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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
BFA-VG 2014 §18 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, in der Revisionssache des H A in G, vertreten durch Mag. Jochen Eberhardt, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Elisabethstraße 50b, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. August 2017, L515 2166616-1/5Z, betreffend Abweisung einer Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach dem BFA-VG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber ist irakischer Staatsangehöriger und stellte am 20. Juni 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 21. Juni 2017 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkte I. und II.). Das BFA sprach aus, dass der Revisionswerber gemäß § 13 Abs. 2 Z 3 AsylG 2005 sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 9. Juli 2016 verloren habe (Spruchpunkt III.). Das BFA erteilte keine Aufenthaltsberechtigung aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen den Revisionswerber gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) eine Rückkehrentscheidung und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt IV.). Zudem erließ die Behörde gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und stellte gleichzeitig den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. August 2017 sprach das Bundesverwaltungsgericht dem Wortlaut des Spruchs nach aus, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt werde. Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.
5 Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesverwaltungsgericht dahingehend, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, ausgesprochen habe, das Bundesverwaltungsgericht habe keinen Beschluss zu fassen, wenn es nach der Aktenvorlage durch die belangte Behörde zur Auffassung gelange, dass einer Beschwerde, welcher die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG aberkannt worden sei, gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen sei. Daran anschließend führte das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus (sprachliche Fehler im Original):
"Im Beschluss vom 19.6.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024-4 gelangte der Verwaltungsgerichtshof zur gegenteiligen Auffassung und ging davon aus, dass auch dann, wenn das ho. Gericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung, welche seitens der belangten Behörde gem. §§ 18 Abs. 1 BFA-VG aberkannt wurde, gem. Abs. 5 leg. cit. förmlich (und somit mit Beschluss) nicht zuzuerkennen ist."
6 Mit Beschluss vom 26. September 2017 gab das Bundesverwaltungsgericht dem Antrag des Revisionswerbers auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer Revision gegen den angefochtenen Beschluss statt.
7 Mit Erkenntnis vom 25. Oktober 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid des BFA vom 21. Juni 2017 gemäß "§§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, §§ 13, 57 AsylG 2005, BGBl. I 100/2005 idgF, § 10 AsylG iVm § 9 BFA-VG BGBl I Nr. 87/2012 idgF und §§ 46, 52 Abs. 2 und 9, 53 55 FPG BGBl 100/2005 idgF" als unbegründet ab. Darüber hinaus wies es unter einem den Antrag des Revisionswerbers, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, mit Beschluss als unzulässig zurück. Diese Entscheidung wurde der für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht bevollmächtigten Rechtsvertretung des Revisionswerbers am 27. Oktober 2017 zugestellt.
8 Die vorliegende Revision gegen den angefochtenen Beschluss vom 8. August 2017 wurde am 6. November 2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.
9 Mit Beschluss vom 8. November 2017 wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag des Revisionswerbers, der vorliegenden Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 30 Abs. 2 in Verbindung mit § 30a Abs. 3 VwGG als unzulässig zurück. In der Folge legte das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof die Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens vor.
10 Die Revision erweist sich aus den im Nachstehenden dargelegten Gründen als nicht zulässig:
11 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
12 Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.
14 Vorauszuschicken ist, dass im Rahmen einer Gesamtbetrachtung und insbesondere im Hinblick auf den Beschluss vom 25. Oktober 2017 (betreffend die Zurückweisung des zusätzlichen Antrags des Revisionswerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung) davon auszugehen ist, dass das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 8. August 2017 ungeachtet der missverständlichen Formulierung seines Spruchs und ungeachtet der fehlenden inhaltlichen Bezugnahme auf die Beschwerde nicht über den zusätzlichen (unzulässigen) Antrag des Revisionswerbers auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, sondern über dessen (zulässige) Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (siehe Spruchpunkt VI. des Bescheides des BFA) abgesprochen hat.
15 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn dieser Bestimmung begrenzt (vgl. z.B. VwGH 14.4.2016, Ro 2016/11/0011; 30.6.2015, Ro 2015/03/0021).
16 Unter diesem Gesichtspunkt ist zunächst betreffend die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Bundesverwaltungsgericht, wonach im Hinblick auf die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, sowie vom 19. Juni 2017, Fr 2017/19/0023, divergierende Rechtsprechung bestehe, festzuhalten, dass dies nicht zutrifft.
