wurden“ in Art 14 Abs 4 lit a iVm Art 6 Abs 1 lit h der Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU – wohl voraus, dass die Informationspflicht gemäß § 4 Abs 1 Z 8 FAGG ordnungsgemäß erfüllt wurde. Mit anderen Worten sei § 18 Abs 1 Z 1 FAGG nicht anwendbar, wenn sich die Frist gemäß § 12 FAGG verlängert habe.
4.9. In Deutschland wurde Art 16 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU in § 356 Abs 4 BGB umgesetzt. Auch der deutsche Gesetzeswortlaut verlangt eine Bestätigung der Kenntnis des Verbrauchers, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung verliert, aber keine darüber hinausgehende Kenntnis über das Widerrufsrecht. Offenkundig keine solche weitere Kenntnis annehmend werden auch in der deutschen Literatur zumeist zur Frage, wann das Widerrufsrecht bei vorzeitigem Erfüllungsverlangen erlischt, allein die im Gesetz ausdrücklich genannten Erfordernisse wiedergegeben (zB Föhlisch in Tamm/Tonner, Verbraucherrecht2 [2016] § 12 Rz 64; Schulze in Schulze, BGB-Handkommentar9 [2017] § 356 Rz 8; Schirmbacher/Schmidt, Verbraucherrecht 2014 – Handlungsbedarf für den E-Commerce, CR 2014, 107 [115]). Die explizite Ansicht, dass für das Erlöschen des Widerrufsrechts eine ordnungsgemäße Belehrung des Verbrauchers über sein Widerrufsrecht nicht Voraussetzung sei, wird von Fritsche (in Münchener Kommentar zum BGB7 Bd II [2016] § 356 Rz 38) vertreten, wohingegen Grüneberg (in Palandt, BGB76 § 356 Rz 9) der Meinung ist, der Verlust des Widerrufsrechts setze voraus, dass der Verbraucher ordnungsgemäß belehrt wurde. Der Bundesgerichtshof (III ZR 152/05 = NJW 2006, 1971 [1975 in Rz 34 mwN]; vgl auch BGH I ZR 30/15 = NJW 2017, 1024 [1030 in Rz 61]) hat zu einer Vorgängerbestimmung des jetzigen § 356 Abs 4 BGB – damals § 312d Abs 3 BGB – ausgesprochen, dass der in der Literatur überwiegenden Meinung, dass das Widerrufsrecht auch dann erlösche, wenn der Anbieter seinen Informationspflichten nicht nachgekommen ist, beizupflichten sei, wobei er dies unter anderem damit begründete, dass die Gesetzesvorschrift keine Einschränkung vorsehe, dass das Erlöschen des Widerrufsrechts von der Erfüllung von Unterrichtungspflichten abhänge.
Der Senat hat dazu erwogen:
4.10. § 18 Abs 1 Z 1 FAGG setzt die Vorschrift des Art 16 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie 2011/83/EU um (vgl ErläutRV 89 BlgNR 25. GP 41). Danach sehen die Mitgliedstaaten bei Fernabsatzverträgen und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen kein Widerrufsrecht nach den Artikeln 9 bis 15 der Richtlinie vor, wenn „a) bei Dienstleistungsverträgen die Dienstleistung vollständig erbracht worden ist, wenn der Unternehmer die Erbringung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers und dessen Kenntnisnahme, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, begonnen hatte“.
4.11. Weder der Wortlaut des Art 16 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie – dies gilt auch für die anderssprachigen Fassungen, insbesondere die englische und französische – noch jener der österreichischen Umsetzungsvorschrift verlangt für einen Entfall des Widerrufsrechts (Rücktrittsrechts), dass der Verbraucher über dasselbe „ordnungsgemäß“ – das heißt in völliger Entsprechung der Vorschrift des Art 6 Abs 1 lit h der Richtlinie bzw des § 4 Abs 1 Z 8 FAGG – belehrt wurde, worauf Schwarzenegger (in Schwimann/Kodek, ABGB4 Va § 16 FAGG Rz 15, § 18 FAGG Rz 4) mit Grund hingewiesen und bei vergleichbarer Rechtslage der Bundesgerichtshof bereits in III ZR 152/05 abgestellt hat, oder dass andere allfällig bestehende Informationspflichten eingehalten wurden. Dass die Einhaltung von solchen Informationspflichten Voraussetzung für den Ausschluss des Widerrufsrechts im Falle vollständiger Leistungserbringung wäre, ist zudem weder den Erwägungsgründen der Richtlinie noch den österreichischen Gesetzesmaterialien zum Verbraucherrechte-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (VRUG) zu entnehmen. Letztere sprechen vielmehr davon, dass die Ausnahme vom Rücktrittsrecht wegen vollständiger Erbringung der Dienstleistung dann nicht zum Tragen komme, „wenn es an einem ausdrücklichen Verlangen des Verbrauchers hinsichtlich der vorzeitigen Vertragserfüllung oder einer Bestätigung des Verbrauchers über seine Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts mangelt“ und dass „[i]n diesen Fällen“ der Verbraucher also trotz bereits vollständiger Dienstleistungserbringung vom Vertrag zurücktreten könne (ErläutRV 89 BlgNR 25. GP 38).
