TE Lvwg Erkenntnis 2017/7/10 405-9/194/1/18-2017

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Veröffentlicht am 10.07.2017
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Entscheidungsdatum

10.07.2017

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L92105 Behindertenhilfe Rehabilitation Salzburg

Norm

AVG §3 Z3
BehindertenG Slbg 1981 §17
AVG §1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch die Richterin Mag. Theresia Kieleithner über die Beschwerde des AB AA, geboren AC, nunmehr wohnhaft in 5020 Salzburg, AD, 5020 Salzburg, vertreten durch die Mutter AQ AA als vertretungsbefugte nächste Angehörige, wohnhaft ebenda, diese vertreten durch Rechtsanwältin Dr. AK AJ, AL, 5020 Salzburg, als im Verfahren beigegebene Verfahrenshelferin, gegen den Bescheid der belangten Behörde Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 03.11.2016, Zahl 30304-BEH/AC301/19-2016, wegen Vorschreibung eines Kostenbeitrages nach dem Salzburger Behindertengesetz 1991 (kurz: SBG)

zu Recht e r k a n n t :

I.   Gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (kurz: VwGVG) iVm den §§ 1 und 3 Z 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (kurz: AVG) wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid zufolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben wird.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (kurz: VwGG) die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (kurz: B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 03.11.2016 wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, ab 01.11.2016 für die Dauer der ihm nach § 10 SBG gewährten Hilfeleistung einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von € 324,48 (davon € 156,72 aus dem Pflegegeld der Stufe 3 und € 167,76 aus dem vom Vater gewährten Geldunterhalt) zu bezahlen. Zur Begründung führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer werde in einer Lebenshilfewerkstätte tagesbetreut. Die Kostenübernahme erfolge im Rahmen einer Maßnahme nach dem SBG durch das Land Salzburg. Der Beschwerdeführer habe aus seinen Einkünften (inklusive Pflegegeld) gemäß § 17 SBG einen Kostenbeitrag von jeweils 40% zu leisten, wobei ihm jedoch aus dem eigenen Einkommen (dem Geldunterhalt) jedenfalls der anteilige Mindeststandard für die Verpflegung und Bedeckung seiner sonstigen Bedürfnisse zu verbleiben habe. Dieser Mindeststandard betrage derzeit € 432,24, sodass der Beschwerdeführer aus dem Geldunterhaltsempfang des Vaters in Höhe von € 600,00 monatlich einen Kostenbeitrag in Höhe von € 167,76 und aus dem Pflegegeld der Stufe 3 einen solchen in Höhe von € 156,72 zu leisten habe.

Dagegen hat der Beschwerdeführer durch seine Mutter und vertretungsbefugte nächste Angehörige fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben und sich insbesondere dagegen gewandt, dass auch aus dem Geldunterhaltsempfang des Kindesvaters ein Kostenbeitrag vorgeschrieben werde. Es sei unerklärlich, warum in der Konstellation des Beschwerdeführers (mit alleinstehendem Elternteil) vom Unterhalt ein Kostenbeitrag zu bezahlen sei, im Gegensatz dazu bei einer Familie kein Kostenbeitrag vorgeschrieben werde. Weiters verstehe man nicht, dass der Unterhalt als Einkommen gerechnet werde.

Die belangte Behörde hat die zitierte Beschwerdeschrift, den angefochtenen Bescheid und den dazugehörigen Teilverwaltungsakt mit Schreiben vom 20.12.2016 dem erkennenden Gericht zur Entscheidung vorgelegt. Über Antrag des Beschwerdeführers wurde diesem im anhängigen Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 04.05.2017, Zahl 405-9/194/2/11-2017, Verfahrenshilfe insbesondere durch die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwaltes bewilligt. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 28.06.2017 wurden sodann der Beschwerdeführer im Wege seiner beigegebenen Verfahrenshelferin und seiner Mutter und vertretungsbefugten nächsten Angehörigen sowie ein Vertreter der belangten Behörde angehört. Weiters wurden die Akten, nämlich der gegenständliche Gerichtsakt, der von der belangten Behörde vorgelegte Teilverwaltungsakt und die hiergerichtlichen Vorakten den Beschwerdeführer betreffend zu den Zahlen LVwG-9/133, LVwG-9/244 und LVwG-9/249 verlesen. Die Beschwerdeführervertreterin präzisierte das Beschwerdebegehren und ergänzte, dass der angefochtene Bescheid dem Gleichheitsgrundsatz widerspreche, weil bei der Gewährung von Naturalunterhalt kein Kostenbeitrag zu leisten sei, bei getrennt lebenden Eltern hingegen, wenn ein Elternteil Geldunterhalt leiste, dies zu einer Kostenbeitragspflicht führe. Zudem müssten für den Beschwerdeführer erhöhte Therapie- und Betreuungskosten aufgewendet werden. Die Mutter des Beschwerdeführers gab im Rahmen ihrer Einvernahme an, dass sie gemeinsam mit dem Beschwerdeführer bereits im November 2015 aus der seinerzeitigen gemeinsamen Ehewohnung in AR ausgezogen sei. Sie beide seien dort allerdings nach wie vor mit Hauptwohnsitz aufrecht gemeldet, dies im Einvernehmen mit dem nunmehr geschiedenen Ehegatten und Vater des Beschwerdeführers, welcher diese Wohnung nach wie vor bewohne. Tatsächlich seien der Beschwerdeführer und seine Mutter bereits seit November 2015 in einer in der Stadt Salzburg gelegenen Mietwohnung wohnhaft. Dort seien sie auch seit Ende März 2017 mit Nebenwohnsitz gemeldet.

