Entscheidungsdatum
08.01.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W211 2178398-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , staatenlos, gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß Art. 12 Abs. 1
lit. a der Richtlinie 2011/95/EU, ABl. Nr. L 337 vom 20.12.2011 S. 9, der Status einer Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei ist eine staatenlose Palästinenserin, die am XXXX 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
2. Bei ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX .2016 gab die beschwerdeführende Partei soweit wesentlich an, aus Aleppo zu stammen und Syrien verlassen zu haben, weil dort Krieg herrsche. Sie habe in Syrien auch nicht mehr weiterstudieren können.
3. Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX .2017 führte die beschwerdeführende Partei aus, als Palästinenserin in Aleppo im Flüchtlingslager XXXX gelebt zu haben. Sie habe in Syrien die Schule besucht und zwei Jahre studiert. Sie habe in Syrien keine Verwandten mehr. Sie seien immer Flüchtlinge gewesen und hätten nicht die gleichen Rechte wie die Syrer gehabt. Aleppo sei sehr unter Beschuss gestanden, es habe überall Milizen gegeben und der Alltag sei sehr schwierig gewesen. Ihre gesamte Familie, Eltern, zwei Schwestern und vier Brüder, seien in Österreich.
Vorgelegt wurde unter anderem ein Auszug aus dem Melderegister der arabischen Palästinaflüchtlinge, auf dem unter anderen auch die beschwerdeführende Partei vermerkt ist.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.). Die belangte Behörde stellte fest, dass die beschwerdeführende Partei in Syrien geboren worden, staatenlos sei und palästinensischer Herkunft. Es habe nichtfestgestellt werden können, dass die beschwerdeführende Partei ihr Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe.
5. Gegen den Spruchpunkt I. des Bescheids wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht.
6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom XXXX .2017 vorgelegt.
7. Mit Schreiben vom XXXX .2017 wurde die beschwerdeführende Partei aufgefordert, allfällige Informationen zu einer UNRWA Registrierung und/oder Inanspruchnahme von Leistungen der UNRWA in Syrien vorzulegen, woraufhin mit Stellungnahme vom XXXX .2018 eine Kopie der "Family Registration Card" der UNRWA eingebracht wurde, auf der auch die beschwerdeführende Partei angeführt ist. In der Stellungnahme wurde schließlich der Antrag gestellt, der beschwerdeführenden Partei gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL "ipso facto" Schutz zu gewähren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist eine in Syrien geborene staatenlose Palästinenserin. Sie stellte am XXXX .2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
1.1.2. Die beschwerdeführende Partei besuchte in Aleppo die Schule, schloss diese mit Matura ab und studierte dann zwei Jahre Musik.
Die Eltern, zwei Schwestern und vier Brüder der beschwerdeführenden Partei leben als anerkannte Flüchtlinge in Österreich. In Syrien leben keine Verwandten der beschwerdeführenden Partei mehr.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Die beschwerdeführende Parteie ist als Flüchtling bei der UNRWA registriert. Sie verließ das Einsatzgebiet der UNRWA in Aleppo wegen des Krieges und der wechselnden Fronten.
Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde der beschwerdeführenden Partei der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Staat Syrien wegen der realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung ihres Lebens aufgrund des innerstaatlichen Konfliktes in Syrien zuerkannt.