4.12. Gegenteiliges ist – entgegen der Ansicht von Leupold/Kolba – auch nicht Art 14 Abs 4 lit a und Art 6 Abs 1 lit h Verbraucherrechte-Richtlinie zu entnehmen. Art 14 Verbraucherrechte-Richtlinie regelt – wie bereits aus seiner Überschrift „Pflichten des Verbrauchers im Widerrufsfall“ ersichtlich – allein die Rechtsfolgen, nicht die Voraussetzungen des Widerrufsrechts. Selbiges gilt im Übrigen für die Umsetzungsvorschrift des § 16 FAGG, weshalb für den Beklagten aus deren Abs 2, wonach die anteilige Zahlungspflicht nach § 16 Abs 1 FAGG nicht besteht, wenn der Unternehmer seiner Informationspflicht nach § 4 Abs 1 Z 8 und 10 FAGG nicht nachgekommen ist, nichts zu gewinnen ist. Im Übrigen erscheint die sachliche Rechtfertigung des § 16 Abs 2 FAGG überhaupt fraglich (vgl – jeweils mwH – Dehn, Praxisprobleme des FAGG, in Leupold, Forum Verbraucherrecht 2015 [2015] 1 [19 ff]; Welser/Zöchling-Jud, Bürgerliches Recht14 Bd II Rz 1300 [1303]). Der weiters von Leupold/Kolba ins Treffen geführte Art 6 Abs 1 lit h Verbraucherrechte-Richtlinie spricht sogar für die Ansicht, dass für den Entfall des Widerrufsrechts (Rücktrittsrechts) bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer der Verbraucher über dasselbe nicht völlig informiert sein muss, ist ihm doch zu entnehmen, dass das „Bestehen eines Widerrufsrechts“ das eine, eine Kenntnis davon, was „die Bedingungen, Fristen und Verfahren für die Ausübung dieses Rechts“ sind, etwas anderes ist.
4.13. Letztlich spricht auch nicht der Zweck des Art 16 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie bzw der Umsetzungsvorschrift des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG dafür, ungeschriebene Tatbestandsmerkmale anzunehmen. Offenkundiger Zweck der Regelungen ist, den Unternehmer davor zu schützen, dass der Verbraucher zurücktritt, nachdem die Dienstleistung schon vollständig erbracht wurde (vgl 4 Ob 5/14k [in Punkt 2.]). Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht wurden vom Unionsgesetzgeber unter anderem damit begründet, dass die Einräumung eines Widerrufsrechts für den Verbraucher im Fall bestimmter Dienstleistungen unangebracht sein könnte, „bei denen der Vertragsabschluss die Bereitstellung von Kapazitäten mit sich bringt, die der Unternehmer im Fall der Ausübung des Widerrufsrechts möglicherweise nicht mehr anderweitig nutzen kann“ (Erwägungsgrund 49 der Richtlinie). Gerade bei einer Dienstleistung wie der hier vorliegenden liegt dies auf der Hand.
4.14. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass Art 16 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie und der diesen umsetzende § 18 Abs 1 Z 1 FAGG kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dahingehend enthalten, dass der Ausschluss des Widerrufsrechts bzw Rücktrittsrechts die Einhaltung von in Art 16 lit a der Richtlinie oder § 18 Abs 1 Z 1 FAGG nicht genannten Informationspflichten voraussetze.
4.15. Da das Ergebnis aufgrund des Wortlauts und Zwecks des Art 16 lit a Verbraucherrechte-Richtlinie sowie der Richtliniensystematik unzweifelhaft ist, ist im Sinn der
„acte clair“-Theorie eine Anrufung des EuGH entbehrlich (vgl RIS-Justiz
RS0082949; RS0112221; RS0123074; Kohlegger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze3 Bd II/3 Anh § 190 Rz 224 ff).
5. Der Beklagte vertritt des Weiteren den Standpunkt, es seien auch nicht alle explizit in § 18 Abs 1 Z 1 FAGG genannten Erfordernisse erfüllt. Seines Erachtens mangle es an einem „ausdrücklichen Verlangen“ auf die vorzeitige Vertragserfüllung und ein solches sei auch nicht auf einem dauerhaften Datenträger erfolgt.
Dies kann aus folgenden Gründen nicht überzeugen.
