TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/8 W175 2010005-2

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Veröffentlicht am 08.01.2018
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Entscheidungsdatum

08.01.2018

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W175 2010005-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX ,

Staatsangehörigkeit: Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zahl: 1009394000/170948460, zu

Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG idgF nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) bracht nach unrechtmäßiger Einreise nach Österreich am 14.08.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) erneut einen Antrag gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (in der Folge: AsylG), ein.

Eine Eurodac-Abfrage ergab, dass der BF am 22.03.2010 in Norwegen, am 25.09.2013 in Schweden, am 01.04.2014 in Österreich, am 16.12.2014 in Italien und am 30.03.2017 in Malta jeweils aufgrund Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz erkennungsdienstlich behandelt wurde.

I.2. Im Rahmen der Erstbefragung am 15.08.2017 gab der BF im Wesentlichen an, dass er sein Heimatland im Jahr 2010 verlassen habe. Er besitze keine Identitätsdokumente. Er sei auf seiner Reise über Libyen illegal nach Italien eingereist und habe sich danach in Norwegen, Schweden, Österreich, Italien und zuletzt in Malta aufgehalten, wobei er in jedem Land einen Antrag auch internationalen Schutz gestellt habe. Alle Verfahren seien negativ entschieden worden. Wenn er Österreich verlassen müsse, werde er es in einem anderen Land wieder versuchen.

Zu Malta gab der BF an. dass er eine Unterkunft gehabt habe, er sei jedoch diskriminiert worden. In Italien sei es schlecht gewesen, in Norwegen und Schweden habe er immer Angst gehabt, abgeschoben zu werden.

Der BF habe in Österreich keine sozialen Beziehungen, er gab keine gesundheitlichen Probleme an.

I.3. Das BFA richtete an Malta am 24.08.2017 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), gestütztes Wiederaufnahmeersuchen betreffend den BF.

I.4. Mit Schreiben vom 14.09.2017 wurde Malta mitgeteilt, dass von einer stillschweigenden Zustimmung gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO ausgegangen werde.

I.5. Anlässlich der Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs am 18.10.2017 gab der BF nach erfolgter Rechtsberatung und im Beisein eines Rechtsberaters in Somalisch befragt im Wesentlichen Folgendes an:

Er habe keine gesundheitlichen Probleme. Er habe in Österreich keine Verwandten und wohne bei Freunden. Er gehe keiner Beschäftigung nach und besuche keine Deutschkurse.

Er habe in Malta bis zur negativen Entscheidung über seinen Asylantrag in einem Lager gewohnt und € 130 pro Monat erhalten. Danach habe man ihn aus dem Lager geworfen. Auf die Frage, was einer Überstellung nach Malta entgegenstünde, gab der BF an, dass er in Malta eine negative Entscheidung bekommen habe.

I.6. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA, EAST-Ost, mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 16.11.2017, übernommen am 26.11.2017, den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und sprach aus, dass Malta für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Die Außerlandesbringung des BF wurde gemäß § 61 Abs. 1 Bundesgesetz über die Ausübung der Fremdenpolizei, die Ausstellung von Dokumenten für Fremde und die Erteilung von Einreisetitel, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF (FPG) ), angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des BF nach Malta gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Dem Bescheid sind aktuelle Feststellungen zu Malta zu entnehmen (Stand: 24.04.2017):

1. Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AI 22.2.2017; vgl. AIDA 2.2017; USDOS 3.3.2017; für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

-

AI – Amnesty International (22.2.2017): Report 2016/2017 – The State of the World¿s Human Rights – Malta, http://www.ecoi.net/local_link/336560/479235_de.html, Zugriff 24.4.2017

-

AIDA – Asylum Information Database (2.2017): ECRE – European Council for Refugees and Exiles / aditus foundation / JRS - Jesuit Refugee Service: Country Report: Malta, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_mt_2016update.pdf, Zugriff 24.4.2017

