Entscheidungsdatum
28.04.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §54 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Rechtspflegerin Ing. Stürzinger über die Beschwerde der Frau L. K. vom 02.03.2017 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, Rechnungs- und Abgabewesen, Dezernat Rechnungswesen- Buchhaltungsabteilung 35, vom 06.02.2017, betreffend Aussetzung des Strafvollzuges gemäß § 54 VStG in Angelegenheit einer Übertretung des AuslBG zu Zl. MBA ... - S 54160/12, zu Recht erkannt:
zu Recht e r k a n n t:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Über die Beschwerdeführerin (Bf) war mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, Zl. MBA ... - S 54160/12, wegen Übertretung des § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 idF BGBl. I Nr. 25/2011, iZm § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) eine Geldstrafe in der Höhe von 3983,-- Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 88 Stunden verhängt worden.
Die belangte Behörde teilte in ihrem Vorlageschreiben vom 02.03.2017 mit, dass diverse Zahlungsaufschübe nicht eingehalten worden seien, sodass u.a. die gegenständliche Strafe am 15.02.2016 an die Polizei zur Vorführung zum Strafantritt übermittelt worden ist. Am 28.01.2017 sei die Bf verhaftet und ins Polizeianhaltezentrum überstellt worden, wo sie 17 Stunden und 15 Minuten verbüßt habe; danach sei sie wegen Haftunfähigkeit für 3 Monate entlassen worden.
Es war von der belangten Behörde am 06.02.2017 folgender Bescheid („Aussetzung des Strafvollzuges gemäß § 54 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) erlassen worden:
„Aus dem Strafbescheid Zahl: MBA ... – S 54160/12 ist noch folgende Strafe zu vollstrecken:
Geldstrafe Euro 2846,--
Kosten des Strafverfahrens Euro
Zwangsverfahrensgebühren/Barauslagen Euro 39,38
Aufgrund des Gutachtens vom 29.1.2017 wird der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 70 Stunden 45 Minuten bis zum 06.05.2017 ausgesetzt.
Rechtsgrundlage: § 54 Absatz 1 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG)
Die Zeiten einer Aussetzung des Strafvollzuges gemäß § 54 sind in die Vollstreckungsverjährung nicht einzurechnen.“
Die Bf hat dann gegen diesen Bescheid (und zwei weitere Bescheide) Beschwerde erhoben, und zwar mit folgender Begründung:
„1. Ich war nicht in Wien und Auch nicht in Österreich UND ICH HABEN KEINE STRAFF BEGANNEN.
2. Mich ist nicht Bekannt WARUM und WAS UND WO HÖHER Strafe kommen.
3. Ja ich war mit meine Mann Alls Mitglied der Firma aber Volle Beantwortung hat meine Mann Alls Geschäftsführer übernehmen ich haben dass Schriftlich.
4. Nach den ich eine Visum Bekommen war in Oktober 2016 in Wien Angemeldet und 28.01.2017 hat mich Polizei in Gefängnis Genommen.
5. Von 28.01.2017, 17:00Uhr bis 29. 01.2017 war ich Polizeianhaltezentrum … Wien.
6. Ich haben Schwere Herzkranken und Schwere Nierenkrankheit sowie Sehe Höhe Blutdruck und kann ich nichts ich Gefängnis Bleiben.
7. Bin ich wegen meine Gesundheit Problemen von eine Gefängnis von Arzt Sofortigen Entlassen.
8. Ich bitte sie meine Strafe zu Eine Sozialen Stunden zu Umsetzen wen Jede Ofental in Gefängnis kann ich nicht überleben und auch Magistrat 35 Strafe und Vorführung zum Strafantritt Stimmen überein NICHT Beweis vorgelegt.“
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde aufgrund des Gutachtens eines Amtsarztes vom 29.01.2017 der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von 70 Stunden 45 Minuten bis zum 06.05.2017 ausgesetzt (§ 54 Abs. 1 VStG). In diesem Gutachten wird als Grund der Haftunfähigkeit eine „hypertensive Entgleisung“ angeführt.
Die Bf bringt in ihrer Beschwerde zunächst vor, sie habe die Straftat nicht begangen, in der Firma habe ja die volle Verantwortung ihr Mann gehabt (die Ausführungen richten sich zunächst also gegen die zugrunde liegende Straftat). Sie sei dann von der Polizei im Gefängnis angehalten worden, sie habe aber eine schwere Herzerkrankung und schwere Nierenkrankheit und auch hohen Blutdruck, sodass sie nicht im Gefängnis bleiben könne. Sie ersuche, ob sie nicht anstelle der Strafe soziale Stunden leisten könne.
Gemäß § 54 Abs. 1 VStG darf an psychisch kranken oder körperlich schwer kranken Personen und an Jugendlichen unter 16 Jahren eine Freiheitsstrafe nicht vollzogen werden.