1.3. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, 05.01.2017:
1. Ethnische Minderheiten
Die Bevölkerung besteht überwiegend aus Arabern (hauptsächlich Syrer, Palästinenser und Iraker). Ethnische Minderheiten sind Kurden, Armenier, Turkmenen und Tscherkessen (AA 8.2016). Dazu kommen die chaldäischen und assyrischen Christen (Chaldeans 1999). Innerhalb der Minderheiten gibt es eine Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des syrischen Regimes (BBC 24.12.2012; vgl. MRG 12.7.2016; zu Christen vgl. z.B. TDS 21.2.2014). In ganz Syrien werden bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder ihnen wird auf andere Weise Schaden zugefügt. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz oder Herkunft in/aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (8.2016): Syrien http://www.auswaertigesamt. de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/01-Laender/Syrien.html, Zugriff am 25.11.2016
-
BBC News (24.12.2012): Syria crisis: Low-key Christmas for Christians, http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-20835485, Zugriff am 25.11.2016
-
Chaldeans on Line (1999): Who are the Chaldeans?, http://www.chaldeansonline.org/chald.html, Zugriff am 25.11.2016
-
MRG - Minority Rights Group International (12.7.2016): State of the World’s Minorities
and Indigenous Peoples 2016,
http://www.ecoi.net/file_upload/1788_1472564995_middle.pdf, Zugriff 25.11.2016
-
TDS - The Daily Star (21.2.2014): Group of Christians reject church support for Assad,
http://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2014/Feb-21/248004-group-ofchristians reject-church-support-for-assad.ashx#ixzz2ty3rFrpK, Zugriff 25.11.2016
-
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (11.2015): International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Syrian Arab Republic Update IV,
http://www.refworld.org/pdfid/5641ef894.pdf, Zugriff 24.11.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff
2. IDPs und Flüchtlinge
Der andauernde Konflikt in Syrien hat auch schwere Auswirkungen auf die Lage von palästinensischen Flüchtlingen in Syrien. Über 40% der Lager, in denen palästinensische Flüchtlinge lebten, sind vom Konflikt betroffen worden. Von den zwölf palästinensischen Flüchtlingslagern in Syrien wurden fünf entweder zerstört oder sind für die United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) unzugänglich, nämlich Ein el-Tal, Daraa, Yarmouk, Sbeineh und Khan Eshieh. 95% der palästinensischen Flüchtlinge sind vollkommen auf die humanitäre Hilfe der UNRWA angewiesen, um zu überleben (UNRWA 24.10.2016). Mehr als zwei Drittel der palästinensischen Flüchtlinge wurden intern vertrieben. Zehntausende sind in Gebieten, in denen Kämpfe stattfinden, wie Yarmouk oder Khan Eshieh in Damaskus oder Mzeirib und Jillin in Deraa, eingeschlossen, wodurch ihr Zugang zu humanitärer Hilfe extrem eingeschränkt ist (UNRWA o.D.). Sowohl das Regime als auch oppositionelle Gruppierungen belagerten palästinensische Flüchtlingslager und Nachbarschaften in Syrien, was zu Fällen von schwerer Unterernährung und fehlendem Zugang zu medizinischer und humanitärer Versorgung führte (USDOS 13.4.2016). Vor Ausbruch des Bürgerkrieges lebten geschätzte 560.000 palästinensische Flüchtlinge in Syrien. Kinder von palästinensischen Vätern und Großvätern werden von der syrischen Regierung als Palästinenser und nicht als Syrer angesehen - unabhängig von der Staatsbürgerschaft der Mutter. Mittlerweile sind mehr als 110.000 in Syrien geborene Palästinenser aus Syrien geflohen und 450.000 wurden intern vertrieben (Al Jazeera 23.3.2016).
Die staatenlosen palästinensischen Flüchtlinge in Syrien hatten sich, auch auf Wunsch der palästinensischen Führung in Ramallah, lange Zeit aus dem Krieg in Syrien herausgehalten. Spätestens seit die Rebellen in Yarmouk [ein zu einem Stadtteil mutiertes Flüchtlingslager in strategisch wichtiger Lage, das erst belagert wurde und dann zum Kampfgebiet wurde] einzogen, wurden die Palästinenser zwischen den Fronten zerrieben: Die Asad-Gegner beschuldigen sie, hinter dem Asad-Regime zu stehen, da die syrische Regierung den Palästinensern gegenüber immer großzügig gewesen war. Man gab ihnen in Syrien zwar keine Staatsbürgerschaft, aber sie hatten Zugang zu sämtlichen staatlichen Dienstleistungen (DW 11.2.2014). Syrische Palästinenser können von der syrischen Regierung auch Reisedokumente erlangen, was jedoch nicht bedeutet, dass sie die syrische Staatsbürgerschaft besitzen (IRB 22.11.2013). Für männliche Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Auch die Palästinenser in Syrien sind gespalten, was ihre Position im syrischen Bürgerkrieg angeht (Al Monitor 31.8.2015).