-

USDOS – US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 – Malta,

http://www.ecoi.net/local_link/337179/479943_de.html, Zugriff 24.4.2017

2. Dublin-Rückkehrer

Wenn ein Antragsteller Malta ohne Erlaubnis verlassen hat, wird sein Asylantrag als implizit zurückgezogen betrachtet. Aufgrund dessen kann es bei Dublin-Rückkehrern nach Malta zu Problemen beim Zugang zum Verfahren kommen und gegebenenfalls die Rückführung in den Herkunftsstaat drohen. Zusätzlich können Rückkehrer wegen der illegalen Ausreise inhaftiert werden und für die Dauer des resultierenden Strafverfahrens (1-2 Monate) inhaftiert bleiben. Die Strafen für die illegale Ausreise reichen von einer Geldstrafe bis zu 2 Jahren Haft. Zugang zu Rechtsberatung ist gegeben. Die Strafzumessung ist schwer vorherzusagen, es gibt auch Fälle von zur Bewährung ausgesetzten Haftstrafen (AIDA 2.2017).

Eine Nachfrage bei den maltesischen Behörden hat jedenfalls ergeben, dass alle Dublin-Rückkehrer Zugang zum Asylverfahren in Malta haben. Rückkehrer mit laufendem Verfahren könnten dieses fortsetzen. Wenn ihr Antrag als implizit zurückgezogen gilt, kann dieser innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens reaktiviert und das Verfahren fortgesetzt werden. Dublin-Rückkehrer haben auch Zugang zu materieller Versorgung und medizinischer Basisversorgung in Malta (MT 9.3.2016; MT 16.3.2016).

Malta macht bei der Bereitstellung von Versorgungsleistungen keinen Unterschied zwischen verschiedenen Verfahrensarten. Alle Antragsteller erhalten dieselbe Versorgung (EASO 2.2016; vgl. AIDA 2.2017). (Für weitere Informationen siehe Kap. 6. Versorgung.)

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (2.2017): ECRE – European Council for Refugees and Exiles / aditus foundation / JRS - Jesuit Refugee Service: Country Report: Malta, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_mt_2016update.pdf, Zugriff 24.4.2017

-

EASO – European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix Report: Reception conditions, per E-Mail

-

MT – Permanent Representation of Malta to the European Union (9.3.2016): Anfragebeantwor-tung, per E-Mail

-

MT – Permanent Representation of Malta to the European Union (16.3.2016): Anfragebeantwortung, per E-Mail

3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

[ ]

4. Non-Refoulement

Folgeanträge haben aufschiebende Wirkung, wenn der Status als AW formell zuerkannt wurde, da dies den Non-Refoulement-Schutz auslöst, welcher allen AW in Malta zukommt (AIDA 2.2017).

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (2.2017): ECRE – European Council for Refugees and Exiles / aditus foundation / JRS - Jesuit Refugee Service: Country Report: Malta, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_mt_2016update.pdf, Zugriff 24.4.2017

5. Versorgung

Im maltesischen Gesetz wird das Recht auf Versorgung nicht vom jeweiligen Verfahren abhängig gemacht. Diese steht AW, die nicht in Haft sind, ab Antragseinbringung ohne Unterschied zu. Auch gibt es keine Bestimmungen zur maximalen Dauer der Versorgung. Lediglich Personen, welche bereits einmal eine offene Unterbringung verlassen haben, dürfen nicht generell damit rechnen wieder untergebracht zu werden, was für Folgeantragsteller ein Problem sein kann. Laut der Agentur für das Wohl der Asylwerber (AWAS) besteht jedoch die Möglichkeit einer erneuten Zulassung zur Unterbringung in den Aufnahmezentren. Obwohl beim diesbezüglichen Entscheidungstreffen keine konkreten formalen Kriterien gibt, genießt dabei Vulnerabilität einen Vorrang (AIDA 2.2017).