Aus dieser Bestimmung geht hervor, dass eine Freiheitsstrafe 1. an psychisch kranken Personen, 2. an körperlich schwer kranken Personen und 3. an Jugendlichen unter 16 Jahren nicht vollzogen werden darf. Das Vorliegen eines Haftunfähigkeitsgrundes iS des § 54 VStG ist von Amts wegen d.h. gegebenenfalls auch ohne Vorliegen eines Antrages wahrzunehmen.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde von Amts wegen den angefochtenen Bescheid vom 06.02.2017 (bezüglich Aussetzung des Strafvollzuges gemäß § 54 VStG) erlassen. Wenn die Bf vorbringt, sie habe die Tat nicht begangen und ihr Mann habe damals die volle Verantwortung gehabt, so ist auf dieses Vorbringen in der Phase der Vollstreckung rechtskräftig verhängter Strafen nicht mehr weiter einzugehen. Die belangte Behörde hat die von einem Amtsarzt festgestellte Erkrankung der Bf zum Anlass genommen, den Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe von 70 Stunden 45 Minuten zunächst einmal bis zum 06.05.2017 auszusetzen. Es ist in den Fällen 1) und 2) der Vollzug so lange unzulässig, als diese Zustände vorliegen. Es steht der Bf also frei, nach Ablauf der Frist den Antrag zu stellen, dass sie nach wie vor „schwer krank“ sei und daher ein Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe – noch – nicht in Frage komme (auch wären alle vorhandenen ärztlichen Unterlagen der belangten Behörde zu übermitteln).
Was ihr Ersuchen betrifft, es möge ihr die Leistung von „sozialen Stunden“ ermöglicht werden, ist auf Folgendes Hinzuweisen:
Der Verfassungsgerichtshof führte in seinem Erkenntnis vom 12.12.2013, B 628/2013-14, zur Möglichkeit des Strafaufschubes zum Zweck der Erbringung gemeinnütziger Leistungen im Sinn des § 3a StVG im Rahmen des VStG aus:
"2.1. Da § 175 Abs. 1 dritter Satz FinStrG für im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren ausgesprochene (Ersatz-)Freiheitsstrafen - die jedenfalls in gerichtlichen Gefangenenhäusern oder in Strafvollzugsanstalten zu vollziehen sind (§ 175 Abs. 1 erster Satz FinStrG) - die sinngemäße Anwendung der Vorschriften des StVG anordnet, sich die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG aber nicht in der taxativen Aufzählung der Ausnahmebestimmungen in § 175 Abs. 1 lit. a FinStrG finden, hatte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 19.690/2012 zu prüfen, ob der auf den Strafantritt bezogene § 175 Abs. 2 FinStrG den Bestimmungen der §§ 3 ff StVG uneingeschränkt vorgeht. Hiebei gelangte er zum Ergebnis, dass dies zwar auf einzelne Teile, wie etwa auf den Vorgang der Strafvollzugsanordnung, zutrifft, nicht indes auf jene Teile der §§ 3 und 3a StVG, welche die Haftverschonung durch gemeinnützige Leistung regeln, weil andernfalls eine dem Gesetzgeber nicht zusinnbare unsachliche Schlechterstellung von in einem verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren Bestraften gegenüber einem im gerichtlichen Finanzstrafverfahren Verurteilten bewirkt würde.
2.2. Diese Interpretation lässt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auf das VStG nicht übertragen: Mit dem angeführten Erkenntnis wurde einer unsachlichen Differenzierung im Bereich des Strafvollzuges betreffend (im Wesentlichen) gleichartige Deliktstypen begegnet, die sich, was die gerichtliche und die verwaltungsbehördliche Kompetenz anlangt, in weiten Bereichen nur durch die Höhe des strafbestimmenden Wertbetrages (§ 53 FinStrG) unterscheiden. Es steht dem Gesetzgeber nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich frei, sich in unterschiedlichen Verfahrensbereichen für eigenständige Ordnungssysteme zu entscheiden, die deren jeweiligen Erfordernissen und Besonderheiten Rechnung tragen (worauf auch in VfSlg 19.690/2012, Pkt. III.3.4., hingewiesen wird); dies allerdings unter der Voraussetzung, dass die betreffenden Verfahrensgesetze in sich gleichheitskonform ausgestaltet sind (vgl. VfSlg 15.190/1998 mwN; VfGH 20.9.2012, G37/12 ua. sowie jüngst 25.6.2013, G29/2012). Daher widersprechen unterschiedliche Sanktionensysteme in verschiedenen Verfahrensbereichen - mögen diese auch miteinander eine gewisse Verwandtschaft aufweisen - für sich allein in der Regel noch nicht dem Gleichheitsgrundsatz. Da zwischen dem gerichtlichen Strafverfahren sowie dem (auch verwaltungsbehördlichen) Finanzstrafrecht einerseits und dem allgemeinen - auf eine Vielzahl von Materien bezogenen - Verwaltungsstrafrecht andererseits aus den dargelegten Gründen von vornherein wesentliche Unterschiede bestehen, sind - nicht zuletzt angesichts der notorisch hohen Zahl von allgemeinen Verwaltungsstrafverfahren auch aus Gründen der Verwaltungsökonomie - differenzierende Regelungen (hier: auf dem Gebiet des Strafvollzuges) sachlich gerechtfertigt (vgl. VfSlg 8017/1977, 9956/1984; auch VwGH 24.3.2011, 2008/09/0216 zum Fehlen einer dem § 31a StGB (nachträgliche Strafmilderung) vergleichbaren Regelung im VStG).
