TE OGH 2017/11/29 7Ob177/17f

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Veröffentlicht am 29.11.2017
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** K*****, vertreten durch Blum, Hagen & Partner Rechtsanwälte GmbH in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. Stadt D*****, und 2. G***** Aktiengesellschaft, *****, beide vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn,

und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Parteien V***** mit beschränkter Haftung, *****, vertreten durch Dr. Michael Brandauer, LL.M., Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen 44.654,20 EUR und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2016, GZ 2 R 140/16d-64, womit das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 27. Juli 2016, GZ 4 Cg 121/15i-58, hinsichtlich der zweitbeklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden hinsichtlich der zweitbeklagten Partei aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht

zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger zog sich am 2. 7. 2012 um ca 00:15 Uhr durch eine zerbrechende Flasche eine 8 cm lange Schnittwunde im Bereich der linken Hohlhand, die vom Daumenballen bis in die Zwischenfingerfalte von Daumen und Zeigefinger reichte, zu. Die entstandene Narbe hat eine Länge von 8 cm. Bei dem Unfall wurde der Mittelnerv (Nervus medianus) durchtrennt, was dazu führte, dass der Kläger im Daumen, im Zeige- und im Mittelfinger nichts mehr spürte.

Die Erstversorgung erfolgte mittels Verbandsanlage durch die Rettung, die den Kläger in das Krankenhaus D***** brachte, wo er in der Nacht in der Unfallambulanz behandelt wurde. Nachdem der Arzt die Wunde gereinigt und inspiziert hatte, wobei sich für ihn keine Verletzungen tieferer Strukturen zeigten, erfolgte der Wundverschluss mit 13 Einzelknopfnähten. Der Arzt bemerkte die Verletzung des Mittelnervs nicht. Der Kläger suchte in der Folge zwei andere – von der Nebenintervenientin betriebene – Krankenhäuser zur weiteren Behandlung auf.

Die Erstbeklagte ist Betreiberin des Krankenhauses D*****, die Zweitbeklagte ist deren Haftpflichtversicherer.

Der Kläger nimmt die beiden Beklagten nach Schadenersatzrecht auf Zahlung von 44.654,20 EUR (im Einzelnen begehrt er – näher aufgeschlüsselt – Schmerzengeld, Ersatz für Haushaltshilfe, Fahrtkosten, Verdienstentgang sowie pauschale Unkosten) samt Zinsen und Feststellung von deren Haftung für sämtliche zukünftigen Schäden aus einer seinem Standpunkt nach nicht lege artis durchgeführten Behandlung vom 2. 7. 2012 im Krankenhaus D*****, die Zweitbeklagte jedoch nur bis zur Höhe der Haftungssumme aufgrund des Versicherungsvertrags, in Anspruch.

Die Beklagten und die Nebenintervenientin bestritten die Berechtigung der Klage dem Grunde und der Höhe nach und beantragten ihre Abweisung. Sie wandten zudem ein, dass der Kläger im Zuge der Weiterbehandlung in den anderen Krankenhäusern jedenfalls so rechtzeitig von dem dringenden Verdacht einer Verletzung des Mittelnervs erfahren habe, dass die Behandlung der Nervverletzung genauso gut wie am 2. 7. 2012 möglich gewesen wäre. Der Kläger habe sich selbstbestimmt jeglicher Behandlung der Nervverletzung entzogen und damit eine die Haftung der Beklagten zur Gänze ausschließende Verletzung seiner Schadensminderungspflicht zu verantworten.

Das Erstgericht wies die Klage nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruchs ab. Es traf über den eingangs wiedergegebenen – unstrittigen – Sachverhalt hinausgehend Feststellungen, die es im Wesentlichen dahingehend rechtlich beurteilte, dass am 2. 7. 2012 ein Behandlungsfehler erfolgt sei, der Kläger am 4. 7. 2012 hinreichend über den bestehenden Verdacht einer Verletzung des Mittelnervs und deren dringliche Behandlung aufgeklärt worden sei und er schuldhaft unterlassen habe, sich in dem einen oder anderen Krankenhaus entsprechend behandeln zu lassen. Für sein eigenverantwortliches Handeln seien die Beklagten nicht zur Verantwortung zu ziehen.