Die Versorgung umfasst offene Unterbringung, und ein tägliches Handgeld, welches als zu niedrig kritisiert wird. Die Höhe des Handgelds geht von EUR 2,33 für Kinder unter 17 Jahren, über EUR 2,91 für Dublin-Rückkehrer bis EUR 4,66 für erwachsene AW. Verpflegung und Kleidung können bereitgestellt oder in Form von Bargeld oder Gutscheinen gewährt werden. Diese Beihilfe wird in der Regel für ein Jahr gewährt, aber in bestimmten Fällen abhängig von den individuellen Bedürfnissen und vom Grad der Vulnerabilität kann sie verlängert werden. Es besteht für AW kein Zugang zur staatlichen Sozialhilfe, was ebenfalls kritisiert wird (AIDA 2.2017; vgl. EASO 2.2016).

Malta verfügt über 8 Unterbringungszentren (6 betrieben von AWAS, 2 betrieben von NGOs unter Aufsicht der AWAS). Eines der Zentren dient der Erstaufnahme. Die Erstaufnahme in Malta erfolgt aus Gründen der öffentlichen Gesundheit geschlossen, bis eine medizinische Freigabe erfolgt ist. Die anderen Zentren dienen der permanenten Unterbringung. Die Gesamtkapazität aller Zentren liegt bei 2.200 Plätzen. Dazu kommen rund 400 Plätze in privater Unterbringung (NGOs). Die Bedingungen der offenen Unterbringung unterscheiden sich von Zentrum zu Zentrum und sind generell eher herausfordernd. Die Zentren sind meist abgelegen, die Hygiene ist verbesserungsbedürftig. Ende 2016 waren 673 Personen in offenen Zentren untergebracht, trotzdem soll Überbelegung ein Problem darstellen (AIDA 2.2017; vgl. EASO 2.2016).

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (2.2017): ECRE – European Council for Refugees and Exiles / aditus foundation / JRS - Jesuit Refugee Service: Country Report: Malta, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_mt_2016update.pdf, Zugriff 24.4.2017

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EASO – European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix Report: Reception conditions, per E-Mail

5.1. UMA/Vulnerable

[ ]

5.2. Medizinische Versorgung

AW haben kostenlosen Zugang zu staatlichen Gesundheitsdiensten (AIDA 2.2017; vgl. EASO 2.2016).

Die Sprachbarriere, eingeschränkte Transportmöglichkeiten, etc. wirken jedoch einschränkend auf den Zugang zu medizinischer Versorgung. Es gibt keine spezielle Behandlung von Traumatisierten und Folteropfern, hauptsächlich da hierfür auf Malta die Kapazitäten fehlen. Wenn für Antragsteller die materielle Versorgung – aus welchen Gründen auch immer – reduziert oder gestrichen wird, bleibt der Zugang zu Gesundheitsversorgung bestehen (AIDA 2.2017).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-

AIDA – Asylum Information Database (2.2017): ECRE – European Council for Refugees and Exiles / aditus foundation / JRS - Jesuit Refugee Service: Country Report: Malta, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_mt_2016update.pdf, Zugriff 24.4.2017

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EASO – European Asylum Support Office (2.2016): Quality Matrix Report: Reception conditions, per E-Mail

-

MedCOI – Medical COI (14.12.2016): Anfragebeantwortung, per E-Mail

6. Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte erhalten eine für drei Jahre gültige Aufenthaltsgenehmigung, die verlängerbar ist; ihre Personal- und Reisedokumente (Konventionspass für anerkannte Flüchtlinge; Reisepass für Fremde für subsidiär Schutzberechtigte und Geduldete); und ein Erlaubnis zu einer selbstständigen oder nichtselbstständigen Erwerbstätigkeit. Zu den grundlegenden Sozialleistungen, Integrationspro-grammen, Bildung und Ausbildung sowie zu medizinischer Notversorgung erhalten Schutzberechtigte je nach Status einen unterschiedlichen Zugang. So zum Beispiel Leistungen, die anerkannten Flüchtlingen zukommen, wie Familienzusammenführung, Anspruch auf Sozialwohnungen, erleichterte Erlangung der Staatsbürgerschaft usw., stehen subsidiär Schutzberechtigten und Geduldeten nicht offen (IGM 8.2016; vgl. AWAS 10.2016; AIDA 2.2017).