2.3. Anders als im gerichtlichen Strafrecht verfolgt der Gesetzgeber im Verwaltungsstrafrecht mit den Vorschriften der §§ 11 und 12 VStG erklärtermaßen das (legitime) rechtspolitische Ziel, die Verhängung von Freiheitsstrafen zu vermeiden; gemäß § 11 VStG darf eine primäre (auf maximal zwei, unter gravierenden Umständen auf sechs Wochen beschränkte - vgl. § 12 Abs. 1 VStG) Freiheitsstrafe nur dann verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von der Begehung weiterer Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten und eine Geldstrafe zur Erreichung des spezialpräventiven Strafzwecks - ausnahmsweise - nicht ausreicht (siehe RV 133 BlgNR 17. GP, 8 f.). Darüber hinaus sind (Ersatz-)Freiheitsstrafen im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 53 Abs. 1 VStG - in Abweichung von § 175 Abs. 1 FinStrG, der (wie dargelegt) den Vollzug von im (gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen) Finanzstrafverfahren ausgesprochenen Freiheitsstrafen ausschließlich in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten vorsieht - vorrangig im Haftraum jener Behörde zu vollziehen, die in erster Instanz entschieden hat; ersatzweise (falls diese Behörde die Strafe nicht vollziehen kann oder der Bestrafte es verlangt) hat die Verbüßung der Strafe in der dem ständigen Aufenthalt des Bestraften nächstgelegenen Bezirksverwaltungsbehörde oder Landespolizeidirektion zu erfolgen (soweit diese über einen Haftraum verfügt); lediglich dann, wenn keine der genannten Möglichkeiten greift, kommt subsidiär der Strafvollzug in einem gerichtlichen Gefangenenhaus bzw. (im Fall des § 53 Abs. 2 VStG) in einer Strafvollzugsanstalt in Betracht. Nur in einer solchen (im Hinblick auf die erfolgte bzw. beabsichtigte Anhaltung des Beschwerdeführers im Polizeianhaltezentrum der zuständigen Landespolizeidirektion hier nicht vorliegenden) Konstellation hat die Strafvollzugsbehörde gemäß § 53d Abs. 1 VStG das StVG (mit den in § 53d Abs. 1 VStG genannten Ausnahmen, die jenen des § 175 Abs. 1 lit. a FinStrG entsprechen) anzuwenden. Nach dem Willen des Gesetzgebers hat der Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe im Bereich des Verwaltungsstrafrechts daher (sieht man von Fällen des 'Anschlussvollzuges' gemäß § 53 Abs. 2 VStG ab) nur in Ausnahmefällen in einem gerichtlichen Gefangenenhaus zu erfolgen; in der Regel gehen daher insoweit die Bestimmungen des VStG jenen des StVG vor (vgl. RV133 BlgNR 17. GP, 13). Dies ist mit Blick auf die (auch im Vergleich zum FinStrG - je nach Delikt sechs Wochen bzw. drei Monate - § 20 FinStrG) relativ geringe Höhe der im VStG vorgesehenen maximalen (Ersatz-)Freiheitsstrafen (zwei, nur bei Vorliegen besonderer Erschwerungsgründe sechs Wochen - §§ 12 und 16 VStG) sowie vor dem Hintergrund, dass das VStG weitergehende Erleichterungen als das StVG ermöglicht (vgl. zB zu Aufschub und Unterbrechung des Strafvollzuges § 54a VStG einerseits bzw. §§ 5 und 6 StVG andererseits), nicht zu beanstanden.
2.4. Es liegt somit im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die im StVG eingeräumte Möglichkeit der Erbringung gemeinnütziger Leistungen anstelle des Vollzuges der Ersatzfreiheitsstrafe auch im VStG vorzusehen oder in diesem Bereich nicht zu gewährleisten. Von diesem Spielraum hat der Gesetzgeber dahingehend Gebrauch gemacht, dass er die Bestimmungen der §§ 3 und 3a StVG im Verwaltungsstrafverfahren nicht für anwendbar erklärt hat. Dies begegnet aus den dargelegten Gründen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken."
Vor dem Hintergrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 12.12.2013, B 628/2013 (und auch der hierzu ergangenen Judikatur des VwGH: siehe z.B. das Erkenntnis vom 19.03.2014, Zl. Ro 2014/09/0009) ist die Bf darauf hinzuweisen, dass ihr nicht die Möglichkeit eingeräumt werden kann, gemeinnützige Leistungen zu erbringen anstelle die Ersatzfreiheitsstrafe anzutreten.
Aufgrund der obigen Überlegungen war daher die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Freiheitsstrafe; Ersatzfreiheitsstrafe, Vollzug der; Haftunfähigkeit; schwere Krankheit; gemeinnützige Leistung; StrafvollzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2017:VGW.041.025.3402.2017Zuletzt aktualisiert am
16.01.2018