Das Berufungsgericht hob hinsichtlich der Erstbeklagten das Urteil wegen Begründungsmängeln, Widersprüchen innerhalb der Feststellungen und sekundären Feststellungsmängeln auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Hinsichtlich der Zweitbeklagten bestätigte es hingegen (allein) aus der rechtlichen Überlegung, dass für ein direktes Klagerecht des Geschädigten gegenüber dem Haftpflichtversicherer des Krankenhausträgers keine gesetzliche Grundlage vorhanden sei, das Ersturteil. Zwar habe die Zweitbeklagte nicht eingewendet, nicht passivlegitimiert zu sein, die Frage der Passivlegitimation sei aber vom Berufungsgericht, zumal es wegen der vom Kläger erhobenen Rechtsrüge zu einer allumfassenden rechtlichen Beurteilung berufen sei, von Amts wegen zu prüfen. § 52d ÄrzteG sähe für freiberufliche ärztliche Tätigkeit die Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung und die Möglichkeit vor, dass der geschädigte Dritte seinen Schadenersatzanspruch auch direkt gegen den Versicherer geltend mache. Im vorliegenden Fall nehme der Kläger aber nicht einen freiberuflich tätigen Arzt, sondern einen Krankenhausträger in Anspruch, auf den § 52d ÄrzteG nicht anzuwenden sei. Ein Direktanspruch des Klägers gegen die Zweitbeklagte bestehe daher nicht.

In seiner wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen außerordentlichen Revision beantragt der Kläger die Aufhebung des Teilurteils und die Zurückverweisung der Rechtssache (auch) in Hinsicht auf die Zweitbeklagte zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht, hilfsweise das Urteil im Sinne einer vollinhaltlichen Stattgebung der Klage hinsichtlich der Zweitbeklagten abzuändern.

Die Zweitbeklagte und die Nebenintervenientin beantragen in ihren freigestellten Revisionsbeantwortungen, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig. Sie ist auch berechtigt.

1. Mit dem Bundesgesetz zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung (BGBl I 2010/61) wurden in mehreren Gesetzen des Gesundheitswesens Verpflichtungen zum Abschluss von Haftpflichtversicherungen aufgenommen, und zwar in § 52d ÄrzteG, § 26c ZahnärzteG und § 5c KaKUG.

2. Nach Abs 1 des unter der Überschrift „Berufshaftpflichtversicherung“ stehenden § 52d ÄrzteG darf eine freiberufliche ärztliche Tätigkeit erst nach Abschluss und Nachweis einer Berufshaftpflichtversicherung bei einem zum Geschäftsbetrieb in Österreich berechtigten Versicherer aufgenommen werden. Nach Abs 4 leg cit ist das Bestehen eines entsprechenden Versicherungsverhältnisses der Österreichischen Ärztekammer im Zuge der Eintragung in die Ärzteliste sowie jederzeit auf Verlangen nachzuweisen. Nach Abs 6 leg cit kann der geschädigte Dritte den ihm zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrags auch gegen den Versicherer geltend machen, wobei der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherte als Gesamtschuldner haften.

Der Gesetzgeber wollte durch die Direktklage des Geschädigten gegen den Versicherer nach dem Vorbild des § 26 KHVG dem Geschädigten die Durchsetzung seiner Ansprüche erleichtern (ErläutRV 779 BlgNR 24. GP 22).

Der Anwendungsbereich des § 52d ÄrzteG ist – wie aus seinen Absätzen 1 und 2 ersichtlich – auf die freiberufliche ärztliche Tätigkeit begrenzt, erfasst demnach jedenfalls nicht die – hier vorliegende – Behandlung eines Patienten in der Unfallambulanz einer Krankenanstalt (vgl ErläutRV 779 BlgNR 24. GP 22; Wallner, Handbuch Ärztliches Berufsrecht [2011] 25 f; ders in Gmundner Kommentar zum Gesundheitsrecht [2016] § 52d ÄrzteG Rz 1 f; Nigl, Arzthaftung3 [2017] 199). Folglich ist aus § 52d ÄrzteG für den Kläger in Bezug auf die Passivlegitimation der Zweitbeklagten nichts zu gewinnen.

3. Der eingeschränkte Anwendungsbereich von § 52d ÄrzteG erklärt sich daraus, dass die Versicherungspflicht von Krankenanstalten in § 5c Abs 1 Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) und in den Krankenanstaltengesetzen der Länder geregelt wird (zur Parallelität der Regelungen ErläutRV 779 BlgNR 24. GP 28 und Wallner in Gmundner Kommentar § 52d ÄrzteG Rz 2).

3.1. Nach § 5c Abs 1 KAKuG hat die Landesgesetzgebung vorzusehen, dass Krankenanstalten, die nicht durch eine Gebietskörperschaft, eine sonstige Körperschaft öffentlichen Rechts oder durch eine juristische Person, die im Eigentum einer Gebietskörperschaft oder Körperschaft öffentlichen Rechts stehen, betrieben werden, zur Deckung der aus ihrer Tätigkeit entstehenden Schadenersatzansprüche eine Haftpflichtversicherung abzuschließen haben. Bei Krankenanstalten, die durch eine juristische Person, die im Eigentum einer Gebietskörperschaft oder Körperschaft öffentlichen Rechts stehen, betrieben werden, besteht ein haftungsrechtlicher Durchgriff zur Gebietskörperschaft oder Körperschaft öffentlichen Rechts, sofern keine Haftpflichtversicherung besteht. Nach Abs 3 leg cit kann der geschädigte Dritte den ihm zustehenden Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrags auch gegen den Versicherer geltend machen, wobei der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherte als Gesamtschuldner haften.