In der Praxis kann es jedoch bei der Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigungen für viele Schutzberechtigte zu Schwierigkeiten kommen. Die Gründe dafür sind die mangelhafte Vermittlung praktischer Informationen, sehr lange administrative Verzögerungen bei der Bearbeitung der Anträge, belastende Anforderungen und ein negatives Verhalten seitens der Beamten. Ein weiteres Hindernis stellt die lange Wartezeit bei der Ausstellung der Personaldokumente dar. Dies kann sogar mehrere Monate in Anspruch nehmen und während dieser Zeit haben Schutzberechtigte nicht die Möglichkeit, ihre Rechte durchzusetzen (AIDA 2.2017).

Nach Abschluss des Asylverfahrens – egal ob positiv oder negativ – dürfen die Betroffenen im offenen Zentrum bleiben. Dazu sollen sie in der Regel einen einjährigen Vertrag mit dem AWAS unterschreiben, der nach einer individuellen Beurteilung durch einen Sozialarbeiter verlängert werden kann. Schutzberechtigte auf Malta machen vermehrt Gebrauch von ihrem Recht auf Bildung, da NGOs durch ihre Beratungstätigkeit dieses Recht bekannter machen und die zuständigen Behörden dem mit gesteigerter Offenheit gegenüberstehen (AIDA 2.2017). Höhere Bildung ist aber für viele anerkannte Flüchtlinge ohne finanzielle Unterstützung nicht möglich (UN HRC 12.5.2015).

Dem Bericht einer UN-Arbeitsgruppe zufolge sind die Integrationsprogramme für Migranten, Asylwerber und Schutzberechtigte unzureichend. Daneben riet UNHCR zu Vorsicht bei Rückführungen von humanitär Aufenthaltsberechtigten, infolge der Überprüfung des erneuten temporären humanitären Schutzes (THPN) (AI 22.2.2017).

Quellen:

-

AI – Amnesty International (22.2.2017): Report 2016/2017 – The State of the World¿s Human Rights – Malta, http://www.ecoi.net/local_link/336560/479235_de.html, Zugriff 24.4.2017

-

AIDA – Asylum Information Database (2.2017): ECRE – European Council for Refugees and Exiles / aditus foundation / JRS - Jesuit Refugee Service: Country Report: Malta, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_mt_2016update.pdf, Zugriff 24.4.2017

-

AWAS – Agency for the Welfare of Asylum Seekers (10.2016): Booklet for asylum seekers,

http://homeaffairs.gov.mt/en/MHAS-Departments/awas/Documents/AWAS_Booklet_Oct_16.pdf, Zugriff 24.4.2017

-

IGM – Integration – Government of Malta (8.2016): Humanitarian Protection,

https://integration.gov.mt/en/ResidenceAndVisas/Pages/Humanitarian-Other-Reasons.aspx, Zugriff 24.4.2017

-

UN HRC – United Nations Human Rights Council (12.5.2015): Report by the Special Rapporteur on the human rights of migrants, François Crépeau; Addendum; Mission to Malta (6-10 December 2014), http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1434008373_a-hrc-29-36-add-3-en.doc, Zugriff 24.4.2017

Beweiswürdigend wurde im Bescheid hervorgehoben, dass die Identität des BF mangels unbedenklicher Dokumente nicht feststehe. Schwere lebensbedrohliche Krankheiten, die in Malta nicht behandelbar wären, wurden vom BF weder behauptet noch belegt.

Der BF habe keine sozialen, beruflichen oder sonstigen Beziehungen zu Österreich.