17 Vielmehr beruht der zuletzt genannte Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 2017 auf den im Beschluss vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, getroffenen Aussagen, wonach das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde förmlich (d.h. hier mit Erkenntnis; siehe VwGH 19.10.2017, Ra 2017/18/0278) zu entscheiden hat. Dies gilt, wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 19. Juni 2017, Fr 2017/19/0023, festhielt, auch dann, wenn das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren betreffend die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch die Behörde die Ansicht vertritt, die aufschiebende Wirkung sei der Beschwerde nicht zuzuerkennen.
18 Die der vorliegenden Revision sowie dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Juni 2017, Fr 2017/19/0023, zugrundeliegenden Konstellationen sind entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht mit jenen Fällen (siehe das dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. September 2016, Fr 2016/01/0014, zugrundeliegende Ausgangsverfahren) zu vergleichen, in denen das Bundesverwaltungsgericht allein über einen (zusätzlichen unzulässigen) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG innerhalb der (allgemeinen) sechsmonatigen Entscheidungsfrist nach § 34 Abs. 1 VwGVG zu entscheiden hat (siehe zu dem Ganzen auch VwGH 27.6.2017, Fr 2017/18/0022; 20.9.2017, Ra 2017/19/0284).
19 Anders als das Bundesverwaltungsgericht meint, ist die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht uneinheitlich. Das Verwaltungsgericht hat daher in der Begründung seines Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht aufgezeigt.
20 Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 11.10.2017, Ro 2016/11/0014) hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die betreffende Rechtssache bezogen für jede von ihr - hinausgehend über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes - als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierte Rechtsfrage konkret aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der die Lösung der Revision abhängt.
21 Die vorliegende Revision schließt sich der Zulässigkeitsbegründung des Bundesverwaltungsgerichtes an und beruft sich zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Sinn der soeben unter Rn. 20 dargestellten Rechtsprechung ergänzend darauf, dass eine Rechtsfrage "erheblicher Bedeutung" insofern vorliege, als sich die Frage stelle, wie konkret das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung "abzuführen" und welche Ermittlungsergebnisse es dabei zu berücksichtigen habe.
22 Dieses - auf das Vorliegen eines Begründungsmangels abzielende - Vorbringen lässt die Darstellung einer fallbezogenen Relevanz nicht erkennen und ist daher schon deshalb nicht geeignet darzulegen, inwiefern das Schicksal der Revision von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge (vgl. im Übrigen betreffend § 18 Abs. 5 BFA-VG und die Verpflichtung des Verwaltungsgerichtes zur gesetzmäßigen Begründung seiner Entscheidungen sowie zur Erhebung aller zur Klarstellung des Sachverhalts erforderlichen Beweise VwGH 20.9.2017, Ra 2017/19/0284; 19.10.2017, Ra 2017/18/0278).
23 Soweit die Revision eine "noch nicht hinreichend geklärte" Rechtsfrage darin erblickt, dass die Parameter für die Prognose im Sinn des § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG zu definieren seien und das Bundesverwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe, dass der Revisionswerber infolge seiner Anhaltung in Strafhaft keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, ist ihr zu entgegnen, dass die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung ist (VwGH 13.9.2016, Fr 2016/01/0014). Dabei ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Revision nicht ersichtlich, dass die vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführte Interessenabwägung nicht in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden wäre (siehe zudem zur Prognose betreffend das Erfordernis der sofortigen Ausreise, welche im Fall von Strafhaft bezogen auf den Zeitpunkt der Entlassung zu erfolgen hat, nach der mit § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG im Wesentlichen vergleichbaren Bestimmung des § 57 Abs. 1 Z 1 FPG in der Fassung des FrÄG 2011 VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237).
24 Im Übrigen erweist sich die Revision auch insofern als unzulässig, als bereits zum Zeitpunkt ihrer Erhebung das Rechtsschutzinteresse des Revisionswerbers infolge Erledigung seiner Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2017 weggefallen war (vgl. VwGH 30.6.2016, Ro 2016/21/0008; 18.12.2015, Ra 2015/02/0190).
25 Aus den dargelegten Gründen ist die Revision wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung geeignet. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 13. Dezember 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RO2017190003.J00Im RIS seit
16.01.2018Zuletzt aktualisiert am
10.07.2018