TE Vwgh Erkenntnis 2000/6/8 99/20/0092

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Veröffentlicht am 08.06.2000
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, über die Beschwerde des CM in M, geboren am 26. Jänner 1977, vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Walfischgasse 11, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 4. September 1998, Zl. 203.543/0-XII/36/98, betreffend Abweisung eines Asylantrages gemäß § 7 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Kamerun, reiste am 8. Mai 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 11. Mai 1998 Asyl. Als Fluchtgrund machte er geltend, er sei von seinen Heimatbehörden am 15. Mai 1997 für 6 Tage und am 20. Oktober 1997 für 10 Tage inhaftiert worden, um ihn unter Androhung von Gewalt zu zwingen, die - ihm gar nicht bekannten - Namen von Studentenführern preiszugeben.

Mit Bescheid vom 22. Mai 1998 wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und sprach aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kamerun gemäß § 8 AsylG zulässig sei. Die Angaben des Beschwerdeführers seien zwar glaubhaft, könnten jedoch weder eine asylrelevante Verfolgungsgefahr noch eine Gefährdung im Sinne des § 57 Abs. 1 und 2 FrG verwirklichen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, den "Studenten" (somit auch ihm selbst) sei die Teilnahme an Demonstrationen und Unruhen vorgeworfen worden. Er sei nicht nur deshalb angehalten und bedroht worden, weil man von ihm die Namen der Verantwortlichen wissen wollte, sondern schon aus dem Grund, dass er Student war. Ihm sei bei seiner ersten Festnahme vorgeworfen worden, gegen das Regime des Präsidenten Paul Biyar zu sein.

Zur Darlegung der Intensität der Verfolgung fasste der Beschwerdeführer die Ereignisse wie folgt zusammen:

"Ich wurde in der Nacht verhaftet.

Ich wurde mit dem Tod bedroht.

Ich wurde täglich morgens verhört und es wurde dabei eine Waffe auf mich gerichtet.

Ich bekam auf mein Verlangen kein Wasser.

Ich wurde nach meiner Entlassung immer wieder krank vor Angst. Auch die zweite Verhaftung fand in der Nacht statt.

Mir wurde angedroht, man würde meine Zeugnisse vernichten; dann wurde mir wieder angedroht, man würde mich umbringen.

Mein Zimmer wurde verwüstet, alle Papiere verbrannt, auch meine Zeugnisse, mein Studentenausweis wurde zerrissen. (Der erste Teil der Drohung wurde also wahrgemacht).

Der Umstand, dass man meinem Transport mitten im Busch anhielt und mich aussteigen ließ, war für mich äußerst bedrohlich und ließ nicht auf ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren schließen.

Dazu kam der warnende Hinweis, dass ich nur noch 'kurze Zeit zum Nachdenken' hätte."

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dieser Berufung teilweise Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid dahin bestätigt, dass der Asylantrag gemäß § 7 AsylG abgewiesen werde, und dahin abgeändert, dass festgestellt wurde, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Kamerun sei nicht zulässig.

Die belangte Behörde stellt Folgendes fest:

"In der Nacht vom 14. auf den 15.5.1997 drang eine Einheit des GMI (groupement mobil d'intervention), eine Sondereinheit der Polizei, in das Gelände der Universität ein. Dies stand im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Parlamentswahlen, wobei den Studenten von staatlicher Seite die Teilnahme an Demonstrationen vorgeworfen wurde und weiters der Vorwurf erhoben wurde, dass die Studenten von den politischen Parteien manipuliert seien. Um 4.00 Uhr in der Früh betraten drei uniformierte Soldaten das Zimmer des Asylwerbers. Der Asylwerber wurde dann zur Geheimpolizei gebracht und wurde ihm dort Fragen über Personen gestellt, die für die Organisation der angeblich von den Studenten verursachten Unruhen verantwortlich seien. Der Asylwerber antwortete, dass er darüber nichts wisse. Er wurde der Lüge bezichtigt, da es nicht möglich sei, im Universitätsgelände zu wohnen und die Personen nicht zu kennen. Der Asylwerber gab an, dass er nie einer politischen Partei angehört habe, ebenso wenig einer Revolutions- oder Forderungsgruppierung. Dem Asylwerber wurde vorgeworfen, gegen das Regime des Präsidenten Paul BIYA zu sein. Am 21.5.1997 wurde der Asylwerber enthaftet. Seine Befragungen haben täglich in der Früh stattgefunden, es wurden immer wieder die gleichen Fragen gestellt und er wurde mit dem Umbringen bedroht. Er wurde nicht misshandelt, man richtete aber hin und wieder Waffen auf ihn und bedrohte ihn.