Aus den Länderfeststellungen zu Malta ergebe sich, dass die allgemeine Lage für nach Malta überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßende Behandlung erkennen lasse. Die Grundversorgung beziehungsweise die medizinische Notversorgung für Asylwerber sei in Malta jedenfalls gewährleistet.

In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben.

Zudem hätten sich keine Hinweise ergeben, dass durch die Außerlandesbringung unzulässigerweise in das Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens eingegriffen werden würde.

Es gäbe auch keine Gründe, die Durchführung der Entscheidung gemäß § 61 Abs. 3 FPG aufzuschieben.

I.8. Mit 26.11.2017 stellte das BFA dem BF gemäß § 52 Abs. 1 Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF (BFA-VG), einen Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) amtswegig zur Seite.

I.9. Mit 18.12.2017 (Poststempel) brachte der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein, mit dem der Bescheid gesamtinhaltlich wegen Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten wurde.

Der BF bemängelte, dass das BFA auf die massiven Mängel des maltesischen Asylverfahrens oder die aktuellen Ereignisse nicht eingegangen sei, ohne dies zu konkretisieren. Der BF habe in seiner Aussage deutlich gemacht, inwieweit er einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt gewesen sei. Die "Beschwerdeführerin" habe konkrete Anhaltspunkte geliefert, die an einer menschenrechtskonformen Behandlung zweifeln ließen, zumal "er" auch starke integrative Anhaltspunkte in Österreich habe. Beides wurde nicht näher erläutert. Der BF habe Angaben gemacht, die eine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 2 und 3 EMRK indizieren. Dies wurde nicht näher ausgeführt. Beantragt werde eine konkrete Anfrage an die Staatendokumentation im Hinblick auf das persönliche Vorbringen des BF. Der BF habe besondere Gründe glaubhaft gemacht, die für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Malta sprechen würden. Die beantragten Beweise würden dies noch weiter untermauern. In der Beschwerde wurden in Folge keine Beweise beantragt. Der BF habe in Österreich Ruhe gefunden und große Anstrengungen hinsichtlich der Integration unternommen. Dies wurde nicht konkretisiert. Er habe sich bemüht, die deutsche Sprache zu lernen und habe intensive soziale - nicht näher angeführte - Kontakte in Österreich. Das Vorbringen des BF entspreche der Wahrheit, sei glaubwürdig, gründlich substantiiert und in sich konsistent.

I.10. Die Beschwerdevorlage an die zuständige Gerichtsabteilung des BVwG iSd § 16 Abs. 4 BFA-VG erfolgte am 05.01.2017.

II. Das BVwG hat erwogen:

II.1. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch Einsicht in:

-

den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschrift der Erstbefragung am 15.08.2017, die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA am 18.10.2017 sowie die Beschwerde vom 18.12.2017

-

aktenkundliche Dokumentationsquellen betreffend Malta im angefochtenen Bescheid.

II.2. Feststellungen:

II.2.1. Der BF gibt an, somalischer Staatsangehöriger und volljährig zu sein.

II.2.2. Der BF reiste zuletzt unrechtmäßig nach Österreich ein, wo er am 14.08.2017 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz einbrachte. Der vorhergehende Antrag vom 30.03.2014 war im Jahr 2014 rechtskräftig als unzulässig zurückgewiesen worden. Der BF stellte überdies Anträge auf internationalen Schutz in Norwegen, Schweden, Italien und Malta.

II.2.3. Am 24.08.2017 richtete das BFA aufgrund der Angaben des BF und des Eurodac-Treffers zu Malta ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO an Malta, das dem Ersuchen stillschweigend zustimmte.

II.2.4. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Überstellung nach Malta Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

II.2.5. Der BF leidet an keinen akut lebensbedrohenden Krankheiten.

II.2.6. Der BF hat keine sozialen, beruflichen, familiären oder sonstigen Beziehungen zu Österreich konkret angeführt oder glaubhaft gemacht.