3.2. Aus einem Umkehrschluss aus § 5c Abs 1 KAKuG ergibt sich, dass für Krankenanstalten der öffentlichen Hand keine Versicherungspflicht besteht (vgl Jesser-Huß in Resch/Wallner, Handbuch Medizinrecht2 [2015] Kap IV Rz 5). Dass allein „private“ (Fitsch, Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkung ... fragen Sie Ihren Haftpflichtversicherer – Bundesgesetz zur Stärkung der ambulanten öffentlichen Gesundheitsversorgung [BGBl I 2010/61] aus der Sicht der Haftpflichtversicherung, VR 2011, 22 [bei und in FN 1]) Krankenanstalten im Sinne des Abs 1 der Versicherungspflicht unterliegen, erklärt sich daraus, dass bei einer Krankenanstalt, die durch eine juristische Person betrieben wird, hinter der die öffentliche Hand steht, eine ausreichende Absicherung betroffener Patienten im Hinblick auf den hinter der Krankenanstalt stehenden öffentlichen Träger gewährleistet ist (ErläutRV 779 BlgNR 24. GP 28 f). Gleiches gilt, wenn eine Gebietskörperschaft – wie offenbar die hier erstbeklagte Stadt – ohne Zwischenschaltung einer juristischen Person unmittelbar eine Krankenanstalt betreibt (Nigl, Arzthaftung3 201).

3.3. Die Materialien begründen den in § 5c Abs 3 KAKuG verankerten Direktanspruch mit der Überlegung, dass das versicherte Risiko typischerweise nicht den Versicherungsnehmer, sondern einen Dritten (den Patienten) trifft, weshalb die Möglichkeit einer Direktklage des Geschädigten gegen den Versicherer verankert werden soll, um dem Geschädigten so die Durchsetzung seiner Ansprüche zu erleichtern (ErläutRV 779 BlgNR 24. GP 29). Ob dies für alle für eine Krankenanstalt abgeschlossenen Haftpflichtversicherungen gilt, ist den Materialien nicht direkt zu entnehmen. Aus seinem Zusammenhang mit Abs 1 könnte gefolgert werden, dass Abs 3 nur solche Haftpflichtversicherungen vor Augen hat, welche für „private“ Krankenanstalten – und damit obligatorisch – abgeschlossen wurden (vgl Nigl, Arzthaftung3 202). Andererseits würde der Wortlaut des Abs 3 sehr wohl eine Direktklage bei einer Haftpflichtversicherung tragen, die freiwillig für eine „nicht private“ Krankenanstalt abgeschlossen wurde.

3.4. § 5c KAKuG hat wie § 52d ÄrzteG (und auch § 26c ZahnärzteG) letztlich wie dargelegt die Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zum Vorbild (Häusler in Aigner/Klete?ka/Klete?ka-Pulker/Memmer, Handbuch Medizinrecht [2016] II/88). Im Kraftfahrzeugbereich sind zwar nach § 59 Abs 2 KFG Fahrzeuge der öffentlichen Hand von der Versicherungspflicht ausgenommen, nach ständiger Rechtsprechung besteht bei freiwillig erfolgtem Abschluss einer Haftpflichtversicherung für ein solches Fahrzeug gleichwohl ein direkter Anspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer (RIS-Justiz RS0065592; Salficky, Prozessuale Aspekte der Kfz-Haftpflichtversicherung, ZVR 2015, 456 [457] mwH). Aufgrund der Vorbildfunktion der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung (auch) für die Direktklage nach § 5c Abs 3 KAKuG ist daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese nicht nur bei für „private“ Krankenanstalten obligatorisch abgeschlossenen, sondern auch bei für „nicht private“ Krankenanstalten freiwillig abgeschlossenen Haftpflichtversicherungen ermöglichen wollte.

3.5. Dagegen spricht auch nicht die Entscheidung 7 Ob 104/14s. Der Senat hielt damals die genannte Rechtsprechung aus dem Bereich der Kraftfahrzeughaftpflicht nur deshalb nicht für auf den damaligen Zahnarzthaftungsfall übertragbar, weil zum Zeitpunkt der Schädigung (noch) keine Verpflichtung zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung für Zahnärzte und damit auch keine Ausnahme von einer solchen Verpflichtung bestanden hatte. Im hier zu beurteilenden Fall stand die Bestimmung des § 5c Abs 1 KAKuG über die Haftpflichtversicherungspflicht privater Krankenanstalten bzw die diese Bestimmung in das Vlbg Landesrecht umsetzende Gesetzesvorschrift (zu dieser siehe sogleich) und die sich hieraus im Umkehrschluss ergebende Ausnahme nicht privater Krankenanstalten von der Versicherungspflicht am Tag der Erstuntersuchung des Klägers bereits lange in Geltung.