Quellen:
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Al Jazeera (23.3.2016): Palestinian Syrians: Twice Refugees, http://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/03/palestinian-syrians-refugees-
160321055107834.html, Zugriff 11.11.2016
-
Al Monitor (31.8.2015): Syria’s Palestinians devided over whom to support,
http://www.almonitor.com/pulse/originals/2015/08/turkey-syria-palestinia-fight-for-syrian army.html, Zugriff 25.11.2016
-
CIA - Central Intelligence Agency (19.10.2016): The World Factbook: Syria,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 27.10.2016
-
Der Standard (5.10.2016): Zehntausende Syrer an Grenze zu Jordanien sollen Hilfe erhalten, http://derstandard.at/2000045391907/Zehntausende-Syrer-an-Grenze-zu-Jordanien-sollen-Hilfe-erhalten, Zugriff 11.11.2016
-
Die Presse (13.3.2016): Syrer können kaum noch in Nachbarländer fliehen,
http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4945334/Syrer-konnen-kaum-noch-in-Nachbarlaender-fliehen, Zugriff 11.11.2016
-
DW - Deutsche Welle (11.2.2014): Palästinenser in Syrien zwischen den Fronten,
http://www.dw.de/pal%C3%A4stinenser-in-syrien-zwischen-den-fronten/a-17423651, Zugriff am 25.11.2016
-
FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,
https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016
-
IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (22.11.2013): Syria:
The legal rights and obligations of a Palestinian who has been issued a Syrian travel document, including whether they must report for military service; whether the rights and obligations apply to Palestinians that have resided outside of the country for the majority of their life and only visited it briefly (2009-November 2013), http://www.refworld.org/docid/532024234.html, Zugriff 25.11.2016
-
OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (o.D.): Syrian Arab Republic - About the Crisis, http://www.unocha.org/syrian-arab-republic/syriacountry-profile/about-crisis, Zugriff 11.11.2016
-
UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (24.10.2016): UNRWA and Palestine Refugees in Syria: Facts and Figures,
http://www.unrwa.org/galleries/photos/unrwa-and-palestine-refugees-syria-facts andfigures, Zugriff 11.11.2016
-
UNRWA - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (o.D.): The Syria Crisis, http://www.unrwa.org/syria-crisis, Zugriff 11.11.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015-Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff
3. Bewegungsfreiheit
Die steigende Anzahl an Checkpoints der verschiedenen bewaffneten Konfliktparteien, die schweren Kämpfe und die generelle unsichere Lage im Land schränken stark die Bewegungsfreiheit der syrischen Bevölkerung und den Transport von lebensnotwendigen Gütern ein. Das syrische Regime blockiert systematisch Regionen, welche von den Rebellen kontrolliert werden, und die Rebellen und der IS wenden dieselbe Taktik auf von der Regierung kontrollierte Gebiete an (FH 27.1.2016). In Gebieten unter ihrer Kontrolle beschränken der IS und andere Regierungsgegner die Bewegungsfreiheit von Unterstützern der Regierung bzw. von Personen, von denen dies angenommen wird. Dies gilt besonders für die alawitische und schiitische Bevölkerung (USDOS 13.4.2016).
Das syrische Regime setzt Scharfschützen ein, um Sperrstunden durchzusetzen, oder Zivilisten an der Flucht aus belagerten Städten zu hindern (USDOS 13.4.2016).
4,8 Millionen Menschen sind seit Beginn des Konfliktes aus Syrien geflohen (OCHA o.D.).