II.3. Beweiswürdigung:

II.3.1. Die Feststellungen zum Reiseweg des BF, zu seinen Antragstellungen sowie zu seinen persönlichen Verhältnissen ergeben sich im Speziellen aus dem eigenen Vorbringen in Zusammenhang mit der vorliegenden Aktenlage. Die Feststellungen zum Verfahrensstand in Malta ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere aus der stillschweigenden Zustimmung Maltas. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde vom BF kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren (siehe Punkt II. 3.3.3.). Eine den BF konkret treffende Bedrohungssituation in Malta wurde nicht glaubhaft vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen in Punkt II. 3.3.2.).

II.3.2. Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat ergibt sich aus den umfangreichen und durch ausreichend aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, die auf alle entscheidungswesentlichen Fragen eingehen (siehe auch die Erwägungen unter II.3.3.2.).

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

II.3.1. Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 24/2016 anzuwenden.

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuwiesen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzuhalten, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

und in den Fällen der Z1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war.

2: das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, indem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4 a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. (2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Art 49 der VO 604/2013 lautet auszugsweise:

Artikel 49

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt — ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung — für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003.

Vor dem Hintergrund, dass die Verordnung 604/2013 am 29.06.2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, der BF am 14.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, sowie das Wiederaufnahmeersuchen an Malta nach dem 01.01.2014 gestellt und beantwortet wurde, ist gegenständlich primär die VO 604/2013 (Dublin-III-VO) anwendbar.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin-III-Verordnung lauten:

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Dublin-III-Verordnung prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen eines Mitgliedstaats stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-Verordnung normiert, dass sich für den Fall, dass sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen lässt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde für dessen Prüfung zuständig ist.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedsstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass die Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtscharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedsstaat oder an den ersten Mitgliedsstaats, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

Gemäß Art 3 Abs. 3 der Dublin-III-Verordnung behält jeder Mitgliedstaat das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

In Kapitel 3 beziehungsweise den Artikeln 7 ff der Dublin-III-VO werden die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats sowie deren Rangfolge aufgezählt.

Art. 13 Abs. 1 Dublin-Verordnung lautet: "Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Art. 22 Abs. 3 genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Asylbewerber aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts."

Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO lautet:

"(1) Abweichend von Art. 3 Abs. 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Art. 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt."

Gemäß Art. 18 Abs. 1 ist der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrages in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Art. 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

Gemäß Art. 18 Abs. 2 der Dublin-III-VO prüft der zuständige Mitgliedstaat in allen dem Anwendungsbereich des Abs. 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Abs. 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückgezogen hat, bevor eine Entscheidung in der Sache in erster Instanz ergangen ist, stellt dieser Mitgliedstaat sicher, dass der Antragsteller berechtigt ist, zu beantragen, dass die Prüfung seines Antrages abgeschlossen wird, oder einen neuen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, der nicht als Folgeantrag im Sinne der Richtlinie 2013/32/EU behandelt wird. In diesen Fällen gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Prüfung des Antrags abgeschlossen wird.

In den in den Anwendungsbereich des Abs. 1 Buchstabe d fallenden Fällen, in denen der Antrag nur in erster Instanz abgelehnt worden ist, stellt der zuständige Mitgliedstaat sicher, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat oder hatte, einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Artikel 46 der Richtlinie 2013/32/EU einzulegen.

Art. 22 Abs. 1, Abs. 6 und Abs. 7 Dublin III-VO lauten:

"(1) Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.

...

(6) Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren gemäß Art. 21 Abs. 2, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. In derartigen Fällen muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Entscheidung, die Antwort zu einem späteren Zeitpunkt zu erteilen, dem ersuchenden Mitgliedstaat innerhalb der ursprünglich gesetzten Frist mitteilen.

(7) Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Abs. 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Abs. 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen."