4. § 5c Abs 3 KAKuG ist ein Grundsatzgesetz im Sinne des Art 12 Abs 1 B-VG (Stöger in Gmundner Kommentar § 5c KAKuG Rz 2; siehe dazu auch ders, Ausgewählte öffentlich-rechtliche Fragestellungen des österreichischen Krankenanstaltenrechts [2008] 440 ff). Grundsatzgesetzliche Regelungen richten sich bloß an den Gesetzgeber und sind daher selbst dann nicht unmittelbar anwendbar, wenn sie in inhaltlicher Hinsicht einer unmittelbaren Vollziehung zugänglich sind (vgl RIS-Justiz RS0053271; RS0053296 [T3]; RS0053281 [T1 und T2]). Der Direktanspruch des Klägers muss sich deshalb auf die landesgesetzlichen Ausführungsbestimmungen stützen.

4.1. Nach Abs 1 des unter der Überschrift „Haftpflichtversicherung, Haftung“ stehenden, durch die Novelle LGBl 2011/27 in das Vlbg SpitalG (LGBl 2005/54) eingefügten § 28a müssen Krankenanstalten, die nicht durch eine oder mehrere Gebietskörperschaften, eine oder mehrere sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts oder durch eine juristische Person, die im Eigentum einer oder mehrerer Gebietskörperschaften oder einer oder mehrerer Körperschaften öffentlichen Rechts steht, betrieben werden, zur Deckung der aus ihrer Tätigkeit entstehenden Schadenersatzansprüche eine Haftpflichtversicherung bei einem zum Geschäftsbetrieb in Österreich berechtigten Versicherer abschließen. Abs 2 leg cit sieht vor, dass bei Krankenanstalten, die durch eine juristische Person, die im Eigentum einer oder mehrerer Gebietskörperschaften oder einer oder mehrerer Körperschaften des öffentlichen Rechts steht, betrieben werden, ein haftungsrechtlicher Durchgriff zu den Gebietskörperschaften oder Körperschaften des öffentlichen Rechts möglich ist, sofern keine Haftpflichtversicherung besteht. Nach Abs 4 leg cit kann der geschädigte Dritte seinen Schadenersatzanspruch im Rahmen des betreffenden Versicherungsvertrags auch gegen den Versicherer geltend machen, wobei der Versicherer und der ersatzpflichtige Versicherte als Gesamtschuldner haften.

4.2. Damit liegt in Bezug auf die Direktklage keine Abweichung des Vlbg SpitalG von der Systematik des KAKuG als Grundsatzgesetz vor. Auch der Landesgesetzgeber wollte dem Geschädigten die Durchsetzung seiner Ansprüche erleichtern (ErläutRV 30/2011, zitiert nach Sohm/Wieser in Radner/Haslinger/Radner, Krankenanstaltenrecht [2016], Anm zu § 28a Vlbg SpitalG). Auch im Bereich des Vlbg SpitalG ist es dem Patienten daher möglich, sowohl bei einer obligatorisch als auch bei einer freiwillig für eine Krankenanstalt abgeschlossenen Haftpflichtversicherung den Versicherer unmittelbar in Haftung zu ziehen.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist daher die Passivlegitimation der Zweitbeklagten, die diese auch zutreffend im erstinstanzlichen Verfahren (wohl aber in der Revisionsbeantwortung) nicht bestritten hat, zu bejahen.

4.3. Für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen maßgebend, weshalb sich eine unrichtige rechtliche Qualifikation dann nicht zum Nachteil des Klägers auswirkt, wenn er alle anspruchsbegründenden Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt hat (RIS-Justiz RS0037610 [T5, T15, T37]). Da der Kläger vortrug und unter Beweis stellte, dass die Zweitbeklagte Haftpflichtversicherer der Erstbeklagten ist, schadet ihm entgegen der Ansicht in der Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin folglich nicht, dass er sich nominell allein auf die Bestimmung des § 52d Abs 6 ÄrzteG statt richtigerweise auf § 5c Abs 3 KAKuG und § 28a Abs 4 Vlbg SpitalG berief.

5. Da das Berufungsgericht einzig wegen (rechtsirriger) Verneinung ihrer Passivlegitimation das Ersturteil nicht auch hinsichtlich der Zweitbeklagten aufgehoben hat, ist die Rechtssache nun auch insoweit an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückzuverweisen.

6. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E120356

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00177.17F.1129.000

Im RIS seit

16.01.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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