Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §20 Abs2;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/03/0028Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerden des Ing. J R in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Waldeck und Dr. Hubert Hasenauer, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Doblhoffgasse 7, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten jeweils vom 20. Dezember 1999,
1.
Zl. KUVS-373/6/99 (hg. Zl. 2000/03/0027) und
2.
KUVS-1363-1364/3/99 (hg. Zl. 2000/03/0028), wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 30.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Villach vom 11. März 1999 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 5. Mai 1998 um 9 Uhr 30 in Villach Südautobahn A2, von Baukm 354,5 bis 355,9, im Knoten Villach, als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges (PKW) die mittels Vorschriftszeichen gemäß § 52 lit. a Z. 10 a StVO 1960 kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 48 km/h ("lt. Nachfahrt, Messfehlertoleranz wurde bereits berücksichtigt)" überschritten. Er habe hiedurch die Rechtsvorschrift des § 52 lit. a Z. 10 a StVO 1960 verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 100 Stunden) verhängt wurde.
Mit dem nun zu 1. angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1999 wurde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen, der Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses jedoch dahin abgeändert, dass die Tatzeit von "05.05.1998 um 09.30 Uhr" auf "05.05.1998 nach 09.30 Uhr" und die Worte " um 48 km/h" durch den Begriff "erheblich" geändert wurden.
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Villach vom 2. November 1999 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 5. Mai 1998 um 9. 30 Uhr als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges auf der Südautobahn (A2) Richtungsfahrbahn Klagenfurt-Villach, 1. von Baukm 346,4 bis Baukm 347,5, Baustellenbereich, im Gebiet der Gemeinde Velden am Wörthersee die Fahrgeschwindigkeit nicht den durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen angepasst, indem er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h laut Radarmessung (Moving Radar) abzüglich der Messfehlergrenze um bis zu 39 km/h überschritten habe, und 2. von Baukm 352,5 im Gebiet der Gemeinde Wernberg bis Baukm 355,9 die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h laut Radarmessung (Moving Radar) abzüglich der Messfehlergrenze um bis zu 23 km/h überschritten. Er habe hiedurch die Rechtsvorschriften zu 1. von § 52 lit. a Z. 10 a des StVO 1960 und zu 2. von § 20 Abs. 2 StVO 1960 verletzt und es wurden über ihn Geldstrafen in der Höhe von zu 1. S 1.200,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag) und zu 2. in der Höhe von S 500,-- (und eine Ersatzfreiheitsstrafe von 18 Stunden) verhängt.
Mit dem zu 2. angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1999 wurde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen, im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses jedoch die Tatzeit von "05.05.1998 um 09.30 Uhr" auf "05.05.1998 nach 09.30 Uhr" und der Baukm unter Punkt 1 "auf 347,2" sowie unter Punkt 2 von "355,9" auf "345,5" geändert.
Dagegen richten sich die vorliegenden Beschwerde mit denen der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragt in ihren Gegenschriften die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden und darüber erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt in beiden Beschwerden - unter anderem - vor, dass die von der belangten Behörde vorgenommene Berichtigung in Ansehung der Tatzeit rechtswidrig sei, zumal die Verfolgungshandlung in allen Fällen darauf gerichtet gewesen sei, dass der Beschwerdeführer die Übertretungen "um 09.30 Uhr" begangen habe, hinsichtlich einer Tatzeit "nach 09.30 Uhr" keine rechtzeitigen Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien und insbesondere die Formulierung "nach 09.30 Uhr" nicht ausreichend konkret im Sinne des VStG sei.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht: Gemäß § 44 a Z. 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. ua das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, Slg.Nr. 11.894/A) ist der Vorschrift des § 44 a Z. 1 VStG dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen des selben Verhaltens nochmals zu Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem § 44 a Z. 1 VStG genügt oder nicht, mithin, ob die erfolge Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Hiebei sind die von Fall zu Fall im einzelnen gegeben Begleitumstände zu beachten.