5.1. Der Vertrag war aus Papier. Somit lag ein „dauerhafter Datenträger“ (§ 3 Z 5 FAGG) vor, sodass der für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge in § 10 FAGG vorgesehenen Formvorschrift entsprochen wurde (vgl Erwägungsgrund 23 der Verbraucherrechte-Richtlinie sowie Dehn in Schwimann/Kodek, ABGB4 Bd Va § 10 FAGG Rz 10).
5.2. Dem Sachverhalt ist zwar nicht zu entnehmen, dass die Mitarbeiterin der Klägerin den Beklagten im Sinne des § 10 FAGG aufforderte, ihr „
ein ausdrücklich auf diese vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen – im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger – zu erklären“. Es liegt aber – wie noch gezeigt werden wird – die ausdrückliche Erklärung eines solchen Verlangens durch den Beklagten vor, weshalb das (allfällige) Fehlen einer hierauf abzielenden Aufforderung nicht schadet. Die Wirkungen eines ausdrücklichen Verlangens kommen auch dann zum Tragen, wenn der Verbraucher von sich aus eine Vertragserfüllung vor Ablauf der Rücktrittsfrist verlangt, weil der Aufforderung in diesem Fall kein eigenständiger Wert zukommt (Dehn in Schwimann/Kodek, ABGB4 Bd Va § 10 FAGG Rz 8).
5.3. In der Literatur wird vertreten, dass das Verlangen des Verbrauchers im Sinne des § 10 FAGG „aktiv“ erfolgen müsse, weshalb es insbesondere nicht hinreichend sei, wenn das Verlangen bereits in einer „pre-ticked-Box“, also einem Ankreuzkästchen, das bereits von vornherein mit einem Häkchen versehen ist, oder in AGB enthalten ist (Holzapfel, Die Verbraucherrechte-Richtlinie und ihre Auswirkungen auf den Maklervertrag, immolex 2014, 181 [183]; Hammerl in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 § 10 FAGG Rz 5; zur deutschen Parallelvorschrift des § 356 Abs 4 Satz 1: Föhlisch in Tamm/Tonner, Verbraucherrecht2 [2016] § 12 Rz 64; abschwächend aber Schirmbacher/Schmidt, CR 2014, 115: „In der Praxis … aktive Handlung des Verbrauchers“). Ein vorausgefülltes Kästchen lag hier nicht vor. Vielmehr äußerte der Beklagte den Wunsch sofortigen Tätigwerdens der Klägerin, woraufhin in seiner Anwesenheit die Mitarbeiterin der Klägerin ein im Vertragsformblatt noch nicht vorausgefülltes Kästchen mit einem Häkchen versah, der Vertrag anschließend vom Beklagten durchgelesen und von ihm und der Mitarbeiterin unterfertigt wurde. Der Verbraucher kann selbstredend durch Ankreuzen eines entsprechenden Kästchens sein Verlangen auf vorzeitige Vertragserfüllung zum Ausdruck bringen (vgl Geiger in Keiler/Klauser, Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht § 10 FAGG Rz 4; Schirmbacher in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien3 [2015] § 356 BGB Rz 46; Fritsche in Münchener Kommentar zum BGB7 Bd II § 356 Rz 37). Ob er dies selbst oder mit seinem Willen getragen und in seiner Anwesenheit der Vertragspartner für ihn tut, kann keinen Unterschied machen. Dass der Verbraucher höchstpersönlich das Ankreuzen eines solchen Kästchens vornehmen muss, ist § 10 FAGG oder der Verbraucherrechte-Richtlinie nicht zu entnehmen. Die überaus scharfe Rechtsfolge des (anteiligen) Verlustes des Entgeltanspruchs bei einem Verbraucherrücktritt (§ 16 Abs 1 FAGG) spricht gegen ein allzu rigoroses Verständnis des ausdrücklichen Verlangens, sondern erfordert eine maßvolle Bewertung der Erklärung des Verbrauchers (Dehn in Schwimann/Kodek, ABGB4 Bd Va § 10 FAGG Rz 6). Der Vorschrift des § 10 FAGG wurde hier entsprochen.
6. Zusammengefasst liegt ein Vertrag über eine Dienstleistung, ein
ausdrückliches Verlangen des beklagten Verbrauchers nach § 10 FAGG sowie dessen Bestätigung über die Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung vor. Auf Grundlage des Verlangens auf vorzeitige Vertragserfüllung hat die Klägerin vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht. Damit sind alle Voraussetzungen des § 18 Abs 1 Z 1 FAGG für den Verlust des Rücktrittsrechts erfüllt.
7. Den Ausführungen in der Revision kam daher keine Berechtigung zu, weshalb dem Rechtsmittel des Beklagten der Erfolg zu versagen war.
8. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E120373European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00122.17Z.1129.000Im RIS seit
17.01.2018Zuletzt aktualisiert am
09.07.2019