In der Nacht vom 20. auf den 21.10.1997 drangen neuerlich Soldaten des GMI in das Zimmer des Asylwerbers ein, wobei dieser verhaftet und sein Zimmer total zerstört wurde. Diese Ereignisse standen im Zusammenhang mit der bevorstehenden Parlamentswahl. Die Soldaten brachten den Asylwerber in den Busch, andere Soldaten durchsuchten das Zimmer. Im Busch hielten die Soldaten das Fahrzeug an und man fragte den Asylweber, ober er sich in den Studentenorganisationen betätige, was dieser verneinte. Daraufhin wurde dieser aufgefordert, nicht zu lügen, da man in seinem Zimmer sicher Unterlagen darüber finden werde. Man sagte ihm, dass er nur kurze Zeit zum Nachdenken habe. Dann wurde er wieder zur Geheimpolizei gefahren. Dort angekommen, wurden ihm bereits die Sachen aus seinem Zimmer vorgelegt. Diese Gegenstände wurden vor ihm durchsucht, wobei nichts Verdächtiges gefunden wurde. Es wurde wieder der Vorwurf gegen ihn erhoben, wie es möglich sei an der Universität zu leben, ohne die Verantwortlichen für die Unruhen zu kennen. Danach wurde der Asylwerber in eine Zelle gebracht, wo er bis Ende Oktober 1997 inhaftiert war. In dieser Zeit sollte er die Verantwortlichen der Unruhen bekannt geben. Man sagte zu ihm, dass er sofort enthaftet würde, wenn er die Namen nennen würde. Man drohte ihm, alle Sachen einschließlich seiner Zeugnisse zu vernichten, wenn er nichts sagen würde. Er wurde immer wieder bedroht, getötet zu werden. Wenn er nach Wasser verlangte, wurde zu ihm gesagt, dass er die Informationen bekannt geben müsse. Am letzten Tag des Oktober 1997 wurde der Asylwerber aus der Zelle geholt und man wies ihn darauf hin, dass es sich um eine bloß vorläufige Enthaftung handle. Seine Papiere und Zeugnisse wurden beschlagnahmt. In sein Zimmer in der Universität zurückgekehrt, sah er den zerrissenen Studentenausweis und verbrannte Papierreste am Boden liegen. In der Folge gelang dem Asylwerber über Südafrika, wo er ca. sechs Monate aufhältig war, die Flucht nach Österreich. Der Asylwerber war niemals Mitglied einer politischen Partei und war auch nicht politisch tätig.

Der Asylwerber fürchtet im Falle seiner Rückkehr weitere Menschenrechtsverletzungen, insbesondere fürchtet er, getötet zu werden, da er nur vorläufig enthaftet worden sei, was bedeute, dass er weiterhin gesucht werde."

Es lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor - so heißt es im angefochtenen Bescheid weiter -, dass dem Beschwerdeführer von staatlicher Seite eine regimefeindliche politische Gesinnung unterstellt worden sei. Zwar sei einzuräumen, dass ihm bei seiner ersten Verhaftung im Mai 1997 unter anderem vorgeworfen worden sei, gegen den Präsidenten eingestellt zu sein. Allerdings ergebe sich aus dem gesamten Vorbringen doch mit hinreichender Deutlichkeit, dass es den Sicherheitskräften daran gelegen gewesen sei, die Uhrheber der Studentendemonstrationen auszuforschen und dass die gegen den Asylwerber gerichteten Maßnahmen primär diesem Zweck dienten. Dem Beschwerdeführer sei niemals konkret der Vorwurf gemacht worden, regimefeindliche Äußerungen zu tätigen oder in sonstiger Weise eine politische Gesinnung zum Ausdruck zu bringen. Demnach könne aber auch keine Verfolgung wegen der politischen Gesinnung des Asylwerbers vorliegen. Für einen der sonstigen in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe finde sich ebenfalls kein hinreichender Anhaltspunkt.