Die syrische Regierung verweigert die Ausstellung von Reisepässen oder anderen wichtigen Dokumenten aufgrund der politischen Einstellung einer Person, deren Verbindung zu oppositionellen Gruppen oder der Verbindung zu einem geographischen Gebiet, in dem die Opposition dominiert. Das syrische Regime verlangt außerdem ein Ausreisevisum. Über Menschenrechtsaktivisten oder andere Aktivisten der Zivilgesellschaft, deren Familien oder Bekannte werden häufig Ausreiseverbote verhängt. Viele Personen erfahren erst von einem Ausreiseverbot, wenn ihnen die Ausreise verweigert wird. Grund oder Gültigkeitsdauer werden häufig nicht genannt (USDOS 13.4.2016).
Aufgrund des Bürgerkrieges haben in Gebieten, welche von der Opposition kontrolliert werden, Institutionen, die Identitätsdokumente ausstellten, aufgehört zu funktionieren. In Gebieten, welche von der Regierung kontrolliert werden, gibt es diese Institutionen noch, für manche Syrer ist es jedoch unmöglich geworden sie zu erreichen. So können manche Personen Geburten, Eheschließungen oder Todesfälle nicht mehr eintragen lassen, oder sich neue Identitätsdokumente ausstellen lassen. Durch den Bürgerkrieg sind auch die Kontrollmaßnahmen schwächer geworden. So werden "echte" Dokumente mit falschen Namen oder geänderten Informationen ausgestellt. Außerdem werden vermehrt gefälschte Dokumente benutzt (Landinfo 11.11.2016).
2015 schlossen Jordanien und Libanon ihre Grenzen für palästinensische Flüchtlinge aus Syrien, später für Syrer generell (Al Jazeera 23.3.2016). Im Juni 2016 hat die jordanische Regierung den Grenzübergang zu Syrien wegen Sicherheitsbedenken für syrische Flüchtlinge geschlossen und auch die Durchfahrt für Hilfsleistungen gestoppt, nachdem bei einem Selbstmordanschlag in dem Gebiet sieben jordanische Soldaten getötet worden waren. Der IS bekannte sich zu diesem Anschlag und soll auch eines der beiden informellen Zeltlager von Rukban und Haladat auf der syrischen Seite der Grenze infiltriert haben. Seither waren nur Anfang August und Anfang Oktober 2016 Hilfsgüter mit Kränen über den Erdwall an der syrisch-jordanischen Grenze, hinter dem mittlerweile ungefähr 80.000 Syrer in Zelten leben, geliefert worden. Wie viele Menschen tatsächlich in den Lagern leben, wissen internationale Hilfsorganisationen nur von Satellitenbildern (Der Standard 5.10.2016).
Auch die Türkei, welche anfangs noch Millionen Syrer aufnahm, hat mittlerweile die Grenzen de facto geschlossen. Die Südgrenze wurde weitgehend dicht gemacht und die Türkei setzt auf die Versorgung von Flüchtlingen in Nordsyrien (Die Presse 13.3.2016).
Die Grenze zwischen Syrien und dem Irak existiert faktisch nicht mehr. Derzeit ist die Grenze für Flüchtlinge geschlossen (Die Presse 13.3.2016).
Quellen:
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Al Jazeera (23.3.2016): Palestinian Syrians: Twice Refugees, http://www.aljazeera.com/indepth/features/2016/03/palestinian-syrians-refugees-160321055107834.html, Zugriff 11.11.2016
-
BBC News (7.1.2016): Syria conflict: Civilians under Siege, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-35250772, Zugriff 23.11.2016
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Der Standard (5.10.2016): Zehntausende Syrer an Grenze zu Jordanien sollen Hilfe erhalten, http://derstandard.at/2000045391907/Zehntausende-Syrer-an-Grenze-zu-Jordanien-sollen-Hilfe-erhalten, Zugriff 11.11.2016
-
Die Presse (13.3.2016): Syrer können kaum noch in Nachbarländer fliehen,
http://diepresse.com/home/politik/aussenpolitik/4945334/Syrer-konnen-kaum-noch-in-Nachbarlaender-fliehen, Zugriff 11.11.2016
-
FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/468444_de.html, Zugriff 23.11.2016
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Landinfo - Norwegian Country of origin Information Centre (11.11.2016): Syria: Identitetsdokumenter og pass, https://www.ecoi.net/file_upload/1788_1481639462_syr.pdf, Zugriff 4.1.2016
-
UNHCR - UN Human Rights Council (11.2.2016): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic,
http://www.ohchr.org/Documents/HRBodies/HRCouncil/CoISyria/A-HRC-31-68.pdf, Zugriff 23.11.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 23.11.2016
4. Rückkehr
Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 22.11.2016).
Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert (UK HOME 8.2016).
Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen (IRB 19.1.2016).
Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird (UK Home Office 8.2016).
Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (22.11.2016): Syrien: Reisewarnung, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SyrienSicherheit_node.html, Zugriff 22.11.2016
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IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:
Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015),
https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 30.9.2016
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UK HOME - UK Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 22.11.2016
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USDOS - US Department of State (13.04.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016
Risikoprofile (Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung aus November 2015):
Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.
Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.
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palästinensische Flüchtlinge aus Syrien
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Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Identität der beschwerdeführenden Partei gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie auf die im Verfahren vorgelegten Dokumente (Kopie Familienregisterauszug).
Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zur Herkunft und Schulbildung bzw. zum Studium in Syrien ergeben sich teilweise bereits aus den Feststellungen der belangten Behörde sowie aus den in diesen Punkten nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Die Feststellung zum Aufenthaltsort der Familienangehörigen, und dass die beschwerdeführende Partei in Syrien keine Verwandten hat, ergibt sich aus ihren glaubhaften Angaben und aus den entsprechenden Registerauszügen die Verwandten in Österreich betreffend.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der beschwerdeführenden Partei fußt auf dem Strafregisterauszug vom XXXX .2017.
2.3. Die Registrierung der beschwerdeführenden Partei bei UNRWA (Syrien) ergibt sich aus der vorgelegten Kopie der "Family Registration Card".
Dass die beschwerdeführende Partei ihren eigentlichen Wohnsitz im Einsatzgebiet der UNRWA in Aleppo, wo sie laut der vorgelegten Registrierungskarte auch registriert war, aufgrund des Kriegsgeschehens verlassen hat, ergibt sich aus dem glaubhaften Vorbringen.
Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass die staatenlosen palästinensischen Flüchtlinge in Syrien sich, auch auf Wunsch der palästinensischen Führung in Ramallah, lange Zeit aus dem Krieg in Syrien herausgehalten hatten. Spätestens seit die Rebellen in Yarmouk [ein zu einem Stadtteil mutiertes Flüchtlingslager in strategisch wichtiger Lage, das erst belagert wurde und dann zum Kampfgebiet wurde] einzogen, wurden die Palästinenser zwischen den Fronten zerrieben: Die Assad-Gegner beschuldigen sie, hinter dem Assad-Regime zu stehen, da die syrische Regierung den Palästinensern gegenüber immer großzügig gewesen war.
Der andauernde Konflikt in Syrien hat auch schwere Auswirkungen auf die Lage von palästinensischen Flüchtlingen in Syrien. Über 40% der Lager, in denen palästinensische Flüchtlinge lebten, sind vom Konflikt betroffen. Von den zwölf palästinensischen Flüchtlingslagern in Syrien wurden fünf entweder zerstört oder sind für UNRWA unzugänglich, nämlich Ein el-Tal, Daraa, Yarmouk, Sbeineh und Khan Eshieh. 95% der palästinensischen Flüchtlinge sind vollkommen auf die humanitäre Hilfe der UNRWA angewiesen, um zu überleben. Mehr als zwei Drittel der palästinensischen Flüchtlinge wurden intern vertrieben. Zehntausende sind in Gebieten, in denen Kämpfe stattfinden, wie Yarmouk oder Khan Eshieh in Damaskus oder Mzeirib und Jillin in Deraa, eingeschlossen, wodurch ihr Zugang zu humanitärer Hilfe extrem eingeschränkt ist. Sowohl das Regime als auch oppositionelle Gruppierungen belagerten palästinensische Flüchtlingslager und Nachbarschaften in Syrien, was zu Fällen von schwerer Unterernährung und fehlendem Zugang zu medizinischer und humanitärer Versorgung führte. Mittlerweile sind mehr als 110.000 in Syrien geborene Palästinenser aus Syrien geflohen und 450.000 wurden intern vertrieben.
UNRWA beschreibt seine Verantwortlichkeiten in Bezug auf alle bei ihr registrierten Palästina-Flüchtlinge und deren Nachkommen in männlicher Linie innerhalb ihres Mandatsgebiets: "Die Verantwortung von UNRWA ist begrenzt auf die Bereitstellung von Leistungen und Verwalten ihrer Einrichtungen. Weder besitzt noch verwaltet die Agentur die Lager, und sie führt keine polizeilichen Aufgaben durch. Dies ist die Aufgabe der Behörden des Gaststaates."
Die Rückkehrbefürchtungen der beschwerdeführenden Partei in Bezug auf ihre Situation als palästinensischer Flüchtling in Syrien stellen sich daher vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen als plausibel dar.
2.4. Im Lichte dessen muss, wie in der Beschwerde vorgebracht, eine geschlechtsspezifische Gefährdung nicht mehr geprüft werden.
2.5. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die soweit wesentlich oben unter 1.3. wiedergegeben werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Spruchpunkt I.:
3.1. Rechtsgrundlagen
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Gemäß § 6 Abs. 1 AsylG 2005 ist eine Fremde von der Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten unter anderem dann ausgeschlossen, wenn und solange sie Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt (Z 1).
Gemäß Abs. 2 leg.cit. kann, wenn ein Ausschlussgrund nach Abs. 1 vorliegt, der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden. § 8 AsylG 2005 gilt.
Nach Art. 1 Abschnitt D GFK findet das Abkommen auf Personen keine Anwendung, die derzeit von anderen Organen oder Organisationen der Vereinten Nationen als dem Hochkommissär der Vereinten Nationen für Flüchtlinge Schutz oder Hilfe erhalten. Wenn dieser Schutz oder diese Hilfe aus irgendeinem Grunde wegfällt, ohne dass die Stellung dieser Personen gemäß den bezüglichen Beschlüssen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geregelt ist, so werden diese Personen ipso facto der Vorteile dieses Abkommens teilhaftig.
Gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a der Richtlinie 2011/95/EU über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. Nr. L 337 vom 20.12.2011 S. 9 (im Folgenden: Status-RL), ist eine Drittstaatsangehörige oder eine Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen, wenn sie den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Artikel 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Wird ein solcher Schutz oder Beistand aus irgendeinem Grund nicht länger gewährt, ohne dass die Lage der Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, genießt sie ipso facto den Schutz dieser Richtlinie.
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Die beschwerdeführende Partei legte im Verfahren eine Kopie der "Family Registration Card" von UNRWA vor.
Bei UNRWA handelt es sich um eine Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D der GFK, auf den sowohl Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sowie § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 Bezug nehmen. Die Rechtsstellung von Asylwerberinnen, die grundsätzlich dem Schutz einer von Art. 1 Abschnitt D GFK erfassten Organisation unterstehen, unterscheidet sich in folgender Hinsicht von jener anderer Asylwerberinnen: Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL sieht – in Entsprechung des Art. 1 Abschnitt D GFK – einerseits vor, dass Drittstaatsangehörige oder Staatenlose von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen sind, wenn sie unter dem Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen für Flüchtlinge gemäß Art. 1 Abschnitt D GFK stehen. Andererseits genießen vom Anwendungsbereich der genannten Bestimmungen erfasste Personen dann, wenn der Schutz oder Beistand einer solchen Organisation "aus irgendeinem Grund" nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage der Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, "ipso facto" den Schutz der Status-RL bzw. der GFK. Aufgrund dieses in Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL angeordneten "ipso facto"-Schutzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung erfassten Personen auf Antrag den Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn der Beistand einer Organisation der Vereinten Nationen iSd Art. 1 Abschnitt D GFK "aus irgendeinem Grund" wegfällt und keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 76).
Österreich ist seiner Verpflichtung, die Status-RL und damit auch den genannten Art. 12 der Status-RL in innerstaatliches Recht umzusetzen, insoweit nachgekommen, als nach dem in § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 normierten Asylausschlussgrund einer Fremden kein Asyl gewährt werden kann, so lange sie Schutz gemäß Art. 1 Abschnitt D der Genfer Flüchtlingskonvention genießt. Eine ausdrückliche Regelung, die die – in Satz 2 des Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL vorgesehene – "ipso facto"-Zuerkennung von Asyl an Personen, denen gegenüber der Beistand der UNRWA "aus irgendeinem Grund" weggefallen ist, anordnen würde, enthält das AsylG 2005 jedoch nicht. Der "ipso facto"-Schutz bewirkt insofern eine Privilegierung von Personen, die unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind, als diese – im Unterschied zu nicht unter Art. 12 Abs. 1 lit. a der Status-RL fallende Personen – für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft machen müssen, sondern nur darzutun haben, dass sie unter dem Schutz von UNRWA gestanden sind, dass dieser Beistand aus irgendeinem Grund weggefallen ist und dass keiner der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt (vgl. EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 76). Somit dürfte es sich bei dem zweiten Satz des Art. 12 lit. a Status-RL um eine die Einzelne begünstigende unionsrechtliche Regelung handeln, die mangels Umsetzung innerhalb der am 10. Oktober 2006 abgelaufenen Umsetzungsfrist (vgl. Art. 38 Status-RL) unmittelbar anzuwenden sein dürfte (VfGH 12.09.2013, U 1053/2012; 29.06.2013, U 706/2012; 29.06.2013, U 674/2012).
Die dargestellte Judikatur des EuGH und des VfGH erging zwar zur Status-RL 2004/83/EG, welche mittlerweile durch die Status-RL 2011/95/EU neu gefasst wurde, jedoch blieb Art. 12 Abs. 1 lit. a dadurch inhaltlich unverändert, sodass nach wie vor auf die dargestellte Judikatur zurückgegriffen werden kann. Die Verpflichtung zur Umsetzung der inhaltlich unveränderten Bestimmungen in innerstaatliches Recht ergibt sich (gemäß Erwägungsgrund 52 der RL 2011/95/EU) aus der RL 2004/83/EG.
Ausgehend davon ist im Fall der beschwerdeführende Partei, die ihre Registrierung bei UNRWA bescheinigt hat, keine Glaubhaftmachung einer Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen zu prüfen, sondern (lediglich), ob ein Asylausschlussgrund im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 bzw. Art. 1 Abschnitt D der GFK vorliegt oder ob die beschwerdeführende Partei gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. a Status-RL "ipso facto" den Schutz dieser Richtlinie genießt, was wiederum Fragen dahingehend aufwirft, ob die beschwerdeführende Partei unter dem Schutz oder dem Beistand von UNRWA gestanden ist, ob dieser Schutz oder Beistand aus "irgendeinem Grund" weggefallen ist, ohne dass die Lage der Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, und ob einer der in Art. 12 Abs. 1 lit. b oder Abs. 2 und 3 Status-RL genannten Ausschlussgründe vorliegt.
Zunächst ist dazu festzuhalten, dass die Lage der Personen, die den Beistand von UNRWA genießen, bislang nicht endgültig geklärt worden ist (vgl. auch EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a., Rz 54).
Fallbezogen ist weiters aufgrund der Vorlage der UNRWA-Registrierungskarte zugrunde zu legen, dass die beschwerdeführende Partei tatsächlich unter dem Schutz/Beistand von UNRWA gestanden ist (vgl. EuGH 17.06.2010, C-31/09, Bobol, Rdnr. 52, wonach die Registrierung bei der UNRWA ein ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme ihrer Hilfe ist). Allerdings ist diesbezüglich nicht von einer aktuellen ("zurzeit") tatsächlichen Inanspruchnahme der Hilfe/Unterstützung von UNRWA (und daher nicht vom Bestehen eines Asylausschlussgrundes gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 AsylG bzw. Art. 1 Abschnitt D der GFK) auszugehen (vgl. EuGH 17.06.2010, C-31/09, Bobol, wonach die Ausschlussklausel des Art. 1 Abschnitt D der GKF eng auszulegen ist und nicht auch Personen erfassen kann, die berechtigt sind oder waren, den Schutz oder Beistand dieses Hilfswerks in Anspruch zu nehmen).
Es ist daher die Frage von Bedeutung, ob die beschwerdeführende Partei nicht "ipso facto" den Schutz der Status-RL genießt, weil ihr der Beistand von UNRWA zwar in der Vergangenheit gewährt wurde, nunmehr jedoch aus "irgendeinem Grund" iSd Status-RL nicht länger gewährt wird.
Dafür reicht das bloße oder das freiwillige Verlassen des Einsatzgebietes von UNRWA nicht aus, vielmehr muss der Wegzug aus diesem Gebiet durch von der Betroffenen nicht zu kontrollierende und von ihrem Willen unabhängige Gründe, die sie dazu zwingen, dieses Gebiet und den von UNRWA gewährten Beistand zu verlassen, gerechtfertigt sein. Was im Einzelfall die (von den zuständigen nationalen Behörden und Gerichten vorzunehmende) Prüfung der Umstände angeht, die dem Verlassen des Einsatzgebiets von UNRWA zugrunde liegen, muss das Ziel von Art. 1 Abschnitt D der Genfer Konvention, auf den Art. 12 Abs. 1 lit. a dieser Richtlinie verweist, nämlich, die Fortdauer des Schutzes der palästinensischen Flüchtlinge als solche zu gewährleisten, bis ihre Lage gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, berücksichtigt werden. Angesichts dieses Ziels ist ein palästinensischer Flüchtling dann als gezwungen anzusehen, das Einsatzgebiet von UNRWA zu verlassen, wenn er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dieser Organisation unmöglich ist, ihm in diesem Gebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihr übertragenen Aufgabe im Einklang stehen (EuGH 19.12.2012, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a.).
UNHCR führt dazu (unter Hinweis auf die Rechtssache vor dem EuGH, C-364/11, Mostafa Abed El Karem El Kott u.a.) in seiner "Note on UNHCR's Interpretation of Article 1 D of the 1951 Convention relating to the Status of Refugees and Article 12(1)(a) of the EU Qualification Directive in the context of Palestinian refugees seeking international protection" vom Mai 2013 aus, dass es für einen antragstellenden palästinensischen Flüchtling unter anderem dann nicht möglich sein wird, zurückzukehren oder sich unter den Schutz von UNRWA zu stellen, wenn damit eine Bedrohung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit oder der persönlichen Freiheit verbunden wäre, sowie aus anderen ernst zu nehmenden Schutzproblemen, wie beispielsweise bei Vorliegen von bewaffneten Konflikten oder von anderen Gewaltsituationen sowie in Bürgerkriegssituationen.
Im vorliegenden Fall hat die beschwerdeführende Partei das Einsatzgebiet der UNRWA in Aleppo, in dem sie registriert wurde, aufgrund von Kriegshandlungen, der damit einhergehenden wechselnden Fronten und des Krieges verlassen (siehe AS 109).
Fallbezogen hat die belangte Behörde (mit dem in Rechtskraft erwachsenen Spruchpunkt II. des verfahrensgegenständlichen Bescheides) der beschwerdeführenden Partei aber den Status einer subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf – das gesamte Staatsgebiet von – Syrien wegen des Vorliege