So hat der Gerichtshof etwa die Zeitangabe unter Voranstellung des Wortes "circa" nicht als rechtswidrig angesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, Zl. 95/03/0143), desgleichen wurde die Angabe der Tatzeit unter Voranstellung des Wortes "gegen" nicht als rechtswidrig angesehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1986, Zl. 84/10/0274, 0276). Der Gerichtshof vertrat ferner die Auffassung, dass durch eine im Bereich weniger Minuten liegende, tatsächliche oder mögliche Ungenauigkeit bei der Angabe der Tatzeit der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt wäre oder gar die Gefahr einer Doppelbestrafung bestünde, umso mehr als der damalige Beschwerdeführer keine derartigen Befürchtungen geäußert habe (hg. Erkenntnis vom 20. März 1991, Zl. 90/02/0185 mit weiteren Hinweisen).
Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Verfolgungshandlungen zu jedem Delikt hinsichtlich der Tatzeit jeweils "um 09.30 Uhr" lauteten und der amtshandelnde Beamte (Meldungsleger) aussagte, die Uhrzeit der Übertretungen sei von der Uhr im Fahrzeuginneren des Dienstfahrzeuges abgelesen worden, ein Irrtum könne vollkommen ausgeschlossen werden. Daher wurde in den Straferkenntnissen erster Instanz jeweils auch die Tatzeit "um 09.30 Uhr" aufgenommen. Der Beschwerdeführer hatte von Anfang an bestritten, zur genannten Tatzeit auf der angegebenen Strecke gefahren zu sein.
Die belangte Behörde änderte jeweils im Spruch beider Straferkenntnisse zu sämtlichen drei Delikten die Tatzeit auf "nach 09.30 Uhr" ab und führte in der Begründung der beiden Bescheide unter Bezugnahme auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, den Ausführungen "seiner Entlastungszeuginnen und der Angaben des Meldungslegers" in der mündlichen Verhandlung aus, dass es für wahrscheinlich zu halten sei, "dass die Überschreitung später gesetzt wurde". Sie lege daher ihren Entscheidungen zu Grunde, dass die Taten "jedenfalls an der Tatörtlichkeit nach 09.30 Uhr gesetzt" worden seien. Eine nähere Präzisierung der Tatzeit zu jedem einzelnen Delikt nahm sie nicht vor.
In den Gegenschriften führt die belangte Behörde weiters aus, dass sie die Uhrzeit der dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen nicht exakt habe feststellen können, dass jedoch auf Grund der einzelnen Aussagen im Verfahren lediglich ein Zeitraum von 09.30 Uhr bis 10.45 Uhr in Betracht komme, wodurch im Hinblick darauf, dass Tatbilder verschiedener Verwaltungsübertretungen erfüllt worden seien, die Gefahr einer Doppelbestrafung des Beschwerdeführers nicht gegeben sei.
Damit ist sie jedoch nicht im Recht: Es handelt sich hier nicht um eine allenfalls zu vernachlässigende Ungenauigkeit von wenigen Minuten, sondern um eine zeitliche Bandbreite, in der nach Auffassung der belangten Behörde insgesamt drei Delikte gesetzt worden seien, von weit mehr als einer Stunde. Hinzu kommt, dass in jedem einzelnen Fall durch die belangte Behörde auch die Tatörtlichkeit geändert wurde, und auch insofern eine eindeutige zeitliche Zuordnung bzw. Zeitabfolge der insgesamt drei Delikte durch die nach den jeweils im Spruch beider Straferkenntnisse für alle Delikte angegebenen Zeit "nach 09.30 Uhr" nicht eindeutig möglich ist.
Da somit jeweils die Beschreibung des Tatvorwurfes hinsichtlich der Tatzeit zu den drei angelasteten Delikten in der Begründung der beiden angefochtenen Bescheide nicht den Anforderungen des § 44 a Z. 1 VStG genügt, belastete die belangte Behörde die Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, sodass sie gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben waren.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 7. Juni 2000
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatort "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit "Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung ungenaue Angabe Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:2000030027.X00Im RIS seit
12.06.2001