Gegen den den Asylantrag abweisenden Teil dieses Bescheides richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten durch die belangte Behörde in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung wirft die Beschwerde der belangten Behörde vor, übersehen zu haben, dass im Heimatland des Beschwerdeführers für bestimmte Bevölkerungsschichten in jeweils unterschiedlichem Ausmaß eine ganz konkrete Gefahr der Verfolgung einhergehen könne und im Fall des Beschwerdeführers auch tatsächlich einhergehe. Diese konkrete Verfolgungsgefahr sei durch die Familienherkunft des Beschwerdeführers bedingt. Der Beschwerdeführer gehöre dem Stamme der Bamileke an. Es handle sich dabei um eine ethnische Minderheit in Kamerun, die laufenden Repressalien ausgesetzt sei. Der Vater des Beschwerdeführers habe im Jahr 1955 nach China fliehen müssen, weil er damals Mitglied der UPC-Partei gewesen sei. Nach seiner Rückkehr 1970 nach Kamerun habe sein Vater in der Regierung gearbeitet. Im Zuge der Revolution von 1990 sei sein Vater grundlos in Haft genommen worden. Diese Familienverhältnisse seien dem Beschwerdeführer anlässlich seiner Verhaftung 1997 vorgehalten worden. Der Beschwerdeführer habe seine familiäre Herkunft im erstinstanzlichen Verfahren zwar erwähnt, die Behörde sei jedoch darauf nicht eingegangen und habe so gegen ihre Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung der materiellen Wahrheit verstoßen. Die Notwendigkeit weiterer Feststellungen ergebe sich auch daraus, dass die Schwester des Beschwerdeführers im Oktober 1998 versucht habe, den gemeinsamen Vater nach acht Jahren erstmals im Gefängnis zu besuchen. Dabei sei sie verhaftet und durch Schläge so schwer verletzt worden, dass sie nach drei Tagen an inneren Blutungen verstorben sei.

Dieses neue Vorbringen des Beschwerdeführers kann wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geltenden Neuerungsverbotes (§ 41 Abs. 1 VwGG) nicht berücksichtigt werden. Eine Bedrohung auf Grund seiner Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Bamileke hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nie erwähnt. Die behauptete Tötung der Schwester des Beschwerdeführers anlässlich eines Besuches bei ihrem verhafteten Vater hat sich nach dem nunmehrigen Vorbringen überhaupt erst nach dem Abschluss des Berufungsverfahrens ereignet und kann schon aus diesem Grund nicht einbezogen werden.

Die belangte Behörde hatte auch keine Veranlassung, der nebenbei geäußerten und nicht weiter konkretisierten Bemerkung des Beschwerdeführers am Ende seiner Vernehmung vor dem Bundesasylamt am 13. Mai 1998, sein Vater sei "1990 unter ähnlichen Umständen verschwunden", nachzugehen und eigenständige Ermittlungen in die Richtung der nunmehr vorgebrachten Neuerungen anzustellen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 AsylG bestimmt wohl, dass die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Die belangte Behörde war aber auf Grund der genannten unbestimmten Bemerkung nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1999, Zl. 99/01/0280).

Im Übrigen kann der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde, dass in den Verhaftungen und Verhören des Beschwerdeführers und in den gegen ihn gerichteten Einschüchterungsversuchen und Drohungen keine asylrelevante Verfolgung liege, nicht entgegen getreten werden, weil die Maßnahmen lediglich darauf gerichtet waren, die Urheber von Studentendemonstrationen und von Unruhen auszuforschen. Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG zu Grunde liegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgungsgefahr ist die wohlbegründete und objektiv nachvollziehbare Furcht vor einem asylrelevant motivierten ungerechtfertigter Eingriff in die persönliche Sphäre des Beschwerdeführers von so erheblicher Intensität, dass es ihm unzumutbar ist, den Schutz seines Heimatstaates in Anspruch zu nehmen. Der Beschwerdeführer selbst hatte aber - außer dem Umstand, dass er auch Student war - mit den Gesuchten nichts zu tun und war damit nicht selbst das Ziel einer asylrelevant motivierten Verfolgung. Aus seinen Angaben lässt sich auch nicht konkret ableiten, dass ihm selbst eine regimefeindliche Gesinnung unterstellt worden und er deshalb den Maßnahmen der Sicherheitsorgane ausgesetzt gewesen wäre. Der gegen ihn zunächst nur allgemein geäußerte Verdacht einer oppositionellen Gesinnung stand ausschließlich mit seinem Aufenthaltsort in der Universität in Verbindung, ohne dass ihm eine organisatorische Beteiligung an den Unruhen vorgeworfen worden wäre. Die dem Heimatstaat zuzurechnenden rechtswidrigen Verhöre und Drohungen zum Zwecke der Informationsbeschaffung können ohne das Hinzutreten weiterer Voraussetzungen keinen Anspruch auf Asylgewährung begründen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 25. März 1999, Zl. 98/20/0327, vom 6. März 1996, Zl. 95/20/0130, und vom 23. Mai 1995, Zl. 94/20/0801).

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes

nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 und 7 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 8. Juni 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999200092.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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