II.3.2. Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens pflichtet das BVwG der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Maltas ergibt. Dies folgt aus den Regelungen des Art. 13 Abs. 1 iVm Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin-III-VO. Dass das Verfahren in Malta abgeschlossen ist, konnte der BF nicht glaubhaft machen, da Malta stillschweigend nach Art. 18 Abs. 1 lit b Dublin III-VO zustimmte und der BF lediglich den Verfahrensabschluss behauptete, jedoch in keinem Stadium des Verfahrens irgendwelche Unterlagen zu seinem Verfahren vorlegte, die die Vermutung nahelegen könnten, dass die Antwort Maltas nicht den Tatsachen entspräche.

In einem Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 18 Dublin-III-Verordnung ist primär zu überprüfen, ob die Zuständigkeit inzwischen erloschen ist (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin III-Verordnung, K6 zu Art. 18). Es ist allerdings eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.06.2012, U 462/12); dies nunmehr unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12; Shamso Abdullahi/Österreich.

Im vorliegenden Fall gibt es für die mögliche Zuständigkeit eines anderen/weiteren Mitgliedsstaates als Malta keine Anhaltspunkte. Die nunmehr im Wiederaufnahmeverfahren bekräftigte Zuständigkeit Maltas erweist sich materiell jedenfalls gestützt auf die vorangegangene Asylantragstellung in der Europäischen Union in Malta. Für ein Erlöschen der Zuständigkeit liegen keine Anhaltspunkte vor. Ein diesbezügliches Vorbringen wurde nicht erstattet.

II.3.3. Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre:

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11, Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

Somit ist unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und – soweit damit noch notwendig und vereinbar - aus menschenrechtlichen Erwägungen, ob der BF im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung nach Malta gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation - in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würden, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist, wie ihn EGMR und VfGH auslegen.

Im Einzelnen war unter diesen Prämissen wie folgt zu erwägen:

II.3.3.1. Mögliche Verletzung des Art. 7 GRC beziehungsweise des Art. 8 EMRK:

Laut Angaben des BF vor dem BFA hat er keine familiären Beziehungen zu Österreich. Er wohne bei Freunden. Näheres gab der BF weder vor dem BFA noch in der Beschwerde an, sodass auch unter Berücksichtigung der kurzen Aufenthaltsdauer nicht von einer besonders intensiven Freundschaft oder gar einem Abhängigkeitsverhältnis ausgegangen werden konnte. Der BF gab vor dem BFA an, keine Deutschkurse zu besuchen und keiner beruflichen Beschäftigung nachzugehen. Die gegenteiligen, unbelegten und nicht konkretisierten Angaben in der Beschwerde waren aufgrund ihres inhaltsleeren Charakters unbeachtlich.

Es kann daher nicht von einem so schwerwiegenden Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF ausgegangen werden, dass er einen unzulässigen Eingriff in Art. 8 EMRK darstellt.

Folglich würde die Überstellung des BF nach Malta weder Art. 16 VO 604/2013 noch einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens bedeuten.

II.3.3.2. Kritik am deutschen Asylwesen/der Situation in Malta:

Relevant wären im vorliegenden Zusammenhang schon bei einer Grobprüfung erkennbare grundsätzliche schwerwiegende Defizite im Asylverfahren des zuständigen Mitgliedstaates (also etwa:

grundsätzliche Ablehnung aller Asylanträge oder solcher bestimmter Staatsangehöriger oder Angehöriger bestimmter Ethnien; kein Schutz vor Verfolgung "Dritter", kein Rechtsmittelverfahren).

Solche schwerwiegenden Mängel (die bei einem Mitgliedstaat der Europäischen Union nicht vorausgesetzt werden können, sondern zunächst einmal mit einer aktuellen individualisierten Darlegung des Antragstellers plausibel zu machen sind, dies im Sinne der Regelung des § 5 Abs. 3 AsylG) sind schon auf Basis der Feststellungen de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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