Nachstehender

S a c h v e r h a l t

wird als erwiesen festgestellt und dem gegenständlichen Erkenntnis zugrunde gelegt:

Der am AC geborene Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger. Er leidet an einer leichten Intelligenzminderung, Skoliose und einer phobischen Störung. Aufgrund der genannten Beeinträchtigungen gilt er als Mensch mit Behinderung im Sinne des SBG und wird seit 27.08.2015 in einer Werkstätte der Lebenshilfe tagesbetreut. Es handelt sich dabei um eine Maßnahme nach dem SBG, nämlich um eine Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur sozialen Eingliederung gemäß § 10 SBG, und werden die durch die so gewährte Hilfeleistung entstehenden Kosten vorerst vom Behindertenhilfeträger Land Salzburg getragen.

Der Beschwerdeführer war von Geburt an im gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern in einer in AR gelegenen Wohnung wohnhaft, unter deren Anschrift er gemeinsam mit seinen Eltern auch nach wie vor aufrecht hauptwohnsitzlich gemeldet ist. Tatsächlich ist der Beschwerdeführer jedoch bereits im November 2015 mit seiner Mutter aus der ehemaligen Familienwohnung in AR ausgezogen und in eine in der Stadt Salzburg gelegene Mietwohnung übersiedelt, in welcher er seither gemeinsam mit seiner Mutter, welche den nicht geschäftsfähigen Beschwerdeführer auch als vertretungsbefugte nächste Angehörige vertritt und betreut, wohnhaft ist. Seit 29.03.2017 ist er – ebenso wie seine Mutter – unter der Anschrift dieser Wohnung in der Stadt Salzburg auch mit Nebenwohnsitz gemeldet. Von dort aus besucht er an den Werktagen auch die Tageswerkstätte der Lebenshilfe.

Die Eltern des Beschwerdeführers haben sich bereits 2013 getrennt und sind nunmehr seit Juni 2017 auch geschieden. Weil es sich bei der seinerzeitigen Ehewohnung in AR um eine Dienstwohnung des Vaters des Beschwerdeführers handelt, war ein weiterer Verbleib der Mutter und des Beschwerdeführers in dieser Wohnung bei gleichzeitigem Wegzug des Vaters als Folge der Trennung nicht möglich, sodass eben die Mutter des Beschwerdeführers mit diesem im November 2015 aus der Wohnung in AR ausgezogen ist. Die Aufrechterhaltung der Hauptwohnsitzmeldungen in AR erfolgte im Einvernehmen mit dem Vater des Beschwerdeführers, damit die Chancen der Mutter des Beschwerdeführers auf Zuweisung einer neuen Gemeindewohnung in AR gewahrt bleiben. Die Rückübersiedelung nach AR in eine neue Gemeindewohnung ist aus derzeitiger Sicht für den März 2018 geplant. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach AR in die seinerzeitige Familienwohnung steht nicht im Raum.

Derzeit gibt es seitens des Beschwerdeführers zum Vater keine regelmäßigen Besuchskontakte, bloß anlassbezogene Kontakte, etwa zum Geburtstag oder zum Vatertag. Lediglich über die Weihnachtsfeiertage, wo die Tageswerkstätte ein paar Tage geschlossen war, hat der Beschwerdeführer wenige Tage beim Vater und somit in der seinerzeitigen Wohnung in AR verbracht.

Zur

B e w e i s w ü r d i g u n g

ist auszuführen, dass sich die obigen Feststellungen widerspruchsfrei aus dem abgeführten Beweisverfahren ergeben haben. Die Mutter des Beschwerdeführers hat im Rahmen ihrer Einvernahme anlässlich der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 28.06.2017 glaubwürdig und nachvollziehbar dargestellt, dass sie und der Beschwerdeführer bereits seit November 2015 nicht mehr in der Wohnung in AR wohnhaft seien, die Aufrechterhaltung der Hauptwohnsitze unter dieser Anschrift im Einvernehmen mit dem Vater des Beschwerdeführers erfolgt sei und lediglich dem Zweck diene, dass sie bei der künftigen Vergabe einer Gemeindewohnung in AR, für welche sie sich angemeldet bzw beworben habe, "keine Punkte verliere". Die Mutter des Beschwerdeführers gestand zu, dass die polizeiliche Meldung bzw der Eintrag im Zentralen Melderegister sohin nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspreche. Die Feststellungen zum Haupt- und Nebenwohnsitz basieren auf den im Gerichtsakt erliegenden Auszügen aus dem Zentralen Melderegister. Weitere Feststellungen waren im Hinblick auf die folgende rechtliche Beurteilung des Falles entbehrlich.

In

r e c h t l i c h e r W ü r d i g u n g

des festgestellten Sachverhaltes ist auszuführen, dass auf die ursprünglich beschwerdegegenständliche Frage, nämlich ob der Beschwerdeführer aus dem vom Vater gewährten Geldunterhalt einen Kostenbeitrag für die ihm nach SBG gewährte Eingliederungshilfe zu leisten hat, im vorliegenden Fall gar nicht näher einzugehen war, weil sich im Verfahren gezeigt hat, dass der Beschwerdeführer entgegen der in AR aufrechten Hauptwohnsitzmeldung tatsächlich in der Stadt Salzburg wohnhaft ist. Es war daher zu prüfen, ob die belangte Behörde zur Erlassung des verfahrensgegenständlichen Kostenbeitragsbescheides überhaupt zuständig war, zumal gemäß § 6 AVG die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen hat. Nach höchstgerichtlicher Judikatur ist in Beschwerdeverfahren somit auch eine allfällige Unzuständigkeit der Unterinstanz (somit der belangten Behörde) zu prüfen bzw wahrzunehmen (VwGH 15.12.2014, Ro 2014/17/0121). Dies gilt selbst dann, wenn eine Unzuständigkeit der Behörde im Verfahren nicht eingewendet wird. Die Unzuständigkeit der belangten Behörde ist somit in jeder Lage des Verfahrens, auch wenn sie von den Parteien nicht geltend gemacht wird, wahrzunehmen (VwGH 12.09.2012, 2009/08/0054).

Gemäß § 1 AVG ist die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden primär nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften, im Konkreten also nach dem SBG, zu prüfen. § 18 Abs 3 SBG enthält jedoch lediglich Ausführungen zur sachlichen Zuständigkeit, nicht jedoch zur örtlichen Zuständigkeit. Demnach ist für die Besorgung der Aufgaben der Eingliederungshilfe die Bezirksverwaltungsbehörde zuständig, sofern nicht anderes bestimmt ist.

Die örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde ist daher nach § 3 AVG zu prüfen. § 3 AVG lautet wie folgt:

§ 3

Soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen, richtet sich diese

1.

in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen: nach der Lage des Gutes;

2.

in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;

3.

in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlass zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig.

Da im vorliegenden Fall weder § 3 Z 1 noch § 3 Z 2 AVG einschlägig sind, ist die örtliche Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde nach dem Hauptwohnsitz des Beteiligten, somit nach dem Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers, zu prüfen. Der Begriff des Hauptwohnsitzes wird in Art 6 Abs 3 B-VG wie folgt definiert:

Der Hauptwohnsitz einer Person ist dort begründet, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen einer Person auf mehrere Wohnsitze zu, so hat sie jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat.

Im Wesentlichen gleichlautend sieht § 1 Abs 7 Meldegesetz 1991 (kurz: MeldeG) vor, dass der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet ist, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der mit § 3 AVG vergleich-baren Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit in § 48 Abs 2 des Waffengesetzes 1996 (kurz: WaffG) ist für den Hauptwohnsitz die Meldung nach dem MeldeG nicht (allein) entscheidend. Maßgebend ist der nach tatsächlichen Anknüpfungspunkten zu bestimmende Mittelpunkt der Lebensbeziehungen einer Person; die Meldung nach dem MeldeG ist hierbei nicht von entscheidender Bedeutung und es kann die Annahme, eine Person habe in einem bestimmten Ort ihren Hauptwohnsitz, weder auf den Umstand der Meldung in diesem Ort als Hauptwohnsitz allein gegründet noch durch den Hinweis auf die Meldung in einem anderen Ort allein widerlegt werden (VwGH 23.03.2010, 2009/03/0039, und die in Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 3 Rz 6, vorletzter und letzter Satz, Stand 01.01.2014, rdb.at, zitierte Judikatur).

Die polizeiliche Meldung ist damit ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines inländischen Hauptwohnsitzes, aber keine notwendige Voraussetzung. Für die Begründung des Haupt-wohnsitzes ist daher einerseits der faktische Aufenthalt und andererseits der Wille ("… in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht …") erforderlich, die Unterkunft zum Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu machen (vgl VwGH 28.02.2013, 2010/10/0004, 18.04.2012, 2009/10/0079, 15.12.2008, 2007/10/0272 und 21.06.2007, 2004/10/0109, für den Bereich des Sozialrechts und 23.09.2009, 2006/01/0026 bezüglich dem Hauptwohnsitz als materielle Voraussetzung für die Verleihung der Staatsbürgerschaft).

In dem oben zitierten Erkenntnis vom 23.03.2010 hat der Verwaltungsgerichtshof weiter erkannt, dass die Aufrechterhaltung eines Hauptwohnsitzes bei (vorübergehender) Orts-abwesenheit davon abhänge, ob der Lebensmittelpunkt am (behaupteten) Hauptwohnsitz auch während dieser Zeit erhalten bleibe. Ob Letzteres der Fall sei, lasse sich nur aus einer kombinierten Betrachtung von objektiven und subjektiven Kriterien beurteilen. In subjektiver Hinsicht erfordere die Aufrechterhaltung des Lebensmittelpunktes am bisheri-gen Hauptwohnsitz die Beibehaltung des "animus domiciliandi", also der Absicht, den Lebensmittelpunkt weiterhin an diesem Ort zu haben. Werde ein solcher Wille aufgegeben, vermöge auch das Fortbestehen von Lebensbeziehungen zum bisherigen Wohnort einen dortigen Hauptwohnsitz nicht aufrecht zu erhalten. Umgekehrt reiche der bloße Wille, seinen Lebensmittelpunkt an einem Ort zu erhalten, oder die Absicht, (irgendwann) dorthin zurückzukehren, zur Beibehaltung eines Hauptwohnsitzes nicht aus, wenn objektive Anknüpfungspunkte für einen solchen nicht (mehr) gegeben seien. In objektiver Hinsicht setze das Fortbestehen eines Hauptwohnsitzes nämlich voraus, dass zu diesem Ort Beziehungen aufrecht erhalten würden, die bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensumstände den Schluss rechtfertigten, eine Person habe an diesem Ort weiterhin ihren Lebensmittelpunkt.

Für den vorliegenden Fall ist im Sinne der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur nun aufzuzeigen, dass die Aufrechterhaltung der Hauptwohnsitzmeldung in AR lediglich dem Zweck dient, die Chancen auf Zuweisung einer neuen Gemeindewohnung zu wahren. Tatsächlich hat der Beschwerdeführer den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen seit Ende November 2015, als er aus der ehemaligen gemeinsamen Wohnung der Eltern in AR ausgezogen ist, in der neuen, in der Stadt Salzburg gelegenen Mietwohnung, welche er seither gemeinsam mit seiner Mutter bewohnt. Von dort aus besucht er an den Werktagen die Lebenshilfe-Tageswerkstätte und hält sich ansonsten überwiegend in dieser Wohnung auf, wo er von seiner Mutter betreut wird. In die ehemalige Wohnung in AR ist er seither nur an wenigen Tagen und nur unregelmäßig zurückgekehrt, um Besuchskontakte mit seinem Vater, welcher nach wie vor dort wohnhaft ist, zu pflegen. Der Beschwerdeführer wird auch in der Zukunft lediglich aus Anlass von Besuchskontakten zum Vater in diese Wohnung zurückkehren, dies selbst dann, wenn er wie geplant im März kommenden Jahres mit seiner Mutter im Falle der tatsächlichen Zuweisung einer neuen Gemeindewohnung nach AR zurück übersiedelt. Der Beschwerdeführer ist somit nicht bloß vorübergehend von der bisherigen hauptwohnsitzlichen Meldeadresse in AR im Sinne des Erkenntnisses 2009/03/0039 abwesend.

Im Verfahren haben sich somit keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer nach wie vor den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in AR hätte. Da die Meldung im Zentralen Melderegister nach der oben dargestellten höchstgerichtlichen Judikatur alleine nicht ausschlaggebend ist, war die örtliche Unzuständigkeit der belangten Behörde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren von Amts wegen wahrzunehmen und somit der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Zum Ausspruch der Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Dazu wird auf die unter den Entscheidungsgründen zitierte Judikatur verweisen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

örtliche Zuständigkeit, Hauptwohnsitz, Verfahrenshilfe im LVwG-Verfahren

Anmerkung

ao Revision, VwGH vom 22.11.2017, Ra 2017/10/0129-5, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2017:405.9.194.1.18.2017

Zuletzt aktualisiert